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Schöner leben mit Hartz IV

hartz

01. August 2013 Leben mit Hartz macht glücklich. Zu dieser Auffassung müssen die Leser des comicartig gestalteten Ratgebers des Jobcenters im südholsteinischen Pinneberg kommen. Das rund 100 Seiten starke Heft zeigt am Beispiel der fiktiven vierköpfigen Familie Fischer nicht nur, wie man die karge Stütze vom Amt erhält und wie man mit ihr über die Runden kommt - nein, es zeigt auch, welche neuen Lebenerfahrungen man als Hartz IV-Bezieher sammeln kann.

Willkommen in der schönen neuen Welt der Hartzer! Durchblättert man als Unbeteilgter den Comic, so entwickelt man unwillkürlich fast so etwas wie Neid, nicht zu diesem Personenkreis dazu zu gehören, bei so vielen aktiven und frohgelaunt dreinblickenden Personen, die das Heft bevölkern. Und auftretende Probleme werden natürlich schnell und unkompliziert gelöst: So verlangt das Jobcenter zwar von den Fischers, in eine kleinere Wohnung umzuziehen – aber kein Problem: Mama Sylvia "streicht für ihr Leben gern", und Papa Kurt freut sich auch, denn die neue Wohnung ist zwar kleiner, hat aber einen Garten: "Ich wollte ja schon immer eigenes Gemüse anbauen." Als die Familie beschließt, beim Essen zumindest vorübergehend auf Fleisch zu verzichten, um Geld zu sparen, freut sich die Tochter: "Ich will sowieso Vegetarierin werden." Na prima – ohne Hartz IV hätte das wohl nicht so schnell geklappt. Und auch das öde ziellose Rumgesurfe im Internet hat ein Ende. Aktives Handeln im Internet ist angesagt. So verkaufen die Fischers einfach zwei elf Jahre alte Möbelstücke für 350 Euro. Die passten ohnehin nicht mehr in die kleinere Wohnung rein. Der Erlös der Auktion ist zudem "unschädlich", d.h. er wird nicht einmal auf die Bezüge angerechnet.
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Und sollten doch Lücken in der Wohnung entstanden sein, kann man diese dann mit Trödel aus einem Sozialkaufhaus auffüllen. Ein paar Adressen werden da praktischerweise in der Broschüre gleich mitgeliefert. Und die Sparfüchse vom Pinneberger Jobcenter haben weitere innovative Vorschläge parat. So heißt es vor dem Weg in den Super- markt achtsam sein: "Gehen Sie nie hungrig einkaufen. Denn dann landen meist mehr Lebensmittel in Ihrem Einkaufswagen, als Sie zeitnah verbrauchen können." Man erfährt bei dieser Gelegenheit auch, dass Leitungswasser nicht nur billiger ist, sondern "oft eine bessere Qualität hat als Mineralwasser" oder andere Getränke.

Doch wie das mit bunten, fröhlichen und optimistischen Publikationen häufig der Fall ist: Nicht alle angesprochenen Leser verstehen sie richtig und können damit etwas anfangen – so sollen sich manche sogar "veräppelt" vorgekommen sein. Naja, halb so schlimm: "Wenn einige Dinge nicht so rüber gekommen sind, wie es geplant war, werden wir dem bei einer neuen Version des Ratgebers Rechnung tragen." Die Beispiele seien bewusst plakativ gehalten worden, erklärte ein Sprecher des Kreises Pinneberg. So hatte unter anderem das Erwerbslosen-Forum Deutschland die Broschüre kritisiert, weil damit Hartz IV-Empfänger geradezu verhöhnt würden,. Hartz IV lasse sich nicht "mit dümmlichen Spartipps" bewältigen, weil damit kein menschenwürdiges Existenzminimum gesichert werde.

Legendär waren seinerzeit schon die Überlebenstricks, die Berlins Exfinanzsenator Thilo Sarrazin von Hartz IV Betroffenen gab: Mit knapp vier Euro pro Tag könne man gut auskommen, rechnete er 2008 vor und empfahl u. a. ein entsprechendes Menü. Gegen hohe Heizkosten helfe es, die Zimmertemperatur zu drosseln und einen Pullover anzuziehen. Sarrazins praxisnahe Vorschläge wurden seinerzeit von vielen als zynisch empfunden, sorgten für allerhand Empörung, gerieten aber alsbald in Vergessenheit. Das Jobcenter Pinneberg hat sich nun fünf Jahre später offensichtlich seiner erinnert.

Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping kommentierte die Tipps in der Broschüre mit den Worten: „Was ist nur los in diesem Land? Nicht die Reichen sollen ihre Jachten, sondern die Armen ihre Möbel verkaufen? Unglaublich!“

text: gst

Aktuelle Grundrechtsreform im Jahre 10 nach Hartz

Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Außer er ist Hartz-IV-Empfänger. Die Antastbarkeit der Würde von Hartz-IV-Empfängern ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Werner Lutz

   

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