Daten/Fakten  

   

Kriegswahn ist tief in der SPD verwurzelt:

Im EU-Parlament wurde für Taurus-Lieferungen gestimmt

Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch, lautet ein Sprichwort, und das Abstimmungsverhalten der meisten SPD-Europaabgeordneten erweckt genau diesen Eindruck. Offenkundig wollen die meisten deutschen Politiker unbedingt Kriegsbeteiligte werden.

Es sind nicht nur die Abgeordneten der Koalitionspartner, die Bundeskanzler Olaf Scholz nur mühsam bei der Stange halten kann, es sind auch Angehörige seiner eigenen Partei. Bei einer Abstimmung im Europaparlament am Freitag, nur einen Tag nach der Abstimmung über die Taurus-Lieferung im Bundestag, stimmte die Mehrheit der SPD-Parlamentarier für eine Resolution, die unter anderem in Punkt 11 folgenden Satz enthält:

„Das Europäische Parlament … ist der Ansicht, dass es keine selbst auferlegten Beschränkungen der militärischen Unterstützung für die Ukraine geben sollte. … [Es] betont, dass die Ukraine insbesondere hochentwickelte Luftabwehrsysteme, Marschflugkörper mit großer Reichweite wie die Systeme Taurus, Storm Shadow bzw. Scalp usw., moderne Kampfflugzeuge, verschiedene Arten von Artillerie und Munition (insbesondere Artilleriemunition des Kalibers 155 mm) sowie Drohnen und Waffen benötigt, um Angriffe abzuwehren.“

Die gesamte Resolution ist ein von Ideologie und keineswegs von Kenntnis oder Friedensbereitschaft geprägter Text; unter anderem wird nach wie vor die Beschlagnahmung eingefrorener russischer Vermögenswerte verlangt und dem „Selenskij-Friedensplan“ die Unterstützung ausgesprochen. Wie gründlich die historischen Kenntnisse der Europaparlamentarier sind, belegt unter anderem der Vorwurf unter Ziffer 2, Russland habe nach seiner „rechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim“ diese „in einen Militärstützpunkt verwandelt“. Der Vorwurf wäre an die russische Zarin Katharina II. zu richten, die dies im 18. Jahrhundert tat.
Der Punkt, in dem es um die Taurus geht, wurde vor der Gesamtabstimmung einzeln abgestimmt; schon bei dieser Abstimmung wandte sich die Hälfte der 16 SPD-Abgeordneten dagegen. Dem Protokoll zufolge waren dies die Abgeordneten Burkhardt, Ecke, Geier, Köster, Lange, Repasi, Rudner und Schuster. Die ehemalige Justizministerin Barley enthielt sich, zusammen mit Bischoff. In der Gesamtabstimmung zu dieser Resolution stimmten allerdings nur noch Köster, Rudner und Schuster dagegen – drei von 16 –, die übrigen stimmten zu.

Die Abgeordneten von FDP und Grünen stimmten geschlossen für die Resolution, auch für Punkt 11. Das zeigt, dass nur eine Minderheit der Politiker selbst der SPD sich der Risiken bewusst ist, die eine Lieferung der Taurus hervorruft, und die Ablehnung mittlerweile nur noch von einer Minderheit in der SPD und von Bundeskanzler Olaf Scholz aufrechterhalten wird. Sie hängt an einem seidenen Faden. (16. März 2024)

Quelle: https://meinungsfreiheit.rtde.life/inland/199625-kriegswahn-ist-tief-in-spd/

Mehr zum Thema:
Hitzige Debatte im Bundestag – Scholz bleibt beim Nein zu Taurus-Lieferungen

https://freeassange.rtde.live/inland/199287-hitzige-debatte-im-bundestag-scholz/

Frieden für die Ukraine und für Russland

Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt am 24.2.2024 Rede Lühr Henken*


Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,
Bundeskanzler Olaf Scholz, vor dessen Amtssitz wir hier stehen, läutete vor knapp zwei Jahren die sogenannte Zeitenwende ein. Künftig sollten mehr als zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung in die Bundeswehr fließen und Waffen in Kriegsgebiete geliefert werden. Scholz begründete das im Bundestag so: „Putin will ein russisches Imperium errichten. Er will die Verhältnisse in Europa nach seinen Vorstellungen grundlegend neu ordnen, und dabei schreckt er nicht zurück vor militärischer Gewalt. Das sehen wir heute in der Ukraine.“ 1 Oder kurzgefasst: Für die militärische Neuordnung Europas greift Putin zunächst die Ukraine an, um dies als Sprungbrett für den Gang nach Westen zu nutzen. Dagegen helfe nur ein Mittel: Aufrüsten der Ukraine - und der Bundeswehr. Aus Deutschland hat die Ukraine seitdem Waffenhilfe in Höhe von 9,4 Milliarden Euro erhalten und Versprechen auf weitere für 8,3 Milliarden. Aus dem anfänglichen Zauderer ist der Kriegstreiber Scholz geworden - nicht nur in Europa, sondern neuerdings auch in den USA. Geld für die massive Aufrüstung der Bundeswehr fließt. Wurden für die Bundeswehr im Jahr vor dem Ukrainekrieg noch 52,4 Milliarden locker gemacht, so werden es in diesem Jahr voraussichtlich 89 Milliarden werden. Das würde 2,1 Prozent des BIP bedeuten. Scholz verspricht, dieses Ausgabenniveau oberhalb der zwei Prozent zu halten, auch wenn der Topf mit den 100 Milliarden Sonderschulden spätestens ab 2028 leer ist. Zwei Prozent des BIP bedeutet dann, die zusätzlichen 30 bis 35 Milliarden für die Bundeswehr müssen bei den Sozialausgaben gekürzt werden. Und das Jahr für Jahr, weil Scholz’ Zusage auch für die 30er Jahre und darüber hinaus gilt. Pistorius machte vor einer Woche klar, dass die zwei Prozent nicht reichen könnten. Es könnten auch drei oder 3,5 Prozent werden, sagte er. Je nach Weltlage. Ich habe mal gerechnet. Das wären auf der Basis des BIPs dieses Jahres 125 beziehungsweise 150 Milliarden für die Bundeswehr. Hallelujah – und das alles aus dem Bundeshaushalt. Dazu darf es nicht kommen! Das verlangt der Bevölkerung sehr viel ab. Sie soll diesen gigantischen Aufrüstungskurs schließlich mittragen. Das heißt, es geht um den Kampf um die Köpfe. Nicht nur die Bundeswehr soll kriegstüchtig werden, sondern auch die Bevölkerung. Wie erreicht man das? Ganz einfach. Die Angst vor den Russen schüren. Und das hat wieder Konjunktur. Seit Mitte Dezember geistert es durch die Gazetten. Den Anfang machte Springers BILD: Sie titelte: „Pistorius warnt vor Putins Angriff: Wir haben ‚fünf bis acht Jahre‘“2 Erfinder des Gedankens ist Christian Mölling3 von der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik. Seine Erfindung: sobald in der Ukraine nicht mehr gekämpft wird – aus welchem Grund, das lässt Mölling offen, es kann also ein Waffenstillstand sein oder Russland hat den Krieg gewonnen oder gar verloren - wird Russland seine Armee wieder aufbauen, um danach im Baltikum oder Polen anzugreifen. Denn Russland verfolge imperiale Ambitionen. Das werde in fünf bis neun Jahren der Fall sein. Belege für diese Behauptungen haben weder Mölling noch Pistorius. Aber: Damit es nicht dazu kommt, muss die deutsche Aufrüstung beschleunigt werden.
-----
1Plenarprotokoll, Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode, 19. Sitzung, 27.2.2022, S. 1353 https://dserver.bundestag.de/btp/20/20019.pdf
2 https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/verteidigungsminister-pistorius-warnt-vor-putins-angriff-wir-haben-fuenf-bisach- 86458222.bild.html
3 Dr. Christian Mölling, Torben Schütz, „Den nächsten Krieg verhindern - Deutschland und die NATO stehen im Wettlauf mit der Zeit“, DGAP Policy Brief Nr. 32 , November 2023, 11 Seiten. https://dgap.org/system/files/article_pdfs/DGAP%20Policy%20Brief%20Nr- 32_November-2023_11S_2.pdf
-----

Liebe Freundinnen und Freunde,
das ist Stimmungsmache und ist geeignet, die Bevölkerung in eine Kriegshysterie hineinzutreiben. Ich halte es da mit Harald Kujat, ehemals Generalinspekteur der Bundeswehr und Chef des NATO-Militärausschusses, der vor 10 Tagen sagte: „Ob die Vermutungen der russischen Angriffsabsichten zutreffen, liesse sich übrigens durch einen Waffenstillstand und anschließende Friedensverhandlungen feststellen. Zudem könnte das Verhandlungsergebnis Regelungen enthalten, die ausschließen, dass ukrainisches Territorium von Russland als Aufmarschgebiet für einen Angriff auf Mitteleuropa genutzt werden kann. Darüber hinaus könnten mit Russland Vereinbarungen geschlossen werden, die vor allem die Sicherheit der baltischen Staaten erhöhen. Aber auch insgesamt zu grösserer Stabilität zwischen Nato und Russland beitragen. Ich denke beispielsweise an einen aktualisierten KSEVertrag über die Begrenzung konventioneller Streitkräfte mit neuen Flankenregelungen.“4Soweit Harald Kujat. Dem kann ich mich nur anschließen. Verhandlungen schließt Selenski per Dekret aus und fordert Waffenlieferungen des Westens. Insbesondere von Deutschland Marschflugkörper Taurus. Diese Forderung fand im Antrag der CDU/CSU keine Mehrheit, aber der Antrag aus den Fraktionen der Ampel-Koalition öffnet dieser Option Tür und Tor. Auch wenn der Taurus-Lieferung nicht heute oder morgen zugestimmt wird, so stellt der Bundestagsbeschluss kein Nein für alle Zukunft dar. Das bestätigte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gabriela Heinrich im Bundestag: „Fakt ist: Wir haben an dieser Stelle keine rote Linie gezogen und das hat übrigens auch der Kanzler nicht getan. Sie wissen ganz genau, dass es bisher kein Nein gibt.“5 Beabsichtigt ist, dass die Taurus an US-amerikanische Kampfflugzeuge des Typs F-16 gehängt werden, die noch nicht in der Ukraine sind. 61 F-16 sollen aus Dänemark und den Niederlanden vom Sommer an bis Ende nächsten Jahres ausgeliefert werden. Die Kriegstreiber:innen in CDU/CSU und Ampel werden nicht locker lassen. Entscheidet die Regierung sich für Taurus, schlägt sie sämtliche Warnungen vor einer Eskalation des Ukrainekrieges in den Wind. Was macht Taurus so gefährlich? Die punktzielgenauen Taurus sind durchschlagfähig gegen vier Meter dicken Beton und sehr schwer abfangbar. Seine Reichweite von mehr als 500 km 6 ermöglicht einen strategischen Einsatz in drei Bereiche: Erstens, strategische Zentren in Moskau, wie den Kreml und Ministerien. Das ist das, wofür der CDUHasardeur Roderich Kiesewetter kürzlich plädierte. Zweitens, auf halbem Weg nach Moskau lagern in 22 Silos russische Interkontinentalraketen mit 88 Atomsprengköpfen.7 Allein diese strategischen Optionen durch Taurus provozieren heftige russische Gegenmaßnahmen. Welche das sein könnten, darüber kann man nur spekulieren. Der dritte Bereich ist die für die Versorgung der Krim so bedeutsame Kertsch-Brücke ganz im Osten der Halbinsel. Die Krim ist von strategischer Bedeutung für Russland wegen der Schwarzmeerflotte, und der Stützpunkte für Luftwaffe und Heer. Die Zerstörung der Brückenpfeiler ist der Ukraine mit britischen und französischen Marschflugkörpern nicht möglich. Die Flugzeuge müssten zu nahe an die Kampflinie heran fliegen, um sie zu starten. Mit Taurus jedoch könnte der Start weit im Binnenland der Ukraine erfolgen. Eins ist klar: Werden Taurus geliefert, eskalieren die Feindseligkeiten. Deshalb: Taurus darf nicht an die Ukraine geliefert werden! Auch die USA arbeiten mit Hochdruck daran, den Druck auf Putin zu erhöhen. Unter Trump wurde 2019 die Entwicklung von Hyperschallraketen8 mit langer Reichweite in Gang gesetzt, dessen Gleitkörper mit konventionellem Sprengstoff bereits fertig ist. Superschnell wie einst Pershing II, aber anders als diese ist ihr
-----
4 Harald Kujat, „Der Westen sollte sich nicht länger Schuld am tragischen Schicksal des ukrainischen Volkes aufbürden“ Zeitgeschehen im Fokus Nr. 2/3, 14. 2. 2024, S. 4 bis 8, S. 6. https://www.zeitgeschehen-im-fokus.ch/de/newspaper-ausgabe/nr-2-3- vom-14-februar-2024.html#article_1633
5 Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll, 20/154 vom 22.2.24, S. 19633, https://dserver.bundestag.de/btp/20/20154.pdf
6 Otfried Nassauer, Munitionsgeschäfte in deutscher Verantwortung, 2018, 60 Seiten, S. 27, Fußnote 69
7 The Bulletin of the Atomic Scientists, Estimated Status of Russian ICBM forces, 2023, abgerufen 20.1.24, https://thebulletin.org/wp-content/uploads/2023/05/Table-1A.png Die Silos liegen in Kozelsk
8 Zu Dark Eagle und zur Entwicklung der Hyperschallwaffen weltweit: Lühr Henken, Sind US-Hyperschallwaffen Dark Eagle in Deutschland noch zu verhindern? Kassel, 9.12.2023., https://friedensratschlag.de/friedensratschlag-2023/dark-eagle/
-----
losgelöster Gefechtskopf während des Fluges lange Zeit manövrierbar, so dass er nicht abgefangen werden kann. Er trifft das Ziel punktgenau. Das Ziel: Putin persönlich. Die Crew dafür, 500 Mann stark, ist seit Ende 2021 bereits im Lande: verteilt auf Wiesbaden, der Kommandozentrale, und Grafenwöhr, wo die Kanoniere sind. Es ist zu erwarten, dass die Dark Eagle 2025 nach Deutschland kommen werden.9 Putin weiß um dieses “Messer am Hals“10, wie er im Februar 2022, drei Tage vor seinem Angriffsbefehl auf die Ukraine, sagte. Was wird er tun? Abwarten, bis die Batterie steht, weil er darauf vertraut, dass die USA sie schon nicht einsetzen werden, denn dann, so die russische Nukleardoktrin, droht den USA und/oder Europa unweigerlich der Gegenschlag Russlands. Oder vertraut Putin seiner Generalität nach seiner Ermordung nicht, weil diese sowohl Skrupel bei der Zerstörung Europas und der USA hat und den eigenen Tod und den ihrer Landsleute fürchtet? Falls Putin zur letzten Überlegung neigt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als zuvor etwas zu unternehmen, um zu überleben. Was könnte das sein? Im Ukrainekrieg nachgeben? Sicher nicht. Anbieten, auf eigene Hyperschallwaffen zu verzichten, wenn die USA es auch tun? Wohl auch nicht. Denn die US-Raketenabwehrsysteme, derentwegen Russland die eigenen Hyperschallraketen überhaupt entwickelt hat, sind dann immer noch da. Folglich wird Putin diesen Vorschlag nicht machen, es sei denn, die USA würden auf ihre Raketenabwehr verzichten. Davon ist aber nicht auszugehen. Also, was bleibt noch? Ein Präventivschlag auf US-Kommandozentralen in Deutschland. Mit hochpräzisen Hyperschallraketen Kinschal oder Zirkon Wiesbaden, Stuttgart, Ramstein, Büchel und Grafenwöhr zu beschießen, könnte die US-Einsatzfähigkeit in Europa zerstören. Und der US-Gegenschlag? Ihre Kommandozentralen in Europa wären unbrauchbar, ebenso ihre militärischen Möglichkeiten. Würden sie dann ihr strategisches Nukleararsenal mit Interkontinentalraketen und von U-Booten und Bombern aus gegen Russland einsetzen? Klingt alles sehr abenteuerlich. Aber es ist brandgefährlich für uns alle. Zu abwegig? Zu spekulativ? Vielleicht. Die Stationierung von Dark Eagle ist in jedem Fall destabilisierend. Wie dem entkommen? Indem die Dark Eagle nicht nach Deutschland kommen. Wir haben noch ein Jahr Zeit, den nötigen öffentlichen Druck dafür auf Scholz, Baerbock und Co. zu erzeugen. Also Herr Scholz: Keine Taurus an die Ukraine liefern! Keine Dark Eagle nach Deutschland holen! Den Kurs auf Verhandlungen mit Russland stellen! Nicht aufrüsten, sondern abrüsten!
---
*Lühr Henken, ist Ko-Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag (www.Friedensratschlag.de ), Herausgeber der Kasseler Schriften zur Friedenspolitik (https://jenior.de/produkt-kategorie/kasselerschriften- zur-friedenspolitik/ ) und arbeitet mit in der Berliner Friedenskoordination (http://www.frikoberlin.de/ )
9 Sidney E. Dean, Dark Eagle: Fielding the US Army’s Long Range Hypersonic Weapon, 26.10.2023, https://euro-sd.com/2023/10/articles/34767/dark-eagle-fielding-the-us-armys-long-range-hypersonic-weapon/ . Darin: “Under the extant timeline (which to date has not been officially adjusted) the second Dark Eagle battery is expected to be fielded in Germany in 2025.”
10 Dr. Rainer Böhme, dgksp-Diskussionspapiere, Dresden, März 2022, 151 Seiten, ISSN 2627-3470, S. 67f, https://slub.qucosa.de/landing-page/https%3A%2F%2Fslub.qucosa.de%2Fapi%2Fqucosa%253A78553%2Fmets%2F/

 

Kommentar:

Militärmacht EU?

Wolfgang Schäuble, erzkonservativer Vorkämpfer einer weitgehenden Integration der EU unter deutscher oder deutsch-französischer Vorherrschaft wies seinerzeit 2014, als in der Ukraine ein Bürgerkrieg ausbrach und das Gezerre zwischen Russland und den westlichen Staaten um die einstige Sowjetrepublik immer intensiver wurde, darauf hin, dass so ein äußerer Feind ja auch eine ganz praktische Sache wäre, da er die Europäische Union stärker zusammen schmiede.

Er sollte Recht behalten. Die Bundesregierung drängt verschärft darauf, im Ministerrat künftig in allen Fragen per Mehrheit zu entscheiden. Damit könnte angesichts der Stimmengewichtung Deutschland mit einigen anderen großen Ländern vollends bestimmen, wo es lang gehen soll. Wer das für eine gute Sache hält, sollte vielleicht mal ein Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln besuchen oder bei den Seenotrettern nachfragen, wie viele Menschen die EU allein schon dieses Jahr im Mittelmeer hat ertrinken lassen. Ende Januar waren es bereits etwa 100 Personen. Und sei das alles noch nicht genug, so drängt nicht nur Berlin, sondern auch Warschau, Paris und Den Haag auf gemeinsame Rüstungsprogramme und eine Militarisierung der Union. Aus der EU soll so eine Art Superstaat, und zwar ein hochgerüsteter werden. Schon wird sinniert, ob nicht auch Polen und Deutschland nuklear aufrüsten sollten.

Da fragt man sich doch: Sind die von allen guten Geistern verlassen? Natürlich sind immer die anderen Schuld. Der Böse ist Putin, gegen den sich die EU-Staaten verteidigen müssen. Ganz so wie im kalten Krieg. Zwei Machtblöcke zeigen mit dem Finger auf den anderen und rüsten immer weiter auf, veranstalten gefährliche Manöver mit ihren Armeen und bringen die Welt schließlich an den Rand eines Atomkrieges.

Nun kann man sich prächtig streiten, wer nun wirklich den der Böse ist, ob Putin oder die NATO. Doch in Wirklichkeit ist das völlig egal. Allen, die Augen im Kopf haben, zeigt der Ukraine-Krieg derzeit, was eine Auseinandersetzung zwischen der EU und Russland bedeuten würde. Man muss nur die Zahlen und Schäden hochrechnen. Selbst ein rein konventioneller Krieg ohne Atomwaffen würde zahlreiche Großstädte dem Erdboden gleich machen. Ein paar Dutzend Millionen Menschen würden ihr Leben verlieren. Die Älteren unter uns erinnern sich noch, welch tiefe Narben der Krieg in den Familien hinterließ, welche Traumata selbst noch an die Nachgeborenen weitergegeben wurden. (wop)

Klimakatastrophe:

EU-Klimaziel mit zwei Haken

Brüssel will Ausstoß von Treibhausgasen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 verringern. Das klingt radikal, ist aber unzureichend

Die EU-Kommission hat Vorschläge für konkretisierte Klimaziele vorgelegt, die in den nächsten Monaten im Strasbourger Parlament und unter den Regierungen diskutiert und nach der EU-Wahl im Juni in eine Verordnung gegossen werden sollen. Das Verfahren ist im Europäischen Klimagesetz vorgesehen, und Zeit wäre es allemal. Der Klimawandel steht längst vor der Tür, verursacht schon jetzt erhebliche Schäden und lässt für die Zukunft allerlei unerfreuliche Szenarien erwarten (siehe Artikel zum Golfstrom).

Nach dem Vorschlag soll der Ausstoß der Treibhausgase bis 2040 um 90 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 verringert werden. 1990 betrugen die Emissionen nach Angaben der EU-Umweltagentur in Kopenhagen 4,7 Milliarden Tonnen jährlich, 31 Jahre später waren es noch immer 3,2 Milliarden Tonnen. Der Rückgang ist vor allem das Ergebnis des Ausstiegs aus der Kohle, der in vielen EU-Mitgliedsländern bereits weiter vorangekommen ist als in Deutschland. Andere Sektoren, zum Beispiel der Straßenverkehr, emittieren zum Teil noch auf dem gleichen Niveau wie 1990. Hierzulande wird damit inzwischen von der Bundesregierung das deutsche Klimaschutzgesetz verletzt, wie im Herbst ein Berliner Gericht festgestellt hat.

Angesichts dessen hört sich der Vorschlag der Kommission geradezu radikal an und dürfte daher viel Gegenwind bekommen. Allerdings hat er diverse Haken. Zum einen ist die Reduktion unzureichend. Soll die globale Erwärmung noch in einem halbwegs verträglichen Rahmen gehalten und das Umkippen verschiedener Komponenten des Klimasystems wie etwa des Golfstroms (siehe Keller) verhindert werden, müssten die Emissionen bis 2035 oder früher auf null reduziert werden und nicht erst 2050, wie es das Klimagesetz vorsieht. Und die Reduktion müsste sofort in großen jährlichen Schritten beginnen, denn letztlich kommt es auf die Gesamtmenge der Emissionen an. Das mit großem Abstand wichtigste Treibhausgas Kohlendioxid reichert sich nämlich in der Atmosphäre an und verbleibt dort für mehrere tausend Jahre.

Doch im Augenblick sieht es noch nicht einmal danach aus, dass die Union ihr Ziel für 2030 erreichen wird. Bis dahin soll der jährliche Treibhausgasausstoß um 55 Prozent auf 2,15 Milliarden Tonnen gesenkt werden. Aber zwischen 2011 und 2021 haben die Emissionen nach den Daten der Kopenhagener Umweltagentur nur um 0,48 Milliarden Tonnen abgenommen. Setzt sich dieser Trend fort, werden 2030 noch immer 2,8 Milliarden Tonnen jährlich in die Luft geblasen. (Alle Mengen sind in sogenannten CO2-Äquivalenten angegeben, da die anderen Treibhausgase wie etwa Methan entsprechend ihrer Klimawirksamkeit in CO2, das heißt in Kohlendioxid, umgerechnet werden.)

Ein weiterer Haken des Kommissionsvorschlags: Es ist von Nettoemissionen die Rede. Dahinter steckt die Vorstellung, dass ein Teil der Treibhausgasemissionen durch andere Maßnahmen kompensiert werden könnte. Konkret geht das Brüsseler Papier davon aus, dass 2040 noch bis zu 850 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente jährlich emittiert werden. Davon sollen 400 Millionen Tonnen CO2 durch Aufforstung und sogenanntes CCS (Carbon Capture and Storage, CO2-Abscheidung und Einlagerung) gebunden werden. Diese Technologie ist aber bisher nirgendwo über das Stadium von Pilotanlagen hinausgekommen.

Sie würde bedeuten, dass das CO2 in den Kraftwerken mit erheblichem Energieaufwand eingefangen und verflüssigt wird. Etwa zehn Prozent des im jeweiligen Kraftwerk erzeugten Stroms wäre dafür notwendig. Sodann müsste sich dafür ein langfristig sicherer Speicher finden lassen. Diskutiert wird vor allem, das flüssige CO2 in tiefere Erdschichten zu pressen. Ob es dort aber wirklich sicher verbleibt, ist bisher offen. Unter anderem wirkt das Gas als Säure, könnte also giftige Stoffe aus dem felsigen Untergrund lösen und mit diesen Grundwasser führende Schichten bedrohen. Entsprechend regt sich unter anderem in Schleswig-Holstein und in Sachsen-Anhalt in der Bevölkerung Widerstand gegen entsprechende Pläne.

(Wolfgang Pomrehn, 15.2.2024, jungeWelt)

Kommentar/Leserbrief

Zu den Ursachen der Flüchtlingskrise

Die vorbehaltlose Aufnahme und menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen wird von vielen Bürgern solidarisch praktiziert und sollte für Alle eine Selbstverständlichkeit sein.
Leider stellt das Gegenteil oft eher die Regel denn die Ausnahme dar:

Eine brutale Abschottung auf See und zu Land wird durch Frontex und andere Institutionen praktiziert; die Unterbringung in überfüllten Heimen und Abschiebeknästen ist oft belastend, drangsalierend und menschenunwürdig, das Betreuungspersonal häufig ohne adäquate Qualifikation, repressiv und manchmal auch gewalttätig; das oft jahrelange, perspektivlose isolierte Dahinvegetieren begleitet von angstauslösenden Bedrohungen durch Rechtsradikale und Abschiebungen kennzeichnen die Lage vieler, oft bereits vorher traumatisierter MigrantInnen. Geschätzte Zehntausende haben in den letzten Jahren das Martyrium der Flucht - insbesondere durch Wüstengebiete und über See - sowie die Behandlung in den Zielländer nicht überlebt.

Ca. 50 Millionen Menschen sollen derzeit auf der Flucht sein und es werden immer mehr. Ihre verzweifelte Situation präsentiert allenfalls die Spitze des Eisbergs bezogen auf das Elend, das wir in ihren Herkunftsländern vorfinden. Für diesen weltweit verheerenden Zustand sind in erster Linie die Eliten in den Industrienationen verantwortlich.
In ihrem konkurrierenden Kampf um Ressourcen und geostationäre Positionierungen werden ganze Regionen verwüstet. Dürren, Überschwemmungen sowie Bodenerosionen mit anschließenden Hungersnöten werden durch eine verantwortungslose Klimapolitik hervorgerufen.

Ferner sind zu nennen: Landgrabbing und Landraub durch internationale Konzerne, katastrophale ökologische Schäden durch eine rabiate Ausplünderung von Bodenschätzen (z. B. durch Uranabbau im Niger), Zerstörung lokaler Märkte durch diskriminierende Handelsgesetze, Plünderung insbesondere der küstennahen Fischfanggründe sowie ein grenzenloser profitträchtiger Export von Waffen an die regionalen „Verbündeten und Statthalter“, die oft brutale Despoten sind. Um die Ausbeutung sicherzustellen müssen die Nato, USA und Co. immer grausamere Kriege führen und führen lassen, mit Millionen an zivilen Opfern: Afghanistan, Pakistan, Irak, Syrien, Libyen, Somalia, Mali, Sudan und jetzt der Jemen. Die Liste wird immer länger !

Hinrichtungen mit Drohnen, Folterzentren wie Abu Ghraib und Guantanamo, das deutsche Massaker in Kundus, der massenhafte Einsatz radioaktiver Munition, die weitgehende Zerstörung der irakischen Stadt Fallutscha (etwa so groß wie Kiel) sind Kennzeichen dieser barbarischen Kriege, an deren Dauerzustand und Unbegrenztheit wir gewöhnt werden sollen. Vor allem durch diese Verhältnisse sind die ideologisch und religiös fehlgeleiteten islamistischen Reaktionen zu erklären.
Wir müssen uns mit der Verantwortlichkeit der Herrschenden in den Industriestaaten für die Verelendung in den Herkunftsländern der Flüchtlinge auseinandersetzen und die notwendigen politischen Konsequenzen ziehen.

Für eine solidarische, ökologische und friedliche Weltwirtschaftsordnung,
gegen Waffenexport und gegen eine Welt der Kriege!

Solange wir diese Ziele nicht erreicht haben, müssen wir alle Migranten bedingungslos aufnehmen, menschenwürdig behandeln und schützen!

Hans-Heinrich Rohwer, bereits als Rede am 27. Januar 2015 auf dem Rathausplatz, Kiel

Quelle: https://friedensratschlag.de/friedensratschlag-2023/vortragstext-krone-schmalz/

 

Frieden und gemeinsame Sicherheit auch mit Russland

Es ist schon abenteuerlich wie viele Selbstverständlichkeiten mittlerweile in Frage gestellt werden. Dazu gehört eben auch, dass es Frieden und Sicherheit auf dem europäischen Kontinent nur mit Russland geben kann und nicht ohne, und gegen Russland – so wie jetzt praktiziert – schon gar nicht.

Ich mache keinen Hehl aus meiner Fassungslosigkeit angesichts der kriegstreiberischen Politik und der gleichlautenden medialen Begleitung und ich hätte nie für möglich gehalten, dass es so weit kommt.

Die Ikonen der Entspannungs- und Friedenspolitik von SPD und Grünen, die nicht mehr unter uns weilen, werden in ihren Gräbern rotieren angesichts dessen, was aus den Grundlagen geworden ist, die sie mit Vernunft und Geduld geschaffen haben. In dem Zusammenhang kann ich auch gar nicht anders als den Namen Michail Gorbatschow zu erwähnen. Er hat nun wirklich alles riskiert, ohne Rücksicht auf sich und seine Familie, um aus der Ost-West-Konfrontation herauszukommen und das Kalte Kriegs Denken zu überwinden. Gerade wir Deutschen müssten uns jeden Tag dreimal bei ihm entschuldigen dafür, wie wir mit den Ergebnissen seiner Arbeit umgegangen sind und weiter umgehen.

Aber es nützt nichts sich zu echauffieren. Wer das Schlimmste verhindern will, muss argumentieren, muss aufklären, muss Lügen entlarven, und darf vor allen Dingen nicht resignieren oder sich vom Gegenwind umpusten lassen.

Und – so schwer es auch fallen mag – muss nach wie vor den Dialog, die Debatte anbieten und nicht selbst zur Polarisierung beitragen.

Wenn man sich Gedanken darüber macht, welche Politik gegenüber Russland die richtige ist, dann gilt es eine Grundsatzfrage zu klären. Nämlich:

Ist Russland auf einem expansionistischen Kurs, bei dem die Ukraine nur den Anfang darstellt? Oder ging und geht es Russland um eine funktionierende Sicherheitsarchitektur? Darüber kann und muss man streiten. Aber für diesen seriösen Streit gibt es keinen Raum.

Im Gegenteil: die gängige Lesart ist klar. Putin war schon immer ein Monster und jetzt zeigt er sich auch so. Und die sogenannten Entspannungspolitiker früherer Jahre tragen eine Mitschuld an diesem Krieg, weil Putin nur klare Kante versteht.

Man könnte es natürlich auch umdrehen: hätten sich die Entspannungspolitiker mit ihrer Politik wirklich durchsetzen können, dann hätte es diesen Krieg nie gegeben. Stichwort: NATO-Osterweiterung, Geltung von Abrüstungsverträgen.

Um über diese Dinge substanziell zu diskutieren, ist es nötig, belastbare Grundlagen zu liefern, sowohl in den Medien als auch in der Wissenschaft. Es ist nötig, auch wenn es schwerfällt, politische Analyse nicht durch Moral ersetzen zu wollen. Es ist nötig Wissenschaft und Aktionismus auseinanderzuhalten und denjenigen Einhalt zu gebieten, die ihre persönlichen Ansichten mit dem Gütesiegel von Wissenschaftlichkeit versehen, obwohl sie in dieser Angelegenheit nie geforscht haben.

Es ist nötig, die Räume zu schaffen, in denen um die besten und die praktikabelsten Lösungen gestritten werden kann – das ist durchaus nicht immer identisch, leider.

Aber dazu ist es nötig, wieder mit dem Begriff Respekt zu operieren. Seinem Gegenüber bis zum Ende des Gedankens zuzuhören, selbst wenn man sich nicht leiden kann. Mit Engagement überzeugen zu wollen, aber eben auch die innere Bereitschaft und die Größe zu haben, sich selbst überzeugen zu lassen.

Margot Friedländer, die fast schon legendäre Überlebende des Holocaust, mittlerweile 102 Jahre alt, hat mal gesagt: „Du kannst nicht jeden Menschen lieben, aber Du kannst jeden Menschen respektieren.“ Und wenn die das sagt, dann hat es eine ganz besondere Wucht und Bedeutung.

Dann werfen wir doch mal einen respektvollen Blick auf die russische Perspektive zum Thema Sicherheit und Frieden, ohne von vorneherein alles als Propaganda abzuqualifizieren. – Propaganda können alle, das ist keine Spezialität Moskaus.

Da ist es zunächst mal hilfreich die beiden großen Kontrahenten des Kalten Krieges – die USA und die Sowjetunion bzw. Russland – geografisch zu vergleichen. Die USA haben westlich und östlich von sich Ozeane vor der Tür, keine feindlich gesinnten Länder. Im Norden befindet sich Kanada, selbst NATO-Mitglied und im Süden Mexiko, von dem aus nun wirklich keine militärische Gefahr zu erwarten ist.

Bei Russland sieht die Sache anders aus. Russlands Landesgrenzen – also jetzt wirklich Landgrenzen, nicht die Küsten – erstrecken sich über ca. 20.000 km.

Ohne das jetzt hier im Einzelnen aufzuzählen: Russland ist eingekreist von NATO-Ländern und NATO-Stützpunkten, vor allem Richtung Westen.

Die USA unterhalten zahlreiche Militärbasen in Europa. In Polen und Rumänien wurden Raketenabwehrsysteme installiert, die sich technisch relativ leicht in Angriffssysteme umrüsten lassen.

Nebenbei: Russland hat nur 11 Stützpunkte außerhalb des eigenen Landes, davon sind 9 in unmittelbarer Nähe Russlands; die USA unterhalten knapp 800 Stützpunkte in etwa 70 Ländern dieser Welt.

Ist es da wirklich so schwer nachzuvollziehen, dass Russland ein Interesse an einer verlässlichen Sicherheitsarchitektur hat? Wie kann man ernsthaft annehmen, dass sich Russland von der immer weiter heranrückenden NATO inklusive ihrer Infrastruktur nicht bedroht fühlen könnte, schon gar, wenn es auch Länder wie Georgien oder die Ukraine betrifft?

Eine kluge Sicherheitspolitik müsste diese Lage doch einkalkulieren. Das ist aber nicht einmal im Ansatz auf irgendeiner Agenda zu finden.

Fakt ist, dass bei nahezu allen Konflikten und Kriegen auf unserem Planeten mehr als zwei Kontrahenten die Finger im Spiel haben. Auf der Suche nach Zusammenhängen – die man kennen muss, um zu tragfähigen Lösungen zu kommen – empfiehlt es sich, die jeweiligen Interessen herauszufinden und zu benennen.

Das ist meist um ein Vielfaches komplizierter als es auf den ersten Blick scheint, denn es gibt eben nicht die Amerikaner oder die Europäer (die noch viel weniger).

In den USA zeigt sich, dass sich die Kräfte, die das „leidige Thema Ukraine“ abhaken möchten, verstärkt zu Wort melden. Wobei die Hardliner eher bei Blinken im Außenministerium sitzen, also bei den Zivilisten, und die mehr Verhandlungsbereiten ausgerechnet im Verteidigungsministerium.

Uns in Europa sollte jedenfalls klar sein, dass es den Blickwinkel verändert, wenn sich zwischen dem eigenen Land und dem Kriegsgebiet ein breiter Ozean befindet.

Und – dass sich die außenpolitischen Entscheidungen der immer noch stärksten Macht der Welt durchaus an deren innenpolitischen Überlegungen orientieren, schon gar in Vor-Wahl-Zeiten wie jetzt.

Und die Ukraine wäre nicht das erste Land, aus dem sich die USA überhastet zurückziehen.

Das Interesse des sog. militär-industriellen Komplexes ist klar. An bessere Zeiten kann man sich kaum erinnern. Ein lang andauernder Abnutzungskrieg ist ein gutes Geschäft mit dem erfreulichen Nebenaspekt, dass Russland geschwächt wird. Waffenstillstand oder gar Friedensverhandlungen stehen da eher nicht an erster Stelle.

Das Problem in Europa besteht darin, dass es trotz aller beschworenen Gemeinsamkeit keine geschlossene europäische Außenpolitik gibt, schon gar nicht gegenüber Russland. Aus meiner Sicht war es ein großer Fehler, dass man in der EU immer mehr denjenigen Ländern das Sagen in der europäischen Außenpolitik überlassen hat, die noch offene Rechnungen mit Moskau haben. Für Länder wie Polen oder die baltischen Staaten funktioniert Moskau nach wie vor als Synonym für Sowjetunion und schlimme Erinnerungen an sowjetische Zeiten. Das ist menschlich verständlich, aber so macht man keine zukunftsorientierte Friedenspolitik. Das hätte der EU vielleicht früher auffallen sollen.

Jedenfalls ist es in der EU nicht gelungen, den historisch verständlichen Ängsten Polens, Estlands, Lettlands und Litauens und den historisch verständlichen Ängsten Russlands – da hilft ein Blick in die Geschichte und ein Blick auf die Landkarte, um deren Ängste zu verstehen –
es ist in der EU nicht gelungen, diesen jeweils verständlichen Ängsten mit einer konstruktiven Politik zu begegnen, die Interessenausgleich und Friedenssicherung als Ziel hat.

Wir haben uns durch die Aufnahme osteuropäischer Länder in die EU – grundsätzlich eine super Idee – deren Probleme mit Russland ins Bündnis geholt. In der NATO haben wir im Übrigen genau das gleiche. Es ist ein Jammer, dass sich die EU ihr ursprünglich recht gutes Verhältnis mit Russland dadurch nachhaltig ruiniert hat.

Weiter mit den Interessen.

Sowohl in der Ukraine als auch in Russland müsste das Interesse eigentlich sein, diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Jeden Tag sterben sehr viele Menschen, wie viele genau, erfahren wir gar nicht.

Sowas wie Kriegsmüdigkeit – ein perverser Begriff, wie ich finde – ist schon eine ganze Weile auch in der Ukraine ein Thema. Die Berichterstattung darüber musste man allerdings mit der Lupe suchen. Das scheint sich jetzt ein wenig zu ändern, wobei man in den sogenannten Leitmedien spürt, wie wenig man das wahrhaben will. Aber die Heroisierung des ukrainischen Präsidenten bricht langsam in sich zusammen.

Die Frage bleibt, wo ist der Ausweg aus dieser verfahrenen Situation?

Insofern wäre so ein Friedensplan, wie die Chinesen ihn vorgelegt haben, gar nicht so falsch, denn China bezieht sich darin nicht nur auf UN-Resolutionen, in denen es heißt, dass Verhandlungen so schnell wie möglich aufgenommen werden sollen, sondern China spricht von „resume talks“, also Gespräche wiederaufnehmen, und zwar an dem Punkt, an dem man Anfang April 2022 aufgehört hat, weil Boris Johnson, der damalige britische Premier, meinte, das sei nicht im Interesse der westlichen Staatengemeinschaft. Da liegt ja was auf dem Tisch, wo man anknüpfen kann, ohne sich mit den jetzt von beiden Seiten vorgetragenen Maximalforderungen herumschlagen zu müssen.

Aber wird darüber medial oder politisch ernsthaft debattiert? Nein. Denn was kann aus China schon Vernünftiges kommen?

Das ist ja auch so ein Ding: es sind nicht die Europäer, die sich in Moskau und Kiew die Klinke in die Hand geben auf der Suche nach Lösungen, sondern wie gesagt Chinesen oder Brasilianer oder Afrikaner, aber eben keine Abordnungen aus der EU. Ein deutsch-französisches Tandem wäre ja auch denkbar.

Absolut unverständlich, dass da nix kommt, denn wenn etwas aus dem Ruder läuft, dann wird Europa weiter zerstört oder gegebenenfalls vernichtet, die Regionen der Welt, aus denen Verhandlungsdelegationen aktiv sind, eher weniger. Das begreife wer will.

Also – Wo lässt sich in dieser hochgradig komplizierten Gemengelage ansetzen?

Von ukrainischer Seite heißt es ja, Russland hat sich diverse Gebiete rechtswidrig angeeignet, also muss es sich auch vollständig aus diesen Gebieten zurückziehen, bevor man überhaupt an Verhandlungen denken kann. Diese Position wird auch von nicht wenigen westlichen Staaten vertreten, die die Ukraine unterstützen.

Das mag ja nach Gerechtigkeit klingen, ist aber naiv und unrealistisch. Das wissen auch die Entscheidungsträger in Washington und in westlichen europäischen Hauptstädten.

Es wird gar nichts anderes übrigbleiben, als diese territorialen Fragen, so gut es geht, auszuklammern. So sehen das auch diverse Forschungsinstitute, die dazu konkrete Vorschläge machen und zivile Verwaltungen unter internationaler Kontrolle ins Spiel bringen. Es gibt auch einen sehr detaillierten Plan, den Harald Kujat, Horst Teltschik, Hajo Funke und Peter Brandt ausgearbeitet haben. Jeder ein Profi auf seinem Gebiet. Aber meines Wissens ist diese Abhandlung nur in der Berliner Zeitung aufgetaucht, nachdem sie in der Schweiz erstmals veröffentlicht wurde. In Deutschland wird so etwas eher als Vaterlandsverrat aufgefasst und im besten Falle ignoriert.

Dabei gibt es historische Vorbilder, an denen man sich grob orientieren könnte.

Nach dem Ersten Weltkrieg wollte sich Frankreich das Saarland einverleiben, aber im Versailler Vertrag wurde es 1919 zum Mandatsgebiet des Völkerbundes erklärt, der Vorläuferorganisation der UNO. Der Völkerbund stellte das Saarland 1920 unter französische Verwaltung. Völkerrechtlich blieb es allerdings Teil des Deutschen Reiches. Nach 15 Jahren, also 1935, fand eine Volksabstimmung statt, in der sich 90 Prozent gegen eine Angliederung an Frankreich und für eine Rückkehr ins Deutsche Reich entschlossen.

Was wäre denn, wenn die Krim und die anderen von Russland beanspruchten Gebiete zum Mandatsgebiet der UN erklärt würden, sie völkerrechtlich bei der Ukraine blieben, Russland aber mit der Verwaltung betraut wäre? Auf diese Weise würde sich am Status quo zunächst nicht viel ändern, er bekäme aber einen rechtlichen Unterbau. Nach einer Frist, über die man sich verständigen müsste, könnte die UN einen Volksentscheid durchführen, in dem sich die Bevölkerung für die Ukraine, für Russland oder eine vollkommene Unabhängigkeit aussprechen könnte. Dieser Volksentscheid wäre international anerkannt und würde respektiert werden müssen.

Das oder etwas Vergleichbares kann natürlich nur funktionieren, wenn der politische Wille da ist, der politische Wille aus diesem Teufelskreis auszubrechen und sich von den Kategorien des Hasses und der Vergeltung zu befreien.

In anderen Ländern gab es diesen politischen Willen offenbar. Nehmen Sie Südafrika. Nach Jahrzehnten der Apartheidpolitik mit unvorstellbaren Grausamkeiten hat dieses Land mit Hilfe einer Versöhnungskommission einen Neuanfang geschafft. In Spanien war es ein „Pakt des Vergessens“, um nach den Verbrechen der Franco Diktatur neu anfangen zu können. Es gibt noch mehr solcher Beispiele. Aber man muss es wollen.

Wenn man jetzt einen intensiveren Blick auf die Ukraine wirft, dann spielen folgende Punkte eine Rolle:

Als Erstes fällt auf, dass es zwischen dem ukrainischen Präsidenten und seiner Militärführung schon länger Differenzen gibt. Während Selenskyj Durchhalteparolen verbreitet, scheint sich in der militärischen Führung immer mehr die Erkenntnis durchzusetzen, dass die Ukraine – ob mit oder ohne westliche Unterstützung – diesen Krieg nicht gewinnen kann. Das ist das eine.

Wenn man sich das Sicherheitsbedürfnis der Ukraine anschaut, dann kann man ja durchaus die Frage stellen, ob das zwingend mit einer NATO-Mitgliedschaft verbunden sein muss oder ob es da nicht auch andere Möglichkeiten gibt, die sowohl dem Sicherheitsbedürfnis der Ukraine Rechnung tragen als auch den Bedenken Moskaus, ein mehr oder weniger feindliches Militärbündnis unmittelbar vor der Haustür zu haben. Sowas ist ja lösbar, wenn man aufhört, moralisch aufgeladene und an Ideologien orientierte Politik zu betreiben.

Was unbedingt ins Blickfeld gehört, ist die Tatsache, dass die Ukraine aufgrund ihrer Geschichte und ihrer geografischen Lage ein Identitätsproblem hat, das man ansprechen muss, um es lösen zu können. Der innerukrainische Streit über ukrainische Identität ist etwa 150 Jahre alt und bis heute nicht beigelegt. Die Ukraine, wie wir sie heute kennen, gibt es seit 1991, also etwa 32 Jahre. Mit anderen Worten: der Ukraine fehlt eine staatliche Kontinuität. Das muss sich nicht negativ auswirken, wenn den unterschiedlichen Identitäten politisch Rechnung getragen wird. Das war und ist aber nicht der Fall. Gebiete im Osten und Süden des Landes sind von Kiew systematisch vernachlässigt worden und man hat mehrfach versucht, alles Russischsprachige beiseite zu drängen.

Ich will nicht zu sehr spekulieren, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass das, was wir jetzt haben, hätte verhindert werden können, wenn die Ukraine mit Blick auf die Innenpolitik eine Föderalisierung betrieben hätte und mit Blick auf die Außenpolitik eine Orientierung in beide Richtungen – nach Westen und nach Russland. Russland hat sich nie daran gestört, wenn die Ukraine ihre Fühler nach Westen ausgestreckt hat, solange das nicht bedeutete, gleichzeitig sämtliche Kontakte Richtung Russland abzubrechen.

So oder so Schnee von gestern, aber trotzdem nicht unerheblich, denn das sind die Dinge, die für eine tragfähige Lösung in der Zukunft eine Rolle spielen werden. Das lässt sich nicht dadurch aushebeln, dass politische Kräfte sowohl in der Ukraine als auch in der westlichen Staatengemeinschaft mantraartig wiederholen, wie sehr sich das Land doch nach Einbindung in den Westen sehnt.

Vielleicht an der Stelle ein kurzer Rückgriff auf das EU-Assoziierungsabkommen von 2014. Es war ein großer Fehler, Russland nicht mit in die Verhandlungen einzubeziehen. Diejenigen, die von Anfang an geraten haben, Brüssel, Kiew und Moskau sollten gemeinsam erarbeiten, wie man das zum Vorteil aller Beteiligten gestaltet, haben sich leider nicht durchsetzen können.

Ökonomisch war es für die Ukraine jedenfalls ein Wahnsinn, die Verbindungen zu Russland zu kappen. Es ging immerhin um zwei Drittel aller Exporte. Nikolai Petro, US-amerikanischer Politikwissenschaftler und Professor an der University of Rhode Island spricht von „Selbstmordökonomie“ und führt das auch im Einzelnen auf. Er hat ein sehr lesenswertes Buch unter dem Titel „The Tragedy of Ukraine“ geschrieben. (Die Tragödie der Ukraine)

Jedenfalls habe die Kombination von Marktöffnung Richtung Westen und Trennung von Russland der Ukraine nicht gutgetan, so Petro, weder finanziell noch wirtschaftlich noch demographisch. Aber es war aus rein ideologischen Gründen angesagt, sich um jeden Preis von Russland abzuwenden.

Aus meiner Sicht ist es immer und überall ein Fehler, ideologische statt sachorientierter Politik zu betreiben. Das ist leider kein Alleinstellungsmerkmal der Ukraine.

Militärische Stärke und Entspannung – das muss durchaus kein Widerspruch sein, aber dazu gehört eine Politik, die Verhandlungen und Diplomatie höher bewertet als Waffenlieferungen. Und davon scheint im Moment keine Rede zu sein.

Wie groß das Risiko ist, dass „unsere“ Politik mittlerweile eingeht, und zwar ohne sich dafür sachlich zu rechtfertigen, zeigt folgender Punkt. Bundeskanzler Scholz betont ja immer mal wieder, man wolle trotz der Unterstützung der Ukraine und trotz der Waffenlieferungen nicht zur Kriegspartei werden. Das ist ja durchaus von existenzieller Bedeutung für uns alle. Und deshalb ist es so wichtig zu wissen, wo genau da die Grenzlinie verläuft, die man möglichst nicht überschreiten sollte.

Dazu gibt es eine erhellende Auskunft des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Auf eine entsprechende Anfrage war die Antwort – und zwar bereits am 16. März 2022 – also schon vor gut anderthalb Jahren: nicht mit den Waffenlieferungen, aber mit der Ausbildung von Soldaten verlasse man den gesicherten Bereich der Nicht-Kriegsteilnahme. D.h. wir befinden uns bereits seit geraumer Zeit außerhalb des gesicherten Bereichs. Die Bundeswehr hat sogar eine Führungsrolle innerhalb eines EU-Ausbildungsprogramms übernommen.

Im vergangenen Monat hat der dafür zuständige Bundeswehr Generalmajor Christian Freuding nicht ohne Stolz verkündet, dass seit Kriegsbeginn 8.000 ukrainische Soldaten eine Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben.

Es hängt also nicht mehr von uns ab, ob wir Kriegspartei sind oder nicht, sondern von der Wahrnehmung in Moskau.

Müsste über derlei – im wahrsten Sinne des Wortes – existenzielle Fragen nicht offen und öffentlich debattiert werden? Wie weit gehen wir denn in der Unterstützung der Ukraine, wenn wir damit den eigenen Interessen schaden, nicht nur wirtschaftlich, sondern mit Blick auf Krieg und Frieden? Was ist denn mit dem Eid, den Bundeskanzler und Minister bei Amtsantritt feierlich ablegen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden? Was ist denn mit dem Friedensgebot im Grundgesetz?

Diese Debatten finden in der sogenannten Mitte der Gesellschaft eher nicht statt. Ich halte das nicht nur für einen Fehler, sondern für systemgefährdend, denn es führt zur Aushöhlung demokratischen Denkens und das sollten wir uns in Deutschland nach unserer Vorgeschichte nicht leisten.

Unsere Demokratie wird auch nicht in der Ukraine verteidigt, genauso wenig wie damals am Hindukusch. Das ist nur eine besonders hinterhältige Form Kriegseinsätze zu rechtfertigen und moralischen Druck aufzubauen. Der Kampf um unsere Demokratie findet nicht im Ausland statt, sondern innerhalb unserer Landesgrenzen. Und da ist weiß Gott genug zu tun.

Ich habe den Eindruck, dass sich die Mehrheit in unserer Gesellschaft – schon gar die schweigende – weniger Kriegsrhetorik und mehr diplomatische Ansätze wünscht; dass sie nichts von diesen Ausschluss- und Verweigerungspraktiken hält, nach dem Motto: man kann erst reden, wenn diese oder jene Vorbedingung erfüllt ist. Menschen haben in der Regel ein feines Gespür für Symbolpolitik und wünschen sich eher konstruktive Aktivitäten als Verweigerung. Das ist zumindest mein Eindruck.

Den folgenden Gedanken möchte ich zum Thema Interessen nicht unterschlagen.

Seit ca. 100 Jahren ist es das erklärte politische Ziel der USA, eine enge Zusammenarbeit auf dem eurasischen Kontinent zu verhindern. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern in offiziellen Papieren nachzulesen. Aus Sicht der USA ist das ein legitimes Ziel, das sie – professionell wie meistens – nun auch erreicht haben.

Der Krieg ist ein gigantisches Wirtschaftsförderprogramm. Nebenbei: im Gegensatz zu Deutschland und meines Wissens auch den anderen Ländern der EU verschenken die USA ihre Waffen nicht, sondern leasen sie und für einen Teil übernimmt die EU die Kosten. Und – die USA werden endlich in Mengen ihr teures und umweltschädliches Fracking-Gas los.

Es wird Zeit europäische Interessen zu definieren – schwer genug, aber für Europa lebensnotwendig, denn um uns herum bilden sich neue Allianzen von Ländern, die die europäisch-amerikanische Bevormundung satthaben und eigenes Selbstbewusstsein entwickeln. Nur jemand mit eurozentristischem Blick und einer gewissen Arroganz kann behaupten Russland sei isoliert. Der Kollege Gabor Steingart geht noch einen Schritt weiter. Er hat gesagt: Russland ist nach dem Überfall auf die Ukraine nicht der Paria der internationalen Gemeinschaft geworden, sondern das neue anti-westliche Rollenmodell.

Jetzt werden Weichen gestellt, mit weitreichenden Konsequenzen. In einer Demokratie, die diesen Namen verdient, muss darüber offen und angstfrei debattiert werden.

Dazu passt eine Aussage von Alfred de Zayas, US-amerikanischer Völkerrechtler und ehemaliger UN-Beamter im Menschenrechtsrat und da zuständig gewesen für „die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung“. Er hat gesagt: „Sowohl Amerikaner wie auch Europäer haben kein Recht, das Überleben des Planeten wegen einer innereuropäischen Querele aufs Spiel zu setzen. Für den durchschnittlichen Afrikaner, Asiaten oder Lateinamerikaner ist es völlig unerheblich, ob die Krim zu Russland oder zur Ukraine gehört. Darüber dürfe sich niemals ein Atomkrieg entfachen.“

Zur Blickwinkelerweiterung gehört eben auch, sich klarzumachen, wie viele Millionen und Milliarden Menschen in anderen Teilen der Welt sitzen mit völlig anderen Interessen, und nicht so zu tun, als hätten „Wir“ – was immer das genau ist – die Deutungshoheit über globale Prozesse.

Ich würde mir wünschen, dass junge Menschen, die mit ihrem Engagement im Kampf gegen den Klimawandel Gesellschaften weltweit aufgerüttelt haben, das Thema Frieden entdecken und sich dafür mit der gleichen Kraft einsetzen. Über die Meinungen, wie man das dann am besten macht, darf und muss gestritten werden.

Mündige Bürger sind in einer Demokratie systemrelevant – eigentlich auch so eine abhanden gekommene Selbstverständlichkeit, sonst hätte Deutschland die Bildung nicht so sträflich vernachlässigt. – Ein mündiger Bürger muss in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen, die Konsequenzen seiner Entscheidung zu überblicken und die Verantwortung dafür zu tragen. Wenn das nicht der Fall ist, dann taugt die Demokratie nicht viel.

Die Voraussetzung dafür, fundierte Entscheidungen zu treffen, ist: so umfassend wie möglich informiert zu sein, über Hintergründe Bescheid zu wissen, Zusammenhänge zu erkennen. Das ist anstrengend und mühsam. Niemand hat behauptet, dass Demokratie eine bequeme Angelegenheit ist.

Inhaltliche Auseinandersetzungen mit faktenbasierten Meinungen, streitbare respektvolle Debatten um die besten Lösungen – darum geht es. Um nicht mehr, aber auch um nicht weniger.

Tja, und nun? Immer modernere und schlagkräftigere Waffensysteme sind im Gespräch beziehungsweise werden geliefert oder zumindest zugesagt. Auffällig ist dabei die Zurückhaltung der USA (damit meine ich jetzt nicht die Blockade der Republikaner, bereits beschlossene Mittel nicht zur Verfügung zu stellen) sondern die Tatsache, dass sich die USA trotz umfangreicher Lieferungen – bisher jedenfalls – gewisse Grenzen gesetzt haben. Dazu gehört die Überlegung, keine Waffensysteme zur Verfügung zu stellen, die in der Lage sind, weit ins russische Kernland vorzudringen.

Im Gegensatz zu europäischen Ländern sind die USA nämlich nicht davon überzeugt, dass sich die Ukraine an ihre offiziellen Zusagen hält, nur das eigene Land zu verteidigen und russisches Territorium nicht einzubeziehen. Deshalb haben die USA z.B. bestimmte Raketenwerfer nur mit Projektilen geliefert, die eine Reichweite von 85 statt 150 km haben.

General a.D. Harald Kujat, den ich eben schon erwähnt habe, der ehemalige Vorsitzende des NATO- Militärausschusses – immerhin die höchste militärische Autorität der NATO – hat sich zu dieser amerikanischen Zurückhaltung in einem Artikel neulich folgendermaßen geäußert: „Die USA überlassen es den Europäern, amerikanische F-16 zu liefern. Dass die Ukraine entgegen ihrer Zusicherung kürzlich Streumunition bei einem Angriff auf das Stadtgebiet von Donezk gegen zivile Ziele eingesetzt hat, bestätigt die amerikanische Zurückhaltung.“

Währenddessen wird in Deutschland geprüft, ob man das hochleistungsfähige Taurus System, diesen Luft-Boden-Marschflugkörper mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern an die Ukraine abgibt.

Zwei Schlussbemerkungen. Die eine hat mit meinem Berufsstand zu tun.

Journalisten sind mit ihrer Arbeit nicht dafür verantwortlich Frieden zu erhalten, weder den inneren noch den äußeren, aber ihnen sollte schon klar sein, dass sie mit ihrer Arbeit dazu beitragen können, Frieden zu gefährden, sowohl den inneren als auch den äußeren. – Vielleicht muss man das dem einen oder anderen mal unmissverständlich klar machen, respektvoll aber deutlich.

Die zweite Bemerkung. Da werden Sie sich vermutlich wundern, dass ich Thomas Gottschalk erwähne. Ich gehe mal davon aus, dass den auch hier jeder kennt.

Sie haben ja vielleicht mitbekommen, dass er neulich seine letzte Wetten dass-Sendung moderiert hat. Und in seiner Begründung, warum er nicht weitermacht, hat Gottschalk unter anderem folgendes gesagt, fast nebenbei: er habe bisher zu Hause immer genauso geredet wie hier auf der Bühne, aber offenbar ginge das so nicht mehr, und diesen Spagat wolle er sich nicht zumuten. Ich muss sagen, ich fand’s toll, wie dieser Publikumsliebling aus der Unterhaltung kurz und prägnant die Sache auf den Punkt gebracht hat. Was für eine Aussage in unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaft.

Also – diejenigen, die sich dafür einsetzen, laufende Kriege zu beenden und künftige zu verhindern, müssen jetzt dringend Mittel und Wege finden, wieder als gestalterische Kraft in der Gesellschaft zu wirken. Das wird ohne junge Menschen nicht gehen.

Europas wahnsinnige Energiepolitik

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine haben sich die Staaten der EU, allen voran Deutschland, weitgehend von russischem Pipelineerdgas entkoppelt. Was auf den ersten Blick wie ein Erfolg aussieht, ist in Wirklichkeit in vielfacher Hinsicht eine Ansammlung von Katastrophen.

Mit dem Leerkaufen der internationalen LNG-Märkte (LNG, Liquid Natural Gas = verflüssigtes Erdgas) wurde die Energieversorgung im Globalen Süden empfindlich geschädigt. Das hat dramatische Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Energieversorgung und die politische Stabilität und fördert gleichzeitig Armut und Hunger. Gleichzeitig hat diese Europa-first-Politik dem Globalen Süden erneut vor Augen geführt, wie wenig die „werteorientierte“ Politik der EU im Krisenfall wert ist. In ihrer vom Westen verursachten Not wenden sich die Länder des Globalen Südens Russland zu. So haben z.B. Pakistan und Indien mit Russland langfristige Lieferverträge für Öl und Gas abgeschlossen bzw. verhandeln diese derzeit. Damit machen sie sich unabhängig von den politischen Entscheidungen der EU, was ihre Energieversorgung betrifft. Dafür steigt der russische Einfluss im Globalen Süden derzeit stark an.
Nach dem Scheitern von Nord-Stream 2 soll jetzt eine massiv überdimensionierte LNG-Infrastruktur ohne Rücksicht auf die Umwelt, das Klima oder demokratische Beteiligungsrechte durchgedrückt werden. Die mit heißer Nadel gestrickte gesetzliche Grundlage musste nach wenigen Monaten erneut verschärft werden, um die geplanten Vorhaben der gerichtlichen Kontrolle noch weiter zu entziehen. Gleichzeitig explodieren die Kosten innerhalb weniger Monate für die Steuerzahler von ursprünglich rund 3 Mrd. Euro auf derzeit rund 10 Mrd. Euro. Ein Ende der Kostenexplosion ist genauso wenig absehbar, wie die Realisierung der Vorhaben.
Absehbar ist jedoch, dass durch den massiven Ausbau der LNG-Infrastruktur, insbesondere in Deutschland, das Erreichen des 1,5°C-Ziels torpediert wird. Die Gasversorgung Europas von der arabischen Halbinsel wird dort zur Erschließung weiterer Vorkommen führen. Bereits die von Katar geplante Förderung von Erdgas reicht aus, um das gesteckte Klimaziel zu verfehlen, wenn man nur das CO2 aus der Verbrennung des Erdgases betrachtet. Werden alle Emissionen der Prozesskette, also auch die Methanverluste bei Förderung, Verflüssigung, Transport, Regasifizierung, erneutem Transport und Nutzung des Erdgases betrachtet, dann ist mit einer vielfach höheren Klimaauswirkung zu rechnen.
Das Ziel, Russland die Mittel zur Führung des Ukrainekrieges zu entziehen, ist richtig. Allerdings wird dieses Ziel verfehlt: 1. Russland verkauft seine , Kohle-, Öl- und Gasvorräte statt an die EU an Länder, die unter der rücksichtslosen Beschaffungspolitik der EU leiden, 2. Europa bezieht ca. 50% des für Atomkraftwerke benötigten Urans aus Russland und 3. Die Staaten der EU haben das billige russische Pipelineerdgas zu einem erheblichen Teil durch teures russisches LNG ersetzt. Wie aus Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hervorgeht, bezieht Deutschland derzeit rund 5 bis 6 Prozent seines Erdgases über russisches LNG. Europa importiert rund 13 Prozent seines LNG aus russischen Quellen, bisher im Jahr 2022 insgesamt für 27 Mrd. Euro. Der Bundeswirtschaftsminister verweigert bis heute rechtswidrig Auskunft zum bisherigen Bezug von LNG für Deutschland, insbesondere über den russischen Anteil an den Lieferungen, da er damit die Absurdität der deutschen Energiepolitik offenbaren würde. Warum wird nicht das russische Erdgas durch unser Biogas ersetzt, das ins Gasnetz eingespeichert werden könnte?
Warum werden die falschesten Anreize gesetzt, die möglich sind, indem mit der geplanten Übergewinnsteuer von (Bürger-)Wind- und Solarparks 90%, von Braunkohle- und Atomkraftwerkskonzerne 33 % und von Steinkohle- und Gaskraftwerksbetreibern null Prozent der zusätzlichen Gewinne abgeschöpft werden sollen? Warum werden die Übergewinne der Mineralölkonzerne gar nicht erwähnt? Was ist das für eine Klima- und Energiepolitik?
Die einzige Alternative zu dieser rückwärtsgewandten fossilen Energiepolitik ist ein konsequenter schneller Ausbau der Erneuerbaren Energien, der „Freiheitsenergien“. Wir erwarten von einem grünen Wirtschaftsminister, dass er alle Mittel einsetzt, die sauberen einheimischen Energien (Wind, Sonne, Wasser, Erdwärme…) zu fördern, statt durch Zigmilliarden Euro für LNG-Terminals die fossile Abhängigkeit von autokratischen Staaten zu zementieren.
Infos: https://fragdenstaat.de/anfrage/russische-lng-importe/

Pressemitteilung vom 12. Dezember 2022
Dr. Reinhard Knof, https://www.keinco2endlager.de/

Unwort des Jahres 2021:

„Pushback“

Und wieder hat ein Wort der menschenfeindlichen Flüchtlingspolitik es geschafft zum Beginn des Jahres mediale Aufmerksamkeit zu bekommen. Wie jedes Jahr wurde das „Unwort des Jahres“ gewählt.

Eine Jury aus Mitgliedern der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) machte im Jahr 1991 den Anfang und losgelöst von deren Vorstand machten die Jurymitglieder als „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ seit 1994 weiter.

Die Jury sind vier Sprachwissenschaftler*innen und zwei Journalist*innen. Vorschläge für das Unwort können aus der Bevölkerung eingereicht werden.

Mit der Wahl zum „Unwort des Jahres“ soll auf "undifferenzierten, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch" hingewiesen werden.

In den letzten Jahren haben bereits die Worte „Anti-Abschiebe-Industrie und Ankerzentrum“ (2018) sowie „Rückführungspatenschaften“ (2020) den denkwürdigen Titel erhalten.

„Pushback“ ist „Unwort des Jahres 2021“! 

Es scheint, dass jedes  „Unwort“ die politische Situation der jeweiligen Zeit spiegelt. Und damit auch hinweist auf die Veränderungen: ging es vorher noch darum, Geflüchtete und ihrem Recht auf Asyl in diesem Land zu widersprechen bzw. sie abzuschieben, kommt jetzt hinzu, Menschen auf der Flucht gar nicht erst nach Europa, geschweige denn Deutschland, einreisen zu lassen.

In vielen Medien wird nun, im Zusammenhang mit der „Auszeichnung“, über den „Pushback“ geschrieben er bedeute „zurückdrängen, zurückschieben“. Dies sind zwei der möglichen Übersetzungen. Eine weitere lautet: Zurückstoßen!

Da es um Sprache geht und mit der Wahl zum Unwort auch darum Begriffe zu demaskieren, sollte man auch bei der Übersetzung ehrlich sein. 

Der „Pushback“ richtet sich gegen Geflüchtete, die vor den Grenzen nach Europa illegal und mit Gewalt von einem Grenzübertritt abgehalten werden. Sie werden gezwungen wieder zurückzukehren in die Länder, aus denen sie geflohen sind oder in die Länder, in denen sie ihren letzten Aufenthaltsort hatten.

Diese Praxis der „Pushbacks“ wird an den Grenzen auf dem Land, aktuell insbesondere in Polen und Belarus, und auf dem Mittelmeer durch Grenzpolizei und Frontex durchgeführt. 

Menschen werden auf diese Weise daran gehindert ihr Asylrecht wahrzunehmen. Die Grenzen zu überwinden ist sehr oft mit Lebensgefahr verbunden. Grenzsoldaten versuchen das Übertreten von Grenzen auch mit Waffengewalt zu verhindern. Im Mittelmeer werden die oft ohnehin nicht seetauglichen kleinen Boote der Geflüchteten, mit den vielen Menschen an Bord, wieder zurückgetrieben und dem Meer überlassen. Von den zig-tausenden auf der Flucht im Mittelmeer ertrunkenen Menschen, sind auch die darunter, die von den Frontex-Einheiten zurückgestoßen wurden.

In der Ägäis, dem Teil des Mittelmeers zwischen der Türkei und Griechenland, werden immer wieder von der griechischen Küstenwache Geflüchtete zurück in türkische Gewässer gedrängt. 

Frontex, die europäische Grenzschutzpolizei, unterstützt bei diesen Aktionen nicht die Menschen auf der Flucht, sie retten nicht, sondern treiben mit „Pushbacks“ zurück auf das Meer. Seit Jahren gibt es an Frontex Kritik. Doch auch die neue Bundesregierung aus SPD/Grüne/FDP hat sich mit dem Koalitionsvertrag für die weitere Unterstützung des EU-Grenzregimes ausgesprochen. Sie meint es soll "auf Grundlage der Menschenrechte und des erteilten Mandats zu einer echten EU-Grenzschutzagentur weiterentwickelt werden" und weiterhin "ein wirksamer und rechtsstaatlicher Außengrenzschutz sein, der transparent ist und parlamentarisch kontrolliert wird. Frontex soll sich im Rahmen des Mandats bei der Seenotrettung aktiv beteiligen." (Koalitionsvertrag 2021)

Seit ihrem Bestehen, wird versucht der Frontex ein positives Bild zuzuschreiben. Doch immer wieder wird öffentlich, wie Frontex als eine Abwehrorganisation für Geflüchtete arbeitet. Dies scheint die Ampel-Regierung nicht sehen zu wollen. Frontex ist an den Pushbacks beteiligt.

Mit der Wahl zum Unwort des Jahres 2021 wird sich die Realität von „Pushbacks“ gegen Menschen die Schutz und Hilfe suchen nichts ändern. Dass die Wahl auf dieses Wort gefallen ist „weil mit ihm ein menschenfeindlicher Prozess beschönigt wird", so die Jury, kann jedoch dazu beitragen, dass mehr Menschen über diese Praxis des Zurückstoßens informiert werden. Darüber hinaus wird dann auch über die Einschränkungen des Asylrechts und die Versuche der unmenschlichen Abschreckung durch europäische Regierungen gelesen.

Es sind aber nicht Worte des Jahres, es sind die dazugehörigen Taten, die diesen Worten ihren erschreckenden und unmenschlichen Ausdruck geben.

Seit Jahren werden immer wieder Worte kreiert, die politische Ziele beschreiben sollen und dabei gleichzeitig den Weg zu unmenschlichen Vorhaben deutlich machen.

Wenn im Koalitionsvertrag der Bundesregierung mit dem Begriff der „Rückführungsoffensive“ die Perspektive mancher Geflüchteten beschreibt, zeigt allein schon dieses Wort wie diese Regierung mit der Frage von Flucht und Asyl umgehen wird – entgegen allen ihren eigenen Beteuerungen und Versprechungen für eine menschliche Flüchtlings- und Migrationspolitik.

Wenn die CDU/CSU die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dafür kritisiert, dass sie in der EU-Flüchtlingsfrage gemeinsam mit anderen Ländern eine "Koalition der aufnahmebereiten Mitgliedstaaten" schmieden will, zeigt dies, dass die Union dort weitermacht, wo der Innenminister a.D. Seehofer aufgehört hat. Deutlicher wird noch, wenn der CDU-Innenexperte Christoph de Vries der "Bild" diktiert: "Oberste Priorität für eine deutsche Innenministerin muss jetzt sein, klare Stoppsignale zu senden und keine neuen Einladungen zu verteilen", und Deutschland habe "viele Jahre die größten humanitären Lasten in Europa getragen".

"Pushback"- das Unwort des Jahres muss zur Untat des Jahres werden!

Halten wir es mit der Menschenrechtsorganisation „Mare Liberum“, die schreibt: „2022 suchen wir dann kein neues Wort, sondern schaffen diesen Unakt, die Pushbacks ab, ja? Für das Recht auf Bewegungsfreiheit und Safe Passage!“

Kämpfen wir für legale Fluchtwege!

Für das Recht zu kommen, für das Recht zu bleiben!

#LeaveNoOneBehind

Bettina Jürgensen, marxistische linke

An den Europaausschuss des Landtags von Schleswig-Holstein: 

Unterschrift unter den Atomwaffenverbotsvertrag

An die Mitglieder des Europaausschusses des Landtags von Schleswig-Holstein. 

Sehr geehrte Damen und Herren! 

Der Antrag der SPD-Fraktion, der Landtag von S.-H. möge auf die Bundesregierung einwirken, dass diese den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichne, wurde an den Europaausschuss überwiesen. Damit kommt Ihrem Votum eine hohe Bedeutung bei. Wir hoffen, dass die nachfolgenden Argumente Sie erreichen können. 

Zwar ist die Entscheidung über die Unterschrift unter den Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) Bundessache, doch ist das Land S.-H. mit seinen Werften, Marine- und Luftwaffenstützpunkten im Kriegsfall als ein vorrangiges Ziel potentieller gegnerischer Verteidigungs- oder gar Präventivschläge zu betrachten, nicht zuletzt selbst bei einer entfernteren Nuklearexplosion durch radioaktiven Fallout bedroht. 

Von daher muss S.-H. ein großes Interesse daran haben, diese Risiken weitestgehend zu minimieren. Laut dem gerade veröffentlichten Koalitionsvertrag planen die Parteien der künftigen Bundesregierung, an der Wiener Überprüfungskonferenz des AVV als Beobachter teilzunehmen und „die Intention dieses Vertrags konstruktiv zu begleiten“. 

Damit wird Deutschland nach Norwegen der zweite NATO-Staat und das erste Land, in dem Atomwaffen stationiert sind, das als Beobachter an der AVV-Staatenkonferenz teilnimmt. Deshalb könnten Sie der Meinung sein, dass sich nun der im Europaausschuss zu behandelnde Antrag doch eigentlich erübrigen würde. Doch die Bereitschaft der Bundesregierung zur Teilnahme an der AVV-Staatenkonferenz ist nur ein erster, wiewohl sehr wichtiger und erfreulich hoffnungsvoller Schritt. 

Ein unterstützendes Votum des S.-H. Landtags an die Bundesregierung zum Beitritt zum AVV, wie bereits von vier anderen Bundesländern und auch der Landeshauptstadt Kiel erfolgt, ist jedoch gerade deshalb von Bedeutung, weil im Koalitionsvertrag von der neuen BR explizit das Ziel „Deutschland frei von Atomwaffen” angestrebt wird, wie dies ja auch die große Mehrheit der Bevölkerung fordert.

Unzweifelhaft liegt Ihnen allen, die Sie Verantwortung für das Wohl unseres Landes tragen, die Sicherheit von uns Bürgern am Herzen. Strittig ist jedoch offenbar, welche Methoden am besten geeignet sind, diese Sicherheit zu gewährleisten. 

Über das Ziel, die US-Atomwaffen aus Deutschland zu entfernen, herrscht Uneinigkeit, meist mit Verweis auf unsere Bündnisverpflichtungen und das Risiko, dass dadurch die NATO destabilisiert würde. Deshalb sollte sich Deutschland unbedingt dafür einsetzen, den schon 2011 mit dem NATO „Deterrence and Defense Posture Review Committee“ begonnenen Dialog, bei dem ein Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe diskutiert wurde, wieder aufzunehmen. 

Der Sorge, dass die USAtomwaffen dann in Polen stationiert würden muss mit Verweis auf die NATO-Russland-Charta von 1997 begegnet werden, in der dies eindeutig verboten ist. Auch dürfen unsere „Bündnisverpflichtungen“ nicht bedeuten, dass wir uns zu Geiseln politischer Entscheidungen machen, die nicht in unserer Hand liegen! Denn die „nukleare Teilhabe Deutschlands“ bedeutet nicht, dass Deutschland im Ernstfall Einfluss auf die Entscheidung über einen Atomwaffeneinsatz hätte. 

Diese Entscheidung liegt letztlich allein beim US-Präsidenten, auch die für einen Ersteinsatz von Atomwaffen! Weiter wird von Gegnern des AVV argumentiert, dass alle Atomwaffenstaaten, wie im Atomwaffensperrvertrag (Nichtverbreitungsvertrag NVV) von 1970 beschlossen, zunächst abrüsten müssten. Doch wurde der AVV ja gerade deshalb initiiert, weil die Reduktion der Atomwaffen seit langem stagniert und deren „Modernisierung“ einer Aufrüstung gleichkommt. 

Wie vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages am 19.1.2021 bestätigt, steht der AVV nicht im Widerspruch zum NVV, sondern ergänzt diesen vielmehr, indem er die Verhandlungen des NVV befördern kann, statt zu einer Schwächung der Verhandlungsposition zu führen. 

Zentraler Konfliktpunkt in der Frage des Beitritts Deutschlands zum AVV ist die Strategie der Abschreckung. 

Nukleare Abschreckung ist bis heute die zentrale Sicherheitsstrategie der Großmächte. Abschreckung bedeutet, dass im Fall eines nuklearen Angriffs der Angreifer durch einen Zweitschlag mit für ihn inakzeptablen Schäden und Nachteilen zu rechnen hätte. Der Abschreckungslogik ist also die nukleare Zweitschlagslogik immanent. 

Hauptargument der Vertreter einer atomaren „Abschreckungsstrategie“ heute ist jedoch immer noch, dass dank der Abschreckungsstrategie im Kalten Krieg durch das „Gleichgewicht des Schreckens“ ein Atomkrieg verhindert worden sei. Dabei wird zum einen verschwiegen, dass es aufgrund von Fehlalarmen und Fehlinterpretationen vermeintlicher Angriffe wiederholt um Haaresbreite zu einem „Atomkrieg aus Versehen“ gekommen wäre. – Je kürzer die Vorwarnzeit, umso höher ist dieses Risiko! 

Zum anderen setzte diese gegenseitige Abschreckung damals und setzt heute wieder einen ungeheuren, Ressourcen verbrauchenden und die Umwelt belastenden, äußerst gefährlichen Rüstungswettlauf in Gang. Der auf diese Weise in Gang kommende Rüstungswettlauf verringert so die Chancen einer friedlichen Lösung politischer Konflikte. Die Abschreckungslogik sorgte im damaligen bipolaren atomaren Patt zwischen den Blöcken USA/NATO und Sowjetunion/Warschauer Pakt für eine gewisse, jedoch durch Fehlalarme immer gefährdete Stabilität und sollte die damalige konventionelle Überlegenheit des Warschauer Pakts in Schach halten. 

Heute ist die NATO jedoch auch konventionell Russland weit überlegen. In dem heute multipolaren Kräftefeld von mindestens sieben Atommächten funktioniert diese gegenseitige Abschreckungsstrategie nicht mehr. Außerdem beinhaltet die neue, auf eine Vormachtstellung ausgerichtete US-Nuklearstrategie schon seit 2014/15, Atomwaffen auch in einem Ersteinsatz als sog. nukleare Gefechtsfeldwaffen mit vorwählbarer Sprengkraft von 0,3 - 50 kt(!) einzusetzen. (Zum Vergleich: die Hiroshimabombe hatte eine Zerstörungskraft von 20 kt!). 

Das potentielle nukleare Gefechtsfeld wäre Deutschland und Europa! Ein Einsatz von strategischen Atomwaffen wäre ein „game changer“! Er lässt sich nicht auf ein „Gefechtsfeld“ begrenzen und würde zwangsläufig zur atomaren Eskalation führen! Diese zunehmende Atomkriegsgefahr, die durch das Vorrücken der Zeiger auf der „Doomsday Clock“, der Weltuntergangsuhr, auf 100 Sekunden vor 12 symbolisiert wird, muss durch völkerrechtlich verbindliche Verträge wie den AVV unbedingt verhindert werden! 

Die Befürworter der nuklearen Teilhabe Deutschlands stützen sich jedoch noch immer auf die schon im Kalten Krieg gefährliche Strategie „Frieden durch Abschreckung“. Sie verkennen dabei die Gefahr, dass Deutschland und Europa im Ernstfall, wenn ein militärischer Konflikt atomar eskalieren würde, zum nuklearen Schlachtfeld werden würde! 

Nicht zuletzt braucht eine Abschreckungsstrategie zu ihrer Rechtfertigung den „absoluten Feind“, d.h. Feindbilder werden geschürt, statt sich in die Situation des Gegners, der sich ebenfalls bedroht fühlt, hinein zu versetzen und Frieden durch vertrauensbildende Maßnahmen zu befördern. Insbesondere das Festhalten der Bundesregierung an der nuklearen Teilhabe durch die auf deutschem Boden stationierten US-Atombomben wird auf russischer Seite als Bedrohung seiner nationalen Sicherheit bewertet und führt wiederum zu den Westen beunruhigenden Gegenmaßnahmen. 

„Frieden durch Abschreckung“ heute bedeutet Aufrüstung auf Grund der vermeintlich oder tatsächlich empfundenen Bedrohung der Sicherheit Deutschlands und Europas speziell durch Russland. Wir empfinden es deshalb als sehr beunruhigend, dass seit vielen Jahren einseitig die Bedrohung durch Russland vermittelt wird und nicht die gegenseitige Bedrohtheit durch Großmanöver beidseits der russischen Grenze anerkannt wird, die fatalerweise auf beiden Seiten zu Aufrüstungsmassnahmen führt. Diese Aufrüstungsmassnahmen verschlingen Unmengen an finanziellen und materiellen Ressourcen, die dringend für die Abwendung der die ganze Welt bedrohenden Klimakatastrophe benötigt würden. 

Deshalb ist der Beitritt Deutschlands zum AVV eine wichtige Möglichkeit, Abrüstungswillen zu signalisieren und dadurch die gegenseitige Rüstungs- und Bedrohungsspirale zu durchbrechen. Es wäre ein wichtiges Signal an Russland, dass Deutschland einen Beitrag für die gemeinsame Sicherheit mit Russland zu leisten bereit wäre. Der Beitritt zum AVV ist ein wichtiger Beitrag für Rüstungskontrolle und Abrüstung und damit ein Schritt auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt, ein Aufbruch in eine Welt, in der jeder Staat sich dadurch für die eigene Sicherheit einsetzt, dass er dafür sorgt, dass andere Staaten sich vor ihm sicher fühlen können. 

Wir bitten Sie deshalb dringend, das Votum des S.-H. Landtages an die Bundesregierung für einen Beitritt zum AVV zu ermöglichen! 

gez. Siegfried Lauinger

AG Atomwaffenverbotsvertrag Schleswig-Holstein Kiel, 28.11.2021 

c/o Siegfried Lauinger Dorfstr. 80 24232 Tökendorf Tel: 04348-9132264 

Bilder: Aktion am 22.01.2021 beim Kanzleramt in Berlin

Polen/Belarus:

Solidarität mit den Geflüchteten an der EU-Grenze

Etwa 50 Demonstrat*innen versammelten sich am 20.11.2021 am Kieler Hauptbahnhof und forderten offene Grenzen sowie die sofortige Aufnahme der an der polnisch-belarusischen EU-Außengrenze festgesetzen Menschen auf der Flucht.



Während das autoritäre Lukaschenko-Regime die Leidtragenden seit Wochen als Spielball im Kräftemessen mit der EU missbraucht, halten polnische Behörden mit Unterstützung diverser europäischer Staaten das EU-Grenzregime mit militärischer Brutalität aufrecht. Die Betroffenen müssen bei lebensgefährlicher Kälte in Wäldern hausen und werden an ihrer Weiterreise gehindert. Auch die deutsche Regierung hat sich jeglicher Schaffung sicherer Fluchtwege und Aufnahme der Schutzsuchenden verweigert. Zu der Kundgebung hatten Kurdische Organisationen aufgerufen; unter den Flüchtenden befinden sich viele Menschen aus Kurdistan. (Quelle: Revolutionsstadt Kiel)

Ergänzend dazu ein Kommentar der Schriftstellerin Daniela Dahn: “Kühl sagt Heiko Maas, glückloser Außenminister, Deutschland werde diese Menschen nicht aufnehmen. Es scheint egal, ob sie erfrieren oder nur erkranken. Egal, ob sie schon europäischen Boden betreten und damit das Recht auf ein Asylverfahren haben. In Brüssel wird nicht über ein Vertragsverletzungsverfahren diskutiert, sondern über die Bezahlung einer Mauer. Auf jeden Migranten, auf jede Frau, jedes Kind, kommen inzwischen drei oder vier Uniformierte an dieser Grenze der Schande – nicht mit dem Auftrag zu helfen, sondern mit dem gesetzwidrigen Pushback-Befehl. Go, go, go ist ihre Botschaft.
Das Wort Fluchtursachen scheint aus dem Vokabular gestrichen. Stattdessen werden Migranten angeblich nur noch „instrumentalisiert“, was ihnen eigene, begründete Motive abspricht. Und erst recht deren Verursacher im Dunkeln lässt. Die meisten Geflüchteten kommen aus dem Irak. Im Gegensatz zu Belarus war Polen einst mit 2.000 Soldaten beteiligt, als das Land von ausländischen Truppen, die dort nichts zu suchen hatten, in Schutt und Asche gebombt wurde.

Die Sprache zeugt heute unverändert von militantem Denken: „hybrider Angriff“ (von der Leyen), „menschliche Schutzschilde“ (Morawiecki) oder „weißrussischer Staatsterror“ (Steinmeier).“

(Daniela Dahn in: „Europa rüstet auf“. der Freitag, 19.11.2021, https://www.maskenfall.de/?p=14548)

#ZeroCovid

Das Ziel heißt Null Infektionen!

Für einen solidarischen europäischen Shutdown

Nach einem Jahr Pandemie sind wir in ganz Europa in einer äußerst kritischen Situation. Tausende Menschen sterben jeden Tag und noch viel mehr erkranken. Das neue Coronavirus breitet sich rasend schnell aus, von Mutationen noch beschleunigt. Die Maßnahmen der Regierungen reichen nicht aus: Sie verlängern die Pandemie, statt sie zu beenden, und gefährden unser Leben.

Die Strategie, die Pandemie zu kontrollieren, ist gescheitert („flatten the curve“). Sie hat das Leben dauerhaft eingeschränkt und dennoch Millionen Infektionen und Zehntausende Tote gebracht. Wir brauchen jetzt einen radikalen Strategiewechsel: kein kontrolliertes Weiterlaufen der Pandemie, sondern ihre Beendigung. Das Ziel darf nicht in 200, 50 oder 25 Neuinfektionen bestehen – es muss Null sein.

Wir brauchen sofort eine gemeinsame Strategie in Europa, um die Pandemie wirksam zu bekämpfen. Mit Impfungen allein ist der Wettlauf gegen die mutierte Virusvariante nicht zu gewinnen – erst recht nicht, wenn die Pandemiebekämpfung weiter aus aktionistischen Einschränkungen der Freizeit ohne Shutdown der Wirtschaft besteht. Wir setzen uns dafür ein, dass die Sars-CoV-2-Infektionen sofort so weit verringert werden, dass jede einzelne Ansteckung wieder nachvollziehbar ist. Das entschlossene Handeln etlicher Länder hat gezeigt, dass es möglich ist, die Verbreitung des Virus zu beenden.

Wir orientieren uns am internationalen Aufruf für die konsequente Eindämmung der Covid-19 Pandemie in Europa, den Wissenschaftler*innen am 19. Dezember 2020 initiiert haben.(1) Wir sind allerdings überzeugt, dass die Eindämmung des Sars-CoV-2 Virus nur gelingen kann, wenn alle Maßnahmen gesellschaftlich solidarisch gestaltet werden. Darum fordern wir diese unerlässlichen gesellschaftlichen Maßnahmen:


1. Gemeinsam runter auf Null:

Das erste Ziel ist, die Ansteckungen auf Null zu reduzieren. Um einen Ping-Pong-Effekt zwischen den Ländern und Regionen zu vermeiden, muss in allen europäischen Ländern schnell und gleichzeitig gehandelt werden. Wenn dieses Ziel erreicht ist, können in einem zweiten Schritt die Einschränkungen vorsichtig gelockert werden. Die niedrigen Fallzahlen müssen mit einer Kontrollstrategie stabil gehalten und lokale Ausbrüche sofort energisch eingedämmt werden. Wir brauchen drittens auch eine gemeinsame langfristige Vision – und auf deren Basis regionale und nationale Aktionspläne. Diese beinhalten Screening- und Impfstrategien, Schutz von Risikogruppen und Unterstützung der Menschen, die besonders stark von der Pandemie betroffen sind.
Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir eine solidarische Pause von einigen Wochen. Shutdown heißt: Wir schränken unsere direkten Kontakte auf ein Minimum ein – und zwar auch am Arbeitsplatz! Maßnahmen können nicht erfolgreich sein, wenn sie nur auf die Freizeit konzentriert sind, aber die Arbeitszeit ausnehmen. Wir müssen die gesellschaftlich nicht dringend erforderlichen Bereiche der Wirtschaft für eine kurze Zeit stilllegen. Fabriken, Büros, Betriebe, Baustellen, Schulen müssen geschlossen und die Arbeitspflicht ausgesetzt werden. Diese Pause muss so lange dauern, bis die oben genannten Ziele erreicht sind. Wichtig ist, dass die Beschäftigten die Maßnahmen in den Betrieben selber gestalten und gemeinsam durchsetzen. Mit diesem Aufruf fordern wir auch die Gewerkschaften auf, sich entschlossen für die Gesundheit der Beschäftigten einzusetzen, den Einsatz von Beschäftigten für ihre Gesundheit zu unterstützen und die erforderliche große und gemeinsame Pause zu organisieren.

2. Niemand darf zurückgelassen werden:

Menschen können nur zu Hause bleiben, wenn sie finanziell abgesichert sind. Deshalb ist ein umfassendes Rettungspaket für alle nötig. Die Menschen, die von den Auswirkungen des Shutdowns besonders hart betroffen sind, werden besonders unterstützt – wie Menschen mit niedrigen Einkommen, in beengten Wohnverhältnissen, in einem gewalttätigen Umfeld, Obdachlose. Sammelunterkünfte müssen aufgelöst, geflüchtete Menschen dezentral untergebracht werden. Menschen, die im Shutdown besonders viel Betreuungs- und Sorgearbeit leisten, sollen durch gemeinschaftliche Einrichtungen entlastet werden. Kinder erhalten Unterricht online, notfalls in Kleingruppen.

3. Ausbau der sozialen Gesundheitsinfrastruktur:

Der gesamte Gesundheits- und Pflegebereich muss sofort und nachhaltig ausgebaut werden. Dies gilt auch für Gesundheitsämter und Behörden, die für das Verfolgen der Infektionsketten zuständig sind. Das Personal muss in diesem Bereich aufgestockt werden. Die Löhne sind deutlich anzuheben. Das Profitstreben im Gesundheits- und Pflegebereich gefährdet die kollektive Gesundheit. Wir verlangen die Rücknahme bisheriger Privatisierungen und Schließungen. Die Finanzierung von Krankenhäusern über Fallpauschalen sollte durch eine solidarische Finanzierung des Bedarfs ersetzt werden.

4. Impfstoffe sind globales Gemeingut:

Eine globale Pandemie lässt sich nur global besiegen. Öffentliche und private Unternehmen müssen umgehend die erforderliche Produktion von Impfstoffen vorbereiten und durchführen. Impfstoffe sollten der privaten Profiterzielung entzogen werden. Sie sind ein Ergebnis der kreativen Zusammenarbeit vieler Menschen, sie müssen der gesamten Menschheit gehören.

5. Solidarische Finanzierung:

Die notwendigen Maßnahmen kosten viel Geld. Die Gesellschaften in Europa haben enormen Reichtum angehäuft, den sich allerdings einige wenige Vermögende angeeignet haben. Mit diesem Reichtum sind die umfassende Arbeitspause und alle solidarischen Maßnahmen problemlos finanzierbar. Darum verlangen wir die Einführung einer europaweiten Covid-Solidaritätsabgabe auf hohe Vermögen, Unternehmensgewinne, Finanztransaktionen und die höchsten Einkommen.
Wir wollen die politische Lähmung in Bezug auf Corona überwinden. Wir wollen uns auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz für den nötigen solidarischen ZeroCovid-Strategiewechsel sammeln. Wie unsere Mitstreiter*innen in Großbritannien (https://zerocovid.uk) wissen wir, dass wir den Schutz unserer Gesundheit gegen kurzfristige Profitinteressen und große Teile der Politik erkämpfen müssen.
Es gibt keinen Gegensatz zwischen Gesundheitsschutz und Pandemiebekämpfung einerseits und der Verteidigung demokratischer Rechte und des Rechtsstaats andererseits. Demokratie ohne Gesundheitsschutz ist sinnlos und zynisch. Gesundheitsschutz ohne Demokratie führt in den autoritären Staat. Die Einheit von beidem ist der entscheidende Schlüssel zu einer solidarischen ZeroCovid-Strategie.

(Quelle: https://zero-covid.org - 12. Januar 2021)

(1) 1. WissenschaftlerInnen fordern eine europäische Strategie zur raschen und nachhaltigen Reduktion der COVID-19-Fallzahlen. https://www.containcovid-pan.eu/ Siehe auch: Priesemann, Viola; et.al. (2020): Calling for pan-European commitment for rapid and sustained reduction in SARS-CoV-2 infections. The Lancet. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)32625-8