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Sicherheitskonferenz während der Kieler Woche: Krieg beginnt hier
Zur „Kiel Conference“ am 23. Juni des sicherheitspolitischen Instituts der Uni Kiel und eines NATO-Exzellenzzentrums
(Bild: uws)
01. Juni 2015 Die Kieler Woche solle der Völkerverständigung und dem Frieden dienen, meinte der Kieler Oberbürgermeister Andreas Gayk. Auf dieses Ziel beruft sich das Institut für Sicherheitspolitik der Uni Kiel (ISPK) bei seiner Werbung für eine Sicherheitskonferenz mit dem Titel „Kiel Conference“ am 23. Juni. Man fühle sich dem Motto der Christian-Albrechts-Universität, „Pax Optima Rerum“ („Der Frieden ist das wichtigste Gut“), zutiefst verpflichtet. Soweit so wohlklingend.
Die Kieler Woche wird zur NATO-Schau, die „Kiel Conference“ mittendrin
Tatsächlich werden zur Kieler Woche laut Kieler Nachrichten vom 28. April dreißig ausländische Marineschiffe mit rund 3000 Soldaten aus NATO-Staaten erwartet. Wegen des aktuellen Konfliktes ist die russische Marine von der Kieler Woche ausgeschlossen. Zudem gehen Manöver der NATO-Staaten im Ostseeraum am 19. Juni auf der Kieler Woche zu Ende. Sebastian Bruns vom ISPK macht deutlich, was das Ziel der „Kiel Conference“ ist: „Die Konferenz soll die Bedeutung der Kieler Woche mit Blick auf die Sicherheitspolitik stärken.“ So soll die Kiel Conference zum maritimen Gegenstück zur Münchner Sicherheitskonferenz werden. In geschlossener Gesellschaft sollen internationale VertreterInnen aus Militär, Wissenschaft, Industrie und Politik gemeinsam über Themen der Sicherheitspolitik im Ostseeraum sprechen.Bei den unterschiedlichen Arbeitsgruppen, die auf der Seite der Konferenz angekündigt sind, sucht man Begriffe wie „Frieden“ oder „friedliche Konfliktlösung“ vergeblich. Im Vordergrund stehen Konflikte im Ostseeraum und wie diese sinnvoll zu führen seien, etwa mit Drohnen oder Minen als besonders effektive Werkzeuge in niedrigschwelligen Auseinandersetzungen. Im Hintergrund steht die Annahme, es seien begrenzbare bewaffnete Konflikte im Ostseeraum wieder möglich und führbar geworden.
Das ISPK im Netzwerk von Wissenschaft, Rüstung und Militär
Die Basis der Konferenz sind langjährige Beziehungen zwischen ISPK und dem „Centre of Excellence for Operations in Confined and Shallow Waters“ (COE CSW) der NATO, das 2007 in Kiel gegründet wurde. Beide sind eingebunden in ein Netzwerk von Wissenschaft, Rüstungsindustrie und militärischen Einrichtungen. Um diese Beziehungen zu intensivieren, haben der Direktor des ISPK, Joachim Krause, und Captain Johannes Schmidt-Thomée vom COE CSW die Kiel Conference am 23. Februar 2015 aus der Taufe gehoben.
Damit liegen sie im Trend der Kieler maritimen Wirtschaft: Während der zivile Schiffsbau darniederliegt, geht es der Rüstungsindustrie prächtig. Kieler Betriebe produzieren U-Boote, Patrouillenboote oder Panzer für Staaten wie Saudi-Arabien, Ägypten oder Israel und sind Zulieferbetriebe für vielfältigste Rüstungsgüter. Die Frage, wozu diese unterschiedlichen Güter eingesetzt werden, ist für die Produzenten nachrangig.
Die Zivilklausel – Selbstverpflichtung oder linke Gesinnungsschnüffelei?
Lehre und Forschung spielen eine immer größere Rolle in diesem Rennen um Profite aus dem Geschäft mit dem Tod. In Zeiten, in denen die Finanzierung zahlreicher Projekte an den Hochschulen nur über die Einwerbung von Drittmitteln sichergestellt werden kann, kommt Kooperationen zwischen Privatwirtschaft und Wissenschaft immer größere Bedeutung zu. Die Gefahr besteht, dass diese Entwicklung gerade in den Wirtschaftswissenschaften, der Medizin oder den Sozialwissenschaften immer mehr dazu führt, dass nur noch das erforscht wird, was marktwirtschaftliche Profite verspricht. Der Leitspruch „Pax optima rerum“ verkommt so von einer Verpflichtung, wie sie in der Präambel zur Grundordnung der CAU niedergelegt ist, zu einer leeren Worthülse. Um diesem Trend entgegen zu wirken, gibt es an der Kieler Universität eine Initiative zur Einführung einer „Zivilklausel“, einer Selbstverpflichtung der Universität, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen.
Zu dieser Initiative äußerte sich Joachim Krause 2013 in seinem Artikel „Zivilklausel – Nein Danke!“ Er sprach sich nicht nur gegen die Einführung einer solchen Selbstverpflichtung aus, sondern forderte die deutschlandweite Abschaffung aller Zivilklauseln an Hochschulen. Diese Form der „Gesinnungsschnüffelei“ werde von „linken (oft linksextremen), antimilitaristischen Gruppen“ wie der „Informationsstelle Militarisierung“ oder der „VVN-BdA“ koordiniert. In einer früheren Version seines Artikels war zu lesen, die Zivilklauseln erinnerten ihn „fatal an Zeiten, in denen Universitäten in Deutschland nicht mit Menschen oder Institutionen kooperieren durften, weil diese jüdisch waren“. Hier verharmlost Krause den Antisemitismus des deutschen Faschismus, indem er Bundeswehr und Rüstungsindustrie in die Rolle von verfolgten Jüdinnen und Juden hineinphantasiert.
Putin als Hitler, die NATO als Anti-Hitler-Koaltion
Mit anderen „OsteuropaexpertInnen“ bezieht Krause in einer Online-Petition gegen den Aufruf „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“ Position. Wenn Russland durch Besonnenheit für seine Expansionsbestrebungen belohnt werde, mache man sich zum „Komplizen der Putinschen Aggressionspolitik“. Hinter dem Ruf nach Besonnenheit verberge sich eine „hochgefährliche Beschwichtigungspolitik“.
Diese Stellungnahme abstrahiert von der Vorgeschichte des Ukraine-Konflikts. Weder werden die Erpressung der EU mit Hilfe des Assoziierungsabkommens erwähnt, noch die globale Politik von NATO, USA und EU, in denen Menschenrechte vom Zweck an sich zum bloßen Instrument einer interventionistischen Kriegspolitik degradiert wurden. Auch die Einkreisung Russlands durch die NATO-Osterweiterung, entgegen den Versprechungen, die der damaligen Sowjetunion 1990 gemacht wurden, kommt nicht vor. Eine solche ahistorische Betrachtung geostrategischer Interessen, die nur eine Seite in den Blick nimmt, hält der kritischen Prüfung nicht stand. Doch Krause geht noch weiter: Er hält die Politik der NATO für zu zögerlich, da sie militärische Optionen und eine militärische Unterstützung der Ukraine nicht in Erwägung ziehe. Ähnlich wie Bundespräsident Gauck versteigt er sich zu einem Vergleich des russischen Präsidenten mit Hitler: Das Verhalten der NATO gegenüber Russland ähnele dem der westlichen Staaten gegenüber Hitler beim „Münchner Abkommen“ von 1938. Wir merken uns also: In der gegenwärtigen Weltlage sind Bundeswehr und Rüstungsindustrie die von den Nazis diskriminierten Jüdinnen und Juden, der Hitler unserer Zeit ist Putin, aber die Anti-Hitler-Koalition, die NATO, ist zu schwach, um dem neuen Hitler entgegenzutreten. Ein verqueres, geschichtsvergessenes Weltbild, das Krause hier offenbart.
War starts here – der Krieg beginnt hier!
Während das ISPK den Ungeist der neuen Zeit widerspiegelt, war sein Vorläufer, das „Schleswig-Holsteinische Institut für Friedenswissenschaften“ (SCHIFF), erst als eigenständiges Institut, später als Teil der Sozialwissenschaften der zivile Gegenentwurf einer an humanen und friedlichen Werten orientierten Wissenschaft. Durch regelmäßige Veröffentlichungen, Veranstaltungen und Kolloquien zu Themen der Friedensforschung und Konfliktprävention leistete SCHIFF in Schleswig-Holstein einen wichtigen Beitrag zur Friedensforschung. Genau so eine Einrichtung würde der CAU im Sinne ihres Leitspruchs besser zu Gesicht stehen als ein ISPK, das sich mit seinem Direktor als Scharfmacher in internationalen Konflikten den Interessen von Wirtschaft und Militär andient.
Schon 2007 war versucht worden, ein Gegenstück zur Münchner Sicherheitskonferenz im Norden zu etablieren: Der „Celler Trialog“, initiiert von Commerzbank und Verteidigungsministerium. Wirtschaft, Politik und Bundeswehr sollten zusammenkommen, um über ihre gemeinsamen Interessen zu beraten und die „zivil-militärische“ Zusammenarbeit zu intensivieren. 2010 sollte der Celler Trialog in Schleswig-Holstein, in Kiel und auf Gut Salzau, stattfinden. Ein breites antimilitaristisches Bündnis bildete sich in Kiel, das Aufklärung betrieb und Proteste vorbereitete. Doch das Verteidigungsministerium und die Commerzbank sagten die Veranstaltung aus angeblichen Kostengründen ab. Möglich, dass dazu auch die erfolgreiche Mobilisierung des Gegenbündnisses beitrug.
Wie 2010 hat sich auch jetzt in Kiel ein breites Bündnis aus antimilitaristischen und Friedensgruppen, aus Jugendverbänden, Parteien und Studierendengruppen gebildet, das sich zum Ziel gesetzt hat, mit Veranstaltungen, Aktionen und einer zentralen Demo am 23. Juni den Protest gegen die Kiel Conference in die Öffentlichkeit zu tragen. Das Motto trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass in Kiel Rüstungsgüter und Kriegsgerät verschifft wird, dass die Rüstungsproduktion hier boomt und Kiel so seinen Teil beiträgt zu den Kriegen dieser Welt: „War starts here – Der Krieg beginnt hier!“
Lorenz Gösta Beutin