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Gewerbegebiet Boelckestraße Nord:
Natur zerstört – Gewerbefläche liegt brach
Das Gewerbegebiet Boeckestraße Nord/„Groß Hasselrod“ liegt immer noch brach. Für 4,5 Mio. Euro hatte die Stadt Kiel 2020 eine 7,9 ha große Fläche zum Teil als zukünftiges Gewerbegebiet erschlossen, mit 50 % Förderung durch Bund und Land. Die Fläche gehört zur schleswig-holsteinischen Knicklandschaft mit erheblichem Umfang allgemeiner Bedeutung für den Naturschutz und grenzt an ein Landschaftsschutzgebiet im Norden.
Bezüglich der Entscheidung zwischen gewerblicher Nutzung und Naturzerstörung heißt es in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 910: „In Abwägung zwischen den umweltbezogenen Belangen und den öffentlichen und privaten Belangen werden die Belange der Wirtschaft und die Auswirkungen auf die Gesamtstadt (vordringlich Belange der Arbeitsplatzschaffung/-erhaltung, Ausbildung) höher gewichtet.“
Bild: 7,9 ha erschlossenes Gewerbegebiet Boelckestraße Nord – Naturzerstörung für gewerbliche Nutzung – im Dezember 2021 Brachland.
Die BUND Kreisgruppe Kiel und die NABU Ortsgruppe Kiel forderten 2017 einen Stopp des Bauleitverfahrens für das derzeit 9,1 ha große geplante Gewerbegebiet „Boelckestraße Nord“ und stattdessen die Umsetzung auf dem Flughafengelände zu forcieren. Die Stellungnahme wurde zur Kenntnis genommen und dann am 26.10.2017 auf der Ratsversammlung die Umsetzung beschlossen. Wir berichteten und dokumentierten mit Landschaftsbildern in der Ausgabe der LinX 06-2020: „Insgesamt ergibt sich ein Kompensationsbedarf von 31.260 m2 Neuschaffung von Grünland, 760 lfm Ersatzknick, 55 Ersatzbaumpflanzungen und 30.099 m2 Umwandlung extensiv genutzter landwirtschaftlicher Flächen in Grünland. Ausgleichsmaßnahmen sind zugesichert und einzeln beschrieben. Wer kontrolliert das?“
Eine Kleine Anfrage des Ratsherrn Burkhardt Gernhuber (Ratsfraktion DIE LINKE) vom 21.1.2021, mit der Frage, wieviel Fläche bereits an Gewerbeunternehmen vergeben wurde, antwortete der Kieler Oberbürgermeister, dass bisher nur ca. 25% der Gewerbefläche verkauft sind. Nachdem Ende Oktober 2020 die Erschließungsarbeiten abgeschlossen waren, sind 14.800 m2 für 1.270.000 Euro verscherbelt worden (ca. 85 Euro pro m2). Das Geld geht in die Refinanzierung. Es ist eine Gewerbe-Neuansiedelung dabei, die angeblich 50 Arbeitsplätze in Kiel schaffen will. Das Interesse an den Grundstücken sei groß. Der städtische Eigenbetrieb KiWi steht mit fünf Unternehmern im Kauf-Gespräch, während es ca. 20 weitere Interessenten gäbe.
Bisher ist nur ein Teil des historischen Landschaftgeländes Boelckestraße Nord für die Gewerbenutzung erschlossen. Noch besteht die Möglichkeit diesen Gewerbewahn zu stoppen. Es sind genügend ungenutzte Gewerbeflächen vorhanden.
Während es bereits einen Beschluss der Stadt Kiel gibt, dass vorrangig die brachliegenden Flächen auf dem Flughafengelände bereitgestellt werden sollen, steht jetzt auch das ehemalige MFG 5-Gelände/neuer Stadtteil „Holtenau Ost“, mit reichlich Gewerbeflächen in der Planung, die mit geringem Aufwand bereitgestellt werden könnten. Zusätzlich gibt es immer mehr Platz auf dem Friedrichsorter Gewerbegebiet rund um Caterpillar (siehe Kasten).
Immerhin hat DIE LINKE am 1.12.2021 im Wirtschaftsausschuss erreicht, dass der Bebauungsplan Nr. 1022 „Boelckestraße Süd“ geändert wird und damit ein kleines Stück Naturland, angrenzend an den Flughafen, erhalten bleibt. „Eine ökologische Aufwertung und die entsprechende Pflege als arten- und strukturreiches Dauergrünland sind vorzunehmen.“ heißt es im Beschluss.
Ein kleiner Anfang! Das Gelände Boelckestraße Nord muss wieder renaturiert werden! Keine weitere Naturvernichtung durch Gewerbeflächen!
Bebauungsplan Nr. 910 des Gewerbegebietes Boelckestraße-Nord. Bisher wurden nur die Teilgebiete 3 und 4 erschlossen sowie das Regenrückhaltebecken gebaut.
(uws)
Stadt Kiel kauft Gewerbegebiet Kiel-Friedrichsort
Die Kleine Anfrage des Ratsherrn Burkhardt Gernhuber (Ratsfraktion DIE LINKE) vom 21.1.2021 (Drs. 0031/2021) brachte auch noch interessante Informationen über die Zukunft des Gewerbegebietes Kiel-Friedrichsort zutage.
Frage: Welche Änderungen der Flächennutzung hat es in den vergangenen zehn Jahren im benachbarten Gewerbegebiet Kiel-Friedrichsort gegeben und wie viele Flächen sind dort aktuell zu vergeben?
Antwort der Stadt Kiel:
Das Gewerbe- und Industriegebiet Friedrichsort befand sich in den letzten zehn Jahren im Eigentum eines privaten Grundstückseigentümers, der die darauf befindlichen Hallen- und Bürogebäude an mehrere Großmieter wie z.B. Vossloh Locomotives, Caterpillar & McPack langfristig vermietet hat. Der Hauptmieter Vossloh Locomotives hat den Standort 2017 verlassen und hat einen neuen Produktionsstandort in Kiel-Suchsdorf bezogen. Dementsprechend standen zunächst mehrere Hallen auf dem Grundstück leer. In der Folgezeit konnte der private Eigentümer in einem deutlich kleinteiligeren Maßstab allerdings wieder Hallenteile neu vermieten. Gleichzeitig haben die LH Kiel und die KiWi Gespräche mit dem privaten Eigentümer zum Ankauf des Gewerbe- und Industriegebietes aufgenommen mit dem Ziel, dieses vollständig zu revitalisieren, zukunftsfähig herzurichten und einen modernen Gewerbestandort in Friedrichsort mit Strandlage zu schaffen. Der Kaufvertrag wurde Ende 2019 geschlossen. Die Besitzübergabe an die LH Kiel erfolgte zum 1.1.2020. Um die Interimszeit bis zum Beginn der Erschließungsarbeiten sinnvoll gewerblich zu nutzen und durch die Vermietung Einnahmen zur Refinanzierung der Erschließungsarbeiten zu generieren, hat die LH Kiel mehrere Hallen in unterschiedlichen Größenordnungen mit kurzen Laufzeiten an Unternehmen vermietet. Zusätzlich zu den oben genannten Unternehmen Caterpillar & McPack, die immer noch am Standort sind, haben z.B. die Unternehmen Dataport, Thyssen Krupp Marine Systems und der Bahndienstleister LKM Hallen- und Büroflächen angemietet. Der Fokus liegt auch künftig auf einer gewerblich-industriellen Nutzung.
Die LH Kiel beabsichtigt, das Gesamtareal komplett neu zu erschließen. Die hierfür erforderlichen (Vor-)Planungen laufen derzeit. Aufgrund des laufenden Planungsprozesses stehen die endgültig benötigten Erschließungstrassen und der Flächenbedarf für öffentliche Einrichtungen sowie die Entscheidung, welche Hallen aufgrund eines schlechten baulichen Zustandes abgerissen werden sollen und welche erhalten werden, noch nicht fest. Insofern werden weder die KiWi noch die LHK bis zum Abschluss der Baumaßnahmen Flächen vermarkten bzw. verkaufen. Kurzfristige Anmietungen mit kurzen Kündigungsfristen sind allerdings möglich, da die dann bestehende Flexibilität den Erschließungsprozess der LH Kiel positiv unterstützen kann. (LH Kiel, Dr. Ulf Kämpfer, Oberbürgermeister)
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BUND:
Naturschutz nicht gegen erneuerbare Energien ausspielen!
Zu den Äußerungen des neuen Staatssekretärs im Wirtschafts- und Klimaschutzministerium, Sven Giegold, der mit Änderungen im EU-Naturschutzrecht mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien machen will, erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Sven Giegold hat mit uns zusammen Vogelschutz- und andere Naturschutzrichtlinien in Europa verteidigt. Er täte gut daran, dies auch in Deutschland zu tun, um den Koalitionsvertrag einzuhalten. EU-Naturschutz ist kein Hindernis für die Energiewende.
Das Schrauben an Gesetzen be-schleunigt den naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien nicht. Nötig sind eine bessere Personalausstattung, Digitalisierung und verlässliche Standards sowie eine frühzeitige Bürgerbeteiligung. Dies bestätigen sowohl der Sachverständigenrat für Umweltfragen als auch die Praktiker und Energieerzeuger. Dort wollen wir grüne Taten sehen. Giegolds Vorstoß hilft weder der dringend notwendigen Beschleunigung beim Ausbau der Erneuerbaren noch dem Naturschutz.“
(Quelle: BUND, 10.12.2021)
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A 21 / Südspange:
Das Klimagürtel-Bündnis will mit SPD über Lösungen diskutieren
Das Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ begrüßt den Beschluss der Kieler SPD, eine Arbeitsgruppe zum Thema A21/Südspange einzusetzen. Das Bündnis erkennt an, dass hier die SPD Bereitschaft zeigt, ihre bisherige Position zu den seit den frühen 70er-Jahren verfolgten Planungen zu überprüfen und sich neu zu positionieren. Es bedauert aber, dass der im ursprünglichen Antragstext (1) genannte verbindliche Zeitrahmen bis Februar 2022 nun an das Vorliegen der DEGES-Machbarkeitsstudie gekoppelt wurde.
Eine zügige Entscheidung wäre wichtig, um auch zeitnah zu einem überparteilichen Beschluss in der Ratsversammlung zu kommen, der sich kritisch zu den bisherigen Planungen des Bundes positioniert.
Es geht darum, die Menschen auf dem Kieler Ostufer von Lärm und Luftverunreinigung zu entlasten. Die Südspange kann dies nicht, da sie - egal auf welcher Trasse - ausschließlich als eine Querverbindung zur Richtung Raisdorf führenden B76 geplant wird. Dies wurde bereits auch in mehreren Untersuchungen gutachterlich festgestellt. Eine Weiterführung der Südspange nach Norden als Ostring 2 steht nicht als vorrangiges Projekt im Bundesverkehrswegeplan und wird auch nie realisiert werden. Sie ginge mit erheblichen Kosten für notwendige Tunnel unter Wohngebieten einher, würde weitere Naherholungsgebiete zerschneiden und dann den Menschen in Dietrichsdorf noch mehr Autoverkehr bringen.
Die Südspange wäre demnach für den straßengebundenen Verkehr „ein Placebo mit heftigen Nebenwirkungen“, so Niklas Hielscher für das Klimagürtel-Bündnis. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie durch die Planungsgesellschaft DEGES abzuwarten, macht daher keinen Sinn!
Die Kieler Ratsbeschlüsse zum Klimanotstand sowie der Masterplan Mobilität geben die notwendige Richtung vor:
Die Belange der Bevölkerung im Kieler Osten müssen endlich an erster Stelle stehen: eine Stadt mit hoher Lebensqualität, sauberer Luft und einem Grüngürtel, der zur Naherholung dient und die kommende Klimaerwärmung abmildern kann.
Der Autoverkehr auf Kieler Gebiet muss bis 2035 um 40% gesenkt werden, um die CO2-Ziele der Stadt zu erreichen. Mit einer frühestens 2035 fertig gebauten Südspange würde der Autoverkehr jedoch insbesondere am Ostufer stark gefördert, klimafreundliche Mobilität dagegen ausgebremst. Und das um den Preis der weiteren Zerstörung des Kieler Grüngürtels.
Das Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ bietet der neuen Arbeitsgruppe eine enge Zusammenarbeit an, um die problematischen Folgen der geplanten Südspange und Lösungen zu diskutieren.
Das Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ besteht aus 20 Kieler Initiativen und Verbänden. Es setzt sich für den vollständigen Erhalt des Kieler Grüngürtels ein und lehnt insbesondere die Straßenbauplanungen im Kieler Süden ab.
(1) Ursprünglicher Antragstext SPD KV:
https://www.spd-kiel.de/wp-content/uploads/sites/783/2021/11/Antrag_V01_AG_A21-S__dspange_KV_Kiel.pdf
(Pressemitteilung des Bündnisses „Vorfahrt für den Klimagürtel“, 21.11.2021)
Letzte Meldung nach der Herausgabe der Pressemitteilung: Die Kieler SPD hat auf ihrem Parteitag eine Arbeitsgruppe zum Thema A21/Südspange beschlossen. Leider wurde dabei aber der verbindliche Zeitrahmen aus dem ursprünglichen Antrag, dass bis Februar 2022 eine „Vorlage“ (Positionierung) erfolgen soll, verwässert in „spätestens drei Monate nach dem DEGES-Gutachten“.
Aus Richtung der SPD gibt es Informationen, dass das Gutachten schon fertig ist und im Verkehrsministerium in der letzten Bearbeitung sei. In den aktuellen Kieler Nachrichten steht auch, dass das Gutachten noch dieses Jahr kommen soll. Keine gute Nachricht, wenn das stimmt.
Es scheint aber so, dass es in der SPD in Kiel mittlerweile eine „progressive“ Mehrheit gegen die Südspange gebe. Eine gute Nachricht, wenn das stimmt. Aber das muss nichts heißen und es kann am Ende doch sein, dass ein fauler Kompromiss dabei raus kommt.
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Kommentar:
Zu teuer, zu gefährlich, zu spät – EU will Atomkraft fördern
Alle Jahre wieder. Immer wenn es auf die herbstliche UN-Klimakonferenz zugeht, werden die Reste der deutschen Atomlobby aktiv, um die Trommeln für ihre alten Meiler zu rühren. Und mit ziemlicher Regelmäßigkeit finden sie in den Redaktionsstuben jemanden, der aus purer Lust an der gedankenlosen Provokation versucht, deren immer gleichen Sermon von der vermeintlichen Sicherheit der klimarettenden Atomkraft als brandneue Einsicht und Ausgeburt der Rationalität zu verkaufen, während alle anderen natürlich Ideologen oder Naivlinge sind. Ganz so, als schrieben wir das Jahr 1997 und die Umweltministerin und spätere „Klimakanzlerin“ würde noch immer den Propaganda-Unsinn von RWE nachplappern, dem zu Folge die erneuerbaren Energieträger nie viel mehr als zwei Prozent der Stromversorgung würden abdecken können. Tatsächlich sind es in Deutschland inzwischen fast 50 Prozent und in einigen anderen EU-Ländern sogar noch mehr.
Hierzulande nahm in den letzten Jahren kaum noch jemand dieses Märchen von der sauberen Atomkraft ernst, doch hinter den Kulissen ist die Lobby offenbar noch immer einflussreicher, als man denken mag. Das liegt vor allem auch daran, dass zwar viele EU-Mitglieder wie Deutschland in den nächsten Jahren die letzten AKW stilllegen werden oder gar keine besitzen, andere aber weiter am Bau neuer interessiert sind. Vor allem Finnland, Frankreich, Tschechien und die Slowakei.
Und so kommt es, dass die EU kurz davor ist, die Atomkraft in ihren Werkzeugkasten für nachhaltige Entwicklung aufzunehmen, was ihr besondere Förderung zu kommen lassen würde. Das führte kürzlich zu einem internationalen Aufschrei bei den Umweltverbänden, die sich mit einem Appell zum Eingreifen an den voraussichtlichen nächsten Kanzler Olaf Scholz wandten.
Wie man hört, hatte nämlich die nur noch geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel es unterlassen, bei der letzten Sitzung des Europäischen Rates gegen den Griff der Atomlobby nach den EU-Fördertöpfen zu intervenieren. Aber das kann eigentlich nur jene erstaunen, die vergessen haben, wie die „Klimakanzlerin“ einst gerne zur Einweihung von RWEs neuen Braunkohlekraftwerken anreiste und 2010 zusammen mit der FDP den Atomausstieg kippte. Freilich nur um ein halbes Jahr später nach der dreifachen Havarie im japanischen Fukushima öffentlichem Druck nachgebend einen Rückzieher zu machen.
Doch nun sollen die altersschwachen AKW auf einmal die Klimaretter sein und sogar der Neubau gefördert werden. Deshalb ist es vielleicht Zeit, einmal an ein paar einfache Fakten zu erinnern. Erstens ist der Abbau von Uran mit erheblichen Gesundheitsproblemen in den betroffenen Regionen verbunden und der Rohstoff zudem inzwischen sehr knapp. Zweitens sind Unfälle selten aber möglich und dann extrem zerstörerische. Siehe Tschernobyl oder Fukushima.
Drittens braucht es aktuell in Europa über zehn Jahre, um ein neues AKW zu bauen. Viertens gibt es noch immer kein sicheres Endlager für den Strahlenmüll, der für 100.000 Jahre oder mehr verwahrt werden muss. Fünftens sind AKW sehr schwerfällig und passen nicht zur variierenden Stromerzeugung der Erneuerbaren. Sechsten ist Atomstrom deutlich teurer als Solar- oder Windstrom.
Und schließlich ist siebentens die AKW-Technologie wegen des nötigen Material- und Kapitalaufwandes ein sehr zentralistischer Ansatz und konnte zudem bisher in den meisten Ländern nur mit massiver Polizeigewalt durchgesetzt werden. Mit einer demokratische kontrollierten kommunalen Energieversorgung ist sie nicht vereinbar.
(wop)
Infos: https://www.ausgestrahlt.de/themen/klima-und-atom/
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UN-Klimakonferenz:
Zu wenig, zu langsam
Greta Thunberg, Galionsfigur der Fridays-for-Future-Bewegung, hat es in ihrer erfrischenden Art auf den Punkt gebracht. Die diesjährige UN-Klimakonferenz im schottischzen Glasgow hat aus der Sicht der Klimaschützer, der besonders bedrohten Inselnationen und indigenen Gemeinschaften mal wieder herzlich wenig gebracht. Nichts als „Bla, bla, bla“ eben, wie Thunberg es Mitte November auf Twitter zusammenfasste.
(Bild: Das akut von Zerstörung bedrohte Lützerath im Rheinland. Wenn Deutschland seinen fairen Beitrag zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels leisten wiill, muss die Kohle unter dem Dorf in der Erde bleiben.)
Das ist aus der Sicht der Klimaschutzbewegung sicherlich richtig. Der Fortschritt ist in den nun bereits seit über 30 Jahren geführten Verhandlungen noch immer eine Schnecke. Die Erde erwärmt sich Zusehens, inzwischen ist klar, dass sich der Meeresspiegelanstieg beschleunigt und der letzte Bericht des UN-Klimarates, des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, hat unter anderem festgestellt, dass ein Meeresspiegelanstieg um bis zu zehn Meter bis zum Ende des Jahrhunderts möglich, wenn auch äußerst unwahrscheinlich ist.
Aber um einen Meter wird das Meer wohl auf jeden Fall steigen. Im globalen Mittel. In einigen Region kann es auch etwas mehr sein, da sich die Rotation und Schwerkraftfeld durch das Abtauen der Eismassen verändern. Besonders in den Tropen, dort wo viele flache Inselstaaten liegen, wird das Meer überdurchschnittlich steigen.
Doch werfen wir einen Blick in die Abschlusserklärung, um die hart gerungen wurde. Mehr als 24 Stunden wurden die zweiwöchigen Verhandlungen am 14. November überzogen, solange wie selten zuvor bei ähnlicher Gelegenheit. Und derlei gab es schon viele. Bereits zum 26. Male waren die Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention, 195 Staaten sowie die EU, zusammengekommen. Conference of Parties heißt das Spektakel, daher die Abkürzung COP26.
Bekenntnisse
Dort, wo es besonders unverbindlich bleibt, in der Einleitung des Textes, sind durchaus beeindruckende Bekenntnisse zu finden: zu den Menschenrechten, zur Ermächtigung der Frauen, zur Solidarität mit den Entwicklungsländern, zu den Rechten indigener Gemeinschaften, zur Notwendigkeit, die Corona-Pandemie gemeinsam zu überwinden und zum „Konzept der Klimagerechtigkeit“, das „für einige wichtig“ sei. Letzteres ist indes verräterische Sprache, denn offensichtlich ist Klimagerechtigkeit nicht für alle wichtig.
Auch fehlt es nicht an Anerkennung der wissenschaftlichen Fakten. „Beunruhigung und äußerste Besorgnis“ drücken die Vertreter der Regierungen und der EU angesichts der Tatsache aus, dass „menschliche Aktivitäten bereits zu einer globalen Erwärmung von 1,1 Grad Celsius geführt haben und die Auswirkungen in allen Regionen gespürt werden“. Mit ernster Besorgnis nehme man zur Kenntnis, dass mit jedem weiteren Anstieg der globalen Mitteltemperatur auch die extremen Wettereignisse und ihr Auswirkungen für Mensch und Natur zunehmen, wie der IPCC in seinem jüngsten Bericht festgestellt habe.
(Grafik: Schon 1,1 Grad Celsius. Dargestellt ist die globale und übers ganze Jahr gemittelte Temperatur, unabhängig von einander mit unterschiedlichen Methoden berechnet von sechs verschiedenen Forschungsgruppen. Die Temperatur ist relativ zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dargestellt. Man sieht also, dass es seitdem bereits um etwa 1,1 Grad Celsius wärmer geworden ist.)
Was das konkret bedeutet, haben wir dieses Jahr zur Genüge gesehen: Schwere Hochwasser in Rheinland und in Belgien mit zusammen über 200 Todesopfern und etlichen Milliarden Euro an Schäden, Trinkwasserunruhen im Iran, eine Rekordhitzewelle im Westen Kanadas und im Nordwesten der USA, die Hunderte tötete und massive Waldbrände beförderte, über 20 Tote nach schweren Hangrutschen in Japan in Folge von dramatischen Wolkenbrüchen, eine erneut äußerst verheerende Waldbrandsaisons im US-Bundesstaat Kalifornien, eine Dürre im Südwesten der USA, massive Waldbrände in Sibirien und rund ums Mittelmeer, eine schwere Hungerkatastrophe im Süden Madagaskars, ausgelöst durch eine Dürre, schwere Überschwemmungen in Kapstadt, auf Sizilien, in Shanghai, in New York und an Chinas Gelben Fluss, wo U-Bahn-Tunnel und -Züge vollliefen, und über eine Million Menschen ihre Häuser verlassen mussten, um nur einige Beispiele zu nennen.
Die Erklärung betont, dass „dringend die Ambitionen und die Maßnahmen in Bezug auf Vermeidung und Anpassung vergrößert werden müssen“, und zwar in diesem Jahrzehnt. Die Lücke „zwischen der derzeitigen Entwicklung und dem Ziel der Konvention“ müsse geschlossen werden. In der Konvention war vor nunmehr 29 Jahren vereinbart wurden, dass „ein gefährlicher Klimawandel verhindert“ werden soll.
Rote Linien
Die Lücke ist in der Tat groß und bleibt es auch nach Glasgow. Die von den Staaten vor und auf der Konferenz vorgelegten Selbstverpflichtungen führen in ihrer Summe immer noch bestenfalls in eine im Vergleich zum vorindustriellen Niveau um 2,4 Grad Celsius wärmere Welt, wie der Climate Action Tracker errechnet hat.
Und auch nur dann, wenn alles wie versprochen umgesetzt wird. 2,4 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau wäre erheblich wärmer als alles, was die Erde in den letzten 10.000 Jahren seit der letzten Eiszeit und dem Beginn der menschlichen Zivilisation gesehen hat. Das wäre sogar mehr, als in der letzte Warmzeit vor etwa 126.000 bis 115.000 Jahren, von der wir wissen, dass sie erheblich und der Meeresspiegel sechs bis neun Meter höher war.
Eine Erwärmung um 2,4 Grad Celsius – oder 1,3 Grad Celsius vom heutigen Niveau – würde das Überschreiten einer ganzen Reihe von roter Linien bedeuten, wie der IPCC bereits 2018 festgestellt hatte. Seinerzeit hatte im Auftrag der Staaten den Kenntnisstand der Wissenschaft zu der Frage zusammengetragen, was eine Erwärmung um mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau bedeuten würde.
Das Ergebnis war unter anderem, dass jenseits von 1,5 Grad Celsius die Korallenriffe kaum überleben können, was schwerwiegende Konsequenzen für die Fischerei hätte. Die Riffe sind nämlich in den Tropen die Kinderstube für viele Speisefische. Irgendwo zwischen 1,5 und 2 Grad Erwärmung, so ein anderes Ergebnis, gibt es auch die rote Linie für den Amazonas Regenwald. Wird sie überschritten, verwandelt er sich unweigerlich zur Savanne. Ein unermesslicher genetischer Schatz an Artenvielfalt und ein großer Kohlenstoffspeicher gingen verloren. Schließlich haben die meisten großen Eismassen auf Grönland und in der Antarktis ebenfalls im Bereich zwischen 1,5 und zwei Grad Erwärmung ihre Kipppunkte, an denen sie sich unaufhaltsam destabilisiert würden.
Immerhin wurde aber nicht nur betont, dass diese 1,5-Grad-Grenze wichtig ist und daher „beschleunigte“ Anstrengungen unternommen werden müssen, die globale Erwärmung auf sie zu begrenzen. Um das zu erreichen wurde erstmals ein globales Ziel gesteckt.
Die globalen Emissionen sollen bis 2030 um 45 Prozent des Niveaus von 2010 also um rund 15 Milliarden Tonnen jährlich reduziert werden. Das wäre in der Tat ein erster gewaltiger Schritt, und mit dieser Festlegung gibt es nun immerhin eine Messlatte, sowohl für jeweiligen Selbstverpflichtungen der Länder, als auch für die Politik der jeweiligen Regierungen.
(Bild unten: Der Meeresspiegel steigt. Seit Anfang der 1990er Jahre kann er global mit Satelliten vermessen werden. Aus den dargestellten Daten ist der Jahresgang entfernt. Über den ganzen Zeitraum stieg der Meeresspiegel durchschnittlich, wie mit der geraden Linie dargestellt, um 3,51 Millimeter pro Jahr. Doch der Anstieg beschleunigt sich. Zwischen 2013 und 2021 stieg er bereits um 4,4 mm/Jahr. Das war mehr als doppelt so schnell wie in den 1990er Jahren.)
Vor der Verantwortung gedrückt
Ansonsten ging es in Glasgow auch viel um Geld. In der Abschlusserklärung wird mit Bedauern festgestellt, dass die reichen Länder bisher nicht ihr Versprechen erfüllen, jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Anpassung und Klimaschutz in Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen.
Bis 2020 hätte das geschehen soll, war seinerzeit 2015 in Paris vereinbart worden. Nun heißt es, das Ziel solle 2025 erreicht sein, doch zwischenzeitlich wird der Anpassungsdruck und damit der Bedarf größer, häufen sich Dürren und extreme Niederschläge, werden die von Klimawandel bedingten Unwettern angerichtet Schäden größer.
Das wird auch in der Abschlusserklärung hervorgehoben, dennoch gab es um den Punkt „Loss and Damage“ („Verlust und Schaden“) viel Streit. Die reichen Ländern haben sich mit Händen und Füßen gegen eine Verpflichtung gewehrt, hier zu helfen.
Freiwillig sind sie bereit ein wenig zu geben. Nicht genug, aber ein bisschen. Insbesondere, wenn man nebenbei noch ein Geschäft machen kann. Aber um jeden Preis wollten sie einen Präzedenzfall verhindern, der das Verursacherprinzip in die Klimaverhandlungen eingeführt hätte.
Dieser Punkt wird in den kommenden Jahrzehnten sicherlich an Brisanz gewinnen und ist auch ein wichtiger Punkt für die Klimabewegung in den Metropolen. In manchen Ländern mit geringer Wirtschaftskraft können Unwetterschäden, Dürren und Meeresspiegelanstieg sich zu nationalen Katastrophen auswachsen. Daher ist es wichtig, dass das Verursacherprinzip in den internationalen Beziehungen durchgesetzt wird, und dass Deutschland zu seiner historischen Verantwortung einsteht, wie es Fridays for Future von der neuen Bundesregierung einfordert.
(Bild: Garzweiler II. Ein gewaltiges Loch in der Landschaft. Mehrere hundert Meter tief wird hier auf der Suche nach Braunkohle gegraben. Deutschland ist der weltweit größte Verbraucher dieses klimaschädlichsten aller Brennstoffe.)
Was tun?
Wie könnte nun die Reduktion der globalen Emissionen aussehen. Eine wichtige Rolle spielt natürlich die Kohle. Nach langem Streit hat man sich darauf geeinigt, dass ihr Verbrauch schrittweise verringert werden soll („downphasing“). Gegen die Festlegung auf den vollständigen Ausstieg („outphasing“) sollen sich dem Vernehmen nach China und Indien gesperrt haben. Ansonsten haben sich die beiden asiatischen Giganten festgelegt, ihre Wirtschaft bis 2060 (China) bzw. 2070 (Indien) auf Klimaneutralität zu trimmen.
Hierzulande wird man vermutlich versuchen, sich auf den bereits formulierten Klimaschutzzielen auszuruhen. Zieht man von den aktuellen deutschen CO2-Emissionen 45 Prozent des Niveaus von 2010 ab, kommt man in etwa auf die im Klimagesetz für 2030 anvisierten, knapp 440 Millionen Tonnen CO2-Emissionen (2019 waren es noch etwa 720 Millionen). Doch das ist immer noch viel zu viel. (Siehe Kasten.) Deutschland müsste rascher reduzieren, wenn es seinen gerechten Teil zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels beitragen will.
Das würde bedeuten, dass bis 2030 nicht nur der Kohleausstieg vollzogen sein müsste, was im Vergleich zu 2019 etwa 160 Millionen Tonnen im Jahr weniger an CO2 bedeuten würde. Es müssten auch noch die Emissionen des Verkehrs und der Industrie binnen zehn Jahren deutlich mehr als halbiert werden, wobei die Reduktion danach rasch weiter gehen muss.
(Bild: Ein riesiger Bagger frisst sich auf Lützerath zu, das RWE unbedingt abreißen will. Demos und ein Protestcamp versuchen, dies zu verhindern. Ein Bauer klagt, weil RWE seinen Hof bekommen soll, noch bevor das Enteignungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.)
Vergesellschaften
Das ist nicht nur organisatorisch eine Mammutaufgabe, die ohne weitgehende staatlich Eingriffe kaum möglich sein wird. Das wird auch auf erhebliche Widerstände seitens der Energiekonzerne und weiter Teile der Industrie stoßen, die zudem versuchen werden, die Zukunftsängste vieler Menschen für sich auszunutzen.
Natürlich wird an diesem Punkt so klar wie selten, dass es in der kapitalistischen Ökonomie immer nur um den Gewinn geht und Gesundheit und Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung keine Rolle spielt. Auch nicht das Leid, dass schon heute durch die Klimakrise verursacht wird.
Aber statt darüber lang zu lamentieren, sollte die Linke sich schleunigst Gedanken über eine Gegenstrategie machen. Natürlich müssen die erneuerbaren Energieträger und auch Bahn und ÖPNV massiv ausgebaut werden. Die Energieversorgung muss möglichst dezentral gestaltet werden, aus Gründen der Versorgungssicherheit, der demokratischen Kontrolle und um in den Kommunen Einkommen und Steuereinnahmen zu schaffen. Tatsächlich kann die Energiewende einen wichtigen Beitrag zur Hebung der Lebensqualität auf dem Land liefern.
Aber was ist mit den Unternehmen. Eigentlich sind Mobilität und Energieversorgung Teil der Daseinsvorsorge und gehören ohnehin in die öffentliche Hand. Leag und RWE halten schon jetzt die Hand auf und sollen für den Ausstieg auch noch entschädigt werden. Außerdem werden sie sicherlich versuchen, die sogenannten Ewigkeitskosten der Braunkohle – Renaturierung, Sicherung der Bergbauseen etc. – der Allgemeinheit zu überlassen. Da kann man sie doch auch gleich verstaatlichen, zerlegen, für die Energiewende umbauen und allen Beschäftigten dabei eine Arbeitsplatzgarantie aussprechen.
Ähnlich sollte zumindest ein Teil der Automobilindustrie verstaatlicht werden, damit Betriebe im Zuge der Umrüstung auf Elektroautos nicht zerschlagen werden, sondern ihre Infrastruktur und das wertvolle Know-how der Beschäftigten für die Energiewende und den massiven Bau von Schienenfahrzeugen und Bussen genutzt wird. Statt wieder und wieder in Krisen den Konzernen Dutzende Milliarden Euro zu schenken, könnte das Geld auch genutzt werden, um die Mitarbeiter direkt abzusichern, ihre Arbeitszeit zu verkürzen und die Unternehmen unter öffentlicher Kontrolle umzubauen.
Der Berliner Volksentscheid DW-Enteignen hat gezeigt, dass die Vergesellschaftung von Konzernen durchaus mehrheitsfähig sein kann und es wäre nachdenkenswert, wie diese Erfahrung für die Klimaschutzbewegung nutzbar gemacht werden könnte. Die gemeinsamen Aktionen von Fridays for Future mit der Belegschaft eines von der Schließung bedrohten Betriebs von Bosch in München war in diesem Zusammenhang ein erfreulicher Anfang. (wop)
Das kleine Deutschland
„Deutschland kann mit seinen lediglich zwei Prozent Anteil an den Treibhausgasemissionen doch nicht das globale Klima retten.“ So lautet eines der bei Zauderern und Gegnern des Kohleausstiegs, bei Menschen, die mit ihrem Auto verwachsen scheinen, beliebten Argumente. Selbst von FDP-Politikern, den Profis, denen wir den „technologieoffenen“ Klimaschutz überlassen sollen, ist derlei noch in jüngster Zeit zu hören gewesen.
Natürlich ist das Argument, wie so viele andere in dieser seit mindestens 30 Jahren geführten Debatte, vorgeschoben, dient lediglich dazu, die wirtschaftlichen und politischen Interessen zu kaschieren. Zu groß ist noch immer die Macht der mit der Landespolitik verwobenen Konzerne wie RWE oder noch größer des Automobilsektors, der durch die Ausrichtung aller Verkehrswege auf die Nutzung des privaten Pkw, einen erheblichen Teil der Bevölkerung in Geiselhaft genommen hat.
Dennoch lohnt es sich kurz einen Blick auf die vielen Aspekte zu werfen, unter denen das oben angeführte Scheinargument falsch ist. Zum einen ist Deutschland innerhalb der EU der größte Treibhausgasemittent. Mehr als doppelt so viel CO2 wie in Polen, Italien oder Frankreich wurden hierzulande 2019 in die Luft geblasen. Auch im weltweiten Vergleich stoßen nur sehr wenige Staaten mehr Klimagase aus. Soll die Klimakrise eingedämmt werden, müssen die Emissionen weltweit eingestellt werden. Nicht nur die der aller größten Emittenten.
Zum zweiten werden in Deutschland jährlich pro Kopf 8,7 Tonnen CO2 in die Luft gepustet. Im globalen Durchschnitt sind es hingegen nur 4,6 und in China und Indien, auf die so gerne mit dem Finger gezeigt wird, 7,6 bzw. 1,4 Tonnen pro Kopf und Jahr. Zum Dritten importiert Deutschland sehr viele Lebensmittel und Konsumgüter. Die bei deren Produktion anfallenden Emissionen werden anderen Ländern zugerechnet, gehen aber eigentlich auf unser Konto.
Zum vierten schließlich ist das „kleine Deutschland“ historisch betrachtet der sechstgrößte Treibhausgassünder. Nur die USA, China, Russland haben in ihrer Geschichte mehr CO2 verursacht. Rechnet man diese historischen Emissionen auf die Bevölkerung um, so kommen auf jeden heute lebenden Deutschen etwas mehr als Tausend, auf jeden Chinesen jedoch nur rund 150 Tonnen CO2.
Dazu muss man wissen, dass nur rund die Hälfte des durch die Verbrennung von Kohle, Erdgas und Erdölprodukten sowie in der Zementproduktion und durch Entwaldung freigesetzte CO2 von den Ozeanen und der Biosphäre aufgenommen wird. Der Rest verbleibt hingegen für einige Jahrtausende dort. Mit anderen Worten: Das Klimagas reichert sich dort an. Von 270 ppm (parts per million, Teile pro Million) ist der CO2-Gehalt der Luft inzwischen auf rund 415 ppm angestiegen.
Nun ist in Glasgow vereinbart worden, dass die CO2-Emissionen bis 2030 um 45 Prozent des Niveaus von 2010 also um rund 15 Milliarden Tonnen jährlich reduziert werden sollen. Für Deutschland würde eine solche prozentuale Reduktion in etwa dem im Frühjahr im Klimaschutzgesetz fixierten entsprechen. Wir würden damit also lediglich einen durchschnittlichen Beitrag leisten und außer Acht lassen, dass Deutschland als Industrieland eigentlich Platz für Entwicklungsländer lassen müsste, wie es 1992 in der Klimarahmenkonvention vereinbart worden war.
Wenn wir uns mit unserem bestehenden Klimaschutzziel begnügen, bliebe unberücksichtigt, dass für den hiesigen Konsum im erheblichen Umfang Treibhausgase in anderen Ländern freigesetzt werden. Außerdem würden die Emissionen eines zum Brötchen kaufen genutzten SUV mit denen eines für die Bewässerung in der Sahel-Zone oder für die Versorgung einer Dorfambulanz in Kenia genutzten Dieselgenerator gleichgesetzt. (wop)
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