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Das Global Economic Symposium

Neoliberalismus und Thinktanks

01.02.2011 In seinem Buch „Kleine Geschichte des Neoliberalismus“ beschreibt David Harvey, unter welchen Bedingungen der Neoliberalismus zur dominierenden Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie werden konnte. Die Anfänge gehen auf das Jahr 1938 zurück, als sich in Paris einige Ökonomen trafen, um eine Sonderform des Wirtschaftsliberalismus zu etablieren; sie sahen sich als Neoliberale.

Erfolgreicher war dann ein solcher Zusammenschluss nach dem Kriege, als Friedrich v. Hayek mit einigen Gesinnungsgenossen, unter ihnen der US-Amerikaner Milton Friedman, die Mont-Pèlerin-Gesellschaft in der Schweiz bei Davos etablierte. Das war 1947. Diese Gesellschaft war von dem Glauben an die reinen Marktprinzipien der neoklassischen Ökonomie beseelt und stand in scharfem Gegensatz zu den vorherrschenden Theorien des Staatsinterventionismus, wie sie vor allem John M. Keynes vertrat.  Aus dieser kleinen randständigen Gesellschaft sollte dann in den nächsten Jahrzehnten die wohl einflussreichste Denkschule (Thinktank) radikal liberaler Wirtschafts- und Gesellschaftstheoretiker werden. Und heute pilgert die internationale MachtElite der Bänker, Manager, Ökonomen und Politiker nach Davos, um sich und ihresgleichen zu treffen und auszutauschen. Mittlerweile geht die Zahl vergleichbarer Thinktanks in die Hunderte, und der eingangs erwähnte Harvey kann in seiner Studie überzeugend nachweisen, dass diese Netzwerkbildung mit zum Erfolg des Neoliberalismus beigetragen hat. Sicherlich war der Erfolg nicht ohne konkrete Politik möglich: Genannt seien hier der Thatcherismus in GB, die Reaganomics in den USA, das Engagement der Chicago Boys unter M. Friedman während der Militärdiktatur in Chile unter Pinochet und nicht zuletzt das Blair-Schröder-Papier, das die neoliberale Wende in der SPD einleitete.

Was hat das mit dem GES zu tun?

Vom 2. bis 4. Oktober findet das Globla Economic Syposium dieses Jahr in Kiel statt. Auch dieses Ereignis, dessen englische Bezeichnung sich schlicht als Fachtagung übersetzen ließe, aber vielleicht auch manche an den fast gleichnamigen Dialog Platons (Symposion=“Zusammentrinken“, Gastmahl) erinnern wird, auch dieses Ereignis gehört in die Klasse der Thinktanks und ist über die Unterorganisationen, Stiftungen und die Teilnehmer mit anderen neoliberalen vernetzt. 2008 fand das GES erstmals in Plön statt, und zwar im Schloss hoch über der Stadt. Als Organisatoren zeichnen das Kieler Institut für Weltwirtschaft und das Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr Schleswig-Holstein, Hauptsponsor war 2008 und 2009 Fielmann, der ja sein Schloss in Plön für die Tagung zur Verfügung stellte. Eine Auswahl weiterer Sponsoren: Deutsche Bank, Axel Springer, Wintershall, VW usw. 2010 trat der Hauptsponsor Fielmann zurück, so dass das GES reorganisiert werden musste. Tagungsort wird Kiel im jährlichen Wechsel mit einer anderen Ort, die immer im Ausland liegen soll. 2010 war es Istanbul. Dahinter scheint ein Konzept zu stehen, das offenbar auf den Leiter des Instituts für Weltwirtschaft, Dennis Snower, der gleichzeitig die Leitung des GES inne hat, zurückgeht: Die Öffnung der EU nach Osten, um die Türkei zu integrieren. Das spiegelt sich auch in der Liste der Sponsoren wider, die um einige große türkische Firmen erweitert wurde. Übrigens taucht auf der Sponsoren-Liste 2010 erstmals auch der französische Konzern Veolia auf, der gerade dabei ist, ein Verbot des Films „Water makes money“ zu bewirken. Die Kieler Landesregierung unterstützt das GES mit einem Betrag in Höhe von 500.000 Euro, was angesichts des geplanten Sparhaushalts und der vielen Kürzungen im sozialen Bereich nachdenklich macht. Warum müssen die Steuergelder noch diesen Konzernen in den Rachen geschoben werden.

Die Struktur des GES

Das GES versteht sich als Prozess, das heißt, es findet ein ganzjähriger Austausch der Teilnehmer, des Beirats, des Freundeskreises etc. über das Internet statt; ein Austausch, der intern bleibt. An zwei Tagen öffnet sich das GES für die Medien, die geladenen Gäste und die etwa 300 Akteure, und das ist das Symposium, das vom 2.-4. Oktober 2011 in Kiel stattfindet. Die Teilnehmer- und Gästeliste der letzten Jahre kann man im Internet nachlesen. Auf einen Nenner gebracht: Es sind Leute, die einen Nobelpreis haben, in Harvard lehren, wirtschaftliche und / oder gesellschaftliche Macht ausüben.

Was geschieht im Oktober 2011 in Kiel?

Das Symposium gliedert sich in vier Themenbereiche und diese wiederum in einzelne Sitzungen. In diesen werden nach dem eigenen Anspruch strategische Antworten zu den Problemen dieser Welt gesucht. Oder anders formuliert: Diejenigen, die für den Zustand der Welt verantwortlich sind, geben sich hier als Problemlöser aus. Die gefundenen Antworten werden dann in Papieren und im Internet veröffentlich, wobei man an einer Breitenwirkung nicht interessiert zu sein scheint. Denn Konferenz- und Publikationssprache ist Englisch. Bei der Lektüre und Übersetzung merkt man, dass die Texte auch in Englisch gedacht sind, es ist ein Business-Englisch, das den Publikationen internationaler Konzerne bis in den Formulierungen hinein gleicht und einige Anforderungen an die Englischkenntnisse stellt. Die Problemlösungen für unsere Welt gliedern sich in Herausforderungen (eine präzise Problembeschreibung als Themenvorgabe) und Lösungsvorschläge (das sind die Beiträge der Referenten in Kurzform). Die Themenkomplexe, die sich jedes Jahr so wiederholen, beziehen sich auf die globale Ökonomie, Gesellschaft, Politik und Umwelt. Die einzelnen Sitzungen sind thematisch an die gesellschaftliche und politische Entwicklung angepasst und gehen auf aktuelle Probleme ein. Wer meint, dass diese Themen ideologielastig formuliert sind, der irrt. Sie kommen problembewusst und einsichtsvoll daher, zwei Beispiele:

Reinventing Education: Erziehung weiterentwickeln, das ist eine Formulierung, der jeder zustimmen könnte. Gibt man diesen Titel bei Google ein, dann sind die ersten drei Einträge von IBM. Dieser Konzern verfolgt ein groß angelegtes Erziehungsprogramm unter diesem Namen. Auch die anderen Titel der Sessions sind häufig nichts anderes als Schlüsselwörter der business-language und führen mit einiger Zuverlässigkeit auf die Homepages von Konzernen, Instituten oder Verlagen.

Zweites Beispiel: Virtual Water Trade. Handel mit virtuellem Wasser? Was verbirgt sich hinter dieser Formulierung? Das gibt bei Google etwa 691.000 Einträge und dürfte das ganz große Geschäft der Zukunft sein, wenn es in die Hände derer käme, die sich im Oktober in Kiel so intensiv um die Probleme dieser Welt kümmern wollen.

(Bernd Zöllner)

ATTAC Kiel plant eine Gegenveranstaltung vor Beginn des GES vom 30.9.-2.10. in Kiel durchzuführen, um die neoliberalen Interessen des Instituts offenzulegen und alternative Wirtschaftsformen und Vorschläge zu erarbeiten. Hierzu  wird angestrebt, ein Bündnis zu bilden und kritische Referenten zu globalen und regionalen Themen nach Kiel zu holen. (uws)

 ges-gaertnerkonzerne

GES: Vom Bock zum Gärtner

Die Themen des GES 2011:

The Global Economy

• Neugestaltung der Haushaltskonsolidierung und des Schuldenmanagements

• Die Ökonomie und Psychologie der Errichtung nachhaltiger Finanzsysteme

• Umgang mit systemischen Risiken

•  Erziehung weiterentwickeln

• Zugang zu Innovationen und Wissen

•  Projekte:  Ausführung der Millenium-Entwicklungsziele

 The Global Society

• Ethische Prinzipien, Vertrauen und Altruismus in Gesellschaft und Geschäft

•  Migration, Integration und Identität

• Die Armen versichern

• Die Zukunft des sozialen Unternehmertums

•  Sich der Herausforderung alternder Gesellschaften stellen

The Global Polity

•       Wiederbelebung der Koordination von Umtauschkursen und globale Ungleichgewichte

•       Strukturen zur Kontrolle des Internets

•       Identifzierung und Vermeidung größerer möglicher Konfikte

•       Wie man von wirkungsvolle Multilateralismus lernt

•       Arbeitsgruppe zur Errichtung von Staaten (nation buildung?) und Märkten

The Global Environment

•       Die Anpassung an den Klimawandel in der sich entwickelnden Welt organisieren

•       Wie man mit dem Wettlauf um landwirtschaftliche Nutzung umgeht

•       Wasserknappheit und virtueller Wasserhandel

•       Reduktion der Folgen der Wasser- und Abfallwirtschaft der Megastädte

•       Projekte: Erfolgreiche Anpassung an den Klimawandel

Weitere Infos zum GES:

www.global-economic-symposium.org