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Impfen als Event oder:

The Dark Side of the Moon

Sich an der Pandemie gesundverdienen – einige Konzerne haben dies schon in der ersten Welle erfolgreich umgesetzt. Und immer erhielten sie staatliche Unterstützung: ob nun die deutsche Automobilindustrie, die trotz der erhaltenen Kurzarbeitsgelder Dividenden ausgezahlt haben, ob die Lufthansa als „deutsches Unternehmen“ oder eben auch die Firma Biontech, die mit Geldern der Steuerzahler*in zwar den Impftstoff gegen das Virus entwickelte, um diesen nun meistbietend zu vertreiben.

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Die Liste derer, die öffentliche Gelder erhalten, wird jetzt um einen Namen erweitert: EVENTIM.Tickets für Konzerte, Musicals und Shows in ganz Deutschland bei Eventim kaufen – so lautet die Werbung des Unternehmens, das seit 1990 mit dem Kartenverkauf für Kultur- und Sportveranstaltungen den Umsatz stetig steigerte. Im Geschäftsbericht 2019 werden bei 3.202 Beschäftigten ein Umsatz von 1,4 Milliarden Euro genannt.

Kein Wunder also, dass bei den aktuellen Schlagzeilen zu dem Konzertmanager Eventim ein Song in den Kopf kommt, der lange vor Gründung des Unternehmens produziert und ein Hit wurde.
In „Money“ hatte die britische Rockband Pink Floyd 1973 auf ihrem Album „The Dark Side Of The Moon“ kritisch gesungen „Money, it’s a crime!“ und dass es keine Überraschung ist, wenn nicht gesagt wird, woher der Reichtum kommt.

Jetzt hat das Eventim eine neue Kuh, die gemolken werden kann. Ende Januar 2021, drei Wochen nach dem Start der Impfungen gegen Sars Cov2, wurde der Presse vom schleswig-holsteinischen Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) mitgeteilt, dass das Ticket- und Konzertunternehmen Eventim mit der Organisation der Vergabe der Impftermine beauftragt wurde. Vorausgegangen war heftige Kritik aus der Bevölkerung, da es in diesem Bundesland keine persönlichen Briefe zur Impfung gegeben hat und die angegebene Hotline für die Termine dauerbesetzt war.

Danach erst wurde der Deal mit Eventim bekannt gemacht. Durch die kurzfristige Bekanntgabe in den Medien wurde versucht dies als Reaktion auf die Kritik darzustellen.
Laut einem Artikel in der FAZ vom 4.2.2021 hatte das Ticketunternehmen jedoch bereits im November 2020 allen Gesundheitsministerien der Bundesländer ein Angebot dazu unterbreitet und Gespräche geführt. Nur Schleswig-Holstein hat ein Vertrag mit Eventim geschlossen. Über die Internetseite des Bundeslandes wird nun die Terminvergabe angeboten, die Buchung läuft jedoch direkt über Eventim-Server.
Nur 4 Tage nach der Pressemitteilung des Ministeriums begann am 1.2. die „Ticketvergabe zur Corona-Impfung“. Parallel dazu erhalten nun die betreffenden Altersgruppen auch eine „Einladung zur Terminvergabe mit persönlichem PIN“. Es müssen wohl mehr Daten als nur das Alter der Personen verarbeitet werden. Doch der Gesundheitsminister Garg aus der Jamaikakoalition vertraut auf Datenschutz durch Eventim.
Weshalb eine Ticketagentur nun im Dienste der Gesundheit Impftermine vergibt, wird deutlich wenn man sich das Ergebnis ansieht. Bereits in der ersten Minute soll es über 4.000 Klicks auf das Portal gegeben haben, laut Eventim kommt dies dem Ticketverkaufsstart der Tournee eines internationalen Popstars gleich.

Doch – um im (Konzert-)Bild zu bleiben – es gibt „The Dark Side of The Moon“, die dunkle Seite des Mondes. Denn einerseits ist seit Bekanntgabe des Auftrags durch die Landesregierung der Aktienkurs des Unternehmens steigend.
Andererseits bleibt im Dunkeln, was die Landesregierung Schleswig-Holstein für diesen „Service“ an Eventim zahlt. Die Kosten seien „abhängig von der Inanspruchnahme, also dem Anrufaufkommen sowie der Anzahl der Online-Buchungen“, so das Gesundheitsministerium. Und: man habe sich bewusst gegen das vorhandene System der Kassenärztlichen Vereinigung „KV digital“ entschieden. Argumentation: darüber könne nicht der Erst- und Zweittermin für die Impfung gleichzeitig gebucht werden.

Eventim-Chef Schulenberg hat im November 2020 gesagt: „In den ersten neun Monaten 2020 hat CTS EVENTIM, einer der führenden internationalen Ticketing und Live-Entertainment-Anbieter, inmitten der Corona-Krise seine Zukunftsfähigkeit konsequent ausgebaut.“
Diese Einschätzung wird trotz gravierenden Umsatzrückgangs gegeben. Gerade im Veranstaltungsbereich kann es auf den Punkt gebracht werden: keine Konzerte – keine Zuschauer*innen beim Sport bedeuten keinen Ticketverkauf.
Nach eigener Aussage hat Eventim jedoch umgehend auf die Lockdown-Maßnahmen im Frühjahr 2020 reagiert und „effizient die Kostenstruktur angepasst“. Das funktioniert so gut, dass sich die liquiden Mittel zum 30. September 2020 immerhin noch auf 798,7 Mio. Euro belaufen.

Was mit Effizienz gemeint ist, zeigt ein Blick auf die Geschäftsgebaren. Hier geht es nicht um den guten Service, sondern darum das Geld fließt.
Bereits 2014 wurde von der Wirtschaftswoche kritisiert, dass Eventim nicht nur 80% des Vorverkaufs für Tickets in Deutschland durchführt, sondern auch, dass sie „allen vor- und nachgelagerten Bereichen des Kartengeschäfts“ greife und Kartenvolumina dorthin schiebe, wo der Absatz am meisten Gewinn bringe. Dies gehe zu Lasten klassischer Vorverkaufsstellen. 2017 untersagte das Bundeskartellamt dem Unternehmen exklusive Vereinbarungen mit Veranstaltern, um den Vertrieb von Eintrittskarten für Konkurrenten zu öffnen.
Trotz dieser Tatsache hat das Verkehrsministerium mit Andreas Scheuer im Dezember 2018 der CTS Eventim gemeinsam mit dem österreichischen Partner Kapsch TrafficCom den Zuschlag für die Erhebung der Gebühren von deutschen Fahrzeughaltern gegeben. Der Auftrag hatte lt. Spiegel vom 19.12.18 ein Volumen von knapp zwei Milliarden Euro und sollte über mindestens 12 Jahre laufen. Nachdem der Europäische Gerichtshof in der Pkw-Maut einen Verstoß gegen europäisches Recht erkannt hatte, kündigte die Bundesrepublik Deutschland die Verträge mit dem Betreiberkonsortium.
Als 2019 Verbraucherschützer gegen die Abwicklung der Vorverkäufe von Eventim vor dem Bundesgerichtshof klagten, bekamen diese recht: Eventim darf nicht mehr, wie vorher üblich, Zusatzkosten für Eintrittskarten erheben, die die Käufer*innen selbst ausdrucken müssen, auch überhöhte Portokosten für den sogenannten Premiumversand wurden richterlich begrenzt.

Das alles hält Eventim nicht davon ab, aus den in der Corona-Pandemie massenhaft abgesagten Veranstaltungen noch einen Gewinn zu pressen. Die Verbraucherzentralen in Niedersachsen und NRW sehen die Abrechnung und Rückerstattung von gekauften Tickets als wenig transparent und nicht nachvollziehbar. Auf den Vorverkaufsgebühren sollen die Käufer*innen sitzen bleiben, obwohl die Absage durch die Veranstalter*innen erfolgte. Aus NRW wurde bereits Ende Oktober 2020 eine Klage gegen Eventim vorbereitet.

Und jetzt ist, dank der Landesregierung Schleswig-Holstein, der neue Geschäftszweig die Vermittlung von Impfterminen.
„Für uns ist es wichtig, als Unternehmen einen Beitrag zu leisten, dass wir alle aus dieser Krise baldmöglichst wieder herauskommen. Zugleich entwickeln wir uns auch unter schwierigen Bedingungen weiter und suchen dabei nach Marktchancen. Die Organisation von Impfterminen ist so eine Chance.“ gibt Alexander Ruoff von Eventim Einblick, dass es nicht in erster Linie um die Gesundheit geht.
Da muss sich niemand verwundert die Augen reiben, dass zwei Tage nach Beginn der Impfterminvergabe am 3. Februar Klaus-Peter Schulenberg, Chef der Bremer Ticketagentur Eventim, der „Wirtschaftswoche“ sagt: „Wenn es genug Impfstoff gibt und jeder sich impfen lassen kann, dann sollten privatwirtschaftliche Veranstalter auch die Möglichkeit haben, eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen zu machen“. Eventim habe bereits die technischen Voraussetzungen geschaffen: „Wir haben unsere Systeme so eingerichtet, dass sie auch Impfausweise lesen können.“

Die Zielgruppe von Eventim sind wohl nicht die zuerst geimpften Menschen Ü80. Jedoch die nachfolgenden Gruppen werden dann zu Veranstaltungen jeder Art sicher ebenso ihre „Einladung“ erhalten, wie zunächst zur Impfterminvergabe.
In einem ARD-Interview hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesagt, dass Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, bestimmte Dinge dann auch nicht tun könnten. Nach den Plänen der Regierung soll bis zum Ende des Sommers jeder Deutsche die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen. Gute Aussichten auf Einnahmen für Eventim also.
Die Verschleuderung der Steuergelder an Unternehmen, findet also eine Fortsetzung. Nach dem Deal in NRW, der von dem Sohn des Ministerpräsidenten Laschet mit seinem Arbeitgeber, der Modefirma Van Laack, eingefädelt wurde, hat nun auch Schleswig-Holstein ein Unternehmen mit einem – sicher lukrativen – Vertrag ausgestattet. In NRW hält ein Rechtsgutachten im Auftrag der SPD den millionenschweren Schutzkittel-Auftrag für nicht rechtmäßig. Eine Koblenzer Anwaltskanzlei kommt zu dem Schluss, dass bei der Vergabe „grob gegen die herrschenden Vorschriften des Vergaberechtes verstoßen“ worden sei.
Die SPD in Schleswig-Holstein scheint sich jedoch mit der Vergabe an Eventim arrangiert zu haben. Da insbesondere durch die Medien die schleppende Impfung und hierbei der Umgang mit der Bevölkerung skandalisiert wurde, die SPD im Landtag als Oppositionspartei eine veränderte Terminvergabe forderte, scheint sie den Vertrag mit Eventim nicht angreifen zu wollen.
Dabei zeigt auch der Vertrag mit der Ticketagentur, wie öffentliche Gelder in private Taschen fließen.

Angezweifelt werden darf, ob die Bevorzugung von Personen bei der Vergabe für Impftermine über Eventim beendet wird. In Kiel waren beim ersten Impftermin zwei ehemalige Stadtpräsidenten extra eingeladen „weil sie den Umgang mit Medien kennen“, in mindestens neun anderen Bundesländern war „Restimpfstoff“ vorhanden, der angeblich unbrauchbar geworden wäre und deshalb an Leitungskräfte aus der Gesundheitsbehörde, Klinikchefs, Impfbeauftragte und ihre Tochter, Bürgermeister und Oberbürgermeister, Stadträte, 300 Polizist*innen, Geistliche und Kommunalpolitiker*innen vergeben wurde.

Doch wie heißt es im Norden: Der Fisch fängt am Kopf an zu stinken!
Das ist hier der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Er hat jahrelang als Lobbyist der Pharmaindustrie gearbeitet, hatte 2006 eine GbR gegründet, der die Agentur Politas gehört, die im Pharma- und Gesundheitssektor berät. Er nutzte sein Abgeordnetenmandat für Nebenjobs als Berater der Pharmakonzerne und verkaufte seine Anteile an Politas 2010 nur, weil er „den Eindruck eines Interessenkonfliktes vermeiden wolle“. 2019 machte Spahn den Ex-Pharma-Manager (Ratiopharm) Markus Leyck Dieken zum Chef von Gematik. Die Gesellschaft soll digitale Strukturen für das Gesundheitssystem erarbeiten, unter anderem für die elektronische Patientenakte und das E-Rezept. Der Bund übernahm auf Betreiben Spahns im Frühjahr 2019 die Mehrheit an der Gesellschaft (lt. Tagesspiegel 22.12.20)
Wie Lobbyismus geht, wird also vom Bundesgesundheitsminister vorgemacht. Da versuchen die Länderminister und weitere Dienstgrade auch in der Pandemie Schritt zu halten.

Bettina Jürgensen, marxistische linke

   

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