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Prozess gegen Frank R.:

Einstellung gegen 80 Friedensarbeitsstunden

01.02.2011 Am 7. Januar 2011, fand der Strafprozess gegen den Totalverweigerer Frank R. wegen „Dienstflucht“ statt. Ergebnis: Einstellung des Verfahrens mit der Auflage, innerhalb der nächsten sechs Monate 80 Arbeitsstunden bei der Friedenswerkstatt Kiel zu leisten – eine Arbeit, die Frankie sowieso gern in seiner Freizeit leistet.

Vorgeschichte

Frankie ist wie viele jungen Männer in Deutschland vom Kreiswehrersatzamt tauglich gemustert worden sind. Militärdienst kommt für ihn aber nicht in Frage, also hat er den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen verweigert und ist staatlich als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden. Nach dem Anerkennung hat er jedoch erkannt, dass der Zivildienst keine akzeptable Alternative zum Militärdienst ist. Deshalb ist er an seinem Einberufungstermin nicht bei seiner Dienststelle angetreten. Daraufhin folgten ein Ermittlungsverfahren wegen „Dienstflucht“ und dieser Prozesstermin.

Prozessauftakt

Nachdem durch die Einlasskontrolle ein Zuschauer mehr als fünf Minuten von einem Toilettengang abgehalten wurde, begann der Prozess, jedoch ohne das übliche Aufstehritual. Es waren etwa vierzig Zuschauer_innen anwesend, die Zuschauerbänke waren voll. Der Richter sprach sehr leise. Wiederholte Bitten aus dem Publikum, lauter zu sprechen, ignorierte er. Beim Verlesen der Anklageschrift gab es Beifall für den angeklagten Totalverweigerer. Gleich zu Beginn stellte die Verteidigungsanwältin Gabriele Heinecke den Antrag, das Verfahren einzustellen, weil die in diesem Jahr ausgesetzte Wehrpflicht „anachronistisch“ und eine Verurteilung überflüssig und sinnlos sei – ohne Erfolg.

Ein Zuschauer bat den Richter, im Klartext zu sprechen statt in Paragraphennummern. Er wisse nicht, was z. B. mit „§47“ [§47 StGB = Kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen, Anm.] gemeint sei. Er fühle sich als Teil der Öffentlichkeit durch diese Geheimsprache faktisch von der Verhandlung ausgeschlossen. Das war dem Richter aber egal, der Zuschauer „könne sich ja informieren“ und solle aufhören, die Verhandlung zu „torpedieren“.

Frankies Erklärung

Frankie erklärte, dass es neben der staatlich anerkannten persönlichen Gewissensentscheidung, nicht mit einer Waffe zu töten, viele Gründe gibt, die gegen den Wehrdienst und andere Zwangsdienste sprechen. Als Beispiele führte er u.a. die anachronistische zivil-militärische Zusammenarbeit im Sinne der gesetzlich verankerten Gesamtverteidigung an und die Ausbeutung von Zivis als unterbezahltes „Humankapital“. Die einzige vertretbare Alternative zum Militärdienst ist die Totalverweigerung. Daher hat er sich am Einberufungstermin „mit seinen Freunden getroffen“ und statt zur Vorladung zur Polizei zu gehen, Kontakt mit einer Anwältin aufgenommen.

Soziales Handeln ist nur auf Basis von Freiwilligkeit möglich, nicht auf Basis von staatlichem Zwang und dem Prinzip von Befehl und Gehorsam (im Zivildienst „Anordnung“ und „Befolgung“). Deshalb engagiert sich Frankie u.a. in einer Volxküche, hat bereits mehrere Demos und Veranstaltungen gegen Militäreinsätze, Nato und Atomkraft mitorganisiert. Einem Obdachlosen, der bei ihm gegenüber an einem Hausvorsprung „wohnt“, gibt er Decken und Heißgetränke. Es geht nicht klar, dass Menschen, die kein Kapital haben, Nahrung und Unterkunft verwehrt wird!

Einstellung des Verfahrens

Anschließend stritt sich die robentragende Parallelgesellschaft wieder über die Frage „a oder nicht a“. Heinecke forderte eine Einstellung des Verfahrens ohne Auflagen („§153 StPO“), die Staatsanwältin hingegen war nur zu einer Einstellung mit Auflagen („§153a“) bereit. Nach einer Verhandlungspause machte die Anwältin das Angebot, das Verfahren mit der Auflage, dass Frankie 80 Arbeitsstunden bei der als gemeinnützig anerkannten Friedenswerkstatt Kiel e.V. leistet, einzustellen. Die Staatsanwältin und der Richter waren einverstanden und der Richter verkündete dies als Beschluss. Amen.

Kritik

Aus dem Publikum gab es Kritik an dem Verhalten der Anwältin. Auch wenn es sich bei der Friedensarbeit nur um eine Alibi-Strafe handelt, habe sie quasi die Arbeit der Staatsanwaltschaft getan. Sie hätte wenigstens mit der Staatsanwältin um die Zahl der Arbeitsstunden feilschen sollen.

(chm)