Daten/Fakten  

   

„Wir haben es satt!“-Demo:

10.000 fordern sozial gerechte Agrarwende und gutes Essen für alle

Breites Bündnis aus Landwirtschaft und Gesellschaft fordert Umverteilung, damit Agrarwende und gutes Essen für alle klappen.

Berlin, 21.01.23. Bauernhöfe unterstützen, Insektensterben und Klimakrise stoppen, artgerechte Tierhaltung statt Megaställe und gutes Essen für alle – das fordern 10.000 Menschen bei eisigen Temperaturen zum Auftakt der „Grünen Woche“ bei der „Wir haben es satt!“-Demonstration in Berlin. „Wir erwarten deutlich mehr von Agrarminister Özdemir und der Bundesregierung, das war zu wenig ambitioniert, zu mutlos und zu langsam“, sagt Bündnis-Sprecherin Inka Lange mit Blick auf ein Jahr Agrar- und Ernährungspolitik der Ampel-Koalition. „Olaf Scholz‘ selbsternannte Fortschrittskoalition blockiert die Agrarwende. Das Höfesterben geht weiter, das 1,5-Grad-Ziel wurde beerdigt und trotz enormen Reichtums können sich bei uns viele Menschen keine gesunden, umweltgerecht hergestellten Lebensmittel leisten.“

Die Lage ist ernst: Jeden Tag schließen hierzulande im Schnitt zehn landwirtschaftliche Betriebe und für Konzerninteressen wird in Lützerath die Klimakrise weiter angeheizt. Weltweit hungert mittlerweile jeder zehnte Mensch, während 95 Energie- und Lebensmittelkonzerne ihre Gewinne im letzten Jahr mehr als verdoppelt haben. Nach einem Jahr im Amt ist die Schonzeit für Minister Özdemir vorbei. Die Menschen verlangen mehr Tempo beim sozial gerechten Umbau der Landwirtschaft. Als Ernährungsminister muss Özdemir dafür sorgen, dass auch Menschen mit wenig Geld Zugang zu guten Lebensmitteln haben.

„2023 muss die Regierung die sozial gerechte Agrar- und Ernährungswende voranbringen. Denn eine gute Zukunft geht nur sozial und ökologisch”, so Lange. „Konkret fordern wir: eine Übergewinnsteuer auch für Agrar- und Lebensmittelkonzerne, die Mehrwertsteuer bei Obst und Gemüse auf Null senken, viel mehr Unterstützung für Menschen mit wenig Geld, eine Vermögensabgabe für Superreiche sowie gerechte und klimaschonende Agrarsubventionen.“

Artgerechte Tierhaltung, mehr Insekten- und Klimaschutz auf den Höfen, die notwendige Erhöhung des Bürgergeld-Regelsatzes um mindestens 250 Euro – das alles kostet und dafür muss Finanzminister Lindner die Mittel freigeben. Das Geld ist da. Es konzentriert sich aller­dings in den Händen weniger Milliardär*innen. 81 Prozent der Vermögensgewinne aus den Jahren 2020 und 2021 gingen auf das Konto des obersten Prozents in Deutschland. Konzerne dürfen nicht länger von Krisen profitieren, dafür brauchen wir gerechte Steuern. Die Demonst­ration steht unter dem Titel: „Wir haben Krisenprofite satt! Gutes Essen für alle – statt Profite für wenige“.

Karen Stubbemann, Bäuerin aus Niedersachsen, die mit dem Trecker angereist ist, sagt: „Wir Bäuerinnen und Bauern ziehen mit der Gesellschaft an einem Strang, aber die Politik muss endlich planbare Rahmenbedingungen für den Umbau der Landwirtschaft vorgeben. Wir brauchen wirtschaftliche Perspektiven, die eine klima- und umweltschonende Bewirtschaf­tung und den Umbau der Tierhaltung ermöglichen. Die Agrarsubventionen müssen gerecht verteilt und an ökologische und tiergerechte Kriterien gebunden werden. Und wir brauchen ein klares Bekenntnis gegen Gentechnik auf Acker und Teller.“

Schon am Vormittag übergaben die Bäuerinnen und Bauern, die mit ihren Traktoren nach Berlin gekommen waren, eine Protestnote an Özdemir und die rund 80 versammelten Agrar­minister*innen der Welt. Zudem fand der „6-Punkte-Plan für gutes Essen für alle“ seinen Adressaten im Agrarminister. Über 100 Organisationen – von Landwirtschaft über Umwelt- und Sozialverbänden bis zu Gewerkschaften und Erwerbslosen-Initiativen – fordern von der Bundesregierung höhere Sozialleistungen, faire Erzeuger*innenpreise und gute Löhne.

Aufgerufen von 60 Organisationen gehen bei der „Wir haben es satt!“-Großdemonstration seit 2011 viele Tausende gegen die Agrarindustrie und für eine zukunftsfähige Landwirtschaft auf die Straße. Konventionelle und Öko-Bäuer*innen demonstrieren im Schulterschluss mit der Gesellschaft gegen die fatalen Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft. Gemeinsam zeigt das Bündnis Wege für eine bäuerliche Landwirtschaft auf, die auf breite Zustimmung in der Bevölkerung treffen und den Bauernhöfen wirtschaftliche Perspektiven bieten.

Fotos von der Demonstration „Wir haben es satt!“ am 21.1.2023 in Berlin: (wop)

Kommentar

Die Waffen nieder!

Lange haben wir nichts mehr von den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipeline am Grunde der Ostsee vor Bornholm gehört. Am 25. und 26. September hatte es ein oder zwei Explosionen an den zwei Strängen der Nord-Stream-1-Pipeline und – mit einem Abstand von 17 Stunden und etwa 80 Kilometern – eine Explosion an einer der beiden Nord-Stream-2-Röhren gegeben. Damit wurde die russische Direktbelieferung Deutschlands, die zum Ende des Jahres ohnehin wegen der Sanktionen auslaufen sollte, vorzeitig unterbrochen.

Indirekt bezieht Deutschland allerdings höchstwahrscheinlich weiter russisches Erdgas, das nun allerdings mit Flüssiggasschiffen im westlichen Ausland angelandet und über das zwischenzeitlich ausgebaute Pipelinenetz ins Land kommt. Zu einem deutlich höheren Preis, versteht sich. Wir möchten auf einen anderen Aspekt hinweisen, an den eine kleine Expedition von Greenpeace erinnert. Die Umweltschützer haben Ende November nordöstlich von Bornholm eines der in die Nord-Stream-1-Pipeline gerissenen Löcher untersucht. Mit einem Tauchroboter wurden Aufnahmen gemacht sowie Proben von Sediment und Meerwasser entnommen. Die Aufnahmen lassen gewisse Schlüsse auf den Ablauf der Explosion zu, die, wie von Greenpeace zitierte Experten meinen, mit ziemlicher Sicherheit außerhalb der Röhren gezündet wurde.

Aber eigentlich sollte vor allem untersucht werden, was mit den in der Region reichlich vorhanden alten Granaten und ähnlichen Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkriegs passiert ist, die dort nach 1945 versenkt wurden. Noch steht die Auswertung der Proben aus, aber Anzeichen für größere Giftwolken im Wasser – tote Fische etwa – konnten bisher nicht gefunden werden. Also Entwarnung? Höchstens fürs erste. Allein in der untersuchten Region vor Bornholm liegen 11.000 Tonnen alter Munition auf dem Meeresboden. Das heißt, höchst giftiger Sprengstoff und Phosphor wartet dort darauf, dass der Stahl der Granaten und Patronen durchrostet und die tödliche Fracht ins Meerwasser entweichen kann. Das Problem ist eigentlich seit langem bekannt und die Altlast vor Bornholm ist nur ein winziger Teil von ihm. Allein in den deutschen Gewässern vermuten Experten 300.000 Tonnen versenkter Kampfmittel. Nun ließe sich manches über die Kaltschnäuzigkeit sagen, mit der seit Jahrzehnten die Entschärfung dieser Zeitbombe verschleppt wird.

Doch angesichts des aktuellen Krieges in der Ukraine sollte sie uns vor allem auch als Mahnung dienen, diesen unbedingt zu begrenzen, zu deeskalieren und so schnell wie nur irgend möglich zu beenden. Ganz egal, wie man zu den Kriegsparteien steht. Unter den Folgen werden die Menschen beiderseits der Frontlinien zu leiden haben, und das womöglich noch für Generationen. (wop)

Europas wahnsinnige Energiepolitik

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine haben sich die Staaten der EU, allen voran Deutschland, weitgehend von russischem Pipelineerdgas entkoppelt. Was auf den ersten Blick wie ein Erfolg aussieht, ist in Wirklichkeit in vielfacher Hinsicht eine Ansammlung von Katastrophen.

Mit dem Leerkaufen der internationalen LNG-Märkte (LNG, Liquid Natural Gas = verflüssigtes Erdgas) wurde die Energieversorgung im Globalen Süden empfindlich geschädigt. Das hat dramatische Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Energieversorgung und die politische Stabilität und fördert gleichzeitig Armut und Hunger. Gleichzeitig hat diese Europa-first-Politik dem Globalen Süden erneut vor Augen geführt, wie wenig die „werteorientierte“ Politik der EU im Krisenfall wert ist. In ihrer vom Westen verursachten Not wenden sich die Länder des Globalen Südens Russland zu. So haben z.B. Pakistan und Indien mit Russland langfristige Lieferverträge für Öl und Gas abgeschlossen bzw. verhandeln diese derzeit. Damit machen sie sich unabhängig von den politischen Entscheidungen der EU, was ihre Energieversorgung betrifft. Dafür steigt der russische Einfluss im Globalen Süden derzeit stark an.
Nach dem Scheitern von Nord-Stream 2 soll jetzt eine massiv überdimensionierte LNG-Infrastruktur ohne Rücksicht auf die Umwelt, das Klima oder demokratische Beteiligungsrechte durchgedrückt werden. Die mit heißer Nadel gestrickte gesetzliche Grundlage musste nach wenigen Monaten erneut verschärft werden, um die geplanten Vorhaben der gerichtlichen Kontrolle noch weiter zu entziehen. Gleichzeitig explodieren die Kosten innerhalb weniger Monate für die Steuerzahler von ursprünglich rund 3 Mrd. Euro auf derzeit rund 10 Mrd. Euro. Ein Ende der Kostenexplosion ist genauso wenig absehbar, wie die Realisierung der Vorhaben.
Absehbar ist jedoch, dass durch den massiven Ausbau der LNG-Infrastruktur, insbesondere in Deutschland, das Erreichen des 1,5°C-Ziels torpediert wird. Die Gasversorgung Europas von der arabischen Halbinsel wird dort zur Erschließung weiterer Vorkommen führen. Bereits die von Katar geplante Förderung von Erdgas reicht aus, um das gesteckte Klimaziel zu verfehlen, wenn man nur das CO2 aus der Verbrennung des Erdgases betrachtet. Werden alle Emissionen der Prozesskette, also auch die Methanverluste bei Förderung, Verflüssigung, Transport, Regasifizierung, erneutem Transport und Nutzung des Erdgases betrachtet, dann ist mit einer vielfach höheren Klimaauswirkung zu rechnen.
Das Ziel, Russland die Mittel zur Führung des Ukrainekrieges zu entziehen, ist richtig. Allerdings wird dieses Ziel verfehlt: 1. Russland verkauft seine , Kohle-, Öl- und Gasvorräte statt an die EU an Länder, die unter der rücksichtslosen Beschaffungspolitik der EU leiden, 2. Europa bezieht ca. 50% des für Atomkraftwerke benötigten Urans aus Russland und 3. Die Staaten der EU haben das billige russische Pipelineerdgas zu einem erheblichen Teil durch teures russisches LNG ersetzt. Wie aus Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hervorgeht, bezieht Deutschland derzeit rund 5 bis 6 Prozent seines Erdgases über russisches LNG. Europa importiert rund 13 Prozent seines LNG aus russischen Quellen, bisher im Jahr 2022 insgesamt für 27 Mrd. Euro. Der Bundeswirtschaftsminister verweigert bis heute rechtswidrig Auskunft zum bisherigen Bezug von LNG für Deutschland, insbesondere über den russischen Anteil an den Lieferungen, da er damit die Absurdität der deutschen Energiepolitik offenbaren würde. Warum wird nicht das russische Erdgas durch unser Biogas ersetzt, das ins Gasnetz eingespeichert werden könnte?
Warum werden die falschesten Anreize gesetzt, die möglich sind, indem mit der geplanten Übergewinnsteuer von (Bürger-)Wind- und Solarparks 90%, von Braunkohle- und Atomkraftwerkskonzerne 33 % und von Steinkohle- und Gaskraftwerksbetreibern null Prozent der zusätzlichen Gewinne abgeschöpft werden sollen? Warum werden die Übergewinne der Mineralölkonzerne gar nicht erwähnt? Was ist das für eine Klima- und Energiepolitik?
Die einzige Alternative zu dieser rückwärtsgewandten fossilen Energiepolitik ist ein konsequenter schneller Ausbau der Erneuerbaren Energien, der „Freiheitsenergien“. Wir erwarten von einem grünen Wirtschaftsminister, dass er alle Mittel einsetzt, die sauberen einheimischen Energien (Wind, Sonne, Wasser, Erdwärme…) zu fördern, statt durch Zigmilliarden Euro für LNG-Terminals die fossile Abhängigkeit von autokratischen Staaten zu zementieren.
Infos: https://fragdenstaat.de/anfrage/russische-lng-importe/

Pressemitteilung vom 12. Dezember 2022
Dr. Reinhard Knof, https://www.keinco2endlager.de/

LNG-Terminalschiff in Brunsbüttel:

Landesregierung geht fossilen Irrweg ohne Rücksicht auf Anwohner*innen

Die Landesregierung plant nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe, das schwimmende LNG-Terminalschiff „Höegh Gannet“ noch vor Weihnachten ohne Genehmigung in Betrieb gehen zu lassen.
Der Landessprecher der LINKEN, Luca Grimminger, meint dazu: „Ein LNG-Terminal ohne störfall- und umweltrechtliche Prüfungen in Betrieb gehen zu lassen, ist unverantwortlich. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich das stillgelegte Kernkraftwerk, ein Zwischenlager für hochradioaktive Atomabfälle, ein Chemiepark und eine Müllverbrennungsanlage. Die schwarz-grüne Landesregierung spielt mit der Sicherheit der Anwohner*innen, um ihren fossilen Irrweg durchzupeitschen.“
Die Landesregierung verweist nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe auf eine spätere Verlegung des Schiffes um 80 Meter. Eine Genehmigung sei bis dahin nicht notwendig. Diese Begründung hält auch Landessprecherin Spethmann für einen „Witz“: „Die Landesregierung will verdecken, dass die notwendigen Prüfungen zehn Monate verschleppt worden sind.“
DIE LINKE Schleswig-Holstein positioniert sich seit Jahren gegen den Bau eines LNG-Terminals in Brunsbüttel. „Der Überfall Russlands auf die Ukraine hätte einen Schub in Richtung erneuerbarer Energien auslösen müssen. Stattdessen wurden Lieferverträge mit Katar abgeschlossen, die bis 2041 laufen“, meint Grimminger. „Wer solche Infrastruktur baut, hat sich vom Ziel des Landes, 2040 klimaneutral zu werden, verabschiedet. Mit diesen Fehlinvestitionen, die Milliarden in die Kassen der Öl- und Gaskonzerne spülen, muss Schluss sein! Wir brauchen ein massives Investitionsprogramm in erneuerbare Energien und Energieerzeuger in öffentlicher Hand!“

(Presseerklärung DIE LINKE, 6.12.2022)

Offener Brief an Minister Dr. Habeck wegen der Evaluierung des KSpG

Gegen CO2-Endlager: Das Klima lässt sich nicht belügen!

Sehr geehrter Herr Dr. Habeck,
die Evaluation des Kohlendioxidspeichergesetzes ist laut Gesetz bis Ende 2022 vorgeschrieben. Wir wundern uns sehr , dass wir bisher keine Einladung zum Dialog erhalten haben, obwohl wir die maßgebliche Umweltorganisation sind, die seit 2009 den Widerstand gegen die CCS-Technik anführt. Stattdessen nehmen wir mit Erstaunen wahr, dass Ihr Wirtschaftsministerium ohne die gesetzlich vorgeschriebene Evaluation Fördergelder für den Einsatz der CCS-Technik zur Verfügung stellt. Wie Sie aus eigener Erfahrung in Schleswig-Holstein bei der Planung der Stromtrassen wissen, führt nur der Dialog mit der betroffenen Zivilgesellschaft zu Akzeptanz und einer erfolgreichen Umsetzung von Projekten. Mit Ihrem Versäumnis, die Zivilgesellschaft angemessen zu beteiligen, schaden Sie dem Miteinander und der Demokratie in Deutschland.

Laut Auskunft der Bundesregierung zur Verabschiedung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes regelt dieses:
• die Untersuchung des Untergrundes auf seine Eignung zur dauerhaften Speicherung,
• die Errichtung und den Betrieb des Kohlendioxidspeichers,
• die Stilllegung und die Nachsorge des Kohlendioxidspeichers,
• die Übertragung auf die öffentliche Hand nach Ablauf einer 30jährigen Frist.
Inwieweit CCS eines Tages tatsächlich kommerziell und großtechnisch zur Anwendung kommen kann, hängt vom Erfolg der Demonstrationsprojekte ab.

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