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Energiewende/EEG-Novelle:
Mehr Widerstand nötig
01. Juni 2014 Es war durchaus eine bunte und lebhafte Demonstration, die da am 10. Mai vom Berliner Hauptbahnhof an Kanzleramt, Bundestag und Brandenburger Tor vorbei zur CDU-Bundeszentrale zog. Sie war laut, und es waren Menschen aller Altersgruppen dabei. Aber es waren zu wenig. Nur 12.000 Menschen hatten sich aus allen Ecken der Republik auf den Weg gemacht, um für die Verteidigung der Energiewende zu demonstrieren. Ihr Anliege: Die zwei Tage zuvor erstmals im Parlament debattierte Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu Fall zu bringen.
Aber ob das noch Gelingen kann, ist angesichts der schwachen Mobilisierung ungewiss. Fünf Monate zuvor, am 30. November, waren mit 16.000 etwas mehr auf die Straße gegangen; und am 22. März hatten bundesweit in sieben Landeshauptstädten 30.000 Menschen demonstriert. Der 10. Mai hat also gezeigt, dass es nicht gelungen ist, eine anschwellende Kampagne zu organisieren. Leider. Damit wird es fraglich, ob die schlimmsten Aspekte der EEG-Novelle noch aufgehalten werden können. Noch vor der Sommerpause soll das veränderte Erneuerbare-Energien-Gesetz durch Bundestag- und Bundesrat gebracht werden; bereits zum 1. August wird das neue Gesetz nach der Planung der großen Koalition in Kraft treten und manch eine der neuen Regelungen wird sogar einige Monate rückwirkend gelten.
Aber um was geht es dabei eigentlich? Zunächst ist festzuhalten, dass von Strompreisbremse, wie von der Regierung versprochen, nicht die Rede sein kann, oder genauer: nicht für die privaten Stromkunden und kleinen Gewerbebetriebe. Industrielle Großverbraucher werden hingegen weiter entlastet. Zwar werden ihre Privilegien etwas umorganisiert, aber im wesentlichen bleibt es dabei, dass ihnen die sogenannte EEG-Umlage weitgehend erlassen bleibt. Mit dieser werden die Kosten aus den Vergütungen finanziert, die die Besitzer von Solar-, Biogas-, Windkraftanlagen und ähnlichem für ihren Strom bekommen. Die Privilegien für die Großverbraucher werden sich auch in Zukunft auf fünf Milliarden Euro oder mehr summieren, die von den übrigen Stromkunden geschultert werden müssen.
Auch ein anderer Kostentreiber bleibt unangetastet: die unsinnige Konstruktion der EEG-Umlage. Die großen Übertragungsnetzbetreiber verwalten einen Topfe, aus dem der Ökostrom an die Anlagenbetreiber bezahlt wird. Den Strom verkaufen sie an der Strombörse in Leipzig, die Einnahmen kommen in besagten Topf. Dort klafft allerdings ein großes Loch, dass durch die Umlage aufgefüllt werden muss. Die Urasche: An der Strombörse sind wegen Überangebots die Preise extrem niedrig. 2014 lagen sie meist unter vier Cent pro Kilowattstunde, an einigen Tagen sackten sie sogar in den negativen Bereich. Das heißt, Abnehmern wurde Geld gezahlt, wenn sie Strom anforderten. In diesen Genuss kommt allerdings nicht Otto-Normalverbrauchen und auch nicht die Frittenbude von Nebenan, sondern nur Großbetriebe oder Versorger, die den Strom an Endverbraucher verkaufen. Nun könnte man den Vorteil, den diese durch die niedrigen Preise abschöpfen und besagten Topf, dem EEG-Konto, zugute kommen lassen. Schon wäre die EEG-Umlage um einiges niedriger. Derzeit beträgt sie 6,24 Cent pro Kilowattstunde oder rund 250 Euro im Jahr bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 4000 Kilowattstunden. Man könnte auch die letzten, längst nicht mehr benötigten AKW abschalten. Dann gäbe es nicht so ein unglaubliches Überangebot, der Börsenstrompreis wäre deutlich höher und das EEG-Konto würde nicht so stark belastet.
Neu an der EEG-Novelle sind hingegen verschiedene Maßnahmen, die die Energiewende verlangsamen und in konzernfreundlichere Bahnen lenken soll. So beabsichtigt die Bundesregierung künftig den selbst verbrauchten Strom aus Solaranlagen und Heizkraftwerken mit Abgaben zu belasten. Oder mit anderen Worten: Wer nicht auf dem Markt einkauft und die Netze entlastet, wird bestraft. Dabei könnte die Kraftwärmekoppelung außerdem einen Beitrag zu wesentlich mehr Energieeffizienz beim Heizen leisten, und wäre zudem eine wichtige Ergänzung zum Solarstrom, von dem bekanntlich in der Heizperiode deutlich weniger anfällt.
Des Weiteren will die Regierung den Deckel für Solaranlagen von bisher 3500 Megawatt (MW) im Jahr auf 2500 MW absenken. Für Windkraftanlagen soll erstmalig einer von 2500 Megawatt eingeführt werden, und neue Biogasanlagen sollen zukünftig nur noch pro Jahr mit einer Gesamtleistung von lächerlichen 100 MW zugelassen werden. Die Windbranche kann mit einer solchen Beschränkung vielleicht gerade noch leben, weil in den meisten Jahren bisher ohnehin weniger Anlagen gebaut wurden. Allerdings hatte es gerade im letzten Jahr eine deutliche Beschleunigung des Neubaus gegeben, die mit dem neuen Gesetz ausgebremst würde. Für die Solaranlagen, deren Neubau es 2010, 2011 und 2012 auf jeweils rund 7500 MW gebracht hatte, würde das ein Abwürgen der Ausbaudynamik gerade in dem Moment bedeuten, in dem neue Anlagen richtig billig werden. Inzwischen können sie nämlich Strom für etwa neun bis 13 Cent pro Kilowattstunde liefern. Damit sind sie eigentlich schon fast mit Kohle- oder Gasstrom konkurrenzfähig. An den Börsen ist der Strompreis zwar deutlich niedriger, aber im Grunde genommen langfristig nicht wirklich Kosten deckend. Deutschland braucht nämlich wie viele andere Industrieländer auf jeden Fall neue Kraftwerke, egal ob sie nun von Kohle, Sonne oder Wind angetrieben werden. Die derzeit laufenden Anlagen stammen meist aus den 1970ern und frühen 1980ern und werden in diesem oder im nächsten Jahrzehnt vom Netz genommen werden müssen. Um aber den Neubau von Kohle- und Gaskraftwerken über den Strompreis finanzieren zu können, müsste dieser derzeit nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums zwischen sieben und elf Cent pro Kilowattstunde liegen.
Schließlich sieht der Gesetzentwurf vor, dass künftig – voraussichtlich ab 2017 – größere Projekte wie Windparks ausgeschrieben werden müssen. Das würde die vor allem in Nordwestdeutschland sehr verbreiteten Bürgerwindparks sehr benachteiligen, da für die Ausschreibungen ein erheblicher Aufwand betrieben werden muss. Außerdem hätten die betroffenen Kommunen weniger Spielraum, möglichst viel Wertschöpfung und Steueraufkommen in der Region zu binden. Angesichts dieser Bedrohungen für das bisherige dezentrale Modell der Energiewende, hätte man sich am 10. Mai nicht nur mehr Masse sondern auch ein bisschen mehr Biss erwartet. Es zeigt sich einmal mehr, dass die vier großen Energiekonzerne das größte Hindernis auf dem Weg in einen umweltfreundlichen und zukunftsfähigen Umbau der Stromversorgung sind. Um so wichtiger wird es, an allen Fronten für die Rekommunalisierung der Versorgung zu streiten.
Außerdem sollte angesichts der aktuellen Versuche der Konzerne, sich aus der Verantwortung für die AKW und deren Hinterlassenschaften zu stehlen, lauter darüber nachgedacht werden, wie sie mit ihrem ganzen Vermögen haftbar gemacht werden. Oder wollen wir zusehen, wie sie noch ein paar Jahre reichlich Gewinn aus dem Kraftwerksaltbestand ziehen, Dividenden auszahlen und ihre Unternehmen nach und nach entwerten, bis schließlich nicht mehr genug Substanz vorhanden ist, um die Abwicklung der AKW und die Unterbringung des Atommülls zu finanzieren? Oder glaubt jemand ernsthaft, dass die Unternehmen die Rückstellungen dafür wirklich krisensicher investiert haben? Wie wäre es, wenn Vattenfalls deutsche Besitzungen, E.on, EnBW und RWE in einen öffentlich-rechtlichen Fonds eingebracht werden, der sich um die nuklearen Sünden kümmert, dem Ausstieg aus der Kohlewirtschaft dient und zugleich die zentralistischen Strukturen der Konzerne zugunsten einer dezentralisierten, von den Bürgern kontrollierten Versorgung abwickelt?
(wop)