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Deutschland und die COP30:

Neue Gaskraftwerke und CCS statt Klimaschutz

Wenn diese LinX im Briefkasten liegt, ist im brasilianischen Belém die diesjährige UN-Klimakonferenz, die COP30, schon zu Ende, doch bei Redaktionsschluss lagen noch keine Ergebnisse vor. Allzu viel wird nicht herausgekommen sein. Dafür sorgten unter anderem rund 1.600 Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie – das größte Delegiertenkontingent dieser Art, das je auf einer UN-Klimakonferenz gesehen wurde. 600 von ihnen waren sogar Teil von Regierungsdelegationen und saßen so direkt mit am Verhandlungstisch und nicht nur in der Lobby vor den Konferenzräumen.

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Bild: Indigener Protest auf der COP30 in Brasilien

Bemerkenswert immerhin, dass sich Brasiliens Indigene nicht so recht mit ihrer Rolle als Staffage in einem Schmierentheater simulierter Partizipation zufriedengeben wollten. Stattdessen stürmten sie medienwirksam den Tagungsort, wirbelten ihn etwas durcheinander und machten für einen Augenblick klar, wie unendlich weit weg die alljährlichen UN-Klimakonferenzen von den Nöten der Menschen sind, denen der Wald zerstört wird, denen Klimawandel-verstärkte Hurrikane und Taifune die Häuser wegreißen, denen viel zu warme Meere die Korallenriffe und damit die Fischgründe abtöten.

Seit 30 Jahren finden diese Konferenzen nun statt, oft im November, manchmal auch erst im Dezember. Über internationalen Klimaschutz wird sogar schon seit Ende der 1980er Jahre verhandelt. Dabei geht es meist darum, wann und wie viel die reichen Länder zahlen, um den Ländern des Südens bei der Anpassung zu helfen, und natürlich darum, wer wann und wie viel seiner Treibhausgasemissionen reduzieren soll. Das wichtigste Treibhausgas ist CO2, das vor allem durch die Verbrennung von Kohle, Erdölprodukten und Erdgas, aber auch bei der Zementproduktion und durch Entwaldung freigesetzt wird. Das CO2 ist im Gegensatz zu den meisten anderen Treibhausgasen ziemlich langlebig. 57 Prozent werden mehr oder weniger sofort von Biosphäre und Ozeanen aufgenommen, aber rund 43 Prozent verbleiben für viele Jahrhunderte bis zu mehreren Jahrtausenden in der Atmosphäre und tragen dort zur Erwärmung bei.

Um so frustrierender ist es, dass über die Hälfte allen je durch menschliche Aktivitäten in die Luft geblasene CO2s sich dort erst nach Beginn der Verhandlungen angereichert hat, und zwar mit den erwartbaren Folgen: Es wird immer wärmer. Die schweren Unwetter, Hitzewellen und Dürren nehmen zu und werden intensiver, der Anstieg der Meere beschleunigt sich, und die globale Temperatur – die über den ganzen Planeten und das ganze Jahr gemittelt wird – ist seit dem Ende der 1980er um gut 0,8 Grad Celsius gestiegen. Es wird mit ziemlicher Sicherheit nur noch wenige Jahre dauern, bis die globale Temperatur auch im mehrjährigen Durchschnitt jene 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau erreicht, die eigentlich „möglichst“ nicht überschritten werden sollten. So war es jedenfalls vor zehn Jahren in Paris vereinbart worden, als man dort zur COP21 tagte und Frankreichs seinerzeitiger Präsident Nicolas Sarkozy die Klimaschützer mit Notstandsdekreten von der Straße prügeln ließ.

In Deutschland werden derweil von einigen Staatsanwaltschaften Klimaschützer schon mit dem Terroristen-Paragrafen 129 verfolgt, wobei man hier wie auch in Frankreich sagen kann, dass die Repression ganz dem Unwillen der jeweiligen Regierungen entspricht, die für effektiven Klimaschutz notwendigen schweren Einschnitte vorzunehmen. Etwa der Automobilbranche, den Immobilienunternehmen und den Energiekonzernen Daumenschrauben anzulegen, oder Bahn und Bus massiv auszubauen. Gewinne sollen nicht angetastet oder durch Klimaschutzauflagen und Produktionsumstellungen gemindert werden.

So verkündete Blackrockkanzler Friedrich Merz in Brasilien zwar, dass „Deutschland (...) zu seinen nationalen und europäischen Klimazielen“ steht. Was er allerdings verschwieg, ist, dass diese eher bescheiden ausfallen, nicht den Verpflichtungen aus der Pariser Klimaübereinkunft genügen und seine Partei kräftig daran gearbeitet hat, sie weiter zu verwässern. Die kurz vor Beginn der Konferenz endlich verabschiedeten neuen Klimaziele der EU sehen vor, dass bis 2040 die Emissionen gegenüber 1990 um 90 Prozent reduziert werden sollen. Das hört sich gut an, aber erstens bedeutet es, dass bis dahin in der Summe noch viel zu viel Treibhausgas in die Luft geblasen wird, und zweitens werden fünf Prozentpunkte dieser Minderung nur eine Luftbuchung sein. Dieser Teil der künftigen Emissionen soll der Einkauf von Zertifikaten kompensieren, die für Klimaschutzmaßnahmen in Drittländern ausgestellt werden. Derlei gibt es schon heute, und die Mehrheit dieser Papiere hat - wer hätte das gedacht - eine recht zweifelhafte Aussagekraft.

Derweil wird in Deutschland wie so ziemlich überall in den alten Industrieländern das große Geld noch immer mit Autos, Öl, Kohle, Erdgas, Stahl und allem gemacht, was Umwelt und Klima kräftig schädigt. Und diese Branchen können sich über die neue Bundesregierung eigentlich wirklich nicht beschweren. Die Wirtschaftsministerin Katherina Reiche verkündete, kaum war sie im Amt, dass ihr die Energiewende viel zu schnell geht und die Solarenergie zu billig ist, und gemeinsam mit dem Bundeskanzler arbeitet sie in Berlin und Brüssel eifrig daran, das Verbrenner-Aus wieder zu kippen.
In anderen Feldern ist man gar schon weiter auf dem Weg zurück in den ungebremsten Fossilismus. Unter der Nordsee vor Borkum und in Bayern werden neue Erdgasvorkommen erschlossen und Mitte November hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, dass das sogenannte CCS zulässt (Carbon Capture and Storage). Wenn auch der Bundesrat sein OK gibt, wird damit der Rechtsrahmen für CO2-Pipelines und das CO2-Verpressen im meist norddeutschen Untergrund geschaffen. Ebenfalls im November wurde ein Gasplan im Bundeskabinett verabschiedet, der den Bau von Gaskraftwerken mit einer Leistung von acht Gigawatt vorsieht, was zehn oder mehr Großkraftwerken entspricht. Da diese nur als Lückenbüßer zum Einsatz kommen, wenn Solar- und Windenergie zu wenig liefert, werden sie kaum wirtschaftlich zu betreiben sein. Soll heißen, man wird sie auf die eine oder andere Art subventionieren, so wie man auch Dienstwagen im Speziellen und dem Autoverkehr im allgemeinen, der Fliegerei und allerlei anderen klimaschädlichen Einrichtungen mit steuerlichen Vorteilen oder direkten staatlichen Zuwendungen unter die Arme greift. – Auch im Jahre 34 nach Unterzeichnung der UN-Klimaschutzkonvention.

Und was sieht man daran? Klimaschutz bleibt halt Handarbeit, wie es bei Ende Gelände heißt. Ohne Druck von unten, und zwar großen Druck, denn es geht gegen mächtige Kapitalinteressen, bewegt sich gar nichts.

(wop)