Daten/Fakten  

   

Kommentar

Sozialer Wohnungsbau oder Investorenparadies?

Der neue Stadtteil Holtenau-Ost (ehem. MFG 5) soll jetzt entwickelt werden. Das ehemalige Militärgelände wurde für 30 Mio. von der Stadt gekauft und es soll eine Mischung aus Freizeit, Wohnen und Gewerbe entstehen. Viele Menschen aus den umliegenden Stadtteilen nutzen es schon gerne für die Naherholung am Wasser. In den ehemaligen Kasernen sind viele Flüchtlinge untergebracht. Ob sie dort wohnen bleiben dürfen, wenn in ein paar Jahren dort für 5.000 Menschen eine Wohnung gebaut wird? Die Stadt Kiel hat versprochen, dass ein baulich hochwertiges Quartier mit 30 Prozent geförderten Wohnraum entstehen soll. Solche Versprechungen gibt es immer wieder von der Stadt Kiel, wenn es um bezahlbaren Wohnraum geht. Mit der neuen eigenen Wohnungsbaugesellschaft Kiwog will sie selber Geld in die Hand nehmen und bauen. Hier gibt es die einzigartige Möglichkeit günstigen Wohnraum zu schaffen. Leider sind die Erfahrungen aus der Vergangenheit bei den Stadtplanungsprojekten sehr schlecht. Mehrfach gab es Bürgerbeteiligung und tolle Baupläne aus städtebaulichen Wettbewerben, aber dann kamen die privaten Investoren und alles wurde wieder über den Haufen geschmissen. Zuletzt beim sog. Schlossquartier. Trotz guter Vorschläge durch Stadt und Bürger kam dann plötzlich eine Investorengesellschaft und baute teuerste Wohnungen und einen Kaufhauskomplex rund um den Alten Markt und realisierte höchstmietige Wohnklötze bis zum Schloss. Die Rendite ist gesichert. Oder die ehem. Planungen an der Hörn. Auch hier sollte ursprünglich Wohnen am Wasser mit viel Grün realisiert werden. Aber schließlich gingen dort die waghalsigsten Investoren mit ihren Hochbauten in die Insolvenz. Jetzt viele Jahre später wird nur noch in Büropaläste investiert, von sozialem Wohnungsbau ist nicht viel übrig geblieben. Gaardener können sich das dort jedenfalls nicht leisten. Jetzt schreien schon IHK und der Eigentümerverband Haus & Grund, dass die Investoren und Gewerbe auf dem neuen Holtenauer Quartier zu kurz kommen würden. Da brauchen sie sich eigentlich keine Sorgen machen, denn die Stadt Kiel hat ohnehin kein Geld um selber zu bauen. Die Investoren sind ganz schnell da, zumal es um eines der lukrativsten Standorte an der Kieler Förde geht. Nicht umsonst wird davon ausgegangen, dass der Tonnenhof umgesiedelt wird, um dort den Bau von Luxuswohnungen fortzusetzen, wie jetzt schon beim Holtenauer Schwimmbad. (uws)

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Zu teuer, zu gefährlich, zu spät – EU will Atomkraft fördern

Alle Jahre wieder. Immer wenn es auf die herbstliche UN-Klimakonferenz zugeht, werden die Reste der deutschen Atomlobby aktiv, um die Trommeln für ihre alten Meiler zu rühren. Und mit ziemlicher Regelmäßigkeit finden sie in den Redaktionsstuben jemanden, der aus purer Lust an der gedankenlosen Provokation versucht, deren immer gleichen Sermon von der vermeintlichen Sicherheit der klimarettenden Atomkraft als brandneue Einsicht und Ausgeburt der Rationalität zu verkaufen, während alle anderen natürlich Ideologen oder Naivlinge sind. Ganz so, als schrieben wir das Jahr 1997 und die Umweltministerin und spätere „Klimakanzlerin“ würde noch immer den Propaganda-Unsinn von RWE nachplappern, dem zu Folge die erneuerbaren Energieträger nie viel mehr als zwei Prozent der Stromversorgung würden abdecken können. Tatsächlich sind es in Deutschland inzwischen fast 50 Prozent und in einigen anderen EU-Ländern sogar noch mehr.

Hierzulande nahm in den letzten Jahren kaum noch jemand dieses Märchen von der sauberen Atomkraft ernst, doch hinter den Kulissen ist die Lobby offenbar noch immer einflussreicher, als man denken mag. Das liegt vor allem auch daran, dass zwar viele EU-Mitglieder wie Deutschland in den nächsten Jahren die letzten AKW stilllegen werden oder gar keine besitzen, andere aber weiter am Bau neuer interessiert sind. Vor allem Finnland, Frankreich, Tschechien und die Slowakei.

Und so kommt es, dass die EU kurz davor ist, die Atomkraft in ihren Werkzeugkasten für nachhaltige Entwicklung aufzunehmen, was ihr besondere Förderung zu kommen lassen würde. Das führte kürzlich zu einem internationalen Aufschrei bei den Umweltverbänden, die sich mit einem Appell zum Eingreifen an den voraussichtlichen nächsten Kanzler Olaf Scholz wandten.

Wie man hört, hatte nämlich die nur noch geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel es unterlassen, bei der letzten Sitzung des Europäischen Rates gegen den Griff der Atomlobby nach den EU-Fördertöpfen zu intervenieren. Aber das kann eigentlich nur jene erstaunen, die vergessen haben, wie die „Klimakanzlerin“ einst gerne zur Einweihung von RWEs neuen Braunkohlekraftwerken anreiste und 2010 zusammen mit der FDP den Atomausstieg kippte. Freilich nur um ein halbes Jahr später nach der dreifachen Havarie im japanischen Fukushima öffentlichem Druck nachgebend einen Rückzieher zu machen.

Doch nun sollen die altersschwachen AKW auf einmal die Klimaretter sein und sogar der Neubau gefördert werden. Deshalb ist es vielleicht Zeit, einmal an ein paar einfache Fakten zu erinnern. Erstens ist der Abbau von Uran mit erheblichen Gesundheitsproblemen in den betroffenen Regionen verbunden und der Rohstoff zudem inzwischen sehr knapp. Zweitens sind Unfälle selten aber möglich und dann extrem zerstörerische. Siehe Tschernobyl oder Fukushima.

Drittens braucht es aktuell in Europa über zehn Jahre, um ein neues AKW zu bauen. Viertens gibt es noch immer kein sicheres Endlager für den Strahlenmüll, der für 100.000 Jahre oder mehr verwahrt werden muss. Fünftens sind AKW sehr schwerfällig und passen nicht zur variierenden Stromerzeugung der Erneuerbaren. Sechsten ist Atomstrom deutlich teurer als Solar- oder Windstrom.

Und schließlich ist siebentens die AKW-Technologie wegen des nötigen Material- und Kapitalaufwandes ein sehr zentralistischer Ansatz und konnte zudem bisher in den meisten Ländern nur mit massiver Polizeigewalt durchgesetzt werden. Mit einer demokratische kontrollierten kommunalen Energieversorgung ist sie nicht vereinbar.

(wop)

Infos: https://www.ausgestrahlt.de/themen/klima-und-atom/

 

Kommentar:

Mangelhaft. Widersetzen

Es ist bisher nur ein Sondierungspapier – kein fertiger Koalitionsvertrag – doch der Text verheißt wenig Gutes. Nichts, aber auch gar nichts deutet darauf hin, dass sich Gewerkschaften und Klimabewegung – schon gar nicht die Friedensbewegung – nun einfach zurücklehnen und der sich abzeichnenden neuen Regierung in Ruhe zu schauen können.
SPD, FDP und Grüne sprechen viel von Modernisierung, aber sie wollen weder die sehr hohen Einkommen stärker besteuern, noch die Vermögenssteuer wieder einführen oder die Erbschaftssteuer erhöhen. Auch halten sie an der sogenannten Schuldenbremse fest – der Deckelung der Staatsverschuldung – sodass neue Angriffe auf die Sozialleistungen in der Luft zu liegen scheinen. Insbesondere, wenn die Rentenkasse im nächsten Börsen-Crash in Rauch aufgeht. Die Rentenversicherer sollen nämlich gedrängt werden, mit den Einlagen der Versicherten an der Börse zu spekulieren.
Andere kritische Aspekte des Papiers sind etwa die Beibehaltung und Ausweitung des Fallpauschalensystems in den Krankenhäusern oder ein höchst skandalöser Angriff auf die Gesundheit der Arbeitenden. Die maximal gesetzlich zulässige Arbeitszeit von zehn Stunden pro Tag soll aufgeweicht und die Arbeitszeit maximal flexibilisiert werden. Außerdem wird von Abrüstungsinitiativen geredet aber gleichzeitig die Aufrüstung der Bundeswehr und die weitere Militarisierung der EU angekündigt. Auch wird klar gemacht, dass künftig vermehrt die Interessen der deutschen Industrie mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden sollen. Verantwortung übernehmen heißt das auf Neudeutsch.
Aber gibt es dafür wenigstens endlich ausreichenden Klimaschutz? Kaum. Man drückt sich davor, den Ernst der Klimakrise beim Namen zu nennen, sondern spricht lieber von Chancen für die deutsche Wirtschaft. Dass nur noch eine sehr begrenzte Menge CO2 ausgestoßen werden darf, bleibt unerwähnt, und beim Kohleausstieg wird man schwammig: Er soll „idealerweise“ auf 2030 vorgezogen werden. Immerhin soll der Ausbau der erneuerbaren Energieträger massiv beschleunigt werden. Hier, wie in den anderen Fällen hängt alles davon ab, was letztlich im Koalitionsvertrag steht. Voraussichtlich bis Ende November wird verhandelt. Vier Wochen Zeit Druck zu machen, und sich diesem neoliberalen Regierungsprogramm, das immer noch meint, der Klimakrise mit viel Wettbewerb, privaten Investitionen und mehr Ausbeutung Herr werden zu können, zu widersetzen. (wop)

Kommentar

Die Grünen lieben es militärisch

Der neue Bundestag wurde nach Redaktionsschluss gewählt, aber schon vorher war eigentlich klar, dass von den diversen möglichen Koalitionen eine schlimmer als die andere sein würde. Vor allem hat die Bundestagswahl aber gezeigt, dass wir ein riesiges Problem haben. Ein erheblicher Teil der Klimabewegung und der jungen Wähler hat große Hoffnungen in die Grünen gesetzt. Das ist in mehrerlei Hinsicht fatal. Die Grünen werden keine Bundestagsmehrheit finden, mit der wirklich konsequenter Klimaschutz möglich wäre. Weder Union, noch SPD, noch FDP – von den Nazis und Halbnazis gar nicht zu reden – wollen rechtzeitig aus der Kohle aussteigen oder Industrie und Verkehr in den nächsten zwölf Jahren auf klimaneutrale Antriebe und Prozesse umstellen.
Auch die Grünen selbst haben das Pariser Ziel, die globale Erwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, faktisch bereits aufgegeben. Zwar beziehen sie sich in ihrem Programm darauf, aber die Maßnahmen und das CO2-Buget, das einzuhalten sie fordern, würden bestenfalls für Deutschlands Beitrag reichen, die globale Erwärmung auf 1,75 Grad Celsius zu beschränken. Es wurde schlicht falsch beim Sachverständigen Rat der Bundesregierung abgeschrieben.
Die in sie gesetzten Hoffnungen werden die grünen Parlamentarierinnen und Parlamentarier also auf jeden Fall enttäuschen. Gleichzeitig werden sie aber – das macht ihr Wahlprogramm deutlich und der vor den Wahlen gegenüber der Linkspartei aufgebaute Druck – sich engagiert für mehr Aufrüstung, neue Kriege und eine aggressivere Politik gegenüber Russland und China einsetzten. Immer noch wird so getan, als ginge es dabei um die Durchsetzung der Menschenrechte. Dabei könnte man doch wirklich aus dem Afghanistan-Krieg gelernt haben, wie hohl und mörderisch dieser Vorwand ist. Nicht nur die Taliban, auch die NATO und ihre lokalen Verbündeten haben in den 20 Kriegsjahren zahlreiche Verbrechen begangen. Die UN haben allein zwischen 2009 und 2019 dort rund 20.000 getötete Zivilisten gezählt.
Fragt sich nur, was die Klimabewegung aus dem Militarismus der Grünen macht. Wie kann man Klimagerechtigkeit fordern und zugleich in aller Welt Krieg führen wollen? Zeit, dass sich die Klimabewegung von der Grünen Partei emanzipiert und mit der Friedensbewegung verbindet. Sonst wachen wir womöglich nicht auf einem Hitzeplaneten sondern im nuklearen Winter auf. (wop)

Kommentar

Die verratene Jugend

Nach mehr als eineinhalb Jahren Pandemie hat die Stadt es nun geschafft, ein paar Luftfilter für die Kieler Schulen und Kitas anzuschaffen. Zehn Stück. Leider gebe es nur eine beschränkte Förderung. Eigene Mittel einzusetzen, sieht sich die Landeshauptstadt offensichtlich nicht in der Lage. Dennoch war sie so stolz auf ihre „frühzeitige“ Entscheidung „zehn Luftfilter anzuschaffen, die voraussichtlich den Förderbedingungen entsprechen würden“, dass sie Mitte August zu deren Einweihung zu einem Pressetermin in eine Kita einlud.
Mit derlei wird die städtische Presseabteilung beschäftigt, und sich gleichzeitig über die hohen Infektionszahlen bei den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vornehm ausgeschwiegen. Im August lag Kiel hier zeitweise bundesweit auf Platz eins. Bei Redaktionsschluss betrug bei den Fünf- bis 14jährigen die Inzidens 237 und bei den 15- bis 34jährigen 113, während es in der Gesamtbevölkerung 77 waren. Anderswo das gleiche. Überall in Schleswig-Holstein gibt es bei den Kindern und Jugendlichen, die keinen oder kaum Impfschutz haben, deutlich höhere Infektionsraten als bei den Erwachsenen. Trotzdem werden die Schulen wieder im Normalbetrieb gefahren, ohne für die notwendigen Vorkehrungen zu sorgen.
Der Eindruck drängt sich auf, dass den Verantwortlichen das Schicksal der Kinder und Jugendlichen egal ist. Für die Lufthansa werden, kaum ist die Pandemie ausgebrochen, neun Milliarden Euro locker gemacht, für die Automobilindustrie gibt es trotz satter Dividenden Kaufprämien, aber für Luftfilter gibt es auch im August 2021, als sich längst die nächst Infektionswelle in den Zahlen ankündigt, kein Geld.
Gleichzeitig verkünden die Kanzlerkandidaten von Union und SPD, dass sie die besonders klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke möglichst bis 2038 weiterbetreiben wollen, ihnen somit der Klimaschutz und die Zukunft der heutigen Kinder und Jugendlichen vollkommen egal ist. So egal, wie der Landesregierung, die unbedingt mit Steuergeldern ein Flüssiggasterminal bauen will, um Frackinggas zu importieren.
Und wenn die Jugendlichen diese ganze Verarschung und den ganzen Corona-Stress einmal vergessen und im Schrevenpark oder auf der Reventlouwiese ein bisschen feiern wollen, dann schickt ihnen die Stadt Polizei und Security auf den Hals, die erst zuschlagen und dann fragen. Weil die lieben Bürger sich gestört fühlen und vielleicht auch um den Lack ihrer Stadtpanzer fürchten. Schöne neue Welt. (wop)

Kommentar:

Klassenkrieg

Seit Anfang April werden die Warnungen aus den Krankenhäusern immer eindringlicher. Während die Bundesregierung noch über Lockerungen sinnierte, war schon Ende Februar klar, dass die Zahl der Infektionen wieder steigen wird. Der sogenannte R-Wert liegt seit dem fast durchgängig über 1, der Virus breitet sich immer weiter aus. Bei Redaktionsschluss war bereits fast wieder das Infektionsniveau von Ende Dezember erreicht, dem Höhepunkt der letzten Welle. Doch die Schulen sollen geöffnet bleiben und den Unternehmen werden nach wie vor lediglich Empfehlungen gegeben. Man spricht vom harten Lockdown, meint aber vor allem Einschränkungen im Privaten. In der Freizeit sollen die Menschen zu hause hocken, egal wie beengt sie leben, bei Redaktionsschluss sah es gar danach aus, dass Ausgangssperren ins Bundesinfektionsschutz geschrieben werden.
Man könnte es auch Käfighaltung von Arbeitern nennen. Die Menschen in den Krankenhäusern sind am Ende ihrer Kräfte, aber damit die Konzerne keinen Schaden nehmen sollen die Kinder weiter zur Schule und die Eltern weiter in Fabrikhallen und Büros, sollen sich auf dem Weg dorthin weiter in Busse und Bahnen quetschen, aber nach Feierabend gefälligst zu hause bleiben.
Man kann es durchaus auch Klassenkrieg nennen. Denn während in de Krise weiter traumhafte Dividenden gezahlt werden und das Vermögen der Milliardäre wächst, werden kleine Selbständige, Café-Betreiber, Künstler und andere ruiniert, werden Infizierte nach hause zu ihren Familien in Quarantäne geschickt, um diese auch noch anzustecken, grassiert Corona vor allem dort, wo die Menschen beengt leben müssen, gibt es Sicherheitsnetze zwar für Lufthansa und Automobilindustrie aber nicht für prekär Beschäftigte, schon gar nicht für die Saisonarbeiter auf dem Land, für die die Berliner Koalition den Sozialstaat während der Pandemie gänzlich außer Kraft gesetzt hat. Und als sei das alles noch nicht genug, zeigt die Unionsfraktion gemeinsam mit den Liberalen auch noch den Mietern eine lange Nase, indem sie vom Verfassungsgericht den Berliner Mietendeckel zerschießen lässt.
Verständlich, dass ein solcher Staat eine prügelwütige Polizei braucht und sich heranzüchtet, die die Corona-Auflagen so gerne zur Jagd auf Jugendliche nutzt, insbesondere wenn sie auch noch die falsche Augen- oder Haarfarbe haben. Wichtig wäre, dass sich all die verschiedene Betroffenen dieses von oben angezettelten Klassenkrieges solidarisieren und gemeinsam wehren. Zum Glück gibt es einige erfreuliche Ansätze.

(wop)

Kommentar:

Mehr Gemeinwohl

Ist der Bundesgesundheitsminister bei Erscheinen dieser Ausgabe noch im Amt? Ein Rücktritt wäre mehr als überfällig. Nachdem er Ende Januar 2020 uns noch erzählte, dass da lediglich so eine Art Grippewelle auf uns zu rollt. Nachdem er bis Anfang März 2020 brauchte, um auch nur anzufangen, sich um Masken und Sicherheitsausrüstung zu kümmern. Nachdem es auch heute noch nicht in allen Krankenhäusern genug Schutzausrüstung für die Beschäftigten gibt. Nachdem er mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Höchstarbeitszeit in den Krankenhäuser zeitweise auf 12 Stunden ausdehnte, statt sich um bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung sowie um die Einstellung von ausreichend Personal zu kümmern. Nachdem er auch in der Corona-Krise weiter für die Schließung von Krankenhäusern wirbt und diese auch zulässt, anstatt zumindest für die Zeit der Krise das destruktive Fallpauschalensystem auszusetzen.
Nach all dem nun auch noch das: Die Firma seines Ehemanns erhielt von seinem Ministerium einen Großauftrag für Atemschutzmasken. Wohlgemerkt nachdem er zuvor Wochen lang die Bedeutung von Schutzmasken herunter gespielt, die Menschen eher entmutigt hat, sich welche selbst herzustellen, und damit auch den rassistischen Anfeindungen Vorschub geleistet hat, den asiatisch aussehende Menschen mit Masken in der Öffentlichkeit ausgesetzt waren und sind.
Was wir seit einem guten Jahr erleben scheint einem drittklassigen Mafia-Krimi entsprungen. All die Unfähigkeit, Vernachlässigung, Missachtung des Lebens von Arbeiterinnen und Arbeitern in Krankenhäusern, Schlachthöfen, Logistikzentren, in der Landwirtschaft und nun auch noch die Korruption. All das von Politikern, die sich kein bisschen am Sterben im Mittelmeer, an den Kriegen der Türkei, Aserbaidschans oder Saudi Arabiens, am massenhaften Hungertod in Jemen, verursacht unter anderem mit deutschen Waffen, stören.
Doch es ist real, und diese Zustände haben einen Namen: Kapitalismus. Die gute Nachricht: Diese gesellschaftliche Störung ist durchaus heilbar. Hoffen wir, dass diese Krise ein Weckruf war, dass die Menschen aufstehen werden, um ihre Krankenhäuser zu verteidigen und zurückzuholen. Und mehr: Krankenhäuser, Pharmaindustrie, Energieversorgung, ÖPNV, Wohnen, Wasser all das gehört zur Daseinsvorsorge und deshalb als gemeinnützige Unternehmen unter eine demokratische öffentliche Verwaltung. Dieses Land und der ganze Planet brauchen eine am Gemeinwohl und Gebrauchswert orientierte Wirtschaft.

(wop)

Kommentar:

Stadtverwaltung und Polizei lassen Kiel zum Lieblingsort der rechten, antisemitischen Querdenken-Bewegung werden

Ich kenne kaum Leute, die mittlerweile nicht genervt sind von den Corona-Maßnahmen. Ich selbst bin es auch. Nichtsdestotrotz sind sie leider im Großen und Ganzen notwendig, um das Wichtigste zu erhalten, was wir haben. Unsere Gesundheit und in letzter Konsequenz unser Leben.

Nun hat sich eine gefährliche Mischung aus Menschen zusammengefunden, die gegen die Maßnahmen auf die Straße gehen. Menschen, die gegen alle wissenschaftlichen Fakten leugnen, dass Corona gefährlich ist und Menschen, die an alle möglichen reaktionären Verschwörungsideologien glauben, gehen gemeinsam mit der neuen Rechten und Nazis auf die Straße. In Kiel freut sich z. B. die Identitäre Bewegung sehr darüber, geschützt von dieser Menge endlich mal wieder ungehindert demonstrieren zu können. Es hat mich ehrlich gesagt schockiert, dass in Kiel je nach Angabe 900 (KN) oder gar 1500 (Schleswig-Holstein Magazin) Teilnehmer_innen mobilisiert werden konnten.

Trotz der geltenden Corona-Verordnung des Landes Schleswig-Holstein, die eine maximale Anzahl von 100 Teilnehmer_innen auf Demos gestattet und des Verstoßes gegen die Auflagen, Abstand zu halten und Maske zu tragen, durfte die Demonstration ungehindert durch Kiel ziehen. Weder Stadt noch Polizei griffen ein. Gilt Kiel doch schon lange als gutes Pflaster für derartige Versammlungen. Ich halte dieses Vorgehen mittlerweile für Absicht. Man will sich lieber „Ärger“ mit den Rechten ersparen, statt die Gesundheit der Kieler Bevölkerung, die von solchen Super-Spreader-Events gefährdet wird, zu schützen. Der Twitter-Kommentar des Ordnungsdezernenten der Stadt, das „Grundrecht auf Versammlung“ sei „genauso elementar, wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit“ spricht Bände und erscheint mir mit Blick auf den Umgang der Polizei mit linken Demos geradezu zynisch.
Und auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Ratsversammlung wollte Kritik nicht gelten lassen und antwortete auf Twitter auf meine Vorwürfe gegen den Leiter der Versammlungsbehörde mit Verbannungsphantasien aus der Stadt und meinte, dass ich in Kiel „nichts zu suchen habe“. Die vielbeschworene Toleranz der Grünen endet schon bei der Kritik am Handeln der Stadtverwaltung.
Das Wichtigste allerdings zum Schluss. Die gesellschaftliche Linke hat es wieder nicht geschafft den Unmut vieler Leute progressiv zu wenden. Damit meine ich ausdrücklich nicht die weißen Wohlstandsbürger_innen, die mit den Rechten demonstrieren, sondern z. B. die vielen Arbeiter_innen, die wegen des viel zu geringen Kurzarbeiter_innengeldes um ihre schiere Existenz fürchten. Während die Besitzer_innen größerer Gastronomiebetriebe fürstliche Entschädigungen erhalten, müssen sich deren Angestellte mit 60% des Nettogehalts zufrieden geben. Zudem bleibt das Trinkgeld aus.
Die Leidtragenden der Krise sind ebenso im Gesundheitssystem, im Lebensmitteleinzelhandel und bei den Paketdiensten zu finden, wo sich die Überstunden anhäufen und die Gefahr für die Gesundheit immens ist.
Wir müssen mit diesen Menschen zusammen die Corona-Krise zu einer Verteilungsfrage machen. Nicht die Rechten zusammen mit der gelangweilten Wohlstandsbourgeoisie, sondern wir zusammen mit den Arbeitenden sollten eigentlich durch Düsternbrook ziehen und von den dort ansässigen Reichen fordern, dass sie gefälligst die Krise bezahlen. So es die Pandemie denn zulässt, wäre der Kampftag der Arbeit am 1. Mai ein gutes Datum dafür.

Björn Thoroe, Ratsfraktion Die Linke Kiel

GegenCoronaKapitalismus Kiel web

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Geisterfahrer und Menschenopfer

Es ist Wahnsinn. Unter der Decke breiten sich neue, deutlich stärker ansteckende Covid-19-Varianten aus, in Flensburg wird gar eine Ausgangssperre verhängt, aber die Landesregierung will die Schulen wieder öffnen. So stellte sich die Lage bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe da. Ab dem 22. Februar sollten in den meisten Kreisen die Grundschüler wieder in die Schulen kommen. Mag gut sein, dass bei Erscheinen dieser Zeitung längst wieder zurück gerudert wurde und Kinder und Erwachsene erneut im Hin-und-her der Politik durchgeschüttelt wurden.
Bekannt war aber bei Redaktionsschluss schon, dass der Ausbruch in Flensburg fast ausschließlich auf die neue, sich noch leichter ausbreitende Variante zurück geht. Bekannt war auch, dass dort, wo man es nachvollziehen konnte, die neue Variante unter der Decke zurückgehender Infektionszahlen sich ausbreitete. Die dritte Welle ist im Anrollen, warnten Fachleute. Wenn diese LinX erscheint, werden wir wissen, ob sie recht hatten.
Die Kieler Landespolitiker halten jedoch nichts von Vorsorge und scheinen es nicht nötig zu haben, den Rat von Wissenschaftlern zu folgen. So wie sie zwar gern, vor allem die Grünen unter ihnen, viel von Klimawandel reden, aber zugleich hunderte Millionen Euro in Frackinggas-Infrastruktur stecken, so schlagen sie auch in Sachen Corona mal wieder die Warnungen in den Wind.
Schließlich muss der Rubel weiter rollen, müssen die Betriebe weiter laufen, damit die Einnahmen und Gewinne stimmen. Deshalb muss dann auch mal eben im Corona-Hotspot Flensburg die Polizei losgeschickt werden, um Besetzer gewaltsam aus ihren Baumhäusern zu holen, einen Wald zu vernichten um ein neues Parkhaus mit Hotel bauen zu können.
Klima egal, Natur egal, Gesundheit der Flensburger vollkommen egal. Hauptsache die Rendite stimmt. „Eine gewisse Sterblichkeit“ muss eben hingenommen werden, meinte der Direktor des Deutschen Instituts der Wirtschaft Michael Hüther Mitte Februar. Natürlich hat er nicht seine „Sterblichkeit“ oder die seiner Auftraggeber im Sinn, sondern die der Arbeiter in den Schlachthöfen, in den Eisfabriken, die der Gesundheitsarbeiterinnen und -arbeiter in den Krankenhäusern und Pflegeheimen und auch die der Beschäftigten in den Kitas und Schulen, die ebenfalls überdurchschnittlich oft infiziert werden. Menschenopfer für das Kapital. Im Jahre 2021. Wollen wir uns das wirklich gefallen lassen?

(wop)

Kommentar

Scheinheilig und verlogen

Nur noch ein Zehntel der neuen Gasleitung Nord Stream 2 fehlen bis zur Fertigstellung, 120 (mittlerweile nur noch 50 km, Red.) der 1230 Kilometer langen Pipeline, viele Milliarden Euro stecken bereits im Bau. Nun wurden die Arbeiten gestoppt, die USA bedrohen beteiligte Unternehmen und deren Mitarbeiter mit brachialen Sanktionen, die natürlich völkerrechtswidrig sind. Seit dem Attentat auf den russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny sind auch in Deutschland die Forderungen der Nord Stream Gegner noch einmal lauter geworden. Man müsse jetzt „Härte“ gegen Putin zeigen, für „Menschenrechte“ eintreten.
Nun ist ein versuchter Mordanschlag ein Verbrechen, keine Frage. Aber erstens sind die Hintergründe des Anschlags bisher überhaupt nicht geklärt. Und zweitens ist die Forderung, deshalb nun Nord Stream 2 zu stoppen, an Scheinheiligkeit und Verlogenheit kaum zu überbieten. Wann hat sich die Bundesregierung bei Rohstoffimporten je um Menschenrechte gekümmert? Wir importieren Öl aus Saudi-Arabien, dort werden Gegner des Regimes nicht nur von Geheimdiensten bedroht, ihnen drohen per Gesetz Strafen wie Auspeitschen oder Köpfen. Oder aus Lybien, wo Folter an der Tagesordnung ist. Und die USA? Über 1000 Unschuldige, die zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort waren, sind bisher allein dem vökerrechtswidrigen US-Drohnenkrieg zum Opfer gefallen. Sind das weniger wichtige Opfer als Herr Navalny? 
Wenn ein Land Oppositionelle verfolgt, die Korruption und Staatsverbrechen aufdecken, ist das zweifellos eine schlimme Sache. Aber während man aus Navalny einen Helden macht, wird der Whistleblower Julian Assange wie ein Schwerverbrecher ins Gefängnis gesteckt und muss Haftbedingungen aushalten, die Ärzte als psychische Folter bezeichnen und um sein Leben fürchten lassen. Nach einer Auslieferung an die USA drohen ihm 175 Jahre Haft. 
Und überhaupt, die USA, unser „Verbündeter“? Was für Verbündete sind das eigentlich, die uns mit Sanktionen belegen, einen Handelskrieg führen und deutsche Politiker, Firmen und ihre Mitarbeiter bedrohen. Nur um einen Markt für ihr eigenes, teureres und dreckigeres Fracking-Gas zu erhalten. Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde. ...

(aus einem Newsletter von Sahra Wagenknecht, 18.9.2020)

Klimakrise:

Heißer und heißer

Mitte Januar ist die Zeit für Meteorologen und Klimawissenschaftler, Bilanz zu ziehen. Wie warm war das letzte Jahr? Was macht die globale Erwärmung? Gibt es vielleicht mal eine Pause? Ist Corona bedingt vielleicht ein ganz klein wenig Besserung in Sicht? Immerhin sind ja die Emissionen der Treibhausgase ein wenig zurück gegangen.


Nein. Keine Besserung in Sicht. 2020 war innerhalb der Messgenauigkeit gleichauf mit 2016, dem bisher wärmsten Jahr seit Beginn der flächendeckenden Temperaturaufzeichnungen. Die Klimakrise macht keine Coronapause und die fossile Industrie in ihrem Amoklauf auch nicht.
Pünktlich am Montag (18.01.2021) nach dem Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet zum neuen CDU-Chef gewählt worden war, begannen RWE-Trupps am rheinländischen Braunkohletagebau Grazweiler 2 damit in dem kleinen Dorf Lützerath Gebäude abzureißen. Unter dem Schutz eines massiven Polizeiaufgebots, das in gewohnt brachialer Manier verschieden Blockaden Protestierender aus dem Weg räumte.
Vor den Augen und in der unmittelbaren Nachbarschaft jener Menschen, die sich noch immer gegen eine Zwangsumsiedlung wehren; in einem Dorf, das nach einem bis zum vergangenen Dezember vom CDU-geführten Bundeswirtschaftsministerium geheim gehaltenen Gutachten nicht abgerissen werden müsste. Nicht einmal, wenn man den um mindestens eineinhalb Jahrzehnte zu späten Ausstieg aus der Braunkohle im Jahre 2038 als Rahmen akzeptierte.

Während Deutschland inzwischen ins vierte Dürrejahr geht, in der Nordatlantikregion eine einzigartig intensive Hurrikan-Saisaon hinter uns liegt, tropische Wirbelstürme nun auch offenbar häufiger im Mittelmeer auftreten, der Amazonas-Regenwald sich einem Punkt nähert, an dem ein Umkippen hin zu einem Savannen-Klima in der Region immer wahrscheinlicher wird, hierzulande viele Wälder beginnen großflächig abzusterben, setzen CDU und RWE auf eine Strategie des Terrors um den Widerstand gegen ihr Klima-Kamikaze einzuschüchtern und zu zermürben.

Und, nein, die Leitartikler von FaZ und Welt, von Bild und KN schreien nicht „Sozialismus!“ und „Stalinismus!“, wenn Bauern und andere Tagebau-Anwohner enteignet werden. Übrigens auch nicht, wenn das gleiche für den Bau von weiteren über 800 Kilometern Autobahn geschieht. Die „rote Gefahr“ droht natürlich nur, wenn an der Spree eine Mieterinitiative fordert alle großen Wohnungsbaukonzerne wie Deutsche Wohnen oder auch die aus Kiel unrühmlich bekannte Vonovia zu enteignen.

Derweil spitzt sich die Klimakrise weiter zu, und die CDU hat jetzt einen Vorsitzenden, der noch 2019 in einer Fernseh-Talkshow zur Rechtfertigung seiner Bürgerkriegsübungen im Hambacher Forst meinte: „Aus irgend einem Grund ist das Klimathema plötzlich ein weltweites Thema geworden.“ 2019. 30 Jahre nach dem Beginn der internationalen Verhandlungen über Klimaschutz, gut 25 Jahre nach der Veröffentlichung mehrerer 1000 Berichts-Seiten einer Bundestags-Enquetekommission, auf denen bereits alles Wesentliche zur sich jetzt entfaltenden Klimakrise nachzulesen war.

Und was nun? Den Kopf in den Sand stecken? Mit der CDU koalieren, um Schlimmeres zu verhindern (und ein paar Kriege notfalls auch ohne UN-Mandat zu führen, wie es die grüne Ko-Vorsitzenden Annalena Baerbock ankündigt)? Hat ja seinerzeit auch mit Moorburg, Garzweiler und dem Krieg gegen Jugoslawien schon so gut geklappt, nicht wahr?

Oder vielleicht doch lieber mehr Druck aus der Gesellschaft aufbauen? Mit den Fridays-for-Future-Schülerinnen und -Schülern, mit den Aktivistinnen und Aktivisten von Ende-Gelände, mit den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern für Klimaschutz, mit all den vielen lokalen Initiativen, die versuchen, den Aufbau der erneuerbaren Energieträger in die eigenen Hände zu nehmen, Genossenschaften aufbauen oder um die Rekommunalisierung der örtlichen Stadtwerke ringen?

(wop)

Kommentar

2021 muss besser werden

Was für ein Jahr. Rekordwaldbrände in Australien, Kalifornien und Brasilien. Dann die Corona-Pandemie mit einem Westen, der um den Preis Hunderttausender Toter nicht bereit ist, von den ostasiatischen Ländern zu lernen. Dann Milliarden-Geschenke für Auto-, Luftfahrt- und Kohleindustrie und Kohleausstieg erst 2038. Dann eine Rekord-Hurrikan-Saison über dem Nordatlantik, die Nachricht, dass sich der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt, und eine weiter anhaltende Dürre in weiten Teilen Deutschlands. Dann Schüsse auf Flüchtlinge an der griechischen Grenze, das Lob der EU-Kommissions-Chefin für die griechischen Grenzer und der Brand in einem Flüchtlingslager auf Lesbos sowie im Anschluss die gewaltsame Unterbringung der Menschen in einem Camp hinter Stacheldraht, auf einem Gelände mit Munitionsresten und Granaten im Boden, in Zelten durch die Regenströme rauschen, in einem Lager ohne Warmwasser und ausreichend Nahrung und mit der Weigerung des Bundesinnenministers, die so über alle Maßen geschundenen und entwürdigten Menschen aufzunehmen. Eines Innenministers, der den internationalen Tag der Menschenrechte damit begeht, die Verlängerung des Abschiebestopps an das syrische Folterregime zu verhindern.
Dann ein wochenlanger massiver, oft sehr gewaltsamer Polizeieinsatz unter schwarz-grüner Regie für die Rodung eines alten, intakten Mischwaldes und den Bau einer Autobahn. Im Jahre 2020. Als gäbe es keinen Klimawandel, kein 1,5-Grad-Ziel und keine völkerrechtlichen Verträge zum Schutz des Klimas, als würde nicht seit mindestens 30 Jahren öffentlich und international über Klimaschutz diskutiert und verhandelt. Schließlich der wärmste November seit Beginn der Aufzeichnungen, wieder Hitzewellen und Waldbrände in Australien und die zweite, noch viel heftigere und tödlichere Corona-Welle, die Anfang Dezember das sich bisher noch selbstgefällig auf die Schulter klopfende Deutschland in die Spitzengruppe der am schlimmsten betroffenen Staaten spülte.
Staatsversagen oder besser Kapitalismusversagen auf der ganze Linie. Im Gesundheitssektor erleben wir derzeit ganz konkret, was es heißt, wenn wirklich alles zur Ware wird. Das muss aufhören. Die Fallpauschalen gehören abgeschafft. Krankenhäuser gehören in öffentliche Hand und müssen wieder gemeinwirtschaftlich, das heißt, ohne Profitzwang, betrieben werden. Wohnungs-, Energiekonzerne und die ganze Daseinsfürsorge übrigens auch. Mindestens. (wop)

Kommentar:

Keine bewaffneten Drohnen !
– Die Drohnendebatte war eine Scheindebatte

Annegret Kramp-Karrenbauer hat bei der Haushaltsdebatte im Bundestag keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Entscheidung für bewaffnete Drohnen jetzt durchdrücken will. Die geplante Bewaffnung der Heron TP ist nur der Anfang. Wenn diese Drohne bewaffnet wird, dann wird die anvisierte Eurodrohne erst recht bewaffnet. Eine entsprechende Beschaffungsvorlage hat die Ministerin ja angekündigt. Die Bundesregierung bereitet den deutschen Einstieg in den Drohnenkrieg vor, als gäbe es in Corona-Zeiten nichts Dringenderes als neue Rüstungsprojekte. Die Bewaffnung von Drohnen ist kategorisch abzulehnen, weil das eine falsche Grundsatzentscheidung ist. Die Kriegsführung, der Einsatz von Sprengmitteln wird damit niederschwelliger, der Trend zur Automatisierung des Krieges ist wird damit gestartet.
Diese Sorge bestätigte kürzlich auch eine neue Studie der Regierungsberater von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP), in der es hieß: „Sollte die Heron TP bewaffnet werden, wäre dies der erste Schritt zur Beschaffung wei­terer deutscher Kampfdrohnen. Dazu gehö­ren die oben erwähnte Eurodrohne wie auch das Future Combat Air System (FCAS). [M]it der Bewaffnung ferngesteuerter Drohnen [ist] auch ein Trend zu autonomen Fähigkeiten verbunden […]. Technische Entwicklungen von Hard- und Software ermöglichen eine eigenständige Navigation und Steuerung. Langfristig wird das System auch imstande sein, in komplexen Lagen dynamische Ziele auszuwählen und zu bekämpfen.“
Die insbesondere vom Verteidigungsministerium veranstaltete sogenannte Drohnendebatte 2020 war von Anfang an ein großer Bluff. Intern hat die Bundeswehr die Vorbereitungen für Kampfdrohnen längst getroffen. Es braucht nur noch ein Ja des Bundestages, dann wird die Heron TP sofort mit Waffen ausgestattet. Dementsprechend einseitig war auch die organisierte Debatte: Drohnenopfer wurden nicht gehört, auch keine ehemaligen Drohnenpiloten, die ihren Einsatz heute teilweise sehr kritisch sehen. Bei jeder Debatte wurde akribisch darauf geachtet, dass diejenigen, die die Drohnen-Bewaffnung befürworten, deutlich ausführlicher zu Wort kommen. Selbst aus den Reihen der Bundeswehr war keine Kritik zugelassen.
Tobias Pflüger (6. Oktober 2020), Informationsstelle Militarisierung · www.imi-online.de

 

Kommentar

WIR SCHAFFEN DAS?

Nach dem Brand des Lagers in Moria und der noch dringender gewordenen Aufnahme der mehr als 12.000 Geflüchteten, kommt einem der Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor fünf Jahren in den Sinn. „Wir schaffen das!“ hatte Merkel im August 2015 gesagt. Es ist ein Satz den sie heute nach eigener Aussage so nicht wiederholen würde.
Es waren diese drei Worte, mit denen Merkel signalisierte, dass die nach Europa und Deutschland vor dem Krieg in Syrien, aber auch aus Afghanistan, aus dem Jemen, aus Afrika fliehenden Menschen hier mindestens eine Aufnahme bekommen werden. Und es waren Worte, an denen in der Diskussion um Flucht und Asyl niemand sich vorbei mogeln konnte.
„Wir schaffen das!“ war zugleich die Aufforderung an viele Menschen in diesem Land, sich dafür einzusetzen, dass die hier ankommenden Geflüchteten mindestens einen Platz zum Schlafen, Essen und Trinken bekommen. Was bis dahin als Aufgabe von Flüchtlingsräten, von karitativen Organisationen oder auch von Aktivist*innen aus dem politisch eher linken Spektrum geleistet wurde, fand nicht nur den Zuspruch, sondern auch die Unterstützung aus breiten Bevölkerungsteilen.
Der inzwischen strapazierte Begriff der „Willkommenskultur“ zeigte sich in tausenden örtlichen Initiativen und der Entwicklung verschiedenster Arten von Hilfe und Aufnahme. Sie ging von dem Empfang der Geflüchteten auf Bahnhöfen über die Organisation von Schlafplätzen, Lebensmitteln, Kleidung. Und er wirkte weit darüber hinaus. Die kommunalen Institutionen waren überfordert und gaben gern die Organisation dieser notwendigen Unterstützung an die ehrenamtlichen Initiativen und ihre Akteure ab. Diese wiederum stellten klare Forderungen und Erwartungen auf finanzielle und logistische Hilfe, in der Folge auch bildungs-, gesundheits- und andere lebensnotwendige Maßnahmen. ...
Miteinander und voneinander lernen. Ein gemeinsamer Kampf um Sprachkurse, Wohnung, Arbeit für Geflüchtete und gemeinsame Freizeitgestaltung wurden entwickelt. Für große Teile der Bevölkerung wurde es zunächst das Ziel „es zu schaffen“. Sie erfuhren bei ihrem Handeln auch die Ursachen für Flucht, lernten ebenso den teilweise rigiden bis repressiven Umgang mit Geflüchteten kennen, leisteten zivilen Ungehorsam gegen Abschiebungen. Kurz: für viele Menschen war es der Beginn aktiver politischen Handelns. ...

(Bettina Jürgensen)

So einfach koennte es sein web

Zum Kommentar: „Wir schaffen das“ ?

Merkel, die quasi dazu aufgerufen hatte, dass sich die Bevölkerung dem „Wir schaffen das!“ anschließt, hatte in dieser Frage (Aufnahme aller Flüchtlinge, Red.) nicht einmal die gesamte Regierung hinter sich. Und auch sie selbst bleibt ihren Reden nicht treu. Was auch nicht so erstaunlich ist, immerhin ist sie Kanzlerin der CDU und des Kapitals.

EU: die Grenzen Europas abschotten

Wenn Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung am 17.8.15 schrieb: „... Die Flüchtlingszahlen, die Deutschland im Sommer 2015 beunruhigen sind auch Folge dessen, was der Raubtierkapitalismus und die gewachsene Bereitschaft der Geostrategen, Interessenkonflikte mit Gewalt zu lösen angerichtet haben ...“, so folgt daraus nicht die Konsequenz der Regierenden, um der Zahlen willen die Lösung der Konflikte gewaltlos zu suchen oder auf die Absatzmärkte und die Ausplünderung der Ressourcen anderer Länder zu verzichten. Statt Fluchtursachen zu bekämpfen und auf friedliche Konfliktlösung zu setzen, wurde der weitere Abbau des Asylrechts beschlossen.

Die Politik der EU und mit ihr die Bundesregierung aus Deutschland setzte und setzt weiter auf die gigantischen Fluchtabwehrpläne an den Grenzen. Alle Diskussionen um Rettungsprogramme täuschen nicht darüber hinweg, dass das Ziel heißt: die Grenzen Europas abzuschotten.

„Das Leid der Schutzsuchenden auf Lesbos ist seit Jahren Kalkül. Knapp eine Woche nach dem Brand in Moria werden die weiterhin überwiegend obdachlosen Schutzsuchenden durch massive Polizeipräsenz, Tränengas und das Vorenthalten von Wasser und Nahrung massiv unter Druck gesetzt, damit sie in das neu entstehende Zeltlager ziehen. Das ist eine Zermürbungsstrategie, um die Erschöpften dann in dem Lager besser kontrollieren zu können.“
Ulla Jelpke (MdB, DIE LINKE, Pressemitteilung vom 14.9.2020)

Immer noch sterben Menschen bei der Flucht, verdursten in der Wüste, ertrinken im Mittelmeer. Immer noch holt Frontex Flüchtende von ihren untergehenden Booten, um sie dann nicht in Sicherheit zu bringen, sondern um sie in die Türkei oder in die Flüchtlingslager Libyens zurückzustoßen, in denen lt. Auswärtigem Amt „KZ-ähnliche Verhältnisse“ mit „Exekutionen, Folter und Vergewaltigungen“ herrschen (Bericht des Auswärtigen Amtes, nach Spiegel, 29.01.2017). Oder sie werden in den sogenannten Hot-Spots, großen Lagern für Geflüchtete zusammengepfercht und von der weiteren Flucht in ein sichereres Leben abgehalten.

„Deutschland muss und kann auch gegenwärtig eine erhebliche Zahl von Schutzsuchenden aufnehmen“ (Pro Asyl)

Pro Asyl stellt fest:
„Trotz dieser Abwehrpolitik, für die die Bundesregierung mitverantwortlich ist, ist die Aufnahme von 890.000 Geflüchteten im Jahr 2015 eine Erfolgsgeschichte, die zeigt: #offengeht! Die Untergangs- und Schreckensszenarien, die die Aufnahme von Flüchtlingen regelmäßig begleiteten, wurden regelmäßig widerlegt – dank der Menschen, die zu uns kamen und dank der Menschen, die sich für sie eingesetzt haben.“ Und es heißt weiter: „Deutschland muss und kann auch gegenwärtig eine erhebliche Zahl von Schutzsuchenden aufnehmen. Viele Flüchtlingsunterkünfte in den Kommunen stehen leer oder können kurzfristig reaktiviert werden, die Bereitschaft zu Unterstützung und Engagement ist bei Haupt- und Ehrenamtlichen ungebrochen. Gleichzeitig verzweifeln Flüchtlinge in Elendslagern auf den griechischen Inseln, auf der Balkanroute und vor den Toren Europas, u.a. in der Türkei, im Libanon und in dem Folterstaat Libyen.“

Gleichzeitig dürfen wir nicht darüber hinwegsehen, dass auch nach 2015 Gesetze beschlossen wurden, die der sogenannten „Willkommenskultur“ entgegenstehen. Auch diese wurden von Pro Asyl zusammengefasst dargestellt (siehe https://www.proasyl.de/pressemitteilung/5-jahre-wir-schaffen-das/).

Mit der Katalogisierung der Geflüchteten in solche aus vermeintlich sicheren oder unsicheren Herkunftsländern, die Abschiebepraxis und -zentren, mit der immer wieder geführten Diskussion um Obergrenzen und darüber, ob Straftäter nicht ohnehin und schneller abgeschoben werden sollten, wird rassistischem Denken Vorschub geleistet.
Ja, es haben gegen die Geflüchteten auch die Pegida-Demonstrationen stattgefunden, die Faschisten der AfD sind in mehr Parlamente eingezogen und es werden immer noch rassistische Anschläge und Morde verübt.

Eine die bereits 2016 den Satz von Merkel „Wir schaffen das!“ als zu leichtfertig fand, meldet sich auch nach 5 Jahren zu Wort:
Sarah Wagenknecht (MdB, DIE LINKE) meint: „Eines hat Angela Merkel geschafft: Sie hat mit ihrer Entscheidung unser Land verändert, das heute tiefer gespalten ist als je zuvor, ökonomisch, sozial, kulturell“, und „Merkel habe es geschafft, dass eine Partei wie die AfD Oppositionsführer werden konnte. Dass der Umgang miteinander ruppiger und intoleranter geworden sei.“
(ntv, 31.8.20: Sahra Wagenknecht: „Nein, Merkel hat es nicht geschafft")

Den Grund für die Rechtsentwicklung in der Aufnahme von Geflüchteten und der Aussage der Kanzlerin „Wir schaffen das!“ zu sehen, ist schon harter Tobak. Nicht nur, dass damit die Schuld für die Spaltung der Gesellschaft letzten Endes den Geflüchteten zugeschoben wird, es negiert die gesellschaftliche Entwicklung durch politische und wirtschaftliche Faktoren, negiert die Verantwortung für den Kampf um eine soziale, friedliche, gleichberechtigte und ökologische Zukunft. Eine Verantwortung, die gerade bei den linken Kräften liegt.

Die Bundesagentur für Arbeit bilanziert: „Einen „langen Atem“ brauche die Integration in den Arbeitsmarkt“ und dass es positiv sei, dass „im Mai 2020 knapp 29 Prozent der Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren - im Frühsommer 2015 waren es nur gut 18 Prozent gewesen. Rechnet man die Minijobs hinzu, lag die Beschäftigungsquote zuletzt bei gut 34 Prozent.“ (Süddeutsche Zeitung, 4.9.20: Wie viele kamen, wer durfte bleiben, wie viele fanden Arbeit?)

Auch hier gilt es, die sozialen Kämpfe gemeinsam zu führen. Um das Recht auf Arbeit, auf Gesundheit, das Recht auf Wohnen. Nicht nur dazu braucht es den langen Atem.

Was ist zu tun?

Über die anstehenden aktuellen Forderungen zur Aufnahme aller Geflüchteten dürfen weitergehende Forderungen und die dazu notwendigen Diskussionen nicht aus dem Blick verschwinden. Dazu gehört ein Asyl- und Flüchtlingsgesetz für Deutschland und für Europa, das den Schutz der Flüchtlinge und ihre Perspektiven in dieser Gesellschaft in den Mittelpunkt aller Regelungen stellt. Es muss viel stärker die Forderung nach globaler Bewegungsfreiheit diskutiert werden. Dabei sind auch die Ursachen von Flucht und Migration und gesellschaftliche Alternativen zu diskutieren.

Wir fordern: Bleiberecht für Alle!
Es muss eine Migrationspolitik in Deutschland entwickelt werden, die bereits hier lebenden Menschen zu legalisieren.
Bleiberecht für alle! Kein Mensch ist illegal!

Perspektivisch wären politische und soziale Bürger*innenrechte an den Aufenthalt in der EU zu knüpfen. Es müssen legale Fluchtwege geschaffen werden. Europa muss gefahrenfreie Wege für Flüchtlinge eröffnen. Menschen die fliehen müssen „Asylvisa“ erhalten, die dazu berechtigen würden, in die EU einzureisen, um dort einen Asylantrag zu stellen, bzw. ein Bleiberecht zu erhalten. Es darf keine Zurückweisungen von Flüchtenden an den Grenzen geben.

Flüchtlinge sollen ihr Asylverfahren im Land ihrer Wahl durchlaufen. Das Prinzip der freien Wahl bewirkt, dass Asylsuchende dort hingehen können, wo sie die Unterstützung erhalten. Die EU-Mitgliedstaaten müssen gegenseitig Statusentscheidungen anerkennen und dann Freizügigkeit gewähren.

Finanzielle Ungleichgewichte zwischen den EU-Staaten können durch Finanztransfers ausgeglichen werden. Es ist sinnvoller Geld zu verschieben als Menschen. Die in den letzten Jahrzehnten eingeführten asylpolitischen Verschärfungen müssen zurückgenommen werden.

Die Rechte von Illegalisierten müssen verteidigt werden, ebenso ihr Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Rechtsschutz gegen Gewalt und Ausbeutung. Kein Mensch ist illegal!

Im Kapitalismus sind Migrationsregime immer auch Arbeitskraftregime. Eine linke Migrationspolitik muss sich direkt gegen eine neoliberale Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik richten, für die die Entrechtung qua Ausländerrecht nur ein Mechanismus von vielen ist, um Löhne zu senken und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern.

Gleiche Rechte für alle Menschen, die hier leben! Das heißt auch soziale Rechte für alle Arbeiter*innen auszubauen und durchzusetzen, dass Lohnbestimmungen und Arbeitsstandards eingehalten werden.

Es sollte die Möglichkeit der Arbeitsmigration ohne Asylverfahren eröffnen werden (nicht nur für Superspezialisten mit Green- und Blue-Card). Dazu muss der Arbeitsmarkt geöffnet und Diskriminierung von ausländischen Arbeiter*innen beendet werden.

Krieg ist eine Ursache für Flucht. Wir fordern den sofortigen Stopp von Waffenexporten und das Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Frieden ist jedoch auch mehr als die Abwesenheit von Krieg. Die grenzenlose Ausbeutung durch transnationales Kapital, ist strukturelle Gewaltausübung gegenüber der erdrückenden Mehrheit der Weltbevölkerung. Dies bildet den Hintergrund sowohl der heute geführten Kriege wie des Terrorismus.
Frieden erfordert, einen Weg zur Überwindung der ungerechten und unmenschlichen Strukturen der heutigen durch kapitalistische Ausbeutung strukturierten Weltgesellschaft zu öffnen. Die imperialistischen Staaten werden nicht aus sich selbst Gewaltverzicht oder weltwirtschaftliche Umorientierung im Interesse der Mehrheit der Menschen vornehmen. Dies müssen wir erkämpfen.

Was wurde geschaffen?

• Geschaffen wurde in den letzten Jahren eine Bewegung, die sich uneingeschränkt für die Rettung und die Aufnahme Geflüchteter einsetzt.
• Durchgesetzt wurde von der Seebrücke mit ihren Aktionen, dass sich inzwischen 174 Kommunen zum „Sicheren Hafen“ erklärt haben und bereit sind Geflüchtete aufzunehmen.
• Geschaffen wurde Seawatch, die mit der Überzeugung „Seenotrettung ist kein Verbrechen!“ die Menschen im Mittelmeer vor dem Ertrinken retten.
• Geschaffen wurden mehr antirassistische Initiativen, Netzwerke die sich in den letzten fünf Jahren gebildet haben und heute noch aktiv sind. Die aktuell den Kampf um die Aufnahme der Geflüchteten aus Moria und den anderen griechischen Lagern führen.

#LeaveNoOneBehind!


Bettina Jürgensen, marxistische linke

Ein Film von Leslie Franke und Herdolor Lorenz

WER RETTET WEN?

Alle Welt redet von der „Corona-Krise“. Doch Corona ist nur ein Brandbeschleuniger. Die Weltwirtschaftskrise hatte schon im Dezember 2018 begonnen, als Finanzderivate Vermögen in Höhe von fünf Billionen Dollar vernichteten – das sind 12 Jahre die Ausgaben des deutschen Bundeshaushalts! Die industrielle Produktion rutschte sogleich ins Minus.
Wäre es nicht Corona gewesen, so hätte etwas anderes die Krise zum Kochen gebracht. Die schon 2007 gefährliche Verschuldung ist weiter gestiegen. Und in der aktuellen Krise wird sie alle Rekorde brechen. Die Banken haben in den USA wieder alle Freiheiten. Die europäischen leiden unter gewaltigen Portfolios südeuropäischer Staatsanleihen. In der neuen Eurokrise wird Italien wackeln, doch dann wanken auch die  Banken. Zusätzlich wurde ein intransparentes und unreguliertes Schattenbanksystem (Hedgefonds wie Blackrock) mächtiger als der gesamte Bankensektor. Und auch der Immobilienmarkt ist weltweit eine Blase wie 2007 in den USA – mehr als 100 Millionen neugebaute Wohnungen stehen leer.
Wo man hinschaut, warten Blasen auf ihr Platzen. Nach und nach werden Firmen, Banken und nach ihnen auch mit Rettungsschirmen überforderte öffentliche Körperschaften die Zahlungsunfähigkeit anmelden. So wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit die Krise gewaltig weiter ausbreiten: Möglicherweise zuerst als eine neue Finanzkrise, dann vielleicht eine Immobilienkrise oder schon zuvor eine neue Eurokrise – alles unberechenbarer und größer, weil im Gegensatz zur letzten Krise China nicht mehr als Krisendämpfer wirkt. Aus der letzten Krise wissen wir, dass Krisen stets das Einkommen, die Arbeitsrechte und die persönliche Sicherheit der Lohnabhängigen und unsere Demokratie bedrohen. Mit der Finanzkrise wurde die Arbeit auf Abruf, als Freelancer und in der Gig-Ökonomie ohne jede soziale Absicherung zum Alltag. Dies haben wir im Film „Der marktgerechte Mensch“ unter die Lupe genommen und betrifft in den „entwickelten“ Staaten des Westens nun 40% aller Beschäftigten. Sie sind es auch, die in dieser Krise kein Kurzarbeitergeld bekommen und trotzdem die Miete zahlen müssen. Karstadt-Kaufhof schließt die Hälfte der Filialen. Und das ist sicher nur der Anfang. Lasst uns verhindern, dass wir 99,9%  wieder für die Krise der 0,1% Reichen und Mächtigen zahlen müssen! Der Film „Wer Rettet Wen?“ zeigt eindringlich, wie das in der letzten Krise geschah. Wer seine Geschichte nicht versteht, läuft Gefahr, sie noch einmal tragischer zu wiederholen. Deshalb nun die aktuelle Version des Films „Wer Rettet Wen - Reloaded“ - Siehe TERMINE!

Kommentar

Zeit zur Gegenwehr

Das Kapital bläst zum großen Halali, zur großen Jagd auf die Rechte der Arbeiter und Rentner und aller, die von staatlichen Leistungen in der einen oder anderen Form abhängig sind. Eben noch haben Auto- und andere Konzerne etliche Milliarden an Dividenden verteilt – BMW allein rund 1,6 Milliarden Euro – während gleichzeitig per Kurzarbeitergeld Subventionen aus den Sozialkassen abgezogen und nach zusätzlichen Staatshilfen gerufen wurde, und kaum einen Monat später beginnen die Massenentlassungen. Auch bei jenen, die, wie die Lufthansa, reichlich bedacht wurden.
Es ist auch wirklich erschütternd, was den Quandts & Co. droht. Da könnten doch, nach dem es in den letzten 15 Jahren so schön gelaufen ist und man sogar die Finanzkrise 2008ff noch hat nutzen können, um den Südeuropäern das Fell über die Ohren zu ziehen – Angela Merkel sei ewiger Dank –, tatsächlich für die nächsten Jahre die Dividenden versiegen. Der so extrem abhängigen deutschen Exportwirtschaft brechen nämlich die Absatzmärkte weg. 2019 war die hiesige Industrie schon im Rezessionsmodus und die Weltwirtschaft eher auf Sparflamme. – Der kapitalistischen Wirtschaft geht’s ja bekanntlich nur gut, wenn sie kräftig expandiert, ganz so, als sei der Planet nicht rund sondern unendlich und hätte unbegrenzt Ressourcen.
Doch nun beschwört die Corona-Pandemie eine ausgewachsene Weltwirtschaftskrise herauf. Noch merken wir da wenig von, doch die Vorboten häufen sich. Die ersten Massenentlassungen werden, wie erwähnt, angekündigt, und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin prognostiziert inzwischen einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um über neun Prozent. Das wäre zwar auch nur ein Rückfall auf das Niveau von 2014 oder 2015, aber für das Funktionieren der ganz auf Wachstum ausgerichteten kapitalistischen Ökonomie ist das dramatisch. Die schlimmste Krise seit 1928ff.
Die Regierung schnürt gerade ein Riesenpaket, mit dem viel Geld in die Wirtschaft gepumpt werden soll, und die EU wird noch mehr mobilisieren. Aber die Unternehmerverbände lassen keinen Zweifel, wer das bezahlen soll: wir. Sozialbeiträge wollen sie gestundet haben, Steuern gesenkt, Löhne gedrückt und die sich aufblähende Staatsverschuldung kommenden Generationen aufladen, sofern sie sich nicht über einen weiteren Kahlschlag im Sozialen, in der Bildung und bei allem finanzieren lässt, aus dem kein Profit zu schlagen ist. Zeit, über Gegenwehr nachzudenken. Der Kampf gegen Fallpauschalen in den Krankenhäusern, mehr Personal und substanziell bessere Bezahlung wäre sicherlich ein guter Anfang. (wop)