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Kundgebung zum Jahrestag Atomwaffenverbotsvertrag in Kiel
Am Sa., 22.1.2022, 5 von 12 Uhr, versammelten sich vor dem Kieler Rathaus ca. 70 Menschen um auf die dringende Umsetzung des Atomwaffenverbots hinzuweisen. Benno Stahn sprach sich für das Kieler Friedensforum dafür aus, dass auch Deutschland den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet.
Das hätte dann zur Folge, dass die amerikanischen Atomwaffen, die in Deutschland stationiert sind, abgezogen werden müssen. Stattdessen werden die Flugzeuge modernisiert, mit denen die Bomben von deutschen Piloten ins russische Ziel gebracht werden sollen, um die westliche Vorherrschaft zu sichern.
Die atomare Bedrohung sei bei Vielen heute nicht mehr so präsent, so Stahn. Mit dem Blick auf die Verschärfung des aktuellen Russland-Ukraine-Konflikt wird dies aber wieder deutlich. „Die Situation bewegt uns sehr, ist beunruhigend und trägt nicht zur Sicherheit in der Region bei. Wir sehen ein Säbelrasseln, ähnlich wie wir es bei uns im Ostseeraum beobachten“, so der Kieler Friedensaktivist.
Auch Kiels Stadtpräsident Hans-Werner Tovar unterstützte die Kundgebung als einen „wichtigen Schritt in eine atomwaffenfreie Welt“ und wünschte sich, dass auch die schleswig-holsteinische Landesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag unterstützt, genauso wie die Stadt Kiel, die eine Petition unterzeichnet hat, die die Bundesregierung zum Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrags auffordert.
Siegfried Lauinger, sprach für die IPPNW, die zusammen mit dem Kieler Friedensforum und der DFG/VK zu dieser Kundgebung aufgerufen hat.
„Seit nunmehr einem Jahr ist der Atomwaffenverbotsvertrag Teil des humanitären Völkerrechtes. Der Vertrag ist am 22.01.2021 in Kraft getreten, nachdem er von 50 Staaten ratifiziert worden war. Bis heute haben ihn 86 Staaten unterzeichnet und 59 Staaten haben ihn ratifiziert.
Leider hat Deutschland den Vertrag noch nicht unterzeichnet und weigert sich beharrlich das in Erwägung zu ziehen. Immerhin will Deutschland an der ersten AVV-Staatenkonferenz im März in Wien teilnehmen. Als Begründung ihrer Weigerung verweist die Bundesregierung auf die Notwendigkeit der nuklearen Teilhabe; auf die Notwendigkeit der nuklearen Abschreckung gegenüber Russland und auf den bestehenden Atomwaffensperrvertrag von 1970, der die Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung für die Atomwaffenstaaten enthalte und deshalb genüge.
Nukleare Teilhabe bedeutet, dass deutsche Flugzeuge im Ernstfall Atombomben gegen Russland einsetzen. Atombomben, die in Büchel in der Eifel für diesen Fall bereit liegen. Flugzeuge, die den deutschen Staatshaushalt mit hunderten Millionen Euros belasten. Geld, das dringend für die Energie und Verkehrswende gebraucht wird. Die Nukleare Teilhabe ist Teil der NATO-Strategie „Frieden durch Abschreckung“.
Frieden durch Abschreckung bedeutet, dass durch eine, auch atomar betriebene, Hochrüstung einem potentiellen Feind signalisiert wird, und meist wird dabei hierzulande an Russland gedacht, ihm im Falle eines Angriffes auf das Bündnisgebiet unakzeptablen Schaden zugefügt wird.
Und schon ist die Rüstungsspirale in Gang gesetzt, die beiderseits gewaltige Ressourcen verschlingt. Und mit den Waffenarsenalen wächst das gegenseitige Misstrauen.
In der Ostseeregion stehen sich die NATO und Russland unmittelbar waffenstarrend gegenüber. Wegen der Bedeutung dieser Region sowohl für die NATO, als auch für Russland, ist in einem Kriegsfall Schleswig-Holstein mit seinen Werften, Marine- und Luftwaffenstützpunkten und Kommandozentralen als ein vorrangiges Ziel russischer Verteidigungs- oder gar Präventivschläge zu betrachten. Auch bei einer entfernteren Nuklearexplosion, beispielsweise in den baltischen Staaten oder in Kaliningrad, ist Schleswig-Holstein durch radioaktiven Fallout bedroht. Von daher muss S.-H. ein großes Interesse daran haben, diese Risiken weitestgehend zu minimieren.
Leider hat sich der Atomwaffensperrvertrag als Maßnahme zur atomaren Abrüstung nicht als wirksam erwiesen. Seit über 50 Jahren gibt es diesen Vertrag, durch den sich die Atommächte zu einer atomaren Abrüstung verpflichtet haben. Geschehen ist nichts. Deshalb ist der Atomwaffenverbotsvertrag, der heute seinen ersten Geburtstag hat, notwendig geworden. Er ist eine Mahnung und eine Aufforderung vieler Staaten, die alle von einem Atomkrieg zwischen den Großmächten betroffen wären, endlich Schluss zu machen mit der Bedrohung durch Atomwaffen.
Im Schleswig-Holsteinischen Landtag wird derzeit beraten, ob eine Empfehlung an die Bundesregierung ausgesprochen werden soll, dem AVV beizutreten. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Vier Bundesländer und alle Landeshauptstädte, auch Kiel, haben diese Empfehlung bereits ausgesprochen.
Der Beitritt Deutschlands zum Atomwffenverbotsvertrag wäre ein wichtiges Signal den untauglichen Versuch „Frieden durch Abschreckung“ zu verlassen. Frieden ist niemals das Ergebnis einer Rüstungsspirale. Frieden kann nur das Ergebnis der Bemühung um eine gemeinsame Sicherheit sein. Das bedeutet:
Jedes Land ist dafür verantwortlich, dass alle anderen sich vor ihm sicher fühlen. Das erfordert Gespräche und führt schrittweise zu immer mehr Abrüstung.“
(Aufruf der AG Atomwaffenverbotsvertrag Schleswig-Holstein, Siegfried Lauinger/uws)
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Li(e)ber Anders:
Wir bleiben – für einen linken Stadtteilladen in einem solidarischen Gaarden!
Neues Jahr, neue Räume – im März geht’s in die Kieler Straße! – Seit dem 01.01.2022 steht der „Verein zur Förderung der politischen Bildung in Gaarden e. V.“ das erste Mal in seiner Geschichte ohne feste Räumlichkeiten dar. Nachdem unsere einstige Vermieterin Ulrike Berger uns im Juli 2021 ohne Begründung aus unserer langjährigen und traditionsreichen Heimstätte in der Iltisstraße 34 geworfen hatte, die seitdem ungenutzt der Verwahrlosung preisgegeben ist, waren wir in den letzten fünf Monaten provisorisch um die Ecke im Kirchenweg 31 untergebracht. Die Räume im Kirchenweg befanden sich ohnehin in laufender Anmietung durch die Stadt Kiel und lagen ungenutzt brach, so dass die Stadt diese kurzfristig an uns weitervermietete.
Diese Nutzung war von vorn herein eine Notlösung und befristet angelegt. Die Räumlichkeiten waren für unser Projekt zu klein und offensichtlich ungeeignet, so dass wir nur einen Teil unseres Alltagsbetriebs aufrecht erhalten konnten. Insbesondere mit Einbruch des Winters und der erneuten Verschärfung der Pandemie-Situation ist es in den letzten Wochen des zurückliegenden Jahres nach außen ruhig um das Li(e)ber Anders im Exil geworden. Nichtsdestotrotz haben wir uns über alle Freund*innen und Nachbar*innen gefreut, die uns auch in dieser Phase besucht und den Laden genutzt haben.
Nun ist unsere Idee eines linken Stadtteilladens vorübergehend obdach-, aber nicht hoffnungslos. Denn natürlich waren wir auch nach der schlussendlich leider nicht von Erfolg gekrönten Kampagne für den Erhalt des Li(e)ber Anders in der Iltisstraße im Sommer vor allem mit der Suche nach geeigneten und langfristigen neuen Räumlichkeiten in Gaarden beschäftigt. Dies gestaltete sich wegen der allgemein angespannten Raumsituation in unserem Stadtteil weiterhin als schwierig, schlussendlich sind wir aber dennoch fündig geworden – wohlgemerkt aus eigener Kraft. Wenn alles nach vereinbarten Plan läuft, beziehen wir zum März 2022 unser neues Zuhause in der Kieler Straße. Wegen notwendiger Bauarbeiten konnte der Einzug zwar nicht nahtlos erfolgen, wir sind aber nichtsdestotrotz zuversichtlich und motiviert, das Potential am neuen Standort auszuloten und unsere neue Nachbarschaft kennenzulernen.
Parallel dazu nutzen wir die momentane Übergangssituation dazu, eine kollektive Diskussion darum zu führen, wie sich unsere Selbstverwaltungsstrukturen verbessern und sich unser politisches Selbstverständnis als linker Stadtteilladen und sein Wirken in die Nachbarschaft zukünftig konkretisieren lassen. Das Ergebnis ist noch offen, wir sind aber optimistisch, unsere Wiedereröffnung in diesem Jahr mit vielen neuen Erkenntnissen, Ideen und Tatendrang auf einem festen Fundament begehen zu können. Fühlt euch aufgerufen, Teil dieses Prozessen zu werden und euch einzubringen.
In den kommenden zwei Monaten sind wir wegen der Raumsituation nur per e-Mail und auf dem Postweg zu erreichen. Des Weiteren wird unsere Koch-Crew diesen Winter an wechselnden Terminen mit einer mobilen Küche für Alle im Stadtteil unterwegs sein. Wir hoffen also, dass wir auch ohne feste Anlaufstelle in Kontakt bleiben. Wir danken allen Freund*innen und Nachbar*innen, die uns im vergangen, für unser Projekt sehr dunklen Jahr zur Seite gestanden haben und uns auch weiterhin unterstützen. Wir freuen uns, in diesem Jahr zusammen mit euch den neuen Laden aufzubauen.
Wir bleiben – für einen linken Stadtteilladen in einem solidarischen Gaarden!
(Presseerklärung Revolutionsstadt Kiel 14.1.22)
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Kiel:
Kurdische Frauenbewegung gedenkt ermordeter Revolutionärinnen
Etwa 80 Freund*innen und Unterstützer-*innen der Kurdischen Befreiungsbewegung versammelten sich 8.01.2022 am Platz der Matrosen am Kieler Hauptbahnhof, um der vor neun Jahren in Paris im Auftrag des türkischen Geheimdienst MIT ermordeten Revolutionärinnen Sakine Cansız (Sara), Fidan Doğan (Rojbîn) und Leyla Şaylemez (Ronahî) zu gedenken.
Nach einer Gedenkminute und einer anschließenden Auftaktkundgebung zogen die Demonstrant-*innen unter lilafarbenen Fahnen mit den Porträts der drei Ermorderten durch die Innenstadt zum Bootshafen, wo eine Abschlusskundgebung stattfand. Redner*innen erinnerten an den herausragenden Einsatz von Sara, Rojbîn und Ronahî für den Kampf um Befreiung und forderten die vollständige Aufklärung der Morde, die Bestrafung ihrer Hintermänner im türkischen Staatsapparat sowie den Sturz des AKP-Regimes von Recep Tayyip Erdoğan.
Sakine Cansız war Mitbegründerin der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und gemeinsam mit Fidan Doğan und Leyla Şaylemez bis zu ihrem Tod führend für die Kurdische Frauenbewegung aktiv. Am 09.01.2013 wurden die drei Militanten mitten in Paris von dem Auftragskiller Ömer Güney bestialisch hingerichtet.
„Eines sollte nie vergessen werden: Ihr könnt alle Blumen herausreißen, aber ihr könnt den Frühling nicht verhindern. Ihr habt Angst vor Frauen und ihr solltet euch weiter fürchten, denn wir werden unseren Kampf niemals aufgeben und alle Angriffe scheitern lassen.“
#sakine #fidan #leyla #kiel
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Neue U-Boote für Israel:
Kieler U-Boot-Werft befeuert Pulverfass Nahost aufs Neue
ThyssenKrupp Marine Systems TKMS) hat sich mit dem israelischen Verteidigungsministerium auf die Rahmenbedingungen für den Kauf von drei U-Booten der Dakar-Klasse geeinigt. Das gab das Unternehmen in Kiel am 20.1.22 bekannt. Das erste U-Boot soll innerhalb von neun Jahren dorthin geliefert werden. Das Auftragsvolumen liegt demnach bei rund drei Milliarden Euro. Die Bundesregierung trägt – wie schon bei den bisher gelieferten U-Booten – etwa ein Drittel der Kosten. Um für den Auftrag gerüstet zu sein, investiert ThyssenKrupp Marine Systems nach eigenen Angaben rund 250 Millionen Euro in seine Werft: Damit die Kieler Werft „die größten U-Boote produzieren kann, die jemals in Deutschland gebaut wurden“ (KN 21.1.2022).
„...speziell auf die Anforderungen der israelischen Marine zugeschnitten“
Nach den Worten von TKMS-Vorstandsvorsitzenden Rolf Wirtz handelt es sich bei der Dakar-Klasse um eine neue Konstruktion, „die speziell auf die Anforderungen der israelischen Marine zugeschnitten sein wird.“ Von diesen U-Booten der neuen Generation sollen nicht nur Torpedos verschossen werden und Kampfschwimmer ausgesetzt werden, sondern es gibt auch Startschächte für Marschflugkörper.
„Ich bin zuversichtlich, dass die neuen U-Boote die Fähigkeiten der israelischen Marine verbessern und zur Sicherheitsüberlegenheit Israels in der Region beitragen werden,“ sagte Israels „Verteidingungs“minister bei Vertragsunterzeichnung.
Diese drei U-Boote werden die Dolphin-Klasse ersetzen, die auch schon mit Atomwaffen bestückt werden konnten. Sechs Boote dieser Klasse wurden von 1992 bis 2020 in Kiel gebaut und fünf an die israelische Kriegsmarine ausgeliefert (das sechste befindet sich noch in Bau). Die Lieferung der bisher letzten drei U-Boote an Israel war in die Kritik geraten, da dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, einem seiner Berater und einem ehemaligen Minister Korruption vorgeworfen wird. Es war berichtet worden, dass ein Vertreter von ThyssenKrupp hochrangige israelische Regierungsbeamte bestochen habe, um den Auftrag für die U-Boote zu erhalten.
Doch Israel ist nicht der alleinige Adressat von U-Booten ins Pulverfass Naher Osten.
Zwischen 2016 und 2021 erhielt Ägypten ebenfalls vier Boote. Und es werden sechs U-Boote der Klasse 214 in der Türkei „unter maßgeblicher Beteiligung des Konzerns ThyssenKrupp Marine Systems“ gebaut. Die Lieferung der Bauteile wurde von der Regierung unter Kanzlerin Merkel im Jahr 2009 genehmigt und der Export mit einer sogenannten Hermesbürgschaft von 2,49 Milliarden Euro abgesichert. Dagegen hat vor allem der griechische Verteidigungsminister ausdrücklich protestiert. Denn die U-Boote könnten von der Regierung Erdogan dazu benutzt werden, „eine expansionistische Politik der Türkei in der Ägais und im östlichen Mittelmeer zu verfolgen.“ (telepolis 1.2.2021)
Brief von IPPNW an Kieler Oberbürgermeister (2012) – aufs Neue aktuell
Schon vor 10 Jahren (2012) war auf dem Ostermarsch in Kiel gefordert worden, die Auslieferung von U-Bootes an Israel angesichts der zunehmenden Spannungen im Nahen und Mittleren Osten zu stoppen.
Die Kieler Gruppe der IPPNW (Internationale Ärztinnen und Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges/ÄrztInnen in sozialer Verantwortung) hatte in einem Offenen Brief an Kiels OB gefordert:
„Wir sind entsetzt, mit welcher Selbstverständlichkeit in der Presse über die Lieferung von – bei HDW gebauten U-Booten – an Israel berichtet wird. Insbesondere empört uns, dass die Ausstattung dieser U-Boote für Nuklearraketen in keiner Weise problematisiert wird. Kiel ist Mitglied der Mayors for Peace, worauf wir stolz sind und erleichtert, weil sich damit Kiel dem Grundsatz dieser Vereinigung verpflichtet, ‚der Bedrohung durch Atomwaffen ein Ende zu bereiten und sich weltweit für deren Ächtung und Abschaffung einzusetzen‘. (...) Diese Lieferung von Waffen in das hochexplosive Spannungsgebiet Nahost verstößt gegen das Grundgesetz (Art. 26) und trägt zur weiteren Eskalation der akuten Kriegsgefahr bei. (...) Der Einfluss der Waffenlobby auf unsere Politik und Wirtschaft ist besorgniserregend. Zum Erhalt von Arbeitsplätzen macht Kiel sich abhängig von der Waffenlobby und mitschuldig an der Gefahr, Krisen durch Kriege lösen zu wollen.
Wir möchten Sie deshalb um eine Stellungnahme zu unseren Bedenken bitten sowie um eine Beantwortung der Frage, welche Anstrengungen Sie unternehmen wollen, um im Sinne von „Schwerter zu Pflugscharen“ eine ernsthafte Rüstungskonversion in allen für die Rüstungsindustrie arbeitenden Betrieben in Kiel anzustreben, wie es Ihrer Verantwortung als ‚Bürgermeister für den Frieden‘ entspricht.“
(gst)
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Kieler Friedensforum:
Der neue Kooperationsvertrag zwischen dem Bildungsministerium Schleswig-Holstein und der Bundeswehr löst Protest aus
Das Image der Bundeswehr ist angekratzt: Hunderte Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus, erniedrigende Aufnahmerituale, massive Rekrutierungsprobleme, der Fehlschlag in Afghanistan haben zu einer schwerwiegenden Sinnkrise der Bundeswehr geführt. Dass in dieser Situation das Bildungsministerium S-H der Bundeswehr einen Kooperationsvertrag anbietet, dürfte der Bundeswehr nicht ungelegen kommen.
Am 4. August unterzeichneten das Landeskommando Schleswig-Holstein und Bildungsministerin Karin Prien den Kooperationsvertrag. Neu ist der Einsatz von Jugendoffizieren(?) an Schulen in Schleswig-Holstein nicht. Mit der neuen Vereinbarung bekommen die Besuche der Jugendoffizier*innen allerdings eine ministerielle Absegnung. Außerdem kann sich die Bundeswehr sich nun auch offensiv an Schulen wenden.
Jugendoffizier*innen sollen Schüler*innen zur „differenzierten Analyse von sicherheitspolitischen Themen“ befähigen und sie sensibilisieren für „die Entstehung und die Hintergründe internationaler Konflikte“, heißt es in dem Kooperationsvertrag. Eigentlich Aufgaben, die von pädagogisch und didaktisch geschulten Lehrer*innen bewältigt werden sollten. Die Vereinbarung, die bis Ende 2025 gilt, ermöglicht auch Besuche in Standorten. Auch Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften durch Bundeswehrpersonal ist vorgesehen. Nachwuchswerbung soll dabei nicht stattfinden, heißt es im Vertrag. Erfahrungsgemäß dürfte eine solche Formulierung in der Praxis kaum Beachtung finden. Im Kern dürfte es der Bundeswehr allerdings um die Stärkung ihrer Akzeptanz in der Bevölkerung gehen. Das Pädagogische können Lehrer*innen besser leisten.
Keine militärisch ausgerichtete Außen- und Sicherheitspolitik im Unterricht!
Der Kooperationsvertrag nimmt ausdrücklich Bezug auf den Beutelsbacher Konsens von 1976. Er formuliert einen didaktischen Minimalkonsens über die Richtlinien der politischen und didaktischen Inhalte für die Lehrpläne politischer Bildung.
Der Beutelsbacher Konsens beinhaltet drei Grundsätze:
• Es ist nicht erlaubt, den Schüler*innen – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbständigen Urteils zu hindern. Für den schulischen Unterricht bedeutet dieses „Überwältigungsverbot“, junge Menschen anzuregen, ihren Verstand und ihre Urteilskraft für eine eigene Meinung zu trainieren.
• Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Zusammen mit dem Überwältigungsverbot beinhaltet dieses Kontroversitätsgebot die Forderung, unterschiedliche Standpunkte darzulegen und alternative Optionen zu erläutern.
• Die Schüler*innen müssen in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und ihre eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene Lage im Sinne ihrer Interessen zu beeinflussen.
Diese pädagogischen Minimalgrundsätze dürften mit den Kooperationsverträgen schwer in Einklang zu bringen sein. Die Lehrergewerkschaft GEW wendet sich entschieden gegen den zunehmenden Einfluss der Bundeswehr auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts und der Lehreraus- und Fortbildung, wie sie in den Kooperationsabkommen zwischen Kultusministerien und Bundeswehr deutlich werden.
In der Kooperationsvereinbarung ist ausdrücklich angemerkt, dass die Schulen frei sind in Bezug auf die Annahme oder Ablehnung der Angebote der Bundeswehr. Es ist vor diesem Hintergrund zu hoffen, dass zahlreiche Schulen sich für den Verzicht auf die Mitarbeit der Bundeswehr im Unterricht entscheiden. Denn, so Astrid Henke, Vorsitzende der GEW Schleswig-Holstein in einer Pressemitteilung von August 2021:
„Die politische Bildung in der Schule darf nicht Aufgabe der Bundeswehr sein. Das führt geradezu zwangsläufig zur Rechtfertigung von militärisch ausgerichteter Außen- und Sicherheitspolitik im Unterricht. Der Bildungsauftrag der Schule liegt in den Händen der Lehrerinnen und Lehrer. Und das ist auch gut so. Da gehört er hin. Die Bundeswehr brauchen wir dafür nicht.“
In Kiel ist für den 25. Februar 2022, 18 Uhr eine Informations- und Diskussionsveranstaltung per Video geplant. Die zunächst geplante Veranstaltung im Kieler Musiculum wurde wegen der Pandemieentwicklung abgesagt.
Benno Stahn, Kieler Friedensforum
Veranstaltungshinweis:
Brauchen Schulen einen Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr?
Freitag, 25. Februar 2022, 18 Uhr, Zoom-Veranstaltung
Diskussionsveranstaltung mit
• Michael Schulze von Glasser, Publizist
• Astrid Henke, GEW S-H
• Linus Wirwoll, Landesschüler*innenvertretung Gymnasien
•Dr. Horst Leps, Hamburg, Lehrbeauftragter a.D. für Politikdidaktik an der Uni Hamburg
Eine Anmeldung ist erforderlich, bei Sabine Mordhorst, DGB Kiel Region: sabine.mordhorst@dgb.de
Unterstützer: DGB Kiel Region, Attac Kiel, GEW, IPPNW, Kieler Friedensforum, Friedensforum Neumünster, Zusammenarbeitsausschuss der Friedensbewegung in S-H
Protestaktion beim Werbetruck der Bundeswehr auf der Kieler Woche 2016:
„Kein Werben fürs Sterben“. Foto: Ulf Stephan /r-mediabase.eu
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Kieler Wohnungspolitik:
Ein sozialpolitisches Desaster
In einem Referat stellte Andreas Meyer am 12.1.2022 auf einer online-Veranstaltung von Attac Kiel die Kieler Entwicklung des Wohnungsbaus und der Mieten unter sozialpolitischen Aspekten dar. Dabei geht er auf Strukturdaten, aktuelle Bauvorhaben und besonders auf die Entwicklung des soziale Wohnungsbaus ein. Abschließend werden die Forderungen des Kieler Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum benannt. Andreas ist Vertreter von Attac in diesem Bündnis und war über Jahre der Sprecher des Bündnisses.
Bild: Weißer Riese: Wohnungsbau in Mettenhof. Foto: Andreas Meyer
Referat: Kieler Wohnungspolitik, ein sozialpolitisches Desaster
Blickt man auf die Kieler Wohnungspolitik, so zeigt sich, dass schon seit Jahrzehnten von einer sozial orientierten Wohnungspolitik nicht die Rede sein kann. Im Gegenteil, es gibt einen eklatanten Mangel an bezahlbaren Wohnraum, besonders im Bereich der Sozialwohnungen. Die Mieten steigen erheblich und die Zahl der Wohnungslosen ebenfalls. Bevor ich darauf weiter eingehe, möchte ich zunächst einige Strukturdaten der Kieler Stadtentwicklung benennen.
Strukturdaten
Kiel hat aktuell 247.836 Einwohner*innen. Obwohl man noch vor drei Jahren davon ausgegangen war, dass die Einwohnerzahl steigt, ist sie in den letzten Jahren leicht gesunken. Das wird u. a. darauf zurückgeführt, dass zunehmend Familien mit Kindern in das Umland ausweichen, weil dort die Mietpreise, aber auch die Boden-und Baupreise vergleichsweise niedriger sind. Natürlich ziehen die Preise infolge dieser Abwanderung auch hier an.
Nach dem Sozialbericht von 2016 wohnen 67 Prozent der Kieler*innen zur Miete und 33 Prozent in Privatwohnungen bzw. in Privathäusern. An dieser Verteilung hat sich bis heute sicher nichts grundlegend geändert.
Ein besonderes Problem hinsichtlich des Wohnungsbedarfs ist der hohe Anteil der Einpersonenhaushalte. Rund 57 Prozent der Kieler*innen leben in Einpersonenhaushalten. Dagegen haben Paare und Familien mit Kindern nur einen Anteil von 34 Prozent. Diese Werte sind auf den hohen Anteil von Student*innen, die demographische Entwicklung und die beschriebene Ausweichtendenz von Familien in das Umland zurückzuführen.
Hinsichtlich der sozialen Verteilung der Kieler*innen auf städtische Wohngebiete nach niedrigem Einkommen, Arbeitslosigkeit, Kinderarmut, dem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund gibt es eine erhebliche Konzentration auf die Stadtgebiete Gaarden und Mettenhof.
Während zum Beispiel in Kiel insgesamt der Anteil der Menschen mit Hartz IV Bezug 2018 bei 17 Prozent lag, lag er in Gaarden und Mettenhof bei über 40 Prozent. Die Kinderarmut in diesen Stadtteilen fiel mit rund 60 Prozent doppelt so hoch aus, wie im Kieler Durchschnitt. Auch der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund war mit über 50 Prozent doppelt so hoch wie durchschnittlich in den anderen Stadtteilen. Mit einer derart starken räumlichen sozialen Spaltung schneidet Kiel nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung im Vergleich zu 7 Großstädten am schlechtesten ab.
Bild: Obdachlosigkeit in Kiel. Foto: Andreas Meyer
Wohnungspolitik in Kiel
Für den eklatanten Mangel an bezahlbaren Wohnungen ist in erster Linie die Kieler Wohnungspolitik verantwortlich. So fehlten nach einer Studie der Böckler Stiftung 2018 für 24.000 Haushalte, die mit weniger als einem mittleren Einkommen auskommen müssen, bezahlbare Wohnungen.
Insgesamt schneidet Kiel mit seiner Wohnungsbautätigkeit im Bundesschnitt schlecht ab. So lag 2019 der Anteil der Wohnungen in neueren Gebäuden mit Baujahr ab 2000 in Kiel bei 5 Prozent, während der Durchschnitt im Bundesgebiet 17 Prozent beträgt. Also über das dreifache.
Der Mangel an Wohnungen führt u.a. auch zu dem skandalösen Zustand, so dass in Kiel inzwischen über 2.000 Menschen wohnungslos sind. Sie leben ohne eigenen Mietvertrag bei Bekannten oder Familienangehörigen auf der Couch, in Sammelunterkünften, in von der Stadt Kiel angemieteten Hotelzimmern oder auf der Straße.
Darüber hinaus haben ständige Mietpreissteigerungen auch für große Teile der Bevölkerung bezahlbaren Wohnraum deutlich verknappt. Das gilt besonders für Neuvermietungen.
Nach dem offiziellen Mietspiegel der Stadt Kiel sind allein in den letzten 2 Jahren die Mieten im Schnitt um 12 Prozent gestiegen. Wenn man bedenkt, dass die Mietkosten einen erheblichen Anteil an den Einkommen ausmachen, ergibt sich daraus eine Senkung der Realeinkommen. Denn die Einkommen sind im Schnitt in den letzten zwei Jahren bei weitem nicht um 12 Prozent gestiegen. Rechnet man die Explosion der Heiz- und Stromkosten hinzu, wird die Schere zwischen steigenden Mietbelastungen und der Einkommensentwicklung noch dramatischer. Dass das besonders Menschen mit einem niedrigen und mittleren Einkommen belastet, ist klar. Etwa 40.000 Haushalte haben nach Abzug der Mietzahlungen nur noch ein Resteinkommen, das unterhalb der Hartz IV Regelsätze liegt. (Studie des Pestel Instituts )
Die hier beschriebene Situation wird sich sicher durch die rege Bautätigkeit in der Innenstadt nicht wesentlich verändern. Die schicken Neubauquartiere am Schloss, an der alten Feuerwache, am Anscharpark oder die geplanten an der Hörn und am Posthof sind nicht für das Portemonnaie von Durchschnittsverdienern gedacht. Laut einer Recherche des NDR waren 2018 nur 2 Prozent aller seit 2000 in Kiel neu gebauten Wohnungen mit einem Durchschnittseinkommen bezahlbar.
An diesem Missverhältnis wird sich bei den geplanten Bauvorhaben seit 2018 nichts ändern. Als bezahlbar gilt eine Mietbelastung von maximal 30 Prozent des Nettoeinkommens.
Besonders dramatisch sieht der Mangel im Bereich des geförderten bzw. sozialen Wohnungsbaus aus. So schrumpfte der Bestand von Sozialwohnungen in Kiel seit den 80er Jahren von 90.000 Wohnungen auf heute 3.424 Wohnungen. Diese skandalöse Entwicklung ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen:
Die Stadt Kiel verscherbelte 1999 die 11.000 Wohnungen ihrer Kommunalen Wohnungsgesellschaft KWG an die Aktiengesellschaft WCM zu einem Preis von sage und schreibe 250 Millionen DM. Daraus ergibt sich ein Durchschnittspreis von rund 22.700 DM pro Wohnung. Die meisten dieser Wohnungen sind letztlich bei Vonovia gelandet. Dieser Konzern besitzt in Kiel inzwischen 15.000 Wohnungen. Große Bestände davon in Gaarden und Mettenhof.
Ein weiterer Faktor für die sehr negative Entwicklung im Bestand der sozialen Wohnungen besteht darin, dass ein hoher Anteil seit den 80ger Jahren aus der Sozialbindung gefallen ist, ohne dass dieser Bestand durch den kommunalen Ankauf von Sozialbindungen oder durch Neubauprojekte kompensiert wurde.
Obwohl diese Entwicklungen langfristig absehbar waren, wurde in Kiel wohnungspolitisch nichts unternommen, um sie aufzuhalten. Im Gegenteil, sie wurde durch den besagten Verkauf der städtischen Wohnungen noch befördert und verschlechterte sich jährlich.
Inzwischen hat die Stadt Kiel eine kommunale Wohnungsgesellschaft gegründet. Sie hat zum Ziel, bis 2030 1.000 Wohnungen zu besitzen. Die Endausbaustufe soll bei 4.000 liegen.
Bedenkt man, dass die Stadt mit der KWG einst 11.000 Wohnungen besaß, ist das ein äußerst bescheidener Beitrag für mehr bezahlbaren Wohnraum, und er reicht bei weitem nicht, den Mangel an sozialen Wohnungen zu beheben und schon gar nicht, um auf die Mietpreisentwicklung am Wohnungsmarkt Einfluss zu nehmen.
Daher fordert das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum, der DGB, der Kieler Mieterverein und die LINKE einen Wohnungsbestand der KiWoG von mindestens 15.000 Wohnungen in der Endausbaustufe.
Ein weiteres Instrument für die Bestandserhöhung sozialer Wohnungen ist eine Quotierung über die Bebauungsplanung. So hat die Stadt 2018 endlich beschlossen, künftig bei Baugebieten über den Bebauungsplan eine Quote von 30 Prozent für geförderten Wohnraum festzulegen. Das bedeutet, dass entweder durch kommunalen Wohnungsbau oder durch Auflagen für private Investoren diese Quote erreicht werden muss. Obwohl auch sie nicht reicht, den Mangel an sozialen Wohnraum zu beheben (Norderstedt und Hamburg haben z. B. eine von 50 Prozent), wird sie bei manchen Projekten nicht einmal eingehalten.
Dazu möchte ich auf ein Beispiel verweisen, das geradezu typisch für das Problem ist, auf dem sog. freien Wohnungsmarkt bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Am Südufer der Hörn, einem sog. Filetstück, errichtet eine private Investorengemeinschaft ein Wohnprojekt für 294 Wohnungen. Ursprünglich war auch für diese Projekt eine Quote von 30 Prozent geförderter Wohnungen vorgesehen.
Nach Aussagen von Frau Grondke, Dezernentin für Stadtentwicklung, „stand es Spitz auf Knopf, ob das Projekt überhaupt entwickelt werden kann“. Denn die langjährige Besitzerin des Grundstücks für dieses Projekt, Schmid-Sindram, verlangte dafür einen so hohen Preis, für den sich angeblich schwer ein Investor finden ließ.
Vor diesem Hintergrund erpresste die Investorengruppe die Stadt Kiel, von der 30 Prozent Quote Abstand zu nehmen, und die Stadt knickte ein. Die Investoren drohten nämlich damit, anderenfalls nicht zu investieren. So wird es auf dem Gelände nicht eine Sozialwohnung geben. An diesem Beispiel wird deutlich, wie Bodenspekulation, die Marktmacht von finanzstarken Investoren und das Einknicken bzw. die Erpressbarkeit von Kommunalpolitik zusammenfallen.
Bild: Gehobene Preisklasse: Wohnungen im Schlossquartier am Kleinen Kiel. Foto: Andreas Meyer
Insgesamt verfehlt die Stadt im Baugebiet an der Hörn ihr Ziel von 30 Prozent sozialem Wohnungsbau bei Weitem. Nach Aussagen von der Stadtbaurätin Grondke werden an der Hörn von den 1.500 geplanten Wohnungen letztlich nur knapp 15 Prozent geförderter Wohnraum sein. Die Ironie an der Geschichte ist, dass zwei Baufelder der Stadt gehören. Sie sind für eine Quartiersgarage und für gewerbliche Nutzung vorgesehen.
Die Verteidigung der Stadtbaurätin, dass einige Baugenehmigungen vor dem Ratsbeschluss hinsichtlich der 30 Prozentquote erteilt wurde, erscheint nicht stichhaltig.
Erstens kam dieser Beschluss von 2018 im Vergleich zu anderen Großstädten sehr spät (auch hier musste die Mehrheitskoalition zum Jagen getragen werden).
Zweitens hätte man die fehlenden Sozialwohnungen auf besagten Grundstücken durch eine erhöhte auf anderen Grundstücken mindestens ansatzweise kompensieren können.
Die Entwicklung der Bodenpreise und der Bodenspekulation werden besonders für die Innenstadt durch einen erheblichen Mangel an Bauland angeheizt. Die Preise haben sich in den letzten Jahren in diesem Bereich mehr als verdoppelt. Für diesen horrenden Profitaufschlag haben die Eigentümer nichts getan. Sie verdienen ausschließlich durch die Lage der Grundstücke, den Grundstücksmangel und an der von der Kommune geleisteten infrastrukturellen Anbindung. Das ist aus meiner Sicht ein Skandal.
Ohne einen gesetzlichen Eingriff in diese Spekulationsmöglichkeiten wird die Schaffung bezahlbaren Wohnraums in Innenstadtlagen fast unmöglich, oder sehr teuer – es sei denn, die Stadt besitzt den Boden.
Damit kommen wir zu einem geplanten Großbauprojekt der Stadt Kiel. Es handelt sich um das sog. MFG5-Gelände in Holtenau-Ost mit bevorzugter Wasserlage. Hier sollen auf einem 70 Hektar großen Grundstück c.a. 1.800 Wohnungen gebaut werden mit einem geplanten Anteil von 30 Prozent Sozialwohnungen. Das Grundstück hat die Stadt Kiel von der Bundeswehr gekauft, und es befindet sich heute insgesamt im Besitz der Stadt. Hier bestünde also gut die Möglichkeit, den beschriebenen Mangel an Sozialwohnungen mit einer 50 Prozent Quote bzw. 900 Wohnungen etwas zu mildern.
Wann die ersten Bagger anrollen, kann die Stadt nicht prognostizieren, vermutlich erst Ende dieses Jahrzehnts. Doch da die entscheidenden Planungen bis hin zur Bebauungsplanung in den kommenden Jahren erfolgen, ist es schon jetzt wichtig, politisch Einfluss darauf zu nehmen.
Ein weiteres Großbauprojekt, das allerdings in noch weiterer Ferne liegt, ist für den Kieler Süden zwischen Moorsee und Meimersdorf geplant. Hier sollen 1.600 Wohnungen in Doppel- und Reihenhaushälften entstehen und 900 im Geschossbau.
In Suchsdorf Süd sind weiterhin 44 Wohneinheiten in Form von 8 Doppel- und 18 Reihenhäusern sowie 18 Geschosswohnungen geplant.
Diese Projekte dienen in erster Linie Familien mit einem guten Einkommen. Ein großer Anteil davon wird aus Eigenheimen und Eigentumswohnungen bestehen. Sie liegen noch in weiter Ferne und werden den Mangel an bezahlbaren Wohnraum kaum reduzieren.
Fazit
Die Kieler Wohnungspolitik hat seit Jahrzehnten unter sozialpolitischen Aspekten völlig versagt. Es gibt einen eklatanten Mangel an bezahlbaren und sozialen Wohnungen. Die Bautätigkeit beschränkte sich weitgehend auf teure Miet- und Eigentumswohnungen. Die soziale Segregation nach Stadtteilen ist im Vergleich zu anderen Großstädten besonders hoch. Selbst hinsichtlich der gesamten Neubautätigkeit hinkt Kiel im Vergleich hinterher. Eine Folge dieser Politik sind über 2.000 wohnungslose Menschen.
Natürlich gibt es die beschriebene Problematik in vielen Großstädten, und in den Metropolen ist sie noch heftiger. Dennoch ist festzuhalten, dass die Kieler Wohnungspolitik sozialpolitisch besonders schlecht darauf reagiert hat.
Da diese Politik schon seit Jahrzehnten (bis auf die Ausnahme einer Legislaturperiode) von der SPD und in den letzten Jahren auch von den GRÜNEN zu verantworten ist, sind wesentliche sozialpolitische Veränderungen im Bereich der Wohnungspolitik nur durch eine erheblichen politischen Druck von außen möglich. Aus ähnlichen Erfahrungen haben sich in zahlreichen Städten Initiativen gegründet, die für bezahlbaren Wohnraum kämpfen. Dazu gehört auch das Kieler Bündnis für bezahlbaren Wohnraum.
Wie erfolgreich solche Bewegungen sein können, zeigte der Volksentscheid in Berlin, der die Enteignung von Wohnungsgesellschaften mit einem Bestand von mehr als 3.000 Wohnungen forderte. Dieser Forderung schlossen sich in der Abstimmung 56,3 Prozent der Berliner*innen an.
Selbst wenn es der SPD mit der Bürgermeisterin Giffey gelingen sollte, dieses Ergebnis auszubremsen, ist es doch ein ungeheurer Erfolg der Berliner Initiativen, auf die Macht der Wohnungskonzerne hingewiesen zu haben und den Begriff Enteignung in diesem Zusammenhang aus der Tabuzone geholt zu haben.
Forderungen
Das Kieler Bündnis für bezahlbaren Wohnraum hat seine grundsätzlichen Forderungen an die Politik in einer Erklärung niedergelegt. Die Mitgliedschaft im Bündnis setzt setzt die Zustimmung zu diesem Grundsatzpapier voraus. Die Erklärung ist im Konsens von 22 Mitgliedsorganisationen und Einzelmitgliedern erarbeitet worden. Es würde hier zu weit führen, dieses Papier in Gänze vorzustellen. Wer sich dafür und für die Arbeit des Bündnisses interessiert, kann sich auf unserer ausführlichen Website unter www.bezahlbar-wohnen.org informieren.
Hier möchte ich nur auf einige Kernforderungen aus der Erklärung hinweisen.
Dabei sind die Forderungen, je nach Zuständigkeit, an Bund, Länder und die Kommune adressiert:
• Wir fordern eine erhebliche Erweiterung des Bestands an sozialen Wohnungen durch eine verbindliche 50 Prozent-Quote in der Bebauungsplanung bei Neubauprojekten.
• Die Übernahme auslaufender Sozialbindungen und den Verzicht auf deren zeitliche Begrenzung in der Zukunft. Letzteres ist eine Forderung an den Bundesgesetzgeber.
• Erweiterung der geplanten Wohnungskapazität der KiWoG von 4.000 Wohnungen auf 15.000 Wohnungen.
• Beseitigung der Wohnungslosigkeit durch ein „Housing-first“-Konzept. Das sieht den Anspruch jedes/jeder Wohnungslosen auf eine Wohnung vor, denn eine Wohnung ist die Voraussetzung auf ein menschenwürdiges Leben. Somit muss die Sicherung einer Wohnung voraussetzungslos sein. Dieses Konzept wird bereits in Finnland erfolgreich erprobt und von den meisten Obdachlosenverbänden wie z. B. Hempels (eine Mitgliedsorganisation) in Kiel vertreten.
• Wohnungsbauflächen von Bund, Ländern und Gemeinden dürfen nur noch an öffentliche Bauträger vergeben werden. Den Verkauf öffentlichen Baulands an private Investoren lehnen wir ab. Für gemeinnützige Wohnungsgesellschaften oder auch alternative soziale Bauprojekte mit einer Gemeinnützigkeitsorientierung sollte öffentliches Bauland im Erbpachtverfahren vergeben werden.
• Deckelung der Mieten durch die Einführung einer Mietobergrenze. Für eine solche Regelung müsste den Ländern und Kommunen durch eine Bundesgesetzgebung die Möglichkeit eröffnet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat im Zusammenhang mit dem geplanten Berliner Mietpreisdeckel entschieden, dass das nach geltender Rechtslage nicht in der Kompetenz der Länder und Kommunen liegt.
• Realistische Anpassung der Mietobergrenze für ALG II Bezieher*innen an die kommunale Mietpreisentwicklung. Wenn es in einer Region zu der Mietobergrenze keine verfügbaren Wohnungen gibt, muss der volle Mietpreis übernommen werden. Es darf nicht zu Zwangsräumungen infolge von Mieterhöhungen kommen. Der Staat finanziert damit zwar Mieterhöhungen, aber die Verdrängung einkommensschwacher Mieter*innen aus ihren Wohnungen ist keine Alternative. Hier wird besonders deutlich, wie wichtig es ist, den Bestand an kommunalen Wohnungen deutlich zu erhöhen.
• Verstärkter Ausbau öffentlicher studentischer Wohneinrichtungen
Andreas Meyer
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Gewerbegebiet Boelckestraße Nord:
Natur zerstört – Gewerbefläche liegt brach
Das Gewerbegebiet Boeckestraße Nord/„Groß Hasselrod“ liegt immer noch brach. Für 4,5 Mio. Euro hatte die Stadt Kiel 2020 eine 7,9 ha große Fläche zum Teil als zukünftiges Gewerbegebiet erschlossen, mit 50 % Förderung durch Bund und Land. Die Fläche gehört zur schleswig-holsteinischen Knicklandschaft mit erheblichem Umfang allgemeiner Bedeutung für den Naturschutz und grenzt an ein Landschaftsschutzgebiet im Norden.
Bezüglich der Entscheidung zwischen gewerblicher Nutzung und Naturzerstörung heißt es in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 910: „In Abwägung zwischen den umweltbezogenen Belangen und den öffentlichen und privaten Belangen werden die Belange der Wirtschaft und die Auswirkungen auf die Gesamtstadt (vordringlich Belange der Arbeitsplatzschaffung/-erhaltung, Ausbildung) höher gewichtet.“
Bild: 7,9 ha erschlossenes Gewerbegebiet Boelckestraße Nord – Naturzerstörung für gewerbliche Nutzung – im Dezember 2021 Brachland.
Die BUND Kreisgruppe Kiel und die NABU Ortsgruppe Kiel forderten 2017 einen Stopp des Bauleitverfahrens für das derzeit 9,1 ha große geplante Gewerbegebiet „Boelckestraße Nord“ und stattdessen die Umsetzung auf dem Flughafengelände zu forcieren. Die Stellungnahme wurde zur Kenntnis genommen und dann am 26.10.2017 auf der Ratsversammlung die Umsetzung beschlossen. Wir berichteten und dokumentierten mit Landschaftsbildern in der Ausgabe der LinX 06-2020: „Insgesamt ergibt sich ein Kompensationsbedarf von 31.260 m2 Neuschaffung von Grünland, 760 lfm Ersatzknick, 55 Ersatzbaumpflanzungen und 30.099 m2 Umwandlung extensiv genutzter landwirtschaftlicher Flächen in Grünland. Ausgleichsmaßnahmen sind zugesichert und einzeln beschrieben. Wer kontrolliert das?“
Eine Kleine Anfrage des Ratsherrn Burkhardt Gernhuber (Ratsfraktion DIE LINKE) vom 21.1.2021, mit der Frage, wieviel Fläche bereits an Gewerbeunternehmen vergeben wurde, antwortete der Kieler Oberbürgermeister, dass bisher nur ca. 25% der Gewerbefläche verkauft sind. Nachdem Ende Oktober 2020 die Erschließungsarbeiten abgeschlossen waren, sind 14.800 m2 für 1.270.000 Euro verscherbelt worden (ca. 85 Euro pro m2). Das Geld geht in die Refinanzierung. Es ist eine Gewerbe-Neuansiedelung dabei, die angeblich 50 Arbeitsplätze in Kiel schaffen will. Das Interesse an den Grundstücken sei groß. Der städtische Eigenbetrieb KiWi steht mit fünf Unternehmern im Kauf-Gespräch, während es ca. 20 weitere Interessenten gäbe.
Bisher ist nur ein Teil des historischen Landschaftgeländes Boelckestraße Nord für die Gewerbenutzung erschlossen. Noch besteht die Möglichkeit diesen Gewerbewahn zu stoppen. Es sind genügend ungenutzte Gewerbeflächen vorhanden.
Während es bereits einen Beschluss der Stadt Kiel gibt, dass vorrangig die brachliegenden Flächen auf dem Flughafengelände bereitgestellt werden sollen, steht jetzt auch das ehemalige MFG 5-Gelände/neuer Stadtteil „Holtenau Ost“, mit reichlich Gewerbeflächen in der Planung, die mit geringem Aufwand bereitgestellt werden könnten. Zusätzlich gibt es immer mehr Platz auf dem Friedrichsorter Gewerbegebiet rund um Caterpillar (siehe Kasten).
Immerhin hat DIE LINKE am 1.12.2021 im Wirtschaftsausschuss erreicht, dass der Bebauungsplan Nr. 1022 „Boelckestraße Süd“ geändert wird und damit ein kleines Stück Naturland, angrenzend an den Flughafen, erhalten bleibt. „Eine ökologische Aufwertung und die entsprechende Pflege als arten- und strukturreiches Dauergrünland sind vorzunehmen.“ heißt es im Beschluss.
Ein kleiner Anfang! Das Gelände Boelckestraße Nord muss wieder renaturiert werden! Keine weitere Naturvernichtung durch Gewerbeflächen!
Bebauungsplan Nr. 910 des Gewerbegebietes Boelckestraße-Nord. Bisher wurden nur die Teilgebiete 3 und 4 erschlossen sowie das Regenrückhaltebecken gebaut.
(uws)
Stadt Kiel kauft Gewerbegebiet Kiel-Friedrichsort
Die Kleine Anfrage des Ratsherrn Burkhardt Gernhuber (Ratsfraktion DIE LINKE) vom 21.1.2021 (Drs. 0031/2021) brachte auch noch interessante Informationen über die Zukunft des Gewerbegebietes Kiel-Friedrichsort zutage.
Frage: Welche Änderungen der Flächennutzung hat es in den vergangenen zehn Jahren im benachbarten Gewerbegebiet Kiel-Friedrichsort gegeben und wie viele Flächen sind dort aktuell zu vergeben?
Antwort der Stadt Kiel:
Das Gewerbe- und Industriegebiet Friedrichsort befand sich in den letzten zehn Jahren im Eigentum eines privaten Grundstückseigentümers, der die darauf befindlichen Hallen- und Bürogebäude an mehrere Großmieter wie z.B. Vossloh Locomotives, Caterpillar & McPack langfristig vermietet hat. Der Hauptmieter Vossloh Locomotives hat den Standort 2017 verlassen und hat einen neuen Produktionsstandort in Kiel-Suchsdorf bezogen. Dementsprechend standen zunächst mehrere Hallen auf dem Grundstück leer. In der Folgezeit konnte der private Eigentümer in einem deutlich kleinteiligeren Maßstab allerdings wieder Hallenteile neu vermieten. Gleichzeitig haben die LH Kiel und die KiWi Gespräche mit dem privaten Eigentümer zum Ankauf des Gewerbe- und Industriegebietes aufgenommen mit dem Ziel, dieses vollständig zu revitalisieren, zukunftsfähig herzurichten und einen modernen Gewerbestandort in Friedrichsort mit Strandlage zu schaffen. Der Kaufvertrag wurde Ende 2019 geschlossen. Die Besitzübergabe an die LH Kiel erfolgte zum 1.1.2020. Um die Interimszeit bis zum Beginn der Erschließungsarbeiten sinnvoll gewerblich zu nutzen und durch die Vermietung Einnahmen zur Refinanzierung der Erschließungsarbeiten zu generieren, hat die LH Kiel mehrere Hallen in unterschiedlichen Größenordnungen mit kurzen Laufzeiten an Unternehmen vermietet. Zusätzlich zu den oben genannten Unternehmen Caterpillar & McPack, die immer noch am Standort sind, haben z.B. die Unternehmen Dataport, Thyssen Krupp Marine Systems und der Bahndienstleister LKM Hallen- und Büroflächen angemietet. Der Fokus liegt auch künftig auf einer gewerblich-industriellen Nutzung.
Die LH Kiel beabsichtigt, das Gesamtareal komplett neu zu erschließen. Die hierfür erforderlichen (Vor-)Planungen laufen derzeit. Aufgrund des laufenden Planungsprozesses stehen die endgültig benötigten Erschließungstrassen und der Flächenbedarf für öffentliche Einrichtungen sowie die Entscheidung, welche Hallen aufgrund eines schlechten baulichen Zustandes abgerissen werden sollen und welche erhalten werden, noch nicht fest. Insofern werden weder die KiWi noch die LHK bis zum Abschluss der Baumaßnahmen Flächen vermarkten bzw. verkaufen. Kurzfristige Anmietungen mit kurzen Kündigungsfristen sind allerdings möglich, da die dann bestehende Flexibilität den Erschließungsprozess der LH Kiel positiv unterstützen kann. (LH Kiel, Dr. Ulf Kämpfer, Oberbürgermeister)
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Kommentar
Sozialer Wohnungsbau oder Investorenparadies?
Der neue Stadtteil Holtenau-Ost (ehem. MFG 5) soll jetzt entwickelt werden. Das ehemalige Militärgelände wurde für 30 Mio. von der Stadt gekauft und es soll eine Mischung aus Freizeit, Wohnen und Gewerbe entstehen. Viele Menschen aus den umliegenden Stadtteilen nutzen es schon gerne für die Naherholung am Wasser. In den ehemaligen Kasernen sind viele Flüchtlinge untergebracht. Ob sie dort wohnen bleiben dürfen, wenn in ein paar Jahren dort für 5.000 Menschen eine Wohnung gebaut wird? Die Stadt Kiel hat versprochen, dass ein baulich hochwertiges Quartier mit 30 Prozent geförderten Wohnraum entstehen soll. Solche Versprechungen gibt es immer wieder von der Stadt Kiel, wenn es um bezahlbaren Wohnraum geht. Mit der neuen eigenen Wohnungsbaugesellschaft Kiwog will sie selber Geld in die Hand nehmen und bauen. Hier gibt es die einzigartige Möglichkeit günstigen Wohnraum zu schaffen. Leider sind die Erfahrungen aus der Vergangenheit bei den Stadtplanungsprojekten sehr schlecht. Mehrfach gab es Bürgerbeteiligung und tolle Baupläne aus städtebaulichen Wettbewerben, aber dann kamen die privaten Investoren und alles wurde wieder über den Haufen geschmissen. Zuletzt beim sog. Schlossquartier. Trotz guter Vorschläge durch Stadt und Bürger kam dann plötzlich eine Investorengesellschaft und baute teuerste Wohnungen und einen Kaufhauskomplex rund um den Alten Markt und realisierte höchstmietige Wohnklötze bis zum Schloss. Die Rendite ist gesichert. Oder die ehem. Planungen an der Hörn. Auch hier sollte ursprünglich Wohnen am Wasser mit viel Grün realisiert werden. Aber schließlich gingen dort die waghalsigsten Investoren mit ihren Hochbauten in die Insolvenz. Jetzt viele Jahre später wird nur noch in Büropaläste investiert, von sozialem Wohnungsbau ist nicht viel übrig geblieben. Gaardener können sich das dort jedenfalls nicht leisten. Jetzt schreien schon IHK und der Eigentümerverband Haus & Grund, dass die Investoren und Gewerbe auf dem neuen Holtenauer Quartier zu kurz kommen würden. Da brauchen sie sich eigentlich keine Sorgen machen, denn die Stadt Kiel hat ohnehin kein Geld um selber zu bauen. Die Investoren sind ganz schnell da, zumal es um eines der lukrativsten Standorte an der Kieler Förde geht. Nicht umsonst wird davon ausgegangen, dass der Tonnenhof umgesiedelt wird, um dort den Bau von Luxuswohnungen fortzusetzen, wie jetzt schon beim Holtenauer Schwimmbad. (uws)
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Service GmbH des SKK:
Sozialdezernent Stöcken weiter im Blockademodus
In der Sitzung der Ratsversammlung am 28.10.2021 beschlossen SPD, Grüne, Linke und SSW, dass die ausgegliederten und unterbezahlten Beschäftigten der SKK-Service GmbH spätestens Anfang 2024 nach TVöD bezahlt werden und sie auf dem Weg dahin kurzfristige Gehaltserhöhungen bekommen sollen. In der Sitzung des Hauptausschusses am 10.11. erklärte die Verwaltung der Stadt Kiel, dass sie noch mehr Zeit brauche, um die Lohnerhöhung für die Beschäftigten der Service GmbH des Städtischen Krankenhauses Kiel (SKK) durchführen zu können. Die Vertreter der LINKEN und des SSW erklärten dort, dass sie es nicht nachvollziehen können, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür noch nicht hergestellt wurden.
Dazu erklärte der Fraktionsvorsitzende des SSW, Ratsherr Marcel Schmidt in einer Presseerklärung u.a. „Im Hauptausschuss hieß es dann gestern, dass die Verwaltung zunächst ‚rechtliche Klarheit‘ herstellen müsste, um die Lohnerhöhungen für die Beschäftigten durchzuführen. Wie groß die Unklarheiten bei der Service GmbH als eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Landeshauptstadt Kiel sein können, entzieht sich der Kenntnis der SSW-Ratsfraktion. Sie hat keine Aufsichtsratsposten in einer der städtischen Tochtergesellschaften. Die rechtliche Klarheit jedoch hätte mit der Umsetzung des 2020 beantragten Wiedereingliederungskonzeptes längst geklärt sein müssen.
Wir bekommen im Kieler Rathaus das Problem, dass der Vorgang rund um das SKK und seine Service-GmbH mit seinen immer neuen Wendungen und Hängepartien inzwischen geeignet ist, verschiedene Akteure und letztlich das gesamte System aus Verwaltung und Selbstverwaltung unglaubwürdig zu machen und zu beschädigen. Die Aussagen zur zügigen Lohnerhöhung für die SKK-Servicebeschäftigten in der letzten Sitzung der Ratsversammlung – auch seitens der verantwortlichen Verwaltungsspitze – waren eindeutig. Was dazu jetzt im Hauptausschuss geäußert wurde, hört sich wiederum ganz anders an. Und wo ist bei diesem unwürdigen Gezerre übrigens das Mitgefühl für die Beschäftigten der SKK Service GmbH, die seit Jahren auf eine gerechte Bezahlung warten?
Es ist offenkundig, dass die Stadt in Bezug auf die Wiedereingliederung der SKK-Service GmbH ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Wir hätten längst viel weiter sein müssen. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir noch nicht abschließend beurteilen, ob die Verwaltung diesen Verzug durch Fahrlässigkeit oder durch mutwillige Tatenlosigkeit herbeigeführt hat. Auch das Verhalten der Geschäftsführung des Städtischen Krankenhauses irritiert uns in einigen Punkten. Fest steht allerdings leider in jedem Fall: Der Gesamteindruck, den Verwaltung, Selbstverwaltung und Geschäftsführung des SKK in diesem Vorgang vermitteln, ist absolut unbefriedigend.“ (aus der Presseerklärung der SSW-Ratsfraktion)
Derweil fordert die Die Linke in Kiel die Entlassung des Kieler Krankenhaus-Chefs Roland Ventzke. Das ist das Ziel eines Antrags der Linken in der kommenden Kieler Ratsversammlung. So soll der Druck auf den Geschäftsführer des Städtischen Krankenhauses Kiel erhöht werden, einen Ratsbeschluss für Tariferhöhungen seiner Servicekräfte umzusetzen. (gst)
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A 21 / Südspange:
Das Klimagürtel-Bündnis will mit SPD über Lösungen diskutieren
Das Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ begrüßt den Beschluss der Kieler SPD, eine Arbeitsgruppe zum Thema A21/Südspange einzusetzen. Das Bündnis erkennt an, dass hier die SPD Bereitschaft zeigt, ihre bisherige Position zu den seit den frühen 70er-Jahren verfolgten Planungen zu überprüfen und sich neu zu positionieren. Es bedauert aber, dass der im ursprünglichen Antragstext (1) genannte verbindliche Zeitrahmen bis Februar 2022 nun an das Vorliegen der DEGES-Machbarkeitsstudie gekoppelt wurde.
Eine zügige Entscheidung wäre wichtig, um auch zeitnah zu einem überparteilichen Beschluss in der Ratsversammlung zu kommen, der sich kritisch zu den bisherigen Planungen des Bundes positioniert.
Es geht darum, die Menschen auf dem Kieler Ostufer von Lärm und Luftverunreinigung zu entlasten. Die Südspange kann dies nicht, da sie - egal auf welcher Trasse - ausschließlich als eine Querverbindung zur Richtung Raisdorf führenden B76 geplant wird. Dies wurde bereits auch in mehreren Untersuchungen gutachterlich festgestellt. Eine Weiterführung der Südspange nach Norden als Ostring 2 steht nicht als vorrangiges Projekt im Bundesverkehrswegeplan und wird auch nie realisiert werden. Sie ginge mit erheblichen Kosten für notwendige Tunnel unter Wohngebieten einher, würde weitere Naherholungsgebiete zerschneiden und dann den Menschen in Dietrichsdorf noch mehr Autoverkehr bringen.
Die Südspange wäre demnach für den straßengebundenen Verkehr „ein Placebo mit heftigen Nebenwirkungen“, so Niklas Hielscher für das Klimagürtel-Bündnis. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie durch die Planungsgesellschaft DEGES abzuwarten, macht daher keinen Sinn!
Die Kieler Ratsbeschlüsse zum Klimanotstand sowie der Masterplan Mobilität geben die notwendige Richtung vor:
Die Belange der Bevölkerung im Kieler Osten müssen endlich an erster Stelle stehen: eine Stadt mit hoher Lebensqualität, sauberer Luft und einem Grüngürtel, der zur Naherholung dient und die kommende Klimaerwärmung abmildern kann.
Der Autoverkehr auf Kieler Gebiet muss bis 2035 um 40% gesenkt werden, um die CO2-Ziele der Stadt zu erreichen. Mit einer frühestens 2035 fertig gebauten Südspange würde der Autoverkehr jedoch insbesondere am Ostufer stark gefördert, klimafreundliche Mobilität dagegen ausgebremst. Und das um den Preis der weiteren Zerstörung des Kieler Grüngürtels.
Das Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ bietet der neuen Arbeitsgruppe eine enge Zusammenarbeit an, um die problematischen Folgen der geplanten Südspange und Lösungen zu diskutieren.
Das Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ besteht aus 20 Kieler Initiativen und Verbänden. Es setzt sich für den vollständigen Erhalt des Kieler Grüngürtels ein und lehnt insbesondere die Straßenbauplanungen im Kieler Süden ab.
(1) Ursprünglicher Antragstext SPD KV:
https://www.spd-kiel.de/wp-content/uploads/sites/783/2021/11/Antrag_V01_AG_A21-S__dspange_KV_Kiel.pdf
(Pressemitteilung des Bündnisses „Vorfahrt für den Klimagürtel“, 21.11.2021)
Letzte Meldung nach der Herausgabe der Pressemitteilung: Die Kieler SPD hat auf ihrem Parteitag eine Arbeitsgruppe zum Thema A21/Südspange beschlossen. Leider wurde dabei aber der verbindliche Zeitrahmen aus dem ursprünglichen Antrag, dass bis Februar 2022 eine „Vorlage“ (Positionierung) erfolgen soll, verwässert in „spätestens drei Monate nach dem DEGES-Gutachten“.
Aus Richtung der SPD gibt es Informationen, dass das Gutachten schon fertig ist und im Verkehrsministerium in der letzten Bearbeitung sei. In den aktuellen Kieler Nachrichten steht auch, dass das Gutachten noch dieses Jahr kommen soll. Keine gute Nachricht, wenn das stimmt.
Es scheint aber so, dass es in der SPD in Kiel mittlerweile eine „progressive“ Mehrheit gegen die Südspange gebe. Eine gute Nachricht, wenn das stimmt. Aber das muss nichts heißen und es kann am Ende doch sein, dass ein fauler Kompromiss dabei raus kommt.
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Verein Maritimes Viertel Wik:
Initiative Marineuntersuchungsgefängnis stellt sich der Öffentlichkeit vor
Am 16.11.2021 stellte sich in den Räumen des „Vereins Maritimes Viertel Wik“ die „Initiative Marineuntersuchungsgefängnis (IMUG)“ der Öffentlichkeit vor. An die 70 Menschen waren zum Info-Abend gekommen, zu dem Rolf Fischer (Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte), Ingrid Lietzow (Verein Maritimes Viertel) und Gesa Grube-Bente (Gustav-Heinemann Bildungsstätte) eingeladen hatten.
Die Inputs gaben: Klaus Kuhl referierte zur „Rolle der Arrestanstalt in der Wik im Kieler Matrosen- und Arbeiteraufstand 1918“ (wegen Klaus‘ krankheitsbedingter Abwesenheit von Susanne Kalweit vorgetragen); Leonie Sticke zum Thema „Zwischen Ungehorsam und Fahnenflucht – Die Militärjustiz von der Kaiserzeit bis 1945“. Ergänzt wurden die Vorträge von Filmaufnahmen aus dem Inneren des Gebäudes. Rolf Fischer ergänzte die Vorträge durch weitere Infos über die Ziele der Initiative.
Die Initiative Marine Untersuchungsgefängnis (IMUG) (https://marineuntersuchungsgefaengnis-kiel.de/) setzt sich für den Erhalt des authentischen Ortes ein, der – so die Worte Rolf Fischers – mit seiner Geschichte ohne Beispiel in Kiel ist! Gerichte, Justiz, Gefangene, Urteile, Marinerecht und auch Todesstrafen – das Gebäude repräsentiert wie kein anderes die Historie des Rechts in gleich vier Systemen: Kaiserreich, Weimarer Republik, Faschismus und Bundesrepublik.
Somit sei die Erhaltung der Zellen und Räume des MUG als „authentischen Ort“ der Gerichts- und Marinegeschichte, ebenso wie die Erinnerung an die Häftlinge und vor allem an die dort einsitzenden zum Tode Verurteilten unbedingt notwendig.
Das Gebäude liegt an der Ecke Weimarer Straße und Rostocker Straße in der Wik und war zur Kaiserzeit eine Marinearrestanstalt. Das NS-Regime baute es zum Marine-Untersuchungsgefängnis aus und inhaftierte dort Soldaten. Viele von ihnen warteten sie dort auf den Vollzug der Urteile; dazu zählten auch Todesurteile. Nach dem Krieg übernahm die Bundeswehr das Haus und nutzte es bis in die jüngere Vergangenheit als Verwaltungsgebäude. 2001 wurde der Komplex der Stadt Kiel übergeben und ist seither ungenutzt. (gst)
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Fridays for Future – Klimastreik 24.9.2021:
9.000 demonstrieren in Kiel
Im Rahmen des größten Klimastreiks seit Beginn der Corona-Pandemie macht Fridays for Future mit bundesweit über 620.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern unter dem Motto „Alle fürs Klima“ die gesellschaftliche Forderung nach Klimagerechtigkeit sichtbar. Zwei Tage vor der Bundestagswahl fordert die Bewegung mit Demonstrationen an über 470 Orten in Deutschland die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze. Weltweit organisierten junge Menschen mehr als 1.700 Klima-Proteste in über 80 Ländern.
„Während die Klimakrise in diesem Sommer sichtbar eskaliert, steigen die deutschen Emissionen so stark wie seit 30 Jahren nicht mehr. Mit dem größten weltweiten Aktionstag seit Beginn der Pandemie, zeigen wir heute die Notwendigkeit für konsequente Klimagerechtigkeit, die kein Parteiprogramm bietet. Uns ist klar, dass die nächste Koalition die 1,5-Grad-Grenze ohne den massiven Druck aus der Bevölkerung nicht einhalten wird. Ohne uns wird nichts passieren”, so Carla Reemtsma, Pressesprecherin von Fridays for Future Deutschland.
Fridays for Future organisierte heute unter Einhaltung der Corona-Regeln mit großen Demonstrationen, Blockaden, Kunstaktionen, Fahrrad-Korsos und Menschenketten einen vielfältigen Streiktag für mehr Klimagerechtigkeit. Im Vorfeld des Aktionstages organisierte die Klima-Bewegung das bisher größte Unterstützer-Bündnis ihrer fast dreijährigen Geschichte. Zu den Demonstrationen riefen neben vielen NGOs, auch Kirchen, Vereine und Gewerkschaften auf.
„Der Wahlkampf ist von leeren 1,5-Grad-Versprechen geprägt. Statt über den nötigen systemischen Wandel zu sprechen, werden soziale Ängste geschürt und die Dramatik der Klimakrise geleugnet. Unsere Botschaft auf der Straße ist klar: Wir brauchen eine progressive Koalition, die Klimagerechtigkeit messbar in den Koalitionsvertrag schreibt!“, so Pauline Brünger, Sprecherin von Fridays for Future Deutschland.
Quelle: presseteam@fridaysforfuture.de
Berlin, 24.9.2021
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BUND-Rechtsgutachten:
Bundesverkehrswegeplan ist verfassungswidrig
Der Bundesverkehrswegeplan 2030 und der dazugehörende Bedarfsplan des Bundes verstoßen gegen EU-Recht und sind verfassungswidrig. Dies stellt ein Rechtsgutachten des BUND fest, das am 7.10.2021 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Den Straßenplanungen im Kieler Süden wie der Südspange und dem Weiterbau der A21 würde somit die rechtliche Grundlage entzogen, wenn dies vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich eingeklagt wird:
Auf der Ebene der einzelnen Projekte wie der Südspange müssten alle Planungen gestoppt werden, deren Bedarfsbegründung auf dem aktuellen Bedarfsplan beruhen oder zu denen Alternativen nicht ausreichend ermittelt, beschrieben und bewertet wurden.
Das Gutachten moniert einerseits gravierende formelle Mängel: Das Pariser Klimaabkommen von 2015 wurde in dem Ende 2016 verabschiedeten Bedarfsplan überhaupt nicht berücksichtigt. Eine nach EU-Recht obligatorische strategische Umweltprüfung (SUP) hat nicht annähernd in dem erforderlichen Maß stattgefunden. Der Bedarf an Projekten wurde ausschließlich nach Kriterien der Wirtschaftlichkeit berechnet, nicht anhand der Auswirkungen auf das Klima.
Zudem ist der Bedarfsplan mit seinen 900 Straßenprojekten (Neubau und Ausbau) auch inhaltlich mit der Verfassung (Artikel 20GG) und auch den Zielen des aktuellen Klimaschutzgesetzes unvereinbar. Bereits im April hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Freiheitsrechte
späterer Generationen verletzt würden, wenn ihnen ein Großteil der Emissionsverringerung aufgebürdet würde.
Das Kieler Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ stellt fest, dass die Straßenplanungen im Kieler Süden, die große Teile des Grüngürtels schädigen würden, auf wackligen Beinen stehen. Das Bündnis fordert, sofort in die Planungen für tragfähige Alternativen einzusteigen, die für die Entlastung von klimaschädlichem Autoverkehr sorgen.
Das Bündnis fordert von der Stadt Kiel insbesondere:
• Eine schnelle Integration des Kieler Südens (Neumeimersdorf, Gewerbegebiet Wellsee) in die Stadtbahnplanungen mit einem leistungsstarken Park&Ride - Konzept für Pendler*innen aus Richtung Süden.
• Einsatz beim Land für eine schnellere Realisierung der Ausbaus und Elektrifizierung der Bahnstrecke Bad Oldesloe-Neumünster, die umsteigefreie Züge von Hamburg über Bad Segeberg nach Kiel ermöglichen wird. Derzeit ist ein Planungsbeginn erst nach 2027 vorgesehen.
• Voraussetzungen zu schaffen, dass der Güterverkehr über die Kieler Häfen weitgehend über die Schiene abgewickelt wird.
• Konsequente Umsetzung der Maßnahmen des Masterplan Mobilität der KielRegion mit Schwerpunkten Radverkehr und ÖPNV, um die vorgesehene Reduktion des KFZ-Verkehrs um mindestens 40% bis 2035 in Kiel zu erreichen.
Vom Bund fordert das Bündnis neben einem sofortigen Stopp der jetzigen Straßen-Planungen perspektivisch eine transparente Prüfung von weiteren Varianten der Anbindung der A21/B404, wie sie auch die Kieler ÖPNV-Grundlagenstudie von 2019 empfiehlt. Dazu gehört insbesondere der Verzicht auf einen Autobahnbau bis zum Barkauer Kreuz. Die Kieler Bürger*innen sind hier von Anfang an einzubeziehen und nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen wie im jetzigen Verfahren.
gst
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BUND:
Planung der A20 muss sofort gestoppt und neu bewertet werden
Kiel. Anlässlich der anstehenden Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene veröffentlicht der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ein von ihm in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zum Bundesverkehrswegeplan. Dieses Gutachten zeigt, dass sowohl der Fernstraßenbedarfsplan (Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz vom 23.12.2016) als auch der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 die EU-rechtlichen Vorgaben zur Strategischen Umweltprüfung nicht erfüllen. Darüber hinaus beachten die Pläne die Belange des Klimaschutzes nicht entsprechend des Klimabeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23.04.2021 und sind deshalb unions- und verfassungsrechtswidrig. Auch Straßenneubauprojekte in Schleswig-Holstein sind hiervon betroffen.
„Fernstraßenplanungen führen zu einer Erhöhung der Treibhausgasemissionen. Das Gutachten des BUND zeigt nun, dass der BVWP nicht mit Grundgesetz und Klimaschutzgesetz vereinbar ist“, so Peter Löffler, vom Landesvorstand des BUND Schleswig-Holstein. „Der Verkehrssektor bleibt für einen großen Teil der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die vereinbarten Klimaschutzziele lassen sich mit weiteren Straßenneubauten nicht einhalten und auch die Artenvielfalt und Biodiversität leiden darunter. Statt neuer und größerer Straßen, brauchen wir gerade in ländlichen Regionen mehr öffentlichen Verkehr mit Bus und Bahn. Wir erwarten deshalb von der Landesregierung, dass sie sich auf Bundesebene dafür einsetzt/en, dass Projekte wie die A20 und die Südspange Kiel schnell gestoppt und unter Berücksichtigung aller Klima- und Naturschutzaspekten neu bewertet werden“, so Löffler weiter.
„2022 steht die Überprüfung des Fernstraßenbedarfsplans an. Diese Überprüfung muss Anlass sein, die Fehlplanung der letzten Jahrzehnte einer Generalüberholung zu unterziehen“ ergänzt Ole Eggers, Landesgeschäftsführer des BUND SH. „Ziel einer Überarbeitung und Neubewertung aller Verkehrsinfrastrukturprojekte muss sein, die Emissionsbudgets des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Bis 2030 müssen dafür die Treibhausgasemissionen im Verkehr, wie im Klimaschutzgesetz vorgegeben und vom Bundesverfassungsgericht unterstrichen, nahezu halbiert werden. Nur mit einer deutlichen Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und einer Stärkung des öffentlichen Verkehrs und Radverkehrs lässt sich dieses Ziel erreichen.“ schließt Eggers ab.
Mehr Informationen:
Das vom BUND in Auftrag gegebene Gutachten zeigt auf, dass der Bundesverkehrswegeplan erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Er ist weder mit dem Ziel der Klimaneutralität noch mit Artikel 20a des Grundgesetzes vereinbar. Dieser besagt, dass der Staat auch für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen künftiger Generationen sowie der Tiere verantwortlich ist. Das Pariser Klimaabkommen sieht eine Begrenzung auf deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau vor. Der BVWP 2030 berücksichtigt die Ziele des Pariser Klimaabkommens bisher jedoch nicht, sondern orientierte sich an anderen Maßgaben. Es ist auch nicht erkennbar, dass eine Einhaltung der Minderungsziele für den Verkehrssektor bei Realisierung der im Bundesverkehrswegeplan vorgesehenen Straßenprojekte gelingen kann. Es ist deshalb fraglich, ob dieser Plan noch bindend für die einzelnen Fernstraßenprojekte einen Bedarf vorgeben kann.
Das Rechtsgutachten im Auftrag des BUND finden Sie unter:
www.bund.net/bvwp-rechtsgutachten
Eine Zusammenfassung des Gutachtens finden Sie unter:
www.bund.net/bvwp-zusammenfassung
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Landesverband Schleswig-Holstein e. V.
Lorentzendamm 16, 24103 Kiel
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Ausbeutungs-Wildwest in Kiel-Gaarden
Der „Stammtisch der Ausgebeuteten“ vom chefduzen-Forum unterwegs im Sumpf von Tagelöhnerei, Slum Landlords und rassistischen Behörden.
Kiel-Gaarden ist ein Stadtteil mit langer rebellischer Tradition. Als 1918 die Lebensmittel rationiert wurden, plünderten Jugendliche und Hausfrauen ein Gaardener Lebensmittellager. Am folgenden Tag beschlossen die Arbeiter der Germania Werft die Arbeit niederzulegen. Das gehörte zu den Unruhen im Vorfeld der Revolution.
Die Werft war Zentrum vieler Kämpfe. Erwähnenswert ist der 114 Tage dauernde Streik im Winter 1956/57, nicht nur auf der Werft, sondern in Metallbetrieben in ganz Schleswig-Holstein. 34.000 Arbeiter setzten damit die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch. Mit den 60er Jahren wuchs der Hunger der Wirtschaft nach Arbeitskräften und man holte „Gastarbeiter“. Sie wurden oft ghettoisiert in Baracken untergebracht. Da die Werftarbeiter sich für Kieler Verhältnisse ungewöhnlich hohe Löhne erkämpft hatten, verließen viele den Stadtteil, um sich wohnlich zu verbessern. In den 70ern prägten die (meist türkischen) Migranten mehr und mehr das Stadtbild von Gaarden. Sie wurden auch eine treibende Kraft in den Arbeitskämpfen.
Mit dem Verschwinden der Arbeiter der Stammbelegschaften der Werft und ihrer Zulieferer aus dem Stadtteil, wuchs der Anteil der alten, migrantischen und armen Menschen.
Die Situation der Osteuropäischen Migranten heute, erinnert an die der Gastarbeiter in den 60ern. Sie werden von Ausbeutern als billige Arbeitskräfte betrachtet. Sie werden in unwürdigen heruntergekommenen Wohnungen oftmals überteuert untergebracht. An verschiedenen Ecken Gaardens gibt es einen „Arbeiterstrich“, Orte an denen sich morgens Arbeitswillige sammeln, in der Hoffnung von einem Kleintransporter eingesammelt zu werden zu einer Arbeit auf einer Baustelle, in einer Reinigungskolonne oder zur Landarbeit. Es wird ausgenutzt, dass sie kaum Deutsch können und ihre Rechte nicht kennen.
Wenn man sich mit der sozialen Situation in Gaarden auseinandersetzen will, kommt man an diesen Formen extremer Ausbeutung nicht vorbei. Wir begaben uns mit mehrsprachigen Flyern und einer Kontaktmailadresse auf den Vinetaplatz und hatten auch zwei Transparente dabei. Auf einem wird auf rumänisch gefordert: „Gleiche Rechte und gleicher Lohn für alle!“. Das andere Transparent wurde als Reaktion auf sich häufende polizeilich Maßnahmen gegen Migranten gefertigt. In den Medien klingt es positiv, wenn von Razzien gegen Ausbeutung berichtet wird. Wenn es dort heißt, Zoll und Polizei seien gegen skrupellose Vermieter und abgebrühten Ausbeuter vorgegangen, stellt sich oft heraus, dass die Ausbeuteten von diesen Maßnahmen betroffen sind. Es werden ihre Sozialleistungen gestrichen, Verfahren wegen Schwarzarbeit oder angeblicher Untervermietung eingeleitet, sie werden wegen fehlender Aufenthaltspapiere angezeigt, oft werden sie abgeschoben.
Wir hatten ein Transparent mit folgender Aufschrift: „Razzien gegen Ausbeutung? Hört auf Arbeitsmigranten zu kriminalisieren und zu deportieren, geht gegen Ausbeuter vor!“ in bulgarischer Übersetzung.
In den Gesprächen beim Verteilen wurden auch die Spaltungen unter den Ausgebeuteten spürbar, Vorurteile gegen verschiedene Nationalitäten. Auf Englisch konnten wir uns mit einer Gruppe bulgarischer Arbeiter verständigen. Sie sind wegen der Sprachbarriere auf sich gestellt. Auch das erinnert an die Zeit der Gastarbeiter.
chefduzen.de
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DGB:
Das wahre Gesicht der Stadt Kiel
Zur Absage an die Servicekräfte am Städtischen Krankenhaus
Zum Konzept der Stadt, um die Wiedereingliederung der Servicekräfte am Städtischen Krankenhaus in den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes vorzunehmen, nimmt Frank Hornschu, Vorsitzender des DGB Kiel Region, Stellung:
„Mit dieser Vorlage zeigt die Stadt ihr wahres Gesicht. Sie will die Servicekräfte nicht fair für ihre so wertvolle Tätigkeit bezahlen. Sie möchte sich lieber weiterhin verantwortungslos und respektlos gegenüber den Menschen in unserer Stadt verhalten. Sie missachtet die Beschlüsse der Ratsversammlung und legt den Mitgliedern einen in Teilen unrichtigen Text vor.
Als DGB haben wir eine ganze Reihe von Gesprächen bereits vor den Sommerferien mit Vertretern der Stadt und den demokratischen Fraktionen der Ratsversammlung führen können. Wir haben Kompromisslinien und konkrete Lösungswege aufgezeigt. Dazu hat die Stadt den Gewerkschaften gegenüber nie eine abweisende oder gar ablehnende Haltung eingenommen. Im Gegenteil, stets wurde versichert, dass sie brauchbar und anwendbar seien, allerdings müssten sie noch intern beraten werden und man wolle auf uns zukommen. Stattdessen wird den Servicekräfte, ohne deren Einzug, nun eine Absage unterbreiten.
Mit diesem Vorgehen will die Stadt offenbar die Sozialpartnerschaft verlassen. Sie will sich wohl von ihrem Bild der sozialen Stadt, von der Fair-Trade-Town verabschieden und nimmt u. a. die Auszeichnung zum Nachhaltigkeitspreis nicht länger ernst.
Alle Gewerkschaften im DGB fordern weiterhin mit den Servicekräfte eine faire und gerechte Bezahlung. Die Servicekräfte haben für ihre höchst wertvolle Tätigkeit den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes mehr als verdient. Die Stadt Kiel ist als Eigentümerin in der Verpflichtung ihren destruktiven Weg zu verlassen und ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden.“
(PM DGB Region Nord 06/21 - 15.10.2021)
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