Daten/Fakten  

   

Klimaschutzstadt Kiel:

Vernichtung eines Waldstücks in Holtenau gibt Rätsel auf

Mitten in einem Kleingartengelände im Westen von Holtenau, südlich des Flughafengeländes, wurde im März ein Waldstück mit einem altem Baumbestand mit z.T. über 100 Jahre alten Eichen auf brachaile Weise mit großen Maschinen beseitigt und ein unübersehbarer Flurschaden hinterlassen.

Es geschah parallel zu anderen sogenannten Knickpflege-Aktionen entlang der B 503 und der Auffahrt zur Hochbrücke im Norden der Stadt Kiel (Wir berichteten bereits mit einer Bilderserie in der LinX 04-2020). Die Baumfällaktionen fanden über Nacht mit großen Spezialmaschinen statt. Der Umweltschaden ist außerordentlich hoch und es ist im Rahmen des sog. Klimaschutzprogramms der Stadt Kiel unerklärlich, wieso ausgerechnet solch alter Baumbestand, der seit 100 Jahren für effektive CO2-Bindung steht, als Feuchtigkeitsspeicher und Regenwasserregulator diente und für die Holtenauer einen erheblichen Lärmschutz und gutes Wohnklima bereitstellte, vernichtet wurde. Lebensraum für Tiere und Insekten wurde für immer zerstört und das auch noch gerade vor der Brutzeit dort heimischer Vögel.

Viele Anwohner und Durchreisende über die anliegende Radwegestrecke entlang des Flughafens Richtung Friedrichsort waren verwundert über die riesigen Holzstapel, die erst Ende Mai von einer großen Verarbeitungsfirma abgeräumt wurden. Wer das gesehen hatte, fragt sich, in wessen Auftrag hier in nächtlich geheimergehaltener Aktion gehandelt wurde und welche Holzverarbeitungs-Firma an dieser Umweltvernichtung verdienen. Es bleibt ein Rätsel, warum seitens der Umweltverbände und der Politik keinerlei Einspruch erhoben wurde und es ist nach wie vor unklar, wer für diese Umweltkatastrophe verantwortlich ist. Eine Erklärung seitens der Verwaltung der Stadt Kiel fehlt bis heute. (uws)

PROVIEH kämpft für den Ausstieg aus dem Kastenstand:

Kampagne: Lasst die Sau raus!

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Fast die Hälfte des Jahres verbringen Sauen in Deutschland in der Regel fixiert in Kastenständen. Kastenstände sind etwa körpergroße Metallkäfige, in dem die Muttersauen einen Großteil ihres Lebens verbringen müssen. Sie können nur bewegungslos stehen oder liegen und sich nicht einmal umdrehen. Natürliche Verhaltensweisen wie Nestbau können sie nicht ausleben. Verhaltensstörungen wie das Leerkauen oder Stangenbeißen sind die Folge. Kastenstände sind tierschutzwidrig, denn sie schränken die arteigene Bewegung von Sauen stark ein und führen zu unnötigem Leid, Schmerzen und Schäden. Daher verstößt jegliche Fixierung von Sauen in Kastenstand und „Ferkelschutzkorb“ gegen das Tierschutzgesetz. Darüber hinaus sind diese häufig viel zu eng, so dass die Tiere ihre Gliedmaßen nicht zu den Seiten ausstrecken können, obwohl dies eigentlich gesetzlich vorgeschrieben ist.

Ziel der Kampagne: Bewegungsfreiheit für Muttersauen - tierschutzwidrige Haltung von Sauen in Kastenstand und „Ferkelschutzkorb“ beenden.

Lasst die Sau raus!

Etwa 1,8 Millionen Sauen leben in deutschen Ställen. Diese werfen jährlich 53 Millionen Ferkel für die Fleischproduktion. Eine Sau ist 3 Monate, 3 Wochen und 3 Tage trächtig. Nach dem Absetzen werden die Ferkel in der konventionellen Haltung nur 3 bis 4 Wochen gesäugt. Innerhalb dieses Zyklus werden die Sauen bis zu 10 Wochen in Kastenstand und „Ferkelschutzkorb“ fixiert. Fast die Hälfte ihres Lebens verbringen die intelligenten und sensiblen Tiere somit in Käfigen ohne jegliche Bewegungsfreiheit.
Diesen Kreislauf durchleben die Sauen im Durchschnitt 7-Mal innerhalb von 2,5 Jahren. Danach sind ihre Körper bereits zu erschöpft, um diese Hochleistung zu vollbringen. Das macht sich bemerkbar durch Krankheiten der Sauen, eine geringere Fruchtbarkeit oder vermehrt totgeborene Ferkel. Sobald die Sau nicht mehr „funktioniert“ wird sie geschlachtet.

Unterschreiben Sie unsere Petition

Fordern Sie jetzt vom Bundesrat: Rechtsbruch von Ministerin Klöckner verhindern! 
In der geplanten Neuregelung zur Kastenstand-Haltung sollte der Satz „Kastenstände so beschaffen sein müssen, dass jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann“ aus der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung gestrichen werden. Damit würde Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner die bislang illegale, aber gängige Praktik legalisieren und die Tierschutzvorgaben in Deutschland sogar verschlechtern. Dieses Vorhaben ist eindeutig verfassungswidrig, da im Tierschutz das Verschlechterungsverbot gilt.
Der breite Protest von über 20 Tier- und Umweltschutzorganisationen hat dazu geführt, dass die ursprünglich für Dezember geplante Abstimmung im Bundesrat verschoben wurde.

Unterschreiben Sie hier:
https://www.change.org/p/mitglieder-des-bundesrates-schweine-raus-aus-kastenst%C3%A4nden

Was bisher geschah:

Seit Jahren kämpft PROVIEH Seite an Seite mit anderen Tierschutzorganisationen für einen echten Ausstieg aus dem Kastenstand. Sauen sollen sich frei bewegen und Nestbau betreiben dürfen, anstatt fast die Hälfte ihres Lebens eingezwängt in engen Metallkäfigen zu verbringen. Und dafür konnten wir bereits Teilerfolge erzielen! Denn während das Bundeslandwirtschaftsministerium sogar Verschlechterungen für die Sauen vorgeschlagen hat, haben einige grüne Bundesländer aufgrund unseres Drucks positive Vorschläge eingebracht.

Aktuelles: Kastenstand - erneute Verschiebung im Bundesrat

05.06.2020: Der Bundesrat sollte heute über die Zukunft von Millionen Muttersauen in Deutschland entscheiden. Hierzu lag ein Kompromissvorschlag vor. Kurz vor der Sitzung wurde der Tagesordnungspunkt jedoch abgesetzt und damit erneut verschoben. Dies lässt auf weitere Verbesserungen für die Sauen hoffen. PROVIEH fordert einen echten Ausstiegs- und Finanzierungsplan aus der tierschutzwidrigen Kastenstandhaltung.

Berlin. Zum zweiten Mal wurde die Abstimmung zum Kastenstand kurzfristig von der Tagesordnung im Bundesrat genommen. Es wird nun noch einmal nachverhandelt, bevor das Plenum noch vor der Sommerpause abstimmen wird. Dass der Punkt nun erneut kurzfristig von der Tagesordnung genommen wurde, hängt stark mit dem Druck zusammen, den PROVIEH und andere Tierschutzorganisationen in den letzten Monaten auf den Bundesrat und die Grünen ausgeübt haben.

Dazu Jasmin Zöllmer, politische Leitung bei der Tierschutzorganisation PROVIEH: „Der Kompromissvorschlag, der zwischen Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ausgehandelt wurde, hätte zwar die Fixierzeiten in Kastenstand und Ferkelschutzkorb stark verkürzt – allerdings erst nach 8 Jahren Übergangsfrist. Zwar konnte der ursprüngliche verfassungswidrige Entwurf von Ministerin Klöckner verhindert werden – und wurde nicht einfach durchgewunken wie in früheren Zeiten. Jedoch fehlt in dem Kompromissvorschlag ein echtes Ausstiegsscenario aus dem Kastenstand.
Nun muss dringend im Sinne der Sauen nachverhandelt werden. Der Kastenstand ist unnötig. Das zeigen andere EU-Länder schon lange. Sogar im „Ferkelerzeuger-Land“ Dänemark ist eine Fixierung im Kastenstand nur noch im Einzelfall erlaubt. Der Bundesrat muss diese Haltungsform endlich beenden und einen echten Ausstiegsplan vorlegen. Die Sau muss raus aus dem Käfig!“

Postkarten für die Ministerpräsident*innen und alle weiteren Mitglieder des Bundesrats

Wir freuen uns, wenn Sie die Aktion unterstützen und ebenfalls eine Protestpostkarte an Ihre Ministerpräsident*innen verschicken. Einen Beispieltext und weitere Infos gibt es auf der Internetseite von PROVIEH: https://www.provieh.de/LasstDieSauRaus


Mit der PROVIEH-Postkartenaktion „Lasst die Sau raus!“ fordern wir die zuständigen Politiker*innen erneut auf, sich für einen Ausstieg aus der tierschutzwidrigen Kastenstandhaltung stark zu machen. PROVIEH verschickt in Zusammenarbeit mit den Regionalgruppen Postkarten an alle Ministerpräsident*innen der Bundesländer sowie die weiteren Mitglieder des Bundesrats, um sie daran zu erinnern, wie wichtig es ist, jetzt für eine bessere Zukunft der Sauen in Deutschland abzustimmen.

 

Fahrrad-Demo gegen Autobahnbau A21 in Kiel:

Gegen die Südspange und für eine klimagerechte Verkehrswende

Am 24. April 2020 ab 12.30 Uhr versammelten wir uns anlässlich des Globalen Klimastreik-Tages (#GlobalStrike) mit ungefähr 70 Demonstrant*innen neben dem Barkauer Kreuz, um gegen den Ausbau der A21 in Kiel und die geplante Südspange zu demonstrieren.

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Unter dem Slogan „Ausreichend Abstand brauchen wir nicht erst seit Corona!“ wollten wir mit unseren zum Teil kreativ ausgestatteten Fahrrädern über die normalerweise für den Fuß- und Radverkehr gesperrte B404 fahren, am Meimersdorfer Moor umdrehen, um dann über die Alte Lübecker Chaussee zum Bahnhof zu fahren. Diese Route markiert die Orte, die für die Baumaßnahmen an der A21 platt gemacht werden sollen. Die Räder sahen großartig aus: Da waren Äste, Plakate, Zeltstangen, Schnüre, Warnfarben und viel Klebeband im Einsatz. Auf ihren Schildern verlangten die Teilnehmer*innen nicht nur den Stopp von Südspange und A21, sondern u.a. auch eine globale Verkehrswende, Klimagerechtigkeit und das Ende des Kapitalismus.

Bereits zu Beginn der Demonstration gab es allerdings Probleme mit den anwesenden Polizist*innen. Obwohl aus den Auflagen des Ordnungsamtes keine Personenbegrenzung hervor ging, verzögerte die Polizei den Start der Demo, weil mehr Teilnehmer*innen als erwartet erschienen waren. Nachdem der Demonstrationszug dann endlich gestartet war, zählte ein Polizist tatsächlich 30 Menschen ab und verkündete anschließend, hier sei Schluss und die anderen Personen könnten sich der Demonstration nicht mehr anschließen. 

Die Anweisungen der Polizei hatten mit Infektionsschutz nichts zu tun. Unsere Idee, dass jedes Fahrrad auf der Demo so viel Platz einnehmen sollte wie normalerweise ein Auto, hätte ganz nebenbei auch vor Ansteckung geschützt – vollkommen unabhängig von der Anzahl der Teilnehmer*innen. Stattdessen wurde der hintere Teil der Demo von der Polizei an der Ausfahrt aus dem Hornheimer Weg, wo relativ wenig Platz war, gehindert und immer weiter vertröstet. Während Aktivist*innen, die sich unter den zurückgehaltenen Radfahrer*innen weiter vorne befanden, von den unverständigen Polizist*innen immer weiter hingehalten wurden, waren die Teilnehmer*innen ganz hinten der Wut aus den steckengebliebenen Blechkisten ausgesetzt. Mehrere Autofahrer*innen stiegen in aggressiver Stimmung aus ihren Wägen und ein Anwohner bedrohte die Gruppe und trat ein Fahrrad um. Das zeigt wie weit der Weg vom Auto (motorisiertem Individualverkehr) zu solidarischem öffentlichen Verkehr noch ist und wie viel Überzeugungsarbeit bei diesem Thema geleistet werden muss.
Wir kritisieren auch, dass die Polizei den motorisierten Verkehr – unter Anderem schwere LKWs – mit hoher Geschwindigkeit zu beiden Seiten dicht an der angemeldeten Demo vorbeileitete und dadurch die Radfahrer*innen einer unnötigen Gefahr aussetzte. Wenn Aktivist*innen die Straßen sperren, wie zum Beispiel bei Ende Gelände, fühlt sich das meist deutlich sicherer an! 

Im Gegensatz zu unserem Ärger über die Behinderungen durch die Polizei, die unserer Meinung nach eine unnötige Einschränkung unseres Rechtes auf Versammlungsfreiheit darstellten, stand die Begeisterung über ein Banner mit der Aufschrift „Klimanotstand ernst nehmen; Autobahnausbau verhindern“, das bei unserer Durchfahrt unter der Fußgänger*innenbrücke über der B404 entrollt wurde. Vor allem aber sind wir froh, dass die zunächst von der Polizei zurückgehaltenen Menschen schließlich selbstständig losgelegt haben und durch den Wald und über uns unbekannte Routen ihren eigenen Weg auf die B404 fanden! So konnten letztendlich fast alle entlang der geplanten Route demonstrieren – auch ohne Erlaubnis der Polizei. Denn genau hier, wo die A21 gebaut werden soll, konnten wir so ein Zeichen gegen die verfehlten Planungen der Stadt Kiel und für den Erhalt von Kleingärten, Wald und Kiels grünem Klimagürtel setzen.

(Presseerklärung der Organisator*innen
- Infos: https://tkkg.noblogs.org)

Globaler Klimastreik in Kiel in Corona-Zeiten:

Schilderwald auf dem Rathausplatz

Wegen der Corona-Pandemie musste die Demonstration zum weltweiten Klimastreik am 24.4.2020 auch in Kiel abgesagt werden. Es fanden stattdessen kleinere dezentrale Aktionen z. B. an der Kiellinie und an Bushaltestellen mit Kreidemalereien und auf dem Rathausplatz in Kiel eine Schilder- und Transparente-Präsentation von einigen OrganisatorInnen von Fridays for Future statt.

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Zu befürchten ist, dass durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie die notwendigen Maßnahmen gegen die Klimaveränderungen und Umweltzerstörungen durch sogenannte systemrelevante Probleme wie Wirtschafts- und Finanzkrise von der Tagesordnung verdrängt werden. Hinzu kommt dann möglicherweise noch, dass die Verharmlosung des Corona-Virus und der gesundheitsschädlichen Lebensbedingungen, auch die Klimaveränderungen gleich mit verleugnet werden. Es dient für rechtslastige Populisten gerne dazu, eine Entschuldigung dafür zu finden, warum sie selbst nichts tun müssen, weder Gesundheitsschutz noch Klimaschutz.
Hier sollte die Klimabewegung wachsam sein, dass die öffentlichen Subventionen neben einer besseren finanziellen Ausstattung eines Gesundheitswesens für alle, auch genutzt wird, um einen Weg zu finden, weg von umweltverschmutzenden Industrien hin zur Unterstützung eines sozialen und ökologischen Wandels.
Die finanzielle Unterstützung von Unternehmen der Fluggesellschaften, der fossilen Brennstoffe, der Autoindustrie, der Rüstungsindustrie und der chemischen Industrie muss ausgesetzt oder an die Bedingung geknüpft werden, dass sie sich auf soziale und ökologische Produktionen umstellen. Die Sozialisierung dieser Unternehmen sollte in Betracht gezogen werden, und in allen Fällen müssen der Klimaschutz und die Arbeitnehmerrechte garantiert werden. (uws)

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Klimaschutzstadt Kiel:

Naturvernichtung in Holtenau – Gewerbegebiet Boelckestraße Nord im Bau

Die Stadt Kiel schreibt in ihrem Bebauungsplan Nr. 910 als Begründung, warum sie bestes Naturland in Gewerbegebiet umwandelt: „Zentrale Element der Wirtschaftsförderung ist die Schaffung von Gewerbeflächen für die Ansiedelung und Gründung neuer Unternehmen am Wirtschaftsstandort Kiel.“

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Ein von der Stadt 2012 in Auftrag gegebenes Gutachten von der CIMA Beratung und Management GmbH hatte zum Ergebnis, dass die Stadt Kiel bis 2025 ein attraktives Flächenangebot von 25 ha als gewerbliches Bauland brauche und fand dann 2014 schnell die Gewerbefläche an der Boelckestraße als Potentialfläche. Die Stadt Kiel beschloss 2016 dies Gelände mit Priorität unabhängig von der Entwicklung des Flughafengeländes fortzuschreiben und zu entwickeln.
Diese Art von Lobby-Politik im Interesse der Wirtschaft ist typisch für die Stadt Kiel. Statt erstmal zu prüfen, welches Gewerbe denn konkret sich bei der Stadt bewirbt und dann zu schauen, ob auf den bestehenden städtischen Flächen etwas Passendes geschaffen werden kann, wird im vorauseilenden Gehorsam für die Wirtschaft gebaut, ohne dass es konkreten Bedarf gibt.
Und dies obwohl es bereits einen Beschluss gabt, dass vorrangig die brachliegenden Flächen auf dem Flughafengelände bereitgestellt werden sollen. Hier ist für jeden Kieler sichtbar, dass aufgrund des schrumpfenden Fluggewerbes ein großes Flächenpotential zur Verfügung steht. Das gilt auch für das MFG 5-Gelände, wo mit geringem Aufwand Gewerbflächen bereitgestellt werden könnten und erst recht für brachliegendes Friedrichsorter Gewerbegebiet rund um Caterpillar.
Stattdessen muss sich ausgerechnet die Klimaschutzstadt Kiel von einer Gutachterfirma, die sich erwiesenermaßen bereits bei anderen Gutachten verspekuliert hat, eines der erhaltenswürdigsten Naturgelände im Norden Kiels als Gewerbegebiet andrehen lassen.

Für eine gewerbliche Nutzungfläche von ca. 3,9 ha mit 57.000 m2 Bauland werden 7,9 ha Knicklandschaft zerstört, bei einer Gesamtfläche von 9,1 ha.
Im Bebauungsplan wird fachgerecht aufgelistet, welches Naturgut hier zerstört werden soll. Immer mit der vorgehaltenen Absicht, möglichst viel davon zu erhalten und wie viel Ausgleichsflächen wo genau geschaffen werden.


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„Das Gebiet gibt einen Ausschnitt der typischen schleswig-holsteinischen Knicklandschaft wieder und besteht aus landwirtschaftlichen Nutzflächen, hier Grünflächen, die von alten Knicks mit einigen bemerkenswerten alten Eichenüberhältern parzelliert werden. Im Süden wird das Plangebiet von der Boelckestraße abgeschlossen, die von einer nach Osten hin deutlich über das Plangebiet hinausgehenden ca. 90 Jahre alten Lindenallee gesäumt wird.
Für die Knicks und die Lindenallee im Plangebiet besteht gesetzlicher Biotopschutz nach § 30 BNatSchG und § 21 LNatSchG. Für 1/3 der Grünlandflächen im Gebiet besteht seit Neufassung des LNatSchG in 2016 ebenfalls der gesetzliche Biotopschutzstatus nach § 30 BNatSchG und § 21 LNat SchG (arten- und strukturreiches Grünland). Aus denkmalpflegerischer Sicht wird die Lindenallee als erhaltenswert bewertet, ein Kulturdenkmalschutz besteht jedoch nicht. ... Die alte Knicklandschaft hat Bedeutung für europarechtlich geschützte Tierarten wie Fledermäuse und Brutvögel.
Ein namenloser Wirtschaftsweg, der im westlichen Bereich des Plangebiets von der Boelcke­straße aus nach Norden abzweigt, erschließt außer den beidseitig angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzflächen auch einen Brunnen der Stadtwerke Kiel der zur Trinkwassergewinnung dient.“

Das Gelände befindet sich überwiegend im Eigentum der Stadt Kiel, bis auf den Brunnen der Stadtwerke und eine 1,5 ha große Grünfläche, wo die Stadt am 8.6.2017 beschlossen hat, diese Fläche anzukaufen, wo der Eigentümer eingewilligt hat.

Entscheidend für den Standort war vermutlich dies: Das Erschließungsgebiet befindet sich am Verkehrsknotenpunkt Zufahrt B 503 und gegenüber der Zufahrt zum Flughafen Kiel-Holtenau. Die sich direkt am geplanten Gewerbegebiet befindliche Bushaltestelle wurde bereits im letzten Jahr erneuert und verlängert. Von dort gibt es einen Ampelübergang zum angrenzenden Flughafengelände.

Das Gewerbegebiet soll über eine von der Boelckestraße abzweigende Stichstraße erschlossen werden, die mittlerweile gebaut wurde und jetzt „Groß Hasselrod“ heißt. Angeblich sollen die vorhandenen Knicks weitestgehend erhalten bleiben und das Gewerbegebiet gliedern. Die Baumaßnahmen sind jetzt schon weit fortgeschritten. Einige Knicks und große Bäume sind verschwunden und man sieht hohe Sandberge und großflächige Aufbereitung des Geländes mit verlegter Kanalisation. Ein eigenes Regenrückhaltebecken ist südlich der Kleingartenanlage im Bau, weil die Leitungen in der Boelckestraße nicht ausreichend sind.

Eine 20 m breite Fläche soll später nach Westen hin zur Auffahrt der B 530 mit Bäumen und Großsträuchern als Ausgleichsmaßnahmen bepflanzt werden.
Um den Trinkwasserbrunnen soll ein 10 m Schutzabstand eingehalten werden und sichergestellt werden, dass keine Verunreinigungen durch den Baubetrieb stattfinden.
Eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes soll gering gehalten werden und vorhandene Knickstrukturen berücksichtigt werden. Auch davon ist nicht mehr viel zu sehen. Flächen für neue Anpflanzungen dürfen als Ausgleichsmaßnahmen angerechnet werden.
Gewerblich darf es nicht für Einzelhandel, Tankstelle, sportliche, kulturelle oder soziale Zwecke genutzt werden aber soll Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentl. Betriebe bevorzugen. Es ist eine max. Firsthöhe von 12 m vorgeschrieben. Geräuschemissionen sollen bei max. 66 dB am tage nicht überschreiten.
Zum im Norden befindlichen Landschaftsschutzgebiet soll zum Schutz eine 60 m breite Grünfläche zur Pflege von Natur und Landschaft geschaffen werden, die auch als Ausgleichsflächen dient. Auf die Realisierung dürfen wir gespannt sein. „Landschaftsbildbeeinträchtigungen sind aber nicht auszuschließen, insbesondere bei Knickpflege“, heißt es vorsorglich im Bebauungsplan.
Ein großer Teil der Ausgleichsflächen soll auf Flächen der Landeshauptstadt Kiel sowie außerhalb der Stadt im Naturraum Schleswig-Holsteinisches Hügelland geschaffen werden. Und ein Teil des Ausgleich soll auch monetär (Ersatzzahlungen) erfolgen.
Insgesamt ergibt sich ein Kompensationsbedarf von 31.260 m2 Neuschaffung von Grünland, 760 lfm Ersatzknick, 55 Ersatzbaumpflanzungen und 30.099 m2 Umwandlung extensiv genutzter landwirtschaftlicher Flächen in Grünland. Ausgleichsmaßnahmen sind zugesichert und einzeln beschrieben. Wer kontrolliert das?

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In Anspruch genommen wird eine 7.9 ha große schleswig-holsteinische Knicklandschaft mit er­­heblichen Umfang allgemeiner Bedeutung für den Naturschutz. Aber dies sei gerechtfertigt, denn es werde ein Standort zur Arbeitsplatzerhaltung und für die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze.
Bezüglich der Entscheidung zwischen gewerblicher Nutzung und Naturzerstörung heißt es in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 910:
„In Abwägung zwischen den umweltbezogenen Belangen und den öffentlichen und privaten Belangen werden die Belange der Wirtschaft und die Auswirkungen auf die Gesamtstadt (vordringlich Belange der Arbeitsplatzschaffung/-erhaltung, Ausbildung) höher gewichtet.“ Dies entspräche der starken Nachfrage nach gewerblichen Bauflächen und der geringen Verfügbarkeit an Gewerbeflächen in Kiel. Dafür gibt es aber bis heute von der Stadt keinen Beleg. Angeblich könne die Nachfrage in den kommenden 8 Jahren durch die lang- und mittelfristig zu entwickelnden Gewerbeflächen auf dem Flughafengelände und dem MFG 5 gelände nicht gedeckt werden. Somit gäbe es gesamtstädtisch keine Planungsalternativen.
Kosten: 4,5 Mio. Euro mit 50 % Förderung durch Bund und Land.

Die BUND Kreisgruppe Kiel und die NABU Ortsgruppe Kiel forderten 2017 einen Stopp des Bauleitverfahrens für das 9,1 ha große geplante Gewerbegebiet „Boelckestraße Nord“ und stattdessen die Umsetzung auf dem Flughafengelände zu forcieren. (Wir berichteten ausführlich in der LinX 10-2017 u. 12-2017). Die Stellungnahme wurde zur Kenntnis genommen.

„Wie bereits erwähnt ist nicht mit einer kurzfristigen Entwicklung und Bereitstellung von zusätzlichen gewerblichen Bauflächen auf dem Flughafenareal zu rechnen. Davon abgesehen besteht eine grundsätzlich hohe Nachfrage nach gewerblichen Bauflächen in Kiel, die selbst mit interkommunalen Gewerbegebieten (insbesondere kurzfristig) kaum gedeckt werden können. Es stehen daher keine kurzfristigen Planungsalternativen zur Verfügung, die das Bauleitplanverfahren Nr. 910 entbehrlich machen würden. Im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 910 ist außerdem nicht mehr über Standortalternativen zu entscheiden. Die Variantenprüfung findet vielmehr innerhalb der Grenzen des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 910 statt.“ Danach wurde am 26.10.2017 auf der Ratsversammlung die Umsetzung beschlossen.

Jetzt wird gebaut und das Naturgelände unwiderbringlich für wirtschaftliche Interessen zerstört, während Gewerbeflächen direkt gegenüber auf dem Flughafengelände für jeden sichtbar brach liegen. (uws)

Bild unten: Knicklandschaft Boelckestraße-Nord 2017