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Kommentar/Leserbrief
Zu den Ursachen der Flüchtlingskrise
Die vorbehaltlose Aufnahme und menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen wird von vielen Bürgern solidarisch praktiziert und sollte für Alle eine Selbstverständlichkeit sein.
Leider stellt das Gegenteil oft eher die Regel denn die Ausnahme dar:
Eine brutale Abschottung auf See und zu Land wird durch Frontex und andere Institutionen praktiziert; die Unterbringung in überfüllten Heimen und Abschiebeknästen ist oft belastend, drangsalierend und menschenunwürdig, das Betreuungspersonal häufig ohne adäquate Qualifikation, repressiv und manchmal auch gewalttätig; das oft jahrelange, perspektivlose isolierte Dahinvegetieren begleitet von angstauslösenden Bedrohungen durch Rechtsradikale und Abschiebungen kennzeichnen die Lage vieler, oft bereits vorher traumatisierter MigrantInnen. Geschätzte Zehntausende haben in den letzten Jahren das Martyrium der Flucht - insbesondere durch Wüstengebiete und über See - sowie die Behandlung in den Zielländer nicht überlebt.
Ca. 50 Millionen Menschen sollen derzeit auf der Flucht sein und es werden immer mehr. Ihre verzweifelte Situation präsentiert allenfalls die Spitze des Eisbergs bezogen auf das Elend, das wir in ihren Herkunftsländern vorfinden. Für diesen weltweit verheerenden Zustand sind in erster Linie die Eliten in den Industrienationen verantwortlich.
In ihrem konkurrierenden Kampf um Ressourcen und geostationäre Positionierungen werden ganze Regionen verwüstet. Dürren, Überschwemmungen sowie Bodenerosionen mit anschließenden Hungersnöten werden durch eine verantwortungslose Klimapolitik hervorgerufen.
Ferner sind zu nennen: Landgrabbing und Landraub durch internationale Konzerne, katastrophale ökologische Schäden durch eine rabiate Ausplünderung von Bodenschätzen (z. B. durch Uranabbau im Niger), Zerstörung lokaler Märkte durch diskriminierende Handelsgesetze, Plünderung insbesondere der küstennahen Fischfanggründe sowie ein grenzenloser profitträchtiger Export von Waffen an die regionalen „Verbündeten und Statthalter“, die oft brutale Despoten sind. Um die Ausbeutung sicherzustellen müssen die Nato, USA und Co. immer grausamere Kriege führen und führen lassen, mit Millionen an zivilen Opfern: Afghanistan, Pakistan, Irak, Syrien, Libyen, Somalia, Mali, Sudan und jetzt der Jemen. Die Liste wird immer länger !
Hinrichtungen mit Drohnen, Folterzentren wie Abu Ghraib und Guantanamo, das deutsche Massaker in Kundus, der massenhafte Einsatz radioaktiver Munition, die weitgehende Zerstörung der irakischen Stadt Fallutscha (etwa so groß wie Kiel) sind Kennzeichen dieser barbarischen Kriege, an deren Dauerzustand und Unbegrenztheit wir gewöhnt werden sollen. Vor allem durch diese Verhältnisse sind die ideologisch und religiös fehlgeleiteten islamistischen Reaktionen zu erklären.
Wir müssen uns mit der Verantwortlichkeit der Herrschenden in den Industriestaaten für die Verelendung in den Herkunftsländern der Flüchtlinge auseinandersetzen und die notwendigen politischen Konsequenzen ziehen.
Für eine solidarische, ökologische und friedliche Weltwirtschaftsordnung,
gegen Waffenexport und gegen eine Welt der Kriege!
Solange wir diese Ziele nicht erreicht haben, müssen wir alle Migranten bedingungslos aufnehmen, menschenwürdig behandeln und schützen!
Hans-Heinrich Rohwer, bereits als Rede am 27. Januar 2015 auf dem Rathausplatz, Kiel