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Der große Bluff:
Fracking und TTIP als Ultima Ratio der Weltwirtschaftskrise?
01. Oktober 2014 Die Weltwirtschaft ist immer noch desolat und die europäischen Finanzminister bemängelten auf ihrem Treffen im September diesen Jahres die fehlenden Investitionen, um ihr auf die Sprünge zu helfen. Der niederländische Finanzminister Dijsselbloem brachte es auf den Punkt: „Das Wachstum in Europa entsteht zumeist aus privatem Kapital, also müssen wir in erster Linie dafür sorgen, dass mehr private Investitionen getätigt werden, indem wir Märkte öffnen (...).“ (1)
Das klingt verblüffend nach der Wortwahl des US-Ölkonzerns EXXON-Mobiles zur US Energie Politik: „Durch das Voranbringen freier Märkte, freien Handels und die Herrschaft des Rechts, können Entscheidungsträger eine Atmosphäre fördern, in der Bürger und Unternehmen (...) investieren und bauen und beispiellosen Erfolg erlangen(...).“ (5)
Ein Blick in die Medien zeigt, an was die Minister da wohl denken: „Öl-Fracking soll globalen Wirtschaftsschub bringen“ jubelte 2013 etwa Spiegel online (2) eine Studie des Wirtschaftsberatungsunternehmens Price Waterhouse Coopers, PWC, zitierend, „Fracking ist die Trumpfkarte der USA“ schreibt im Focus Money der Anlageberater und CIO Reinhard Pfingsten (3), und spricht von einer Reindustrialisierung der USA. Die ZEIT warnt sogar unter Berufung auf den US-Energielobbyisten und Regierungsberater Daniel Yergin, dass die deutsche Energiewende das Wirtschaftswachstum gefährdet und stattdessen gefrackt werden solle (4).
Nun gut, dass PWC an Exxons Rechnungsprüfung verdient (6) und US Energie-, und Industrielobby die Studie von Yergins IHS finanziert haben (7), könnte man fast vermuten. Interessant ist, dass das US-Statedepartment mit Hillary Clinton als Toppromoterin maßgeblich daran beteiligt war, Fracking ins Rampenlicht von Wirtschaft und Politik zu hieven und bis zur Durchführung zu drücken, wie in Rumänien und Bulgarien, entgegen dem Bevölkerungswillen (8).
Das dabei US-Öl- und Gaskonzerne Verträge mit den Regierungen machten, die ihnen mehrere hundert Millionen US-Dollar einbringen sollten, ist selbstverständlich. Anfänglich rannte die Weltpolitik Clintons Initiative nicht gerade die Tür ein. Das änderte sich, als in den USA das Amt für Energiestatistik EIA und die internationale Energieagentur IEA im Jahre 2011 gigantische unkonventionelle Öl- und Gasreserven aus dem Hut zauberten, die nur gefördert werden wollten. Eine millionenschwere PR-Maschine lief heiß, welche die angeschlagenen Regierungen in Folge der Wirtschaftskrise innen- und außenpolitisch für sich nutzen wollten.
Den Beteiligten wird klar gewesen sein, dass die Propaganda über Fracking und prosperierende Volkswirtschaften mit der Realität nichts gemeinsam haben. Den Öl-/Gaskonzernen geht das Geld aus. „We are all losing our shirts today“ zitiert das Wall Street Journal Exxons Vorstand Rex Tillerman 2012. Seit der Jahrtausendwende verdreifachte die Ölindustrie ihre Investitionen mit marginaler Steigerung der Förderquote (9) oder trotz ihrem Rückgang wie etwa bei Shell und BP (10).
Seit Beginn des Frackhypes in den USA 2006 haben die beteiligten Unternehmen weniger aus ihren Frackvorhaben eingenommen, als sie in diese investierten. Beim Schieferölfracking vergrößert sich die Diskrepanz jährlich (11). Die EIA stellt am Ende des Rechnungsjahres 2013 einen Verlust aus Vorhaben für 127 maßgebliche Öl- und Gasunternehmen von 110 Mrd. US-Dollar fest (12).
Aus behaupteten gigantischen Ölreserven werden Zwerge, wie die Monterey Schiefergas-Formation, deren Reserve von der EIA um 96 % gekürzt wurde, und damit allein die US-Reserven um 64 % verkleinern (13). Auch die IEA geht davon aus, dass die einstmals als Frackölriese gehypten USA 2016 ihr Frack-Fördermaximum erreicht haben (14). Der Rückzug etwa Shells aus der Ukraine ist nicht Luftangriffen geschuldet, wie von Shell behauptet, sondern trockenen Bohrgründen (15). Auch Frackvorhaben in Polen wurden mangels Ergiebigkeit eingestellt, und nicht wegen des Protests dagegen, oder wegen hoher Steuern (16).
Kommt TTIP, haben Konzerne, Aktionäre und Investoren aber die Sicherheit, ihre Vertragssummen einklagen zu können, auch wenn sie sich verspekuliert haben. Oder wenn sie Verträge abschließen mit der ausschließlichen Absicht, Entschädigungen zu kassieren, um anderweitige Verluste zu kompensieren und Bilanzen aufzuhübschen. Nach Auswertung mehrerer hundert interner Mails der Konzerne, vermutet die NY Times gezielten Anlegerbetrug nach dem Ponzi-Scheme, wenn es um den großen Schiefer-Öl/Gas-Hype geht (17). Mit dem Anreiz hohe Gewinne zu machen, werden Investoren gelockt. Deren Geld wird benutzt um Verluste zu stopfen und vermeintliche hohe Gewinne auszuschütten, um neue Investoren zu ködern. Andere Stimmen wie der texanische Energy Consultant Berman und die ehemalige Beirätin der Federal Reservebank von Texas Deborah Rogers vergleichen diese Praktik mit dem Geschäftsgebaren der amerikanischen Hypothekenbanken vor dem Crash 2008 (18/19). Das trotz besseren Wissens alle mitspielen hat Gründe:
Mit der Frackingblase lassen sich für die Börsen erneut gute Gewinne machen (20), während die industrielle Basis europäischer Volkswirtschaften seit Jahren schrumpft (21). Wirtschaft und Regierungen stehen vor einem Dilemma: ohne Öl läßt sich keine Wachstumsideologie mehr aufrecht erhalten, und die Abwärtsspirale würde durch versiegende Ölversorgung beschleunigt. Damit die Einnahmen der Ölkonzerne bei unkonventioneller Förderung wie Fracking wieder über den Ausgaben liegen, müßte der Ölpreis bedeutend höher sein als jetzt. Dies würde wiederum die Abwärtsspirale beschleunigen(22/23). Aber auch damit wäre das Ende vom Öl nur aufgeschoben. Die Fördermengen konventioneller Förderung sind schon rückläufig (24). (Jens R.)
Quellen:
(1) tagesschau.de/ausland/eu-finanzminister-104html
(2) spiegel-online, 2013, Neue Bohrtechnik: Öl-Fracking soll globalen Wachstumsschub bringen
(3) Focus Money, 2013, Fracking ist die Trumpfkarte der USA im Standort Poker,
(4) Zeit-online 2014, Deutschland hat die Wahl zwischen Fracking und Kohle
(5) corporate.exxonmobil.com/ en/current-issues/energy-policy/united-states-energy-policy/overview
(6) wikinvest.com/stock/ Exxon_Mobil_%28XOM%29/Audit_Fees
(7) Bloomberg, 2013, Fracking Boom Seen Raising Household Incomes
(8) Mother Jones, 2014, How Hillary Clintons State Department Sold Fracking To The World
(9) http://www.theguardian.com /environment/earth-insight/2014/jun/10/inevitable-demise-fossil-fuel-empire
(10)W.Zittel, Öl- und Gasförderung der Firmen, Beitrag für ASPO-Deutschland, 27. Juni 2014
(11)Energy Aspects,2013, in focus-the other tale of shale
(12)eia.gov/todayinenergy/ detail.cfm?id=17311
(13)theguardian.com/environment/earth-insight/2014/may/22/two-thirds-write-down-us-shale-oil-gas-explodes-fracking-myth
(14)peak-oil.com/2013/12/eia-us-oel-fracking-erreicht-seinen-peak-in-2016/
(15)Oilprice.com, 19.06.14, the real reason shell halted its ukrainian shale operations
(16)bbc.com/news/business-26735000
(17)the New York Times, 2011, drilling down-insiders sound an alarm amid a natural gas rush
(18)Rolling Stone, 2011, the big fracking bubble
(19)Deborah Rogers. Shale and Wall Street: Was the Decline in Natural Gas Prices Orchestrated?
(20)Richard Heinberg, The economics of fracking: who really benefits?
(21)Hamburger Abendblatt, 2014, düstere Aussichten für die Industrie
(22)Stern DI. Energy use and economic growth in the USA; a multivariate approach. Ener. Econ. 1993
(23)Stern DI, Cleveland CJ. Energy and Economic Growth. Rensselaer Working Papers in Economics. 2004
(24)International Energy Agency, World Oil Report 2008