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Proteste gegen Querdenker-Demo:
KEIN SPAZIERGANG MIT NAZIS!
Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel hatte für den 12. Dezember 2020 zu einer Kundgebung „Querdenker:innen, Coronaleugner:innen und Sozialdarwinist:innen – für unsere sozialen und demokratischen Rechte!“ aufgerufen.
Anlass war die Planung einer landesweiten Demonstration in Kiel durch die Gruppe „Querdenken_431“, die sich erst vor kurzer Zeit in „Kiel steht auf“ umbenannt hatte, ein Name der einfach geklaut wurde von gewerkschaftlichen Aktionen gegen Arbeitsplatzabbau bei Heidelberger Druckmaschinen. Tonangebend sind bundesweit und oft auch in Schleswig-Holstein faschistische Gruppierungen wie NPD und „Der III. Weg“ und die AfD. Auch in Kiel trafen sich 360 Personen, die an der Seite vom AfD-Landtagsabgeordneten Volker Schnurrbusch und Angehörigen der Reichsbürger*innen-Szene mitgelaufen sind, sehr oft ohne die inzwischen für alle Demonstrationen vorgeschriebene Mund-Nase-Bedeckung. Dies ist hier erwähnt, weil bei den Gegenaktivitäten sehr genau von der Polizei auf die Einhaltung der Maßnahmen geachtet wurde.
Es kann gelungener kreativer Protest genannt werden, dass insgesamt sechs mögliche und beliebte Kundgebungsplätze in Kiel schon belegt waren und dem Auftakt- und Abschluss der „Querdenken“-Veranstaltung nicht zur Verfügung standen. Der gesamte Innenstadtbereich war so für sie nicht einnehmbar. Ein Übriges taten weitere Aktionen an der belebten Kiellinie. So blieb ihnen nur der Ostseekai und eine Demoroute in Richtung Holtenauer Straße.
Der Protest des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus und der unterstützenden Organisationen fand in Hör- und Sichtweite zum Ostseekai statt. Bei (gefühlt) eisiger Kälte waren 300 Antifaschist*innen bereits vor Ort, als am anderen Ende des Kais die ersten Teilnehmer*innen eintrafen. Mit Redebeiträgen und Musik wurde der Widerstand gegen das Treffen von „Querdenken“ deutlich gemacht. Die Reden von Omas gegen Rechts, Autonome Antifa, der Kulturbeitrag von Björn Katzur mit einem Poetry Slam, der Beitrag vom Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus, der des ver.di-Gewerkschaftssekretärs für den Gesundheits- und Pflegebereich Kiel-Plön und der DIDF unterstrichen die Breite des Bündnisses.
In den Beiträgen wurde darauf hingewiesen, dass die von den Regierenden beschlossenen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie soziale und demokratische Rechte der Bevölkerung aushebeln. Auch, dass viele dieser Maßnahmen, die im wesentlichen die Unterstützung von Konzernen und Unternehmen vorsehen, in der Folge von der Mehrheit der Bevölkerung bezahlt werden sollen. Gegen diese sozialen Folgen, sowie gegen den Demokratieabbau im öffentlichen Bereich muss Widerstand entwickelt werden. Auch, dass bei der Bekämpfung der Pandemie die internationale und europaweite Dimension des Gesundheitsschutzes keine Rolle spielt, wurde kritisiert.
Kiels Stadtpräsident Hans-Werner Tovar hat seine Solidarität mit dem Protest gezeigt und ist der Einladung zu einem Redebeitrag gefolgt. Darin hat er seinen Schwerpunkt auf die Durchsetzung der Corona-Maßnahmen gelegt, aber auch gegen die zunehmende Beteiligung von Faschisten an den Corona-Protesten gesprochen.
Wer die Forderung zur Auflösung des Bundesinnengeheimdienstes „Verfassungsschutz“ stellt, kann die nun in Baden-Württemberg beschlossene Beobachtung von „Querdenken“ durch diese Behörde nicht als einen Beitrag des politischen Kampfes gegen diese Gruppen unterstützen. In diesem Punkt gibt es Widerspruch zu der Rede des Stadtpräsidenten, und wie es in breiten Bündnissen und ihren Beiträgen manchmal geht, gibt es auch zu weiteren Punkten unterschiedliche Einschätzungen. Die Tatsache jedoch, dass der Stadtpräsident sich nicht nur mit einem Grußwort beteiligte, sondern bis zum Ende an diesem Gegenprotest auf der Straße teilgenommen hat, lässt die Möglichkeit weiterer gemeinsamer Aktivitäten mit diesem Repräsentanten der Landeshauptstadt offen.
Die Teilnehmer*innen einer ebenfalls an diesem Tag stattfindenden Fahrrad-Demo, aus Anlass des Jahrestags des Pariser Klimaabkommens von der TKKG organisiert, machten einen solidarischen Zwischenstopp bei den Protestierenden gegen die „Querdenkenden“.
Zurückhaltend war die Polizei noch während der Kundgebung des „Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus“ und im Beisein des Stadtpräsidenten. Nachdem „Querdenken“ als Demonstration am Rande der Innenstadt Kiels lief, wurden jedoch einige Blockadeversuche der Antifaschist*innen teilweise auch mit Polizeigewalt aufgelöst. Zwei Gruppen der „Querdenken“-Gegner*innen wurden bis zu einer halben Stunde eingekesselt. Bei einem plötzlichen und nicht nachzuvollziehenden Einsatz von Polizeiknüppeln gegen antifaschistische Aktivist*innen mussten Sanitäter eine/n Verletzte/n betreuen. Demgegenüber durften die „Querdenken“-Teilnehmer*innen ungehindert ihren Weg gehen.
Gemeinsame Aktivitäten der Antifaschist*innen in Kiel werden auch in Zukunft gegen alle Organisationen und Bewegungen von und mit Reichsbürger*innen und Faschist*innen stattfinden. (Bettina Jürgensen)
Demonstration der „Querdenker“ in Kiel am 12.12.2020 ohne Mund-/Nasenschutz
Redebeitrag: Bettina Jürgensen für den Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel
Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Genossinnen und Genossen,
Wieder müssen wir unseren Protest gegen rechtes Querdenken, Verschwörungen und Leugnung des Corona-Virus auf die Straße tragen.
Denn: Wir wissen, dass es das Virus gibt. Wir wissen, dass dieses Virus tödlich sein kann. Wir wissen, dass es nun zwar Impfstoffe gibt, diese aber noch nicht zur Verfügung stehen. Wir wissen, dass aktuell die Zahl der Infektionen mit dem Corona-Virus zunimmt. Deshalb stehen wir hier mit Mund-Nasen-Schutz und mit Abstand!
Wir wissen auch, dass viele Menschen aus Kiel mit unserem Protest solidarisch sind. Wir verstehen, dass viele heute aus Sorge um die eigene und die Gesundheit anderer Menschen nicht teilnehmen wollen oder können!
Heute sind wir hier, weil wir uns wehren gegen
• Die Missachtung der Gesundheit anderer Menschen
• Krude Verschwörungstheorien, die das Virus als Geheimwaffe einstufen, von Bill Gates gesteuerte Zwangsimpfung vorhersagen (Er macht viele Sauereien, das wohl doch nicht.).
• Kundgebungen und Demonstrationen die von rechten bis faschistischen Gruppierungen und Parteien genutzt werden, um ihre völkischen, nationalistischen Theorien zu verbreiten, die Hetze gegen Migrant*innen fortzusetzen und Geschichtsfälschung zu betreiben.
Die sogenannten „Querdenken“-Aktivitäten waren von Beginn an offen nach rechts. Inzwischen wird versucht mit der Behauptung, das Infektionsschutzgesetz heute sei mit dem Ermächtigungsgesetz der Faschisten von 1933 vergleichbar, Gehör zu finden. Es werden Vergleiche mit Anne Frank und Sophie Scholl gemacht. Damit wird der Widerstand gegen den Faschismus von 1933 - 1945 instrumentalisiert und ins Gegenteil gekehrt. Er wird benutzt, um die Aufmerksamkeit auf Verschwörungstheorien, Querfront und rechte Parolen zu lenken. Das dürfen und werden wir nicht zulassen!
Eine Studie des Soziologen Oliver Nachtwey von der Universität Basel bestätigt die immer stärkere Rechtsentwicklung der „Querdenken“-Bewegung. Er hat nach einer Befragung auf deren Plattformen im Internet festgestellt, dass 30 Prozent der Befragten bei der nächsten Bundestagswahl AfD wählen wollen.
Und doch behaupten immer noch einige, „Querdenken“ hat mit Rechten, mit Faschisten nichts zu tun, sie nehmen teil an deren Aktionen. Wir sagen: Wer sich mit Faschisten gemein macht, bekommt von uns kein Verständnis!
In der Kieler Erklärung gegen Rassismus und Faschismus haben wir im Jahr 2000 gesagt: „Rassistische Erklärungsmuster und Orientierungen entstehen in der Mitte der Gesellschaft. Sie sind kein Randproblem, nicht jugendspezifisch und nicht regional einzugrenzen. Sie werden gefördert durch gesellschaftliche Verhältnisse, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit bis zur Vernichtung des Konkurrenten erfordern, Ungleichheit und Abbau sozialer Errungenschaften als Fortschrittsmotor rechtfertigen und damit Entsolidarisierung und Ausgrenzungsbereitschaft notwendig hervorbringen.“
Dies trifft heute noch zu. Wobei ich jedoch einen Punkt noch einmal herausgreife: „Faschismus entsteht in der Mitte der Gesellschaft.“ Sollten wir heute nicht hinzufügen, dass der Weg aus dieser „Mitte“ führen muss? Ich meine: Es gibt keine Mitte zwischen Antifaschismus und Faschismus! In dieser Frage muss sich jede/r entscheiden!
Wir haben uns entschieden! Für den Antifaschismus! Mit Verdrehung, Fälschung und Leugnung von Geschichte und von aktuellem Geschehen haben wir nichts zu tun! Mit Faschisten haben wir nichts zu tun! Deshalb sind wir heute hier!
Aber: Deshalb stimmen wir nicht ein in den Chor derer, die sagen „Unsere Regierung hat doch im Kampf gegen die Pandemie alles richtig gemacht!“ Wir haben viel Kritik an dem, was diese Regierung getan und nicht getan hat! Das Handeln der Regierenden und ihre Beschlüsse wurden und werden danach ausgerichtet, was der Wirtschaft hilft! Milliardenpakete werden geschnürt, um Großkonzerne zu retten. Dort werden – kann man sagen mit unserem Geld – dann die Dividenden ausgeschüttet.
Gleichzeitig wird verweigert, den Hartz-IV-Betrag um einen 150 Euro-Corona-Zuschlag zu erhöhen, wie es auch die Gewerkschaften gefordert haben. Auch so wird soziale Spaltung in diesem Land vorangetrieben.
Die Politik vor Corona und die Politik in der Pandemie behält ihre Kontinuität. Nur zwei Beispiele:
Der Bundesinnenminister Seehofer setzt wie bisher auf strikte Begrenzung von Geflüchteten und missachtet dabei selbst das Votum der Städte, die sich zum Sicheren Hafen und zur Aufnahme Geflüchteter bereit erklärt haben. Auch eine Katastrophe wie der Brand auf Moria brachte kein Umdenken, nur wenige Menschen durften nach Deutschland.
Dabei wird weiter auf der Flucht über das Mittelmeer gestorben, 2020 sind fast 1.000 Menschen ertrunken. Doch Europa schottet sich weiter ab. Die europäische Grenztruppe Frontex macht mit deutscher Beteiligung Rettungsboote mit Geflüchteten manövrierunfähig, setzt die Menschen auf Flöße und drängt sie in die Türkei zurück.
In den Lagern in Griechenland warten Geflüchtete unter unmenschlichen Bedingungen darauf, dass sie zu den Wenigen gehören, die aus dem Lager gerettet werden. Dies war die Politik 2015 bis 2019 und es ist die Politik der Gegenwart 2020. Die von den Regierenden an uns gerichtete Forderung nach einer Corona-Solidarität soll demnach an den Grenzen Europas enden. Wir fordern jedoch nun erst recht: Leave No One Behind!
Wir sagen auch: All Lives Matter! Der Kampf um den Impfstoff gegen das Corona-Virus ist geprägt von Macht und Profit – ausgetragen auf dem Rücken der Menschen, vor allem im globalen Süden. Zunehmend wird es zu einer Frage der Menschenrechte ob, wer und in welchem Land geimpft wird. Patente der Pharmakonzerne wie Pfizer, der mit der deutschen Biontech einen Impfstoff entwickelt hat, verhindern, dass Arzneimittel als globale öffentliche Güter gehandelt werden. Aus Südafrika und Indien wurden Anträge gestellt, diesen Patentschutz für Covid-19 Impfstoffe auszusetzen. Ziel war es, ihn für alle Länder zugänglich zu machen. Die Bundesregierung Deutschland sorgte bei Beschlüssen in der WTO (Welthandelsorganisation) dafür, dass der enge Verteilungsrahmen bleibt. Die CDU/SPD-Regierung trägt also mit Verantwortung dafür, wenn in anderen Ländern Menschen dem Virus weiter hilflos ausgeliefert sind. Wo bleibt da ihre vielbeschworene Solidarität in der Pandemie?
Wir meinen: Die Macht von Pharmaunternehmen muss begrenzt werden. Medizin muss global und für die Gesundheit aller Menschen zur Verfügung stehen! Fügen wir also dem „Leave no one behind“ ein „Medikamente für Alle – weltweit“ hinzu!
In unserem Aufruf zu dieser Kundgebung und Demonstration sagen wir:
„Es gibt viele Gründe, mit den Verordnungen des „Corona-Kabinetts“ unzufrieden zu sein. Wir treten allen Versuchen entgegen, die Rechte der Parlamente bei der Beschlussfassung über geeignete Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auszuhebeln.
Wir, Antifaschist*innen, Gewerkschafter*innen, Menschen vieler Mutterländer aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft in Deutschland, verteidigen die Demokratie, indem wir auch unter Corona-Bedingungen öffentlich für unsere sozialen und demokratischen Rechte, für internationale Solidarität im Kampf gegen Rassismus, gegen Abschottungs- und Kriegspolitik, für den Schutz von Geflüchteten usw. auf die Straße gehen und dabei den rechten Rattenfängern die rote Karte zeigen. Wir fordern von den politischen Entscheidungsträger*innen, unseren Anliegen Rechnung zu tragen.“
Fordern wir, dass Solidarität nicht nur ein Wort bleibt, sondern Taten folgen. Und zwar im nationalen und internationalen Rahmen! Die genannten Beispiele zeigen, dass sofortiges Handeln notwendig ist. Deshalb sind wir heute auf der Straße und werden es auch in Zukunft sein!
Polizeieinsatz räumt den Protest gegen die Querdenkerdemo von der Straße.
Verhaftungen von Protestanten gegen die Querdenkerdemo in Kiel
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Corona:
ver.di kritisiert mangelnden Corona-Schutz von Personal und Bewohner*innen von Alten- und Pflegeheimen und fordert Sofortmaßnahmen
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di reagiert auf das rasante Anwachsen der Corona-Fallzahlen bei den Beschäftigten in den Alten- und Pflegeheimen mit deutlicher Kritik an den betreibenden Unternehmen und auch an die dafür verantwortliche Politik. Hintergrund ist, in Mecklenburg-Vorpommern und in Schleswig-Holstein steigen die Zahlen der Corona-infizierten Beschäftigten aus den Alten- und Pflegeheimen stark an.
„Seit Wochen fordern wir verstärkte Schutzmaßnahmen vor allem in der Altenpflege ein, doch wir müssen aktuell feststellen, dass die Haltung zu lasch ist. Noch immer ist eine Arbeitsquarantäne der Normalfall, das bedeutet, dass Pflegebeschäftigte arbeiten müssen, obwohl sie in Quarantäne müssen. Wir halten das für Beschäftigte wie für Bewohner*innen für unverantwortlich. Wir brauchen hier striktere und strengere Regeln. Die steigenden Corona-Erkrankungen in der Pflege verschärfen den Personalnotstand, steigende Corona-Fallzahlen gefährden die Versorgung - ein Teufelskreis aus dem wir raus müssen. Angesichts der steigenden Fälle ist schnelles Handeln gefragt und geboten. Der Winter fängt erst an, und wir bekommen sonst massive Probleme“, fordert Steffen Kühhirt, für Gesundheitspolitik bei ver.di-Nord verantwortlich.
ver.di fordert seit Jahren auch eine gesetzliche Personalbemessung in der Altenpflege. Die Corona-Pandemie macht die dramatische Personalsituation und Überlastung der Beschäftigten sichtbar. ver.di fordert deshalb politische Sofortmaßnahmen für die Altenpflege: Deckelung der Eigenanteile, Übernahme der Investitionskosten durch die Länder, Finanzierung der medizinischen Behandlungen durch die Krankenkassen, Auflösung des Pflegevorsorgefonds sowie die Herauslösung versicherungsfremder Leistungen aus der Pflegeversicherung.
„Mehr Personal geht nur über attraktivere Arbeitsbedingungen. Diese fangen beim Corona-Schutz an. Wirtschaftliche Interessen, gerade bei privaten Altenpflege-Konzernen, dürfen keine Argumente gegen ausreichend Schutz darstellen. Die Länder haben mit der Übernahme der Investitionskosten ein wichtiges Instrument in der Hand. Wir fordern mit Nachdruck dies als Sofortmaßnahmen umzusetzen, anstatt diese weiterhin an die Pflegebedürftigen umzulegen. Das würde wiederum Altenheimen und den Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu Gute kommen.“ so Kühhirt weiter.
Zusätzlich fordert die Gewerkschaft in Altenheimen die Testungen zu verstärken.
„Massive Testungen in der Altenpflege wären ein weiteres Mittel, um Beschäftigte und Heimbewohner*innen zu schützen. Hierzu müssen Politik und die Kassen die Finanzierung bereitstellen, es darf nicht an mangelnder Finanzierung scheitern.“ fordert Kühhirt.
(Presseerklärung 08.12.2020)
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Kritik von Attac:
Die Personalnot in Krankenhäusern ist Folge der jahrelangen Sparpolitik infolge der Ökonomisierung und Profitorientierung!
Durch Lockdown-Maßnahmen wird versucht, die Kurve der an Corvid-19-Erkrankten möglichst flach zu halten, um das Gesundheitssystem vor einem Kollaps zu bewahren. Denn durch die Coronakrise wird der Mangel an Pflegekräften besonders auf Intensivstationen offensichtlich.
Zwar wurden schnell zusätzliche Intensivbetten und inzwischen auch Beatmungsgeräte bereit gestellt, doch es fehlen ausreichend qualifizierte Pflegefachkräfte, um die besonders Pflegeintensiven Corvid-19 Patient*innen zu versorgen!
Dies wird zwar zunehmend öffentlich auch so gesagt, allerdings wird die Ursache für den Mangel an Pflegepersonal nicht benannt, nämlich ein massiver Abbau der Pflegepersonalstellen, um Kosten zu sparen!
Schon in Vor-Corona-Zeiten mussten teilweise bis zu 20 % der Erwachsenen- und Kinder-Intensivbetten abgemeldet werden, weil das dafür notwendige qualifizierte Personal fehlte! Die Folge waren oft lebensgefährliche Verzögerungen einer Intensivbehandlungsmöglichkeit.
Wie konnte es in unserem medizinisch so hoch entwickelten Land so weit kommen?
Die Personalnot im Pflegebereich ist die direkte Folge der seit Jahren herrschenden Sparpolitik im Pflegebereich durch die zunehmende Ökonomisierung und Profitorientierung der Krankenhäuser!
Dabei durften Krankenhäuser vor 1985 keine Gewinne machen! Es herrschte wie bei Schulen, Museen oder der Feuerwehr das Prinzip der echten Selbstkostendeckung durch duale Finanzierung, d.h., die Länder waren für die Investitions- und die Krankenkassen für die Betriebskosten zuständig. Doch entsprechend dem neoliberalen Credo in der Wirtschaft, dass der Markt alles regle, zog sich der Staat immer mehr aus der Finanzierung zurück, die Krankenhäuser wurden zunehmend marktwirtschaftlich ausgerichtet. Deshalb mussten die Investitionskosten nun durch Einsparungen bei den Betriebskosten, und hier besonders der Personalkosten, aufgefangen werden: Es kam zu massiven Stellenstreichungen, besonders im Pflegebereich! Zum Vergleich: In Deutschland muss eine Vollzeitpflegefachkraft in der Tagesschicht durchschnittlich 13 Patient*innen versorgen, in Norwegen dagegen sind sind es nur gut 5 Patient*innen, in England, dessen marodes National Health System NHS oft angeprangert wird, sind es immerhin durchschnittlich 8,6 Patient*innen/Pflegekraft. Untersuchungen zeigen, dass eine Erhöhung der Zahl der zu versorgenden Patient*innen/Pflegekraft von 6 auf 7 bereits ein deutlich erhöhtes Risiko für Fehler, Infektionen, Kreislaufkomplikationen und sogar eine erhöhte Sterblichkeit zur Folge hat.
Seit 1990, nachdem nicht mehr mit dem sozialistischen System konkurriert werden musste, kam es zu einer zunehmenden Ökonomisierung und Kommerzialisierung der Daseinsvorsorge. Doch Solidarsysteme eignen sich nicht für eine Wettbewerbssteuerung.
Da die Krankenhäuser rote Zahlen schrieben, waren die Kommunen verführbar, sich durch die Privatisierung der Krankenhäuser Erleichterung zu erhoffen. So stieg die Zahl privater Kliniken und zunehmend größerer privater Krankenhauskonzerne stark an.
Die Abschaffung des sozialstaatlichen Selbstkostendeckungsprinzips war die Voraussetzung dafür, den Krankenhaussektor zu ökonomisieren und zu einem lukrativen Geschäftsfeld für Investoren zu machen. – Inzwischen werden sogar ambulante Versorgungszentren als Gewinn-trächtige Investitionsmöglichkeiten für Aktionäre entdeckt.
Die Wende zum neoliberalen Umbau machte Gesundheit zur Ware und beförderte eine Zweiklassenmedizin.
Im Jahr 2004 sollte mit dem Fallpauschalsystems (DRGs = Diagnose Related Groups) ein Steuerungsinstrument zur Kostensenkung eingeführt werden. Jedoch kam es nach kurzer Zeit stattdessen zu einer massiven Kostensteigerung. Die Ursache dafür liegt nicht nur in den teureren technischen Untersuchungsmethoden und der älter werdenden Bevölkerung, sondern die Steigerung der Kosten um das Zwei- bis Dreifache ist vor allem eine Folge der Fallzahlsteigerungen.
Das Fallpauschalen- oder DRG-System vergütet nämlich je nach Diagnose einen Festpreis. Diese DRG-Vergütung umfasst die gesamte Behandlung, unabhängig von der Behandlungsdauer. Ist ein Patient kürzer stationär, macht das Krankenhaus Profit, muss er länger behandelt werden, bedeutet das Verlust. Das heißt, um „wirtschaftlich“ zu arbeiten, müssen möglichst viele Patient*innen in möglichst kurzer Zeit behandelt werden.
Deshalb versuchten insbesondere private Kliniken, relativ gesunde, unkomplizierte Patient *innen mit „lukrativen“ DRG-Diagnosen, d.h. Fällen, bei denen ein Gewinn zu erwarten ist, zu behandeln. Private Kliniken spezialisierten sich so z.B. auf sehr gut vergütete Knie- und Hüftgelenksendoprothesen-Operationen, während die kommunalen Häuser teure, „unrentable“ Abteilungen, Notaufnahme, Geburts- und Kinderstationen bereit halten müssen.
Das DRG-System kann sich auch auf die Art der Behandlung auswirken. So wird z.B. eine Kaiserschnittentbindung höher vergütet als eine oft sehr Personal- und Zeit-aufwendige (und dadurch teurere) natürliche Geburt. Die Folge ist, dass die Zahl der Kaiserschnittentbindungen seither deutlich zugenommen hat.
Da die Personalkosten mit ca. 60% den größten Anteil an den Betriebskosten ausmachen, wurde massiv Personal abgebaut (51.000 Stellen!). Dies, verbunden mit dem ständigen Stress und der Hektik sowie der Zunahme an Bürokratisierung, die für eigentliche pflegerische Aufgaben kaum mehr Zeit lassen, führt zu Resignation, häufigen Krankmeldungen, zu Burnout, Arbeitszeitreduzierung, Kündigungen oder Frühberentungen, wodurch die Personalknappheit weiter verstärkt wird. Pflegekräfte müssen dann ständig wieder aus ihrer Freizeit für ausfallende Kolleg*innen einspringen und Zusatzschichten machen, was zusätzlich die Belastung und den Frust erhöht. Um ihre Arbeitszeit besser strukturieren zu können, arbeiten deshalb zunehmend Pflegekräfte über Leiharbeitsfirmen, was für die Kliniken aber wiederum teurer ist.
Zwar wird seit Anfang 2020 versucht, dem entgegen zu steuern, indem die Personalkosten des direkten Pflegebereichs („Pflege am Bett“) aus den DRG-Budgets ausgegliedert wurden und ab Januar 2021 soll ein Pflegeuntergrenzengesetz dem Personalmangel, besonders auf den Intensivstationen, entgegen wirken. Es ist jedoch zu befürchten, dass nicht ausreichend qualifiziertes Personal gefunden werden kann. Es fehlen ca. 40. - 80.000 Pflegekräfte, die auch durch Anwerbungen ausländischer Pflegekräfte nicht ersetzt werden können. – Ganz abgesehen davon, dass diese Pflegekräfte in ihren Herkunftsländern dann fehlen.
Das Fallpauschalensystem (DRG-System) war der Trigger des Personalabbaus in den letzten 15 Jahren. Es muss abgeschafft werden!
Eine bessere Vergütung der Pflegetätigkeiten ist wichtig, aber solange sich die Arbeitsbedingungen nicht ändern, wird der in allen Bereichen bestehende Personalmangel nicht behoben werden können! Da hilft kein Applaudieren, so anerkennend und unterstützend diese Geste während der ersten Coronawelle auch war.
Krankenhäuser dürfen keine betriebswirtschaftlichen Gewinne erzielen! Die Daseinsvorsorge gehört in die Öffentliche Hand!
In Kiel hat sich seit einigen Jahren das „Kieler Pflegebündnis“ gebildet. Es ist ein offenes Bündnis von Vertreter*innen von Gruppen (z.B. Attac Kiel, IPPNW Kiel), von Ver.di, Pflegekräften, Ärzt*innen und anderen Beschäftigten im Gesundheitswesen sowie Betroffenen und am Thema Interessierten.
Außerdem gibt es ein bundesweites Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“, das unter dem gleichen Titel eine hervorragende Broschüre mit eindrucksvollen Grafiken herausgebracht hat, die als PDF aus dem Internet herunter geladen werden kann:
https://www.krankenhaus-statt-fabrik.de/53187
Eine Zusammenfassung dieser Broschüre gibt es hier als PDF.
Die Kieler Gruppe der IPPNW hat sich diesem Bündnis, in dem u. a. Attac, Verdi und der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte vertreten sind, als Unterstützerin angeschlossen. Dies können auch andere Gruppen oder Einzelpersonen machen.
(Mechthild Klingenburg-Vogel)
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Diskussion:
Der Protest gegen die Corona-Maßnahmen und die Linke
In meinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es heftige Debatten darüber, wie man als Linke oder als Linker mit den Protestbewegungen gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung umgehen sollte.
Auf der einen Seite wird festgestellt, dass diese Proteste zunehmend von Rechten unterwandert werden und dass das letztlich auch durch Reichsflaggen und andere rechte Symbole und Parolen bei den Großdemonstrationen in Berlin deutlich sichtbar war. Darüber hinaus würden die AfD und andere rechte und rechtsradikale Organisationen zu den Demonstrationen aufrufen und eine deutliche Distanzierung der Organisatoren und der Demonstrationsteilnehmer*innen von diesen Kräften fehlen. Genau dadurch würde man ihnen den Weg in die Mitte der Gesellschaft weiter ebnen.
Dagegen wird ins Feld geführt, dass es bei diesen Demos neben dem Infektionsgeschehen auch um Themen zum Demokratieverständnis ginge, die zunehmend rechts gewendet und gekapert würden. Dazu gehört die umfassende Außerkraftsetzung von Grundrechten aufgrund einer Verordnungsermächtigung des Infektionsschutzgesetzes ohne Beteiligung der Parlamente. So könne inzwischen jeder Landrat und Bürgermeister aufgrund dieser Bestimmung Einschränkungen des öffentlichen Lebens vornehmen, die nicht selten gut gemeint aber dennoch als hilflos und unlogisch erscheinen. Dieser Vorgang sei demokratietheoretisch höchst bedenklich und in seiner Gesamtheit ein tiefer Eingriff in das Alltagsleben mit wirtschaftlich und sozial völlig unterschiedlichen Auswirkungen und z. T. katastrophalen Folgen für viele Betroffene.
Zudem würde in der Corona- Krise auch die bedenkliche Wirkungsmacht eines Mainstream-Journalismus deutlich, der sich weitgehend pauschalisierend und diskriminierend gegen die Kritiker des Regierungskurses wende.
So gab es beispielsweise zu dem Corona-Thema in den inflationären Talk-Shows, Nachrichten, Sondersendungen und Magazinen des Öffentlich-rechtlichen bis auf seltene Ausnahmen keine plurale Debatte, in der auch eine grundsätzliche Kritik an der Gefährdungseinschätzung des Virus und den damit begründeten Maßnahmen der Regierung vorkam. Die Debatten erfolgten vorwiegend mit den immer selben Expert*innen in einem sehr engen Meinungskorridor.
Dieser Formierungsprozess sei, egal, wie man selbst zur Gefährdung durch Corona stehe, allein unter demokratischen Aspekten hoch problematisch, zumal er auch gut auf andere Themen übertragbar sei (z. B. Grundsatzkritik an der NATO, Kapitalismuskritik, Auslandseinsätze der Bundeswehr usw.).
Daher sei eine auf Fakten basierte Kritik an einem Mainstream – Journalismus unverzichtbar, selbst wenn Rechte von der “Lügenpresse“ reden. Denn andernfalls würde man diese notwendige Kritik Rechten überlassen und sich bei diesem wichtigen Thema verabschieden.
Neben der berechtigten Kritik an den mangelnden Abgrenzungen bei den Querdenker-Demos gegen Rechts hätten sich viele besonders aus dem organisierten linken Lager oft undifferenziert an der Beschimpfung der Mehrheit der Demoteilnehmer*innen beteiligt.
Dabei würden diesbezüglich kritische Schulmediziner*innen „Alternativ-Mediziner*innen“ Impfgegner*innen, Esoteriker*innen als “Spinner“ oder “Coridioten“ mit Rechtsradikalen in einen Sack gesteckt und dann polemisch draufgehauen.
Menschen, die sich wegen der Corona-Maßnahmen als beruflich und materiell Betroffene oder aus bürgerrechtlichen Motiven an den Protesten beteiligten, würden als “naiv“ oder “rechts-offen“ bezeichnet.
Natürlich müsse man die Meinung von Impfgegnern, Alternativ-Medizinern und Esoterikern nicht teilen, zumal auch teilweise skurrile Positionen vertreten würden. Doch sei es falsch, sie in Bausch und Bogen zu verunglimpfen oder sie völlig undifferenziert dem rechten Lager zuzuordnen. Schließlich hätten sich mit Sicherheit viele dieser Menschen früher auch an der Friedensbewegung, der Anti-AKW-Bewegung oder den Demonstrationen gegen das TTIP Freihandelsabkommen beteiligt.
An dieser Stelle wird für mich ein Problem sichtbar, das weit über die Corona-Debatte hinausgeht. Protestbewegungen, die noch nicht dezidierte Ziele und Forderungen vertreten und sich weitgehend politisch unorganisiert, z.T wütend und strategisch diffus gegen soziale Missstände und politische Repression wenden (z.B. Occupy-Bewegung, Gelbwesten), sind natürlich auch offen für rechte Instrumentalisierungsversuche.
Leider sind rechte Einflussversuche auf solche sozialen Bewegungen manchmal auch deswegen nicht ohne Erfolg, weil ihnen von der organisierten Linken innerhalb dieser Bewegungen das Feld überlassen wird. Hier besteht m. E. zu schnell die Tendenz, Bewegungen abzulehnen oder auch zu diskriminieren, wenn sie ideologisch nicht lupenrein sind und oder sich Rechte daran beteiligen, selbst wenn sie inhaltlich und nominell noch keine bedeutende Rolle spielen. Statt auf die politische Orientierung dieser sozialen Protestbewegung im Diskurs Einfluss zu nehmen, überlässt man das dann zu schnell den Rechten.
Genau dieser Prozess hat sich m. E. bei den Demos und Protesten gegen die Corona- Regierungsmaßnahmen vollzogen. Hier haben sich inzwischen rechte Organisationen gut etabliert. So haben zu den Quer-Denker-Demos in Berlin neben den Initiatoren Reichsbürger, Identitäre, die AfD sowie andere Organisationen aus dem rechtsradikalen Spektrum aufgerufen. Die Distanzierungen von Ballweg, dem Organisator der Demos von Quer-Denken, waren sehr lau und formelhaft.
Doch es gab als Bewegung von links zu dem Thema der staatlichen Restriktionen mit ihren tiefgreifenden wirtschaftlichen und drastischen sozialen Folgen keine Alternative.
Im Gegenteil, die organisierte Linke wirkte in der Auseinandersetzung um die Corona- Maßnahmen eher paralysiert oder fast regierungstreu. Sie rief zu Gegendemonstrationen gegen “Coridioten“ und “Rechte“ auf und hatte den Kritiker*innen der Regierungsmaßnahmen wesentlich nur die Aussage zu bieten, dass Corona gefährlicher als Grippe sei, was ja auch stimmt, und man sich von “Coridioten“und Rechten fernhalten solle.
In der Auseinandersetzung mit den sog. “Coridioten“ tauchte fast immer der Begriff “Verschwörungstheoretiker“ auf. Ich halte den inzwischen auch unter Linken inflationären Umgang mit dieser Vokabel nicht für sinnvoll und für politisch gefährlich. Natürlich gibt es Verschwörungstheorien. Der Klassiker sind die “Protokolle der Weisen Zions“, die Anfang des 20. Jahrhunderts eine jüdische Weltverschwörung belegen sollten. Darüber hinaus gibt zahlreiche weitere Verschwörungfantasien, die frei von Fakten die Weltherrschaft böser Mächte annehmen und dabei oft auch antisemitisch sind. Etliche davon sind auch bei Anhänger*innen der Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen vertreten.
Andererseits ist dieser Begriff inzwischen zu einem Kampfbegriff runtergekommen, mit dem ohne großen Aufwand allein durch die Begriffswahl gegnerische Positionen entwertet werden sollen. Das geht weit über die Corona-Debatte hinaus. So wird inzwischen oft eine Kritik die Hintergründe beleuchtet und Interessen offenlegt, die vordergründig nicht deutlich oder bekannt sind, von denen als “Verschwörungstheorie“ diskriminiert, die nicht beleuchtet werden wollen.
Auch die Annahme, dass Eliten eine Weltherrschaft anstreben, sei ein wesentliches, quasi definitorisches Charakteristikum von Verschwörungstheorien, führt oft dazu, dass auch eine linke Elitenkritik schnell als Verschwörungstheorie diskriminiert wird.
Dabei ist doch für jede und jeden offenkundig, dass Funktionseliten in Politik, Wirtschaft und Medien oft ohne demokratische Legitimation mehr Einfluss auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben haben als Frau Müller oder Herr Meier von nebenan.
Es ist darüber hinaus auch unübersehbar, dass große internationale Konzerne wie z. B. Google, Apple, Amazon, Bayer, VW oder auch Black-Rock allein durch ihre Marktmacht einen erheblichen Einfluss auf den Weltmarkt und somit international auch auf Politik haben. Darüber hinaus wirken Lobbygruppen aus der Wirtschaft mit einem riesigen materiellen Aufwand außerhalb jedweder demokratischen Kontrolle und völlig intransparent auf politische Entscheidungen ein. Funktionseliten sind die Verkörperung dieser Machtverhältnisse.
Der Hinweis auf diesen Zusammenhang war immer ein elementarer Bestandteil linker Politikanalysen. Inzwischen wird auch das mindestens aus dem neoliberalen Lager als Verschwörungstheorie bezeichnet. In diesem Zusammenhang dient die Vokabel “Verschwörungstheorie“ der Absicherung des politischen und gesellschaftlichen Status Quo, indem man die Kritiker*innen an den bestehenden Machtverhältnissen als Anhänger*innen einer solchen Theorie zu entwerten versucht, die dann auch noch per se als antisemitisch definiert wird.
Natürlich ist die Annahme von herrschenden Machteliten einerseits und einer beherrschten homogenen Volksgemeinschaft andererseits eine ideologische Konstruktion von rechts außen, die an der gesellschaftlichen Realität vorbeigeht und gefährlich ist, weil sie Diversität nicht zulässt, völkisch orientiert ist und oft mit den Eliten Juden assoziiert.
Doch der berechtigte Hinweis auf diesen Zusammenhang sollte neben der Kritik am kapitalistischen System linke Kritik an der strukturellen Macht von Funktionseliten in der Wirtschaft, in der Politik und in den Medien vor lauter Schreck nicht verstummen lassen. Denn das wäre ein gutes Beispiel dafür, wie die Rechten linke Kritik kapern, nach rechts völkisch umbiegen und damit Menschen ködern, die ursprünglich offen für eine linke Gesellschaftskritik waren.
Andreas Meyer
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Kiellinie:
Antifaschistischer Protest gegen „Corona-Querdenker“
250 Antifaschist*innen demonstrierten am Sonntagnachmittag, dem 16.8.2020, gegen ein potentielles Superspreader-Event von mindeststens 600 rechtsoffenen „Querdenkern“ auf der Reventlou-Wiese an der Kiellinie.
In verschiedenen Redebeiträgen wurde nicht nur auf den sozidaldarwinistischen und verschwörungsideologischen Charakter der Pandemie-Verharmloser*innen und -leugner*innen sowie deren Offenheit für antisemitische und neofaschistische Akteur*innen eingegangen, sondern auch ihre Positionierung an der Seite der Kapital-Lobby kritisiert, die ihren Profit gegen die Gesundheit der Menschen durchsetzt. Zudem lenkten die dort angesprochenen Luxusprobleme wie eine partielle Maskenpflicht von den eigentlichen gesellschaftlichen Problemen ab, die sich unter Corona verschärft haben.
Parallel hatten der selbsternannte Corona-Widerstand um ihren lokalen Organisator Björn Dinklage/Björn de Vil und seine zahlreichen bundesweiten Unterstützer*innen aus den „Querdenken“-Strukturen mit dem Aufbau einer Bühne auf der benachbarten Reventlouwiese begonnen. Hier versammelten sich im Laufe des Nachmittags über 600 Menschen. Viele von ihnen waren aus anderen Städten angereist, darunter auch der als „Volkslehrer“ bekannt gewordene Antisemit, Rassist und Videoblogger Nikolai Nerling aus Berlin und andere bekannte Protagonist*innen der extremen Rechten. Etwa dreieinhalb Stunden konnte hier ohne Masken und die Einhaltung von Abständen ein buntes Potpourri aus „alternativen Fakten“, waghalsigen Theorien, esoterischem Quatsch, reaktionären Ideologien, egoistischer Ignoranz und gesellschaftlicher Verantwortungslosigkeit verbreitet werden.
Als sich Gegendemonstrant*innen von der Antifa-Kundgebung auf den Weg zur Reventlouwiese machten, um dort ihren Widerspruch in Sicht- und Hörweite vorzutragen, wurden diese auf halber Strecke durch einen brutalen Polizeieinsatz gestoppt. Mindestens eine Person wurde hierbei vorläufig in Gewahrsam genommen, der Durchgang an der Kiellinie war fortan für Antifaschist*innen abgeriegelt. Nichtsdestotrotz gelang es kleineren Gruppen von Gegendemonstrant*innen immer wieder, ihren Protest an die rechtsoffene Versammlung heranzutragen, wurden dabei jedoch immer wieder durch die Polizei behindert. Die antifaschistische Kundgebung wurde als Kontrapunkt bis zum Ende der „Querdenker“-Veranstaltung aufrechterhalten. Immer wieder wurden hier Durchsagen gemacht und hunderte Flugblätter an Passant*innen verteilt. Wiederholt konnten hier auch Reaktionär*innen auf den Weg zu ihrer Kundgebung konfrontiert werden. Auch hier sabotierte die Polizei im Laufe des Nachmittags jedoch die antifaschistische Gegenöffentlichkeit, indem sie begann, grundlos die Spaziergänger*innen umzuleiten und so die Reichweite der Kundgebung einzuschränken.
(Aus einer Presserklärung vom 17. August 2020 der Antifa Kiel)
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