Daten/Fakten  

   

Frieden durch Diplomatie statt weiterer Eskalation bis zum Atomkrieg – Hiroshima und Nagasaki mahnen:

Kriege in der Ukraine, in Gaza und Nahost beenden und Atomwaffen abrüsten!

Der vorliegende Text ist eine erweiterte Fassung eines Vortrags des Autors anlässlich einer Mahnwache für den Frieden am 9. August am Wedeler Mühlenteich. In der Druckversion wurde der Beitrag stark gekürzt. Hier jetzt der Beitrag in voller Länge. Autor: Klaus-Dieter Kolenda, IPPNW

Die Atombomben, die am 6. August 1945 von den USA abgeworfen wurden, töteten auf einen Schlag in Hiroshima mehr als 80.000 Menschen (Fußnote 1), und die am 9. August auf Nagasaki zielende etwa 22.000 (Fußnote 2).

Die genauen Zahlen an diesem Tage und an den anschließenden Wochen und Monaten sind immer noch umstritten. Die Gesamtzahl der Todesopfer dürfte aber bei mindestens 200.000 liegen (Fußnote 2). Denn in den Tagen und Wochen nach den Bombenangriffen war es nicht möglich, eine genaue Zählung der Opfer durchzuführen. Aufgrund der massenhaften Zerstörungen der staatlichen Einrichtungen, der Krankenhäuser, der Polizei- und Feuerwehrstationen herrschte völliges Chaos und Verwirrung (Fußnote 1).  

Als langjähriges Mitglied der IPPNW, das ist die Abkürzung für die berufsbezogene Friedensorganisation „Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung“, die 1985 den Friedensnobelpreis erhalten hat, bin ich gebeten worden, hier ein paar einleitende Worte zu sagen.

Aus aktuellen Gründen werde ich im Folgenden nicht so sehr über die Opfer von Hiroshima und Nagasaki sprechen, sondern vor allem über die steigende Atomkriegsgefahr, der wir mit der immer weiteren Eskalation der Kriege in der Ukraine und auch in Gaza bzw. im Nahen Osten in zunehmendem Maße ausgesetzt sind und die mir große Sorgen bereitet.

Diese Gefahr war ja nach dem Ende des „Kalten Krieges“ im Jahre 1990/91 anscheinend überwunden. Seit Beginn des Ukraine-Krieges besteht sie jedoch wieder ganz real.

Und jetzt wurde am Rande des diesjährigen Nato-Gipfel in Washington vom 9. bis 11. Juli in einer gemeinsamen Erklärung der US-Regierung und der deutschen Bundesregierung verkündet, dass ab 2026 wieder atomwaffenfähige Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite bis zu 2.800 km in Deutschland stationiert werden sollen. Das hat die Bedrohung, der wir alle ausgesetzt sind, noch einmal deutlich erhöht (Fußnote 3).  

Atomkriegsgefahren im ersten „Kalten Krieg“

Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen. Deshalb möchte ich mit einem kurzen Rückblick beginnen.

Mit den US-amerikanischen Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 begann die Geschichte des atomaren Wettrüstens zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion.

Zugleich bedeuteten diese Ereignisse den Eintritt in eine neue und vielleicht letzte Epoche der Menschheitsgeschichte. Diese ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die Menschen seit dieser Zeit die Fähigkeit besitzen, die Menschheit insgesamt auszulöschen und damit 12.000 Jahre Zivilisationsgeschichte mit einem Schlag zu beenden, wie es die US-Journalistin Annie Jacobsen kürzlich in ihrem neuen Buch in einem erschreckenden Szenario sehr eindrucksvoll dargestellt hat (Fußnote 4).

Wie sagte doch Albert Einstein: „Ich weiß nicht, mit welchen Waffen der Dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber der Vierte Weltkrieg wird bestimmt mit Stöcken und Steinen ausgetragen.“

Die Geschichte des Wettrüstens ist aber auch die Geschichte des Widerstands gegen die atomare Aufrüstung in Deutschland. Sie begann 1957, als 18 führende Atomwissenschaftler mit ihrem berühmten "Göttinger Manifest" die Öffentlichkeit über die Gefahren eines Atomkrieges alarmierten.

Sie warnten vor den Plänen der damaligen Regierung, die Bundeswehr mit Atomwaffen aufzurüsten. Bereits 1955 hatten die USA - unter strengster Geheimhaltung - damit begonnen, atomare Kurzstrecken-Raketen in der Bundesrepublik zu stationieren.

Daraufhin entstand mit der Kampagne "Kampf dem Atomtod" eine Protestbewegung gegen die atomare Aufrüstung. 1960 begannen dann die jährlich stattfindenden "Ostermärsche der Atomwaffengegner".

Kuba-Krise

Ich gehöre zu der Generation, deren Angehörige sich aus eigenem Erleben noch an die dramatischen Tage der Kuba-Krise im Oktober 1962 erinnern können.

Diese geopolitische Krise zwischen den beiden damaligen Supermächten USA und Sowjetunion wurde durch einen Kompromiss beendet, bei dem Chruschtschow die von den USA als bedrohlich angesehenen russischen Atomraketen in Kuba abzog und im Gegenzug Kennedy auf entsprechende in der Türkei und in Italien stationierten, gegen die Sowjetunion gerichtete Raketen verzichtete.

Dieser Kompromiss, der 1962 eine atomare Katastrophe um Haaresbreite gerade eben noch verhindert hat, soll das Ergebnis einer Absprache zwischen den beiden verantwortlichen Politikern hinter dem Rücken der Militärs und der Geheimdienste gewesen sein. Deshalb war ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen Voraussetzung für sein Zustandekommen.

Dieses notwendige Vertrauen ist aber heute durch die Politik der Nato-Osterweiterung, die mit Täuschungen und Lügen von westlicher Seite einhergegangen ist, durch eine in den letzten Jahren ständig zunehmende und zuletzt maßlose russlandfeindliche Propaganda in unseren Hauptmedien (zum Beispiel: „Putin ist ein Wiedergänger Hitlers“; Fußnote 5) und durch die beispiellosen völkerrechtswidrigen Sanktionen des Westens gegen Russland weitgehend zerstört worden.

Nato-Doppelbeschluss

In den 1960er und 1970er Jahren erreichte das atomare Wettrüsten zwischen den beiden damaligen Supermächten USA und Sowjetunion seinen Höhepunkt.

Damals war die Zahl der Atomwaffen bis auf ca. 30.000 (Fußnote 4) mit den entsprechenden Trägersystemen auf jeder der beiden Seiten angewachsen. Diese Zahlen schlossen Tausende von taktischen Atomwaffen der USA in Deutschland ein, die im Ernstfall auf dem Gebiet der DDR oder der BRD zum Einsatz gekommen wären.

Als dann Ende der 1970er Jahre entsprechend dem Nato-Doppelbeschluss noch atomare Pershing-II-Raketen und Marschflugkörper in Deutschland aufgestellt werden sollten, brachte die damalige Friedensbewegung in der ersten Hälfte der 1980er Jahre viele Hunderttausende in der Bundesrepublik auf die Straßen, die gegen diese Politik protestierten (Fußnote 6).

Dazu gehörten auch viele IPPNW-Mitglieder mit Losungen wie „Raketen sind Magneten“ oder Plakaten, auf denen zu lesen war: „Wir werden Euch nicht helfen können“ (Fußnote 7).

Auch wenn es damals der Friedensbewegung nicht gelang, die Stationierung der Pershing-Raketen zu verhindern, dürfte ihr unüberhörbarer Protest jedoch mit dazu beigetragen haben, dass 1987 der wichtigste Vertrag über die atomare Abrüstung, der sogenannte INF-Vertrag, von Regan und Gorbatschow unterzeichnet wurde. In dessen Folge wurden Tausende von Mittelstrecken-Raketen bis zum Ende des „Kalten Krieges“ 1991 vernichtet.

Atomare Beinahe-Unfälle

Während es bisher außer in Hiroshima und Nagasaki glücklicherweise zu keinem weiteren kriegerischen Einsatz von Atombomben gekommen ist, findet man im Internet eine Liste von atomaren Beinahe-Unfällen mit Atomwaffen („nuclear close calls“, im Deutschen auch als sogenannte „Vorfälle“ bezeichnet- Fußnote 8). Darunter versteht man „Vorfälle“, die zumindest zu einer unbeabsichtigten nuklearen Detonation oder Explosion hätten führen können.

Die Liste zeigt, dass seit den 1950er Jahren bis Anfang der 1990er Jahre insgesamt mindestens 16 Vorfälle dieser Art bekannt geworden sind, die einen Atomkrieg hätten auslösen können.

Einen dieser Beinahe-Katastrophen möchte ich als Beispiel kurz anführen.

Es geht um Stanislaw Petrow, einem Menschen, dem wir Älteren wahrscheinlich zu verdanken haben, dass wir noch leben, und die Jüngeren unter uns, dass sie geboren worden sind (Fußnoten 9 und 10).

Am 26. September 1983 stufte Petrow als leitender Offizier in der Kommandozentrale der sowjetischen Satellitenüberwachung einen vom Überwachungssystem gemeldeten Angriff der USA mit nuklearen Interkontinentalraketen auf die UdSSR nicht als einen Alarm ein, wie das System es anzeigte und die Auslösung eines schnellen Gegenschlags erforderlich gemacht hätte, sondern bewertete ihn als einen Fehlalarm.

Später ergab sich, dass es sich tatsächlich um einen Fehlalarm gehandelt hatte, der durch einen Satelliten des sowjetischen Frühwarnsystems ausgelöst worden war. Eine fehlerhafte Software hatte einen Sonnenaufgang und Spiegelungen in den Wolken als Raketenstarts in den USA interpretiert.

Durch sein Eingreifen verhinderte Petrow damals wahrscheinlich das Auslösen eines umfassenden Atomkriegs mit strategischen Nuklearwaffen zwischen den USA und der Sowjetunion.

Deshalb gibt es Bemühungen, den 26. September im Andenken an diesen „Weltretter“, der 2017 in Moskau gestorben ist, als „Petrow-Tag“ zu begehen.

Dieser Fall und weitere in der Liste angeführte Beispiele zeigen, dass wir es mutigen und selbständig denkenden Menschen und darüber hinaus Zufällen und glücklichen Umständen zu verdanken haben, dass es im ersten Kalten Krieg zu keinem nuklearen Inferno gekommen ist.  

Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen heute und Schicksal bisheriger Abrüstungsverträge                                                      

Heute verfügen die neun Atommächte (neben Russland und den USA sind das China, Frankreich, Großbritannien, Pakistan, Indien, Israel und Nordkorea) über rund 12.000 nukleare Sprengköpfe (Fußnote 11).

Es handelt sich dabei um taktische, aber auch strategische Atomwaffen. Taktische Atomwaffen haben in der Regel eine geringere Sprengkraft und kürzere Reichweite als strategische Atomwaffen, aber die Übergänge sind fließend.

New START

Trotz einiger Reduzierungen von strategischen Atomwaffen, die sich im Besitz von Russland und den USA befinden, z. B. 2010 durch den neuen START-Vertrag (New Start: Strategic Arms Reduction Treaty) auf jeweils 800 Trägersysteme mit ca. 1500 Atomsprengköpfen, sind laut SIPRI immer noch mehr als 90 Prozent aller Atomwaffen je etwa zur Hälfte im Besitz der beiden größten Atommächte. Das bedeutet, dass sowohl Russland als auch die USA heute insgesamt über jeweils etwa 5000 bis 5500 Atomsprengköpfe verfügen.

2021 bzw. 2022 unterzeichneten Putin und Biden eine Vereinbarung zur Verlängerung von New START, dem letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag der beiden Staaten, um fünf weitere Jahre (Fußnote 12).

Im August 2022 gab das russische Außenministerium jedoch bekannt, dass es Kontrollen von Atomwaffenbeständen im Rahmen des Abkommens vorerst aussetze, weil Russland wegen der Sanktionen gegen seine Flugzeuge keine Inspekteure in die USA fliegen könne. Deshalb würde eine Wiederaufnahme der US-Inspektionen auf russischem Gebiet den Amerikanern einen Vorteil verschaffen. Man werde sich aber weiter an New Start halten.

"Nukleare Teilhabe" Deutschlands

Deutschland verfügt über keine „eigenen“ Atomwaffen, ist aber über die „Nukleare Teilhabe“ an der Atomkriegsstrategie der Nato direkt beteiligt.

Im Rahmen der Nuklearen Teilhabe haben die USA in vier europäischen Nato-Staaten ca. 150 taktische Atomwaffen stationiert. Das sind frei fallende Atombomben vom Typ B61. Neben Deutschland sind das Belgien, Italien, die Niederlande und die Türkei.

Die USA liefern also die Atomwaffen, während die Stationierungsländer die Stützpunkte, die Trägerflugzeuge und die Piloten zur Verfügung stellen, die im Kriegsfall die Atomwaffen ins Ziel fliegen und abwerfen müssen. In Deutschland sollen dafür schätzungsweise ca. 20 US-Atombomben auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in der Eifel stationier sein.

Die IPPNW hat sich eindeutig gegen die Nukleare Teilhabe ausgesprochen, unter anderem, weil sie gegen den Atomwaffensperrvertrag von 1970 verstößt, den auch Deutschland nach langen Auseinandersetzungen 1975 unterzeichnet hat.

Darin haben sich alle Nicht-Atomwaffenstaaten verpflichtet, "Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen.“

Trotz eines parteiübergreifenden Beschlusses des Bundestages im Jahr 2010 hält die Bundesregierung weiterhin an der Stationierung der US-Atombomben in Deutschland fest und lässt Piloten der Bundeswehr regelmäßig den Atomwaffeneinsatz für den Ernstfall trainieren.

B61-12

Beachtenswert ist, dass in den letzten Jahren eine „Modernisierung“ der in Büchel stationierten US-Atombomben erfolgt ist. Die neue B61-12 ist eine "Allround"-Atombombe, eine zielgenaue, elektronisch gesteuerte und gelenkte Atomwaffe mit variabler Sprengkraft, vergrößerter Reichweite und der Fähigkeit, tief verbunkerte Ziele zu zerstören.

Die B61-12 ist die erste Nuklearbombe, die mit einem derartigen Steuerungssystem ausgestattet ist. Durch die variable Sprengkraft, in der Größenordnung von sog. Mini-Nukes bis zur Sprengkraft der Hiroshima-Bombe, ergeben sich für die Kriegsplaner erweiterte operative Möglichkeiten für den Einsatz dieser Nuklearwaffen.

Zusätzlich ist in Deutschland der Kauf einer neuen Generation von Atombombern (F 35) von den USA als Ersatz für die derzeitigen Tornados vorgesehen.

Atomwaffenverbotsvertrag

2017 haben die atomwaffenfreien Länder den Aufstand gegen die Atommächte gewagt. 122 Mitgliedstaaten der UNO haben damals den Vertrag über das Verbot aller Atomwaffen beschlossen.

Für den Atomwaffenverbotsvertrag erhielt ICAN, ein internationales Bündnis von Nichtregierungsorganisationen, das sich viele Jahre für die Abschaffung aller Atomwaffen durch einen bindenden völkerrechtlichen Vertrag eingesetzt hat, 2017 den Friedensnobelpreis. Auch die IPPNW ist Teil dieses Bündnisses.

Nachdem über 50 Staaten diesen Vertrag ratifiziert hatten, ist er 2021 in Kraft getreten.

Der Atomwaffenverbotsvertrag verbietet den Vertragsstaaten, Kernwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu erwerben und zu besitzen, Kernwaffen einzusetzen oder ihren Einsatz anzudrohen, Kernwaffen zu lagern oder die Verfügungsgewalt darüber unmittelbar oder mittelbar anzunehmen und Kernwaffen über ihr Staatsgebiet zu transportieren.

Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung, zwar mit wohlfeilen Lippenbekenntnissen, eine Welt ohne Atomwaffen zu befürworten, in der Uno gemeinsam mit den anderen Nato-Staaten gegen die Aufnahme der Verbotsverhandlungen gestimmt, und, gemeinsam mit den Atommächten, die Verhandlungen in der Uno boykottiert hat.

Der Atomwaffenverbotsvertrag war ein Ziel des jahrzehntelangen Kampfes der weltweiten Bewegung gegen die atomare Aufrüstung und auch des jahrzehntelangen Kampfes gegen die in Deutschland stationierten Atombomben.

Die Friedensbewegung Deutschland hat deshalb allen Grund, den Widerstand gegen die Beteiligung unseres Landes an der Atomkriegsstrategie der USA, gegen die in Büchel stationierten US-Atomwaffen, gegen die damit verbundene Gefahr eines Atomkrieges in Europa und für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags auch unseres Landes verstärkt fortzusetzen.

Kündigung von Abrüstungsverträgen und neue atomare Aufrüstung

Obwohl sich alle Kernwaffenmächte, die ebenfalls den Atomwaffensperrvertrag von 1970 mitunterzeichnet haben, damals feierlich zur nuklearen Abrüstung verpflichtet haben, gibt es seit dieser Zeit leider keinerlei substanzielle Fortschritte in diese Richtung.

Es ist vor allem der Anspruch der USA auf Ausbau und Erhaltung ihrer weltweiten militärische Überlegenheit, der das Wettrüsten auch bei den Atomwaffen anheizt und weitere Abrüstungsmaßnahmen verhindert.

Bereits unter Präsident Obama hatte die US-Regierung beschlossen, ihr Atomwaffenarsenal in den kommenden 30 Jahren für 3.000 Milliarden Dollar- das sind 100 Mrd. jährlich- aufzurüsten.

2001 haben die USA einen der wichtigen Abrüstungsverträge, den sogenannten ABM-Vertrag von 1972, einseitig gekündigt, der die Errichtung von Raketenabwehrsystemen verboten hatte.

Darüber hinaus kündigte die US-Regierung im Februar 2019 den INF-Vertrag, bei dem es sich um den wichtigsten Vertrag über die atomare Abrüstung gehandelt hat. Er wurde 1987 von Reagan und Gorbatschow unterzeichnet und in dessen Folge sind, wie schon gesagt, Tausende von Mittelstrecken-Raketen bis zum Ende des „Kalten Krieges vernichtet worden (Fußnote 13).

Nach der Kündigung des ABM-Vertrages 2001 und des INF-Vertrages 2019 droht jetzt die Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen und damit ein erneutes Wettrüsten zwischen den beiden größten Atommächten.

Im Zusammenhang mit der erfolgten Kündigung sowohl des ABM-Vertrags als auch des INF-Vertrags steht die Stationierung von angeblichen Raketenabwehrsystemen in Polen und Rumänien, die in den letzten Jahren erfolgt ist.

Diese inzwischen von den USA stationierten sogenannten "Aegis Ashore"-Systeme können "Abfangraketen" abfeuern, angeblich gegen eine Bedrohung aus dem Iran.

Diese Systeme können aber auch durch eine einfache Änderung der Programmierung Raketen gegen Bodenziele abschießen. Und sie können Marschflugkörper abfeuern und somit gegnerische Ziele bis weit hinter Moskau erreichen und zerstören.

Neben den bereits installierten Aegis-Ashore-Systemen in Rumänien und in Polen, die -wie gesagt- auch Mittelstrecken-Raketen abschießen können, planen die USA seit Längerem die Stationierung von neuen Hyperschall-Raketen mit dem Namen "Dark Eagle" (zu Deutsch: „schwarzer Adler“), die Moskau in etwa 20 Minuten erreichen können und ausgerechnet am früheren Standort der Pershing-II-Raketen, in Mainz-Kastel, aufgestellt werden sollen (Fußnote 14).

Auch die neuen taktischen B61-12-Atomwaffen, deren Stationierung in Europa im Rahmen der „Nuklearen Teilhabe“ inzwischen wahrscheinlich erfolgt ist, könnten die Hemmschwelle für einen Atomwaffeneinsatz weiter senken. In der Logik der US-Militärs macht die neue Bombe einen auf Europa begrenzten Atomwaffeneinsatz kalkulierbar, ohne einen atomaren Gegenschlag Russlands auf US-Territorium bzw. einen globalen Atomkrieg zu riskieren.

Ein „begrenzter“ Atomwaffenkrieg zwischen den USA und Russland in Europa würde aber sehr wahrscheinlich auch das Ende Deutschlands bedeuten, von den sonstigen Folgen eines derartigen Krieges einmal ganz abgesehen, auf die ich hier nicht näher eingehen kann (Fußnote 15).

Geplante Stationierung neuer Mittelstreckenraketen verschärft nukleare Bedrohung

Mittelstreckenwaffen sind, wie dargestellt, keine Defensivwaffen, sondern aufgrund ihrer kurzen Vorwarnzeit Waffen für den atomaren Erstschlag. Damit wächst die Gefahr eines Atomkrieges in Europa.

Am Rande des letzten Nato-Gipfels in Washington im Juli dieses Jahres ist mehr beiläufig bekannt gegeben geworden, dass die USA von 2026 an in Deutschland weitere zerstörerische Waffensysteme stationieren wollen, die weit bis nach Russland reichen sollen. Die Ampelregierung hat dem schon zugestimmt, ohne dass darüber im deutschen Bundestag eine Debatte erfolgt ist.

Zum ersten Mal seit Ende des Kalten Krieges sollen jetzt in Deutschland wieder US-Raketen stationiert werden, die Russland treffen können. Dieser Tabubruch wird wahrscheinlich einen gefährlichen neuen Rüstungswettlauf einläuten, der keine Sicherheit, sondern kommende Katastrophen vorbereiten kann.

Darunter sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit einer Reichweite von bis zu 2500 Kilometern sein, die technisch gesehen auch nuklear bestückt sein können, sowie Flugabwehr-Kurzstreckenraketen vom Typ SM-6 und auch neu offensive entwickelte Hyperschallraketen.

Russland und China haben auf diese Ankündigung scharf reagiert.

Der Kreml-Sprecher Peskow sagte auf eine entsprechende Frage eines russischen Fernsehjournalisten:

„Unser Land steht im Fadenkreuz amerikanischer Raketen in Europa. Wir haben das alles schon einmal durchgemacht“. Russland habe die Fähigkeit zur Abschreckung dieser Raketen. „Aber das potenzielle Opfer sind die Hauptstädte dieser Staaten“, fügte er hinzu.

Die IPPNW hat zu den höchst alarmierenden Plänen zur Stationierung von neuen Mittelstreckenraketen in Deutschland in einer Presseerklärung vom 17.07.2024 ebenfalls klar Stellung bezogen (Fußnote 16). Dort heißt es u. a.:

„Die ärztliche Friedensnobelpreisträger-Organisation IPPNW kritisiert die Beschlüsse der Nato als weitere Stufe der Eskalation und als brandgefährlich. Mit der Ankündigung der Stationierung neuer Mittelstreckenraketen vom Typ Tomahawk in Deutschland sollen erstmals seit dem Abzug der atomaren Mittelstreckenraketen im Jahr 1991 im Zuge des INF-Abkommens wieder Raketen auf deutschem Boden stationiert werden.

Tomahawks können mit konventionellen oder atomaren Sprengköpfen bestückt werden. Am 1. Februar 2019 hatten die USA das INF-Abkommen zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenraketen aufgekündigt.

Zudem ist die Einrichtung eines neuen Ukraine-Kommandos in Wiesbaden ein weiterer Eskalationsschritt, der Deutschland tiefer in den Krieg hineinzieht.

Der Konflikt um die Entwicklung der sowjetischen SS-20-Raketen und der Nato-Doppelbeschluss im Jahr 1979 hatte die Welt damals an den Rand eines Atomkriegs gebracht. Wer den Krieg verhindern will, muss den Frieden vorbereiten, statt weitere Schritte in Richtung atomarer Eskalation zu gehen“, erklärt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen.

Verteidigungsminister Pistorius erklärte die Stationierung in Deutschland zu einer bloßen Abschreckungsmaßnahme. Russland habe in der Vergangenheit ähnliche Waffensysteme stationiert, etwa in Kaliningrad. Nun gehe es lediglich darum, »diese Fähigkeitslücke zu schließen«.

Inzwischen ist aber bekannt geworden, dass die Einrichtung der sogenannten Multi-Domain Task Force (MDTF) in Deutschland mit den genannten verschiedenen Raketentypen spätestens im April 2021, also vor dem Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine, beschlossen worden ist (Fußnote 17).

„Tatsächlich dürften aber handfeste politische Gründe vorliegen, wieso die Entscheidung gerade jetzt bekannt gegeben wurde: Deutschland möchte seine Rolle innerhalb der Nato stärken und gegenüber der Weltgemeinschaft Handlungsbereitschaft und Willensstärke demonstrieren“, meinen Juliane Hauschulz und Xanthe Hall von der IPPNW in einem aktuellen Beitrag zu diesem Thema (Fußnote 18).

Ein Blick in die Geschichte verdeutlicht jedoch die Tragweite der Entscheidung der Bundesregierung. Bereits während des Kalten Krieges drohte Europa immer wieder, zum atomaren Schlachtfeld zu werden. Und auch damals spielte die Stationierung von Tomahawks in Westeuropa eine wichtige Rolle.

Das Abrüstungsabkommen – der INF-Vertrag – zwischen den USA und der Sowjetunion über nukleare Mittelstreckensysteme führte im Ergebnis dazu, dass die Tomahawks Ende der 1980er Jahre unter Ronald Reagan zusammen mit den Pershing-II-Raketen aus Deutschland abgezogen wurden.

Aber wie schon dargestellt, ist der INF-Vertrag 2019 von den USA einseitig gekündigt worden, sodass das atomare Wettrüsten in Zukunft wieder ungebremst Fahrt aufnehmen kann.

Schlussfolgerungen:

  1. Der Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg oder anderswo wäre die ultimative Katastrophe (Fußnote 19 und 20) und darf niemals zugelassen werden.
  1. Je länger der Krieg in der Ukraine andauert, desto eher besteht die Gefahr, dass sich daraus ein Dritter Weltkrieg entwickelt, in dem auch Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten.
  1. Deshalb muss der Ukraine-Krieg so schnell wie möglich auf diplomatischem Wege mit Kompromissen von Seiten aller Beteiligten beendet werden, bevor die Welt in ein Chaos gestürzt wird.
  1. Es mangelt nicht an Friedensvorschlägen, insbesondere aus Ländern wie China und Brasilien. Die jetzige deutsche Regierung hüllt sich diesbezüglich leider in Schweigen.
  1. Aus der Ukraine wird berichtet, dass eine Meinungsumfrage vom 15. Juli ergeben hat, dass 44 Prozent der ukrainischen Bevölkerung, die Meinung geäußert habe, dass es Zeit ist, mit Russland Friedensverhandlungen zu beginnen.
  1. Auch eine Mehrheit der Deutschen ist der Meinung, dass der Westen, und damit vor allem auch unsere Bundesregierung, Verhandlungen über eine Beendigung des Krieges in der Ukraine anstoßen sollte.
  1. Waffenlieferungen aus Deutschland (und anderen Ländern) können den Krieg in der Ukraine dagegen nur verlängern und dazu beitragen, dass das Sterben von Ukrainern und Russen und die Zerstörungen in der Ukraine weitergehen und die von dort ausgehende nukleare Bedrohung auch unseres Lebens weiter anhält.
  1. Sehr zu hoffen ist, dass die Antwort auf die durch nichts zu rechtfertigenden Gefahren einer weiteren Eskalation aufgrund der geplanten Aufstellung der neuen Mittelstreckenraketen in Deutschland eine Auferstehung der Friedensbewegung in Deutschland sein wird, d. h. eine Friedensbewegung 2.0.
  1. Ein Kristallisationskern einer Friedensbewegung 2.0 könnte die geplante bundesweite Demonstration am 3. Oktober in Berlin sein.
  1. Caitlin Johnstone, eine bekannte unabhängige australischen Journalistin, hat die folgende nachdenkenswerte Einschätzung abgegeben, die ich zum Schluss noch anführen möchte (Übersetzung von KDK; Fußnote 21):  „Für jüngere Menschen ist es schwer zu verstehen, dass das gleiche nukleare Armageddon-Szenario, über das sich ihre Eltern und Großeltern früher Sorgen gemacht haben, immer noch existiert. Wenn jedoch eine kritische Masse der Bevölkerung wirklich verstehen würde, dass ihr Leben aus keinem anderen Grund als der Bereitschaft des US-Imperiums, alles zu riskieren, um ihre Hegemonie, d. h. ihre weltweite Vorherrschaft auf dem Planeten, zu sichern, durch einen Atomkrieg bedroht ist, würde es für die Machthaber sofort schwieriger werden, mit ihr so umzugehen, wie sie es wollen.“

Fußnoten:

  1. Annie Jacobsen: 72 Minuten bis zur Vernichtung. Atomkrieg- ein Szenario. Heyne Verlag, München 2024, S. 34
  1. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1086264/umfrage/geschaetzte-zivile-todesopfer-und-verletzte-in-hiroshima-und-nagasaki/#:~:text=Am%2006.%20und%20am%2009.%20August%201945%20z%C3%BCndete,Todesopfern%20und%20in%20Nagasaki%20zu%20etwa%2064.000%20Opfern.
  1. https://www.telepolis.de/features/Ukraine-Krieg-Einsatz-von-Atomwaffen-wieder-moeglich-7334432.html
  1. Annie Jacobsen: 72 Minuten bis zur Vernichtung. Atomkrieg- ein Szenario. Heyne Verlag, München 2024
  1. https://www.telepolis.de/features/Die-10-gaengigsten-Propaganda-Thesen-zum-Ukraine-Krieg-kurz-erklaert-9617603.html
  1. Wir werden euch nicht helfen können. Ärzte gegen den Atomkrieg. Herausgegeben von Till Bastian 1983                                                                           https://www.amazon.de/werden-nicht-helfen-k%C3%B6nnen-Atomkrieg/dp/3885920492
  1. https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/gefahr-des-einsatzes-von-atomwaffen-wieder-real/
  1. https://en.wikipedia.org/wiki/Nuclear_close_calls
  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Stanislaw_Jewgrafowitsch_Petrow
  1. https://de.richarddawkins.net/articles/frohen-petrow-tag
  1. https://www.sipri.org/yearbook/2024
  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Strategic_Arms_Reduction_Treaty
  1. Scott Ritter: Disarmament in the time of Perestroika. Arms Control and the End oft he Soviet Union. Clarity Press, 2022
  1. https://www.ippnw.de/frieden/konflikte-kriege/ukraine/artikel/de/hyperschallkriege-eine-neue-aera-des.html
  1. https://www.telepolis.de/features/Neue-Studien-zu-nuklearer-Hungersnot-7240037.html
  1. https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/ippnw-kritisiert-plaene-zur-stationie.html
  1. https://overton-magazin.de/top-story/swp-rechtfertigt-stationierung-von-us-mittelstreckenraketen-keine-grossen-zusaetzlichen-risiken/
  1. Juliane Hauschulz und Xanthe Hall: Die Stationierung von US-Raketen verschärft die nukleare Bedrohung. Jacobin 24.07.2024   https://www.jacobin.de/artikel/mittelstreckeraketen-atomwaffen-usa-deutschland-nato-gipfel-inf-vertrag
  1. https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/nukleares-armageddon-unmittelbare-und-laengerfristige-auswirkungen-eines-moeglichen-atomkriegs/
  1. https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/nuklearer-winter-laengerfristige-auswirkungen-eines-moeglichen-atomkriegs/
  1. Johnstone C. A nuklear state of denial. Consortium News, June 24, 2022  https://consortiumnews.com/2022/06/24/caitlin-johnstone-a-nuclear-state-of-denial/

Erstveröffentlichung dieses Artikels am 12.08.2024 im Overton-Magazin:

https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/frieden-durch-diplomatie-statt-weiterer-eskalation-bis-zum-atomkrieg

Autor: Klaus-Dieter Kolenda

E-Mail-Kontakt: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

Kommentar:

Ist FRIEDEN der „Schnee von gestern“?

Es gab in den 50er Jahren die „Ohne mich – Bewegung“ gegen die Remilitarisierung, es sollten „Nie wieder“ Uniformen angezogen werden und „Nie wieder“ Soldaten in den Krieg geschickt werden. Beteiligt waren neben Christ*innen und Kommunist*innen auch Mitglieder der SPD.

Gustav Heinemann (DDP, CDU und später SPD) trat 1951 wegen dem von Adenauer angestrebten Aufbau der Bundeswehr als Innenminister zurück. Martin Niemöller (Theologe und ehemaliger KZ-Häftling) regte damals eine Volksbefragung gegen die Wiederbewaffnung an, in der 6 Millionen Unterschriften gesammelt wurden.

Ist das nur „Schnee von gestern“ oder sollte man erwarten, dass Bundespolitiker*innen die Geschichte kennen? Heute reist der Kanzler des „Sondervermögens“ Scholz im Juli 2024 zum NATO-Gipfel nach Washington, begleitet von der Außenministerin und dem Kriegsminister. Dort vereinbart er mit den USA-Verantwortlichen, dass ab 2026 US-amerikanische Mittelstreckenraketen mit größerer Reichweite in Deutschland stationiert werden. Es sind Waffen mit bis zu 2.500 km Reichweite, die also weit nach Russland hinein reichen. Vielleicht hatte der Kanzler die aktuellen Berichte aus Alaska des kriegstüchtigen Boris Pistorius im Ohr. Dessen Teilnahme am Training von Kampfpiloten für Luftkriegsoperationen zur Zerstörung gegnerischer Luftstreitkräfte, Kommandozentralen und dem Abwurf von Präzisionsbomben kann Ansporn gewesen sein. Wieder in Berlin kommt vom grünen Vizeminister Habeck Unterstützung für die Stationierung, der sich nach eigenen Worten zwar „nicht leicht tue“ damit, aber …

Doch es gibt auch kritische Stimmen, einerseits aus der Bevölkerung, andererseits aus der eigenen Partei. So meinte Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender SPD, laut Spiegel vom 20. Juli: „Die Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation ist beträchtlich.“ Er möchte wenigstens darüber diskutieren. Das ficht einen Olaf Scholz nicht an. Wenn der Scholzomat erst einmal in Gang ist, macht er weiter. Er wischt, mit Pistorius im Einklang, eine Diskussion vom Tisch. Damit Scholz jedoch seine Zusage an die NATO nicht vergisst, erzählt er es seinem SPD-Präsidium. Und während in den aktuellen Landtagswahlkämpfen diese Frage bereits auch Thema ist, wird von der SPD-Spitze ein Beschluss gefasst, der dem Kanzler nach dem Munde redet.

Mit dem Titel „Wir organisieren Sicherheit für Deutschland und Europa“ wird die Zustimmung zur Rüstungspolitik der Regierung gegeben. Wichtig scheint der SPD (und dem Kanzler) der Hinweis auf die „Zeitenwende“. Der Begriff wird sowieso in den letzten Wochen wieder entstaubt, so als wolle man damit die fehlende Umsetzung der Wahlversprechen von 2021 und des Koalitionsvertrages begründen. Schließlich stehen Wahlen vor der Tür und Stimmen für die Kanzlerpartei werden dringend gebraucht.
Mit dem zweiten Satz in dem Beschluss geht es falsch weiter. „Seit dem 24. Februar 2022 wissen wir: Der Überfall eines Staates auf einen anderen in Europa ist wieder möglich.“ Ob es an der Vergesslichkeit des Kanzlers oder es verdrängt wird, richtig ist, dass bereits im März 1999 der Überfall auf einen anderen Staat in Europa erfolgte und die SPD-Grüne Bundesregierung im NATO-Krieg gegen Jugoslawien mit Bundeswehrsoldaten beteiligt war.

Tatsächlich geht es in dem Beschluss letzten Endes um die Begründung einer Rüstungs- und Kriegspolitik mit dem Ziel, sich nicht nur in der Ukraine in Stellung zu bringen, sondern einer auf lange Dauer angelegten „Wiedererlangung unserer Fähigkeit zur Verteidigung unseres Landes ...“. Dabei fehlt nicht die moralische Begründung „der SPD zur Verantwortung dafür, dass kein Kind, das heute in Deutschland geboren wird, wieder Krieg erleben muss“.

Vergessen scheint, dass diese SPD Gesetze macht, die dem Satz widersprechen mit der Abschieberealität von Familien, wenn das hier geborene Kind nicht die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Zynisch ist er auch, da Kinder in Kriegs- und Krisengebieten mit deutschen Waffen in Kriegen getötet werden und die SPD den Waffenlieferungen, sowie der Produktion deutscher Waffen in Kriegsgebieten zustimmt, wie von Rheinmetall in der Ukraine.

Im Beschluss steht: „Deutschland übernimmt in enger Absprache mit seinen Partnern eine Führungsrolle, um Sicherheit, Frieden und Freiheit in Europa zu schützen. Wir stärken die Bundeswehr und den europäischen Pfeiler innerhalb der NATO.“ Will das SPD-Präsidium suggerieren, dass nicht die Regierung, nicht der Bundestag, sondern die SPD die Rolle Deutschlands in Militarisierung und Krieg und darüber hinaus auch in Europa bestimmt? Betont wird die von Partnern anerkannte Führungsrolle Deutschlands. Mühsam wird versucht das Eskalationspotential und die von der Stationierung ausgehende Kriegsgefahr kleinzureden, die Stationierung nur als „Stärkung der Verteidigung unseres Landes“ darzustellen. Dies lässt ahnen, dass auch aus der SPD selbst mit Widerstand gegen diesen Beschluss gerechnet wird.

Im Alleingang hat der Kanzlers der Stationierung der Raketen aus den USA zugestimmt. Im Alleingang hat sein SPD-Präsidium dies bestätigt. Weder im Bundestag, in den Parteien und nicht in der Bevölkerung wurde vorher darüber diskutiert. Dennoch wird zum Ende in dem Papier festgestellt: „Unsicherheit und Sorgen vor einer militärischen Eskalation auf unserem Kontinent sind in der Bevölkerung präsent. Das erfordert eine gesellschaftliche Debatte über die Bedrohungslage und die notwendigen Schritte für unsere Sicherheit, zum Erhalt unserer Freiheit und zur Sicherung von Frieden in Europa. Diese Debatte muss offen geführt werden.“ Es wird auf „Demokratiespielen“ verkehrt herum gesetzt: Erst beschließen und danach reden.

Das scheint die Logik der SPD zu sein – denn auch Waffen werden geliefert, eingesetzt und irgendwann soll dann Diplomatie folgen und verhandelt werden. Mit solchen Nebelkerzen sollen heute die 60 % der wählenden Bevölkerung im Osten der Republik erreicht werden, die sich in Umfragen Anfang August gegen die Stationierung der Raketen ausgesprochen haben.

Zugegeben – Es gibt auch manch eingefleischte Sozialdemokraten, die Nachdenkliches schreiben. Im Oktober 2022 hat Ralf Stegner ein Thesenpapier herausgegeben „Vorrang für Diplomatie – keine Militarisierung der Politik“. In diesem stellt er auch fest: „Wir wissen nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Es gibt keine „sauberen Kriege“, die sich „nur“ gegen militärische Ziele richten und es gibt schon gar keine „Gewinner“, außer in der Waffenproduktion. Im Gegenteil: Tod und Zerstörung, Flucht und Vertreibung, Terror und Angst, Verletzungen an Körper und Seele mit lang anhaltender Traumatisierung waren und bleiben Kennzeichen auch „moderner Kriegsführung“ – und sie treffen die Zivilbevölkerung wie Soldaten. Hinzu kommen Kriegsverbrechen und Gräueltaten, zu deren konsequenter Ächtung und Verfolgung der Verantwortlichen wir uns ausdrücklich bekennen.“

Man muss nicht in Allem mit Stegner übereinstimmen. Aber beim Wort nehmen sollten wir ihn, der zum Stationierungsbeschluss seiner Partei gesagt hat: „Die Welt wird davon nicht sicherer. Im Gegenteil: Wir kommen in eine Spirale, in der die Welt immer gefährlicher wird.“ Damit es kein Zurückweichen von dieser Position gibt. Nicht in der Partei und nicht im Bundestag.

Nötig wäre es. Die politische „Elite“ der Parteien wird nicht müde ihre Begeisterung für alles, was sie für „Sicherheit und Schutz der Bevölkerung“ halten zu fördern. Es gibt öffentliche Bekundungen wie die des SPD-OB Kämpfer aus Kiel, der zum Antikriegstag 2023 eine Woche in der Kaserne Mürwik in die Marine abtauchte und danach seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zurückgab, sein Kumpel Robert Habeck tat es ihm gleich und würde heute nicht mehr verweigern. Gibt es eigentlich noch eine*n Minister*in der Bundesregierung, die nicht in einem Panzer gesessen hat oder mit Stahlhelm und Schutzweste an der Front für das Foto Modell stand?

Es bleibt dabei, dass die Bewegung gegen den Kriegskurs der Regierungen und gegen die daran verdienende Rüstungsindustrie gestärkt werden muss! Mit Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen. Zum Antikriegstag am 1. September, zum Camp und Aktionstage „Rheinmetall entwaffnen“ in Kiel vom 3. - 8. September und zum 3. Oktober auf der Demonstration für Frieden in Berlin.

Bettina Jürgensen,
erschienen auf www.kommunisten.de

Hinweise/Empfehlungen

• Wer hat den Ukrainekrieg verursacht?

Diese Frage ist seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 zutiefst umstritten. Die gängige Meinung im Westen ist, dass Putin verantwortlich ist. Sieben Hauptgründe, warum man das anders sehen kann.

Dieser Artikel erschien am 5. August 2024 auf der US-Plattform Substack. Er wurde von Klaus-Dieter Kolenda mit Erlaubnis des Autors ins Deutsche übertragen, mit einigen Zwischenüberschriften und Hervorhebungen einiger Passagen im Fettdruck versehen und wird hier in zwei Teilen veröffentlicht.

Die Antwort auf diese Frage ist von enormer Bedeutung, denn der Krieg ist aus einer Vielzahl von Gründen eine Katastrophe, von denen der wichtigste die ist, dass die Ukraine faktisch zerstört wird. Das Land hat einen beträchtlichen Teil seines Territoriums verloren und wird wahrscheinlich noch mehr verlieren, seine Wirtschaft liegt in Trümmern, eine große Zahl von Ukrainern sind Binnenvertriebene oder aus dem Land geflohen, und es hat Hunderttausende von Opfern zu beklagen. Und natürlich hat auch Russland einen hohen Blutzoll zu tragen. Auf der strategischen Ebene werden die Beziehungen zwischen Russland und Europa, ganz zu schweigen von Russland und der Ukraine, auf absehbare Zeit vergiftet sein, was bedeutet, dass die Gefahr eines großen Krieges in Europa noch lange Zeit bestehen bleiben wird, auch wenn sich der Ukrainekrieg zu einem eingefrorenen Konflikt entwickeln wird. Wer die Verantwortung für diese Katastrophe trägt, ist eine Frage, die nicht so schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden wird, und wenn überhaupt, wird sie wahrscheinlich noch wichtiger werden, wenn das Ausmaß der Katastrophe für immer mehr Menschen erkennbar wird. ... John J. Mearsheimer, Overton Magazin

https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/wer-hat-den-ukraine-krieg-verursacht/

• Wie kam es zum Ukrainekrieg?

Ein Nato-Beitritt der Ukraine wird von Russland als eine existentielle Bedrohung angesehen. Das war der USA und dem Westen schon lange bekannt, ohne dass darauf Rücksicht genommen wurde.

Zweiter Teil von Mearsheimers Analyse.

Lassen Sie mich jetzt noch einen Gang höher schalten und die drei Hauptgründe für die Annahme darlegen, dass die Nato-Erweiterung die Hauptursache für den Ukrainekrieg ist. Die Nato-Erweiterung ist Hauptursache für den Ukrainekrieg. Erstens: Die russische Führung hat vor Beginn des Krieges wiederholt erklärt, dass sie die Nato-Erweiterung in die Ukraine als existenzielle Bedrohung betrachtet, die beseitigt werden müsse. Putin gab vor dem 24. Februar 2022 zahlreiche öffentliche Erklärungen ab, in denen er diese Argumentation darlegte. In einer Rede vor dem Vorstand des Verteidigungsministeriums am 21. Dezember 2021 erklärte er: „Was sie in der Ukraine tun oder versuchen oder planen, geschieht nicht Tausende von Kilometern von unserer Landesgrenze entfernt. Es liegt vor der Tür unseres Hauses. Sie müssen verstehen, dass wir einfach nirgendwo anders hingehen können. Glauben sie wirklich, dass wir diese Bedrohungen nicht sehen? Oder glauben sie, dass wir einfach tatenlos zusehen werden, wie diese Bedrohung für Russland entsteht?” ... John J. Mearsheimer, Overton Magazin
https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/wie-kam-es-zum-ukrainekrieg/

• US-„Ukraine-Hilfe“: Selbsthilfe für die USA

„80 bis 90 Prozent der gerade für die Ukraine genehmigten Mittel werden die US-Grenzen nie verlassen“ – so bilanziert der polnische Autor Jakub Dymek (Przeglad 22. April 2024). Aber auch das ist nur die Hälfte der Wahrheit. Dymek untersucht das im April 2024 vom US-Kongress beschlossene Hilfspaket von 60 Milliarden Dollar für die Ukraine als typisch für die US-Ukraine-Hilfen: „Es sind gar nicht 60 Milliarden, es handelt sich gar nicht um Hilfe, und meistens geht es gar nicht um die Ukraine. Tatsächlich wird weniger als ein Fünftel dieser Mittel jemals die Ukraine erreichen.“ Von Werner Rügemer.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=116956

• „Umschuldung“ für die Ukraine – das große Geldverdienen kann beginnen

Private Gläubiger wie BlackRock und Co. haben sich mit der Ukraine auf einen Schuldenschnitt geeinigt. Alte Staatsanleihen im Nennwert von rund 20 Milliarden US-Dollar, für die im August Zinszahlungen fällig gewesen wären, werden nun in neue Papiere umgewandelt, die nicht vor 2027 bedient werden müssen. Dafür nehmen sie offiziell einen Verlust von 37 Prozent in Kauf. Was sich wie ein schlechtes Geschäft anhört, ist jedoch eine Wette auf die Zukunft mit Potential. Sobald der Krieg vorbei ist, beginnt der große Wiederaufbau und da wollen die Finanzkonzerne natürlich dabei sein, zumal dann die G7-Staaten, darunter Deutschland, indirekt als Bürgen für neue Schulden der Ukraine einspringen. Die Zeche zahlt am Ende der Steuerzahler, die Gewinne fließen an die Finanzkonzerne im Westen und die Ukraine wird ihre ersehnte „Freiheit“ gegen eine Schuldknechtschaft eintauschen. Von Jens Berger.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=118623

kriegstuechtig werden web

KRIEGSTÜCHTIG WERDEN ...

Bild aus der Arbeitsmappe des Arbeitskreises Aktiv gegen rechts bei ver.di München

Sagt Nein! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden

Petition unterschreiben:

https://www.change.org/p/sagt-nein-gewerkschafter-innen-gegen-krieg-militarismus-und-burgfrieden?redirect_reason=guest_user

Kieler Ratsversammlung lehnt den Antrag der Ratsfraktion DIE LINKE/DIE PARTEI ab:

Ostsee: Meer des Friedens

Kurz vor der Kieler Woche wurde auf der Ratsversammlung am 13.6.2024 von der Ratsfraktion DIE LINKE/DIE PARTEI ein Antrag gestellt: „Ostsee: Meer des Friedens“. Er wendet sich gegen Militärmanöver, Waffenexporte über den Kieler Hafen, gegen den Kieler NATO-Stützpunkt, gegen die Rüstungsproduktion in Kiel und gegen die Militärschau und Bundeswehrwerbung auf der Kieler Woche. Der Antrag übernahm dabei Forderungen des Kieler Friedensforums vom letzten Ostermarsch in Kiel und forderte der Geschichte Kiels entsprechend die Ratsversammlung auf, den Friedenswillen erst zu nehmen und das Versprechen „von Kiel soll nie wieder Krieg ausgehen“ einzuhalten.

Auch die diesjährige Kieler Woche (22.-30.6.2024) stand im Zeichen der Eskalation des Westens. Der Stellvertreterkrieg der NATO in der Ukraine stellt die Friedensbewegung vor die Aufgabe, den Militarismus, den Krieg und die Hochrüstung zu stoppen.

Auf dem größten Volksfest Nordeuropas mit 3,8 Mio. Besuchern war die NATO so stark vertreten, wie noch nie: Der Marinestützpunkt wurde von einem Großteil der NATO-Einheiten besucht, um das von den USA initiierte Militärmanöver Baltops 2024 mit 10.000 Soldaten und mehr als 50 Einheiten zu feiern. Am 4. Juni 2024 startete das Militärmanöver mit Marineeinheiten aus den USA, Deutschland, Polen, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und auch den neuen NATO-Partnern Schweden und Finnland und wollte in der gesamten Ostsee bis in Sichtweite der russischen Stützpunkte in Kaliningrad ein großes Aufgebot bieten.
Ziel sei die Abschreckung für Russlands. „Manöver wie Baltops sind Elemente der strategischen Kommunikation. Adressat ist natürlich Russland“, soll Johannes Peters, Leiter der Abteilung Maritime Strategie und Sicherheit beim Institut für Sicherheitspolitik an der UNI Kiel gesagt haben (KN 24.5.2024).

Während der Kieler Woche fand am 22./23.6.2024 dann wieder die große Militärschau „Open Ship“ statt, mit mehr als 40 Schiffen aus 16 Nationen, diesmal auch mit besonderer Präsenz der US-Marine, z.B. mit angeblich aus dem zerstörten WorldTradeCenter aus Stahl verbautem Docklandungsschiff „New York“ und anderen amphibischen Angriffsschiffen. Aber auch Segelschulschiffe aus Ecuador und Kolumbien sowie die im Marinestützpunkt beheimatete „Gorch Fock“ waren zur Aufheiterung dabei. Außerdem sollte es auch wieder die übliche Bundeswehrwerbung auf der Kieler-Woche-Meile geben. Der Friedens- und Völkerverständigungscharakter der Kieler Woche ist damit völlig verloren gegangen.
Das Kieler Friedensforum organisierte einen Antimilitaristischen Infostand am So. 23.6. am Flandernbunker, sowie Anti-Rekrutierungsaktionen am Infostand der Bundeswehr.

Auf der Ratsversammlung im Kieler Rathaus am 13.6.2024 wurde unter TOP 9.3 der folgende Antrag zur Abstimmung gestellt. Mit einer starken Reaktion der anderen Parteien musste gerechnet werden und es gab eine gute öffentliche Beteiligung aus der Friedensbewegung, sowie die zahlreiche Teilnahme nach dem Abschluss der Palestina-Demonstration von Students of Palestine, so dass die Besuchertribüne randvoll war. Den Besuchern wurde mit der sofortigen Räumung gedroht, falls es zu Unmutsäußerungen kommen sollte. Der Antrag wurde in arroganter Weise von den Ratsparteien diskutiert und mehrheitlich von GRÜNEN, SPD, CDU, AFD und SSW als weltfremd und unrealistisch abgelehnt.

Uwe Stahl (attac-GuK/Kieler Friedensforum)

 

Antrag der Ratsfraktion DIE LINKE / DIE PARTEI - Drucksache 0646/2024

1. Die Stadt Kiel setzt sich dafür ein, die Ostsee als ein Gebiet des Friedens zu fördern. Dies schließt eine Ablehnung von militärischen Übungen und Manövern ein, die den Frieden und die Stabilität in der Region gefährden könnten.

2. Die Stadt Kiel unterbindet soweit es ihr möglich ist ab sofort Waffenexporte über den Kieler Hafen. Der Kieler Hafen soll nicht mehr für den Transport von Waffen und militärischen Gütern genutzt werden.

3. Die Stadt Kiel lehnt es ab, selbst oder durch ihre Tochtergesellschaften militärische Aus- und Weiterbildungen zu unterstützen.

4. Kiel soll nicht länger NATO-Stützpunkt sein. Es wird der Stopp des Empfangs von NATO-Truppen in Kiel sowie die Auflösung des NATO-Centers COECSW in Kiel gefordert. Jegliche Zusammenarbeit mit dem nordatlantischen Militärbündnis wird abgelehnt.

5. Die Stadt Kiel spricht sich gegen Rüstungsproduktion auf ihrem Gebiet aus. Die Umwandlung der Rüstungsindustrie in menschen- und umweltfreundliche Produktion wird als Schritt zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Erreichung der CO2-Neutralität bis 2040 betrachtet.

6. Die Kieler Woche wird in eine Veranstaltung umgewandelt, die den Frieden und die Völkerverständigung in den Vordergrund stellt. Militärpräsenz und Kriegsschiffsschauen sind dabei nicht erwünscht. 

7. Die Stadt stellt grundsätzlich keine städtischen Flächen mehr für Werbe- oder Informationsstände der Bundeswehr zur Verfügung.

Sachverhalt/Begründung

Die Geschichte Kiels ist stark vom Krieg geprägt und hat darunter gelitten. Von der Novemberrevolution 1918, die den Ersten Weltkrieg beendete, bis hin zur Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg, war Kiel immer wieder Schauplatz militärischer Aktivitäten. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss die Stadt, dass von Kiel nie wieder Krieg ausgehen dürfe.
Kiel gehört zu den „Mayors for Peace“, einem Bündnis von Städten, das sich gegen den das atomare Wettrüsten und für den Frieden einsetzt. In diesem Sinne fordern wir, dass die Stadt Kiel ihren Friedenswillen ernst nimmt und konkrete Maßnahmen ergreift. Dazu gehören der Stopp von Waffentransporten über den Kieler Hafen und die Forderung, dass die Kieler Woche ohne Kriegsschiffsschau stattfinden und stattdessen für Frieden und Völkerverständigung stehen sollte. Die Ostsee war immer ein strategisch wichtiger Ort, sollte aber ein Meer des Friedens sein. Eine friedliche Nutzung dieses Meeres fördert die Sicherheit und Stabilität in der gesamten Region und schützt die Umwelt. Von Kiel muss wieder Frieden ausgehen. Die Ausbildung ausländischer Militäreinheiten in Kiel und die Nutzung des Kieler Flughafens für militärische Übungen lehnen wir ab. Zudem soll Kiel nicht länger ein Stützpunkt der NATO sein, da dieses Militärbündnis wiederholt völkerrechtswidrige Kriege geführt hat.
Um den Klimawandel zu bekämpfen und die CO2-Neutralität bis 2040 zu erreichen, muss die Rüstungsproduktion in Kiel eingestellt werden. Die Kieler Woche soll sich für Frieden und Völkerverständigung einsetzen und keine Bühne für Militär und Kriegsschiffe bieten.
 
gez. Ratsmitglied Tamara Mazzi
Ratsfraktion DIE LINKE/DIE PARTEI

Krieg und Umwelt:

Der alltägliche Wahnsinn

Militär und Krieg sind nicht nur eine Beleidigung der Vernunft und eine Tragödie für das Zusammenleben auf unserem kleinen, an Problemen nicht armen Planeten. – Sie sind auch eine ungeheure Verschwendung von Ressourcen und zudem eine gewaltige Belastung für die Umwelt: 2.443 Milliarden US-Dollar (2,219 Billionen Euro) wurden 2023 weltweit für Rüstung, Militärapparate und Kriege ausgegeben, schreibt das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) in seinem Jahresbericht 2024. Grob geschätzt wurden davon 1,3 Billionen Euro von den USA und ihren Verbündeten aufgebracht. Würde diese Summe jährlich für die Anpassung an den Klimawandel und zur Verhinderung der weiteren Erhitzung des Planeten aufgewendet, so wäre das Problem binnen weniger Jahrzehnte aus der Welt geschafft und vermutlich zugleich auch noch Armut und Hunger.

Davon abgesehen tragen auch die Militärapparate direkt zum Problem bei, wenn auch nicht in so großem Umfang, wie in der hiesigen Friedensbewegung manchmal angenommen. Die Bundesregierung schreibt in ihren Klimaberichten an das Sekretariat der UN-Klimaschutzrahmenkonvention von jährlich 282.000 bis 482.000 Tonnen CO2-Äquivalenten für den Zeitraum 2018 bis 2020. Nicht enthalten darin sind Emissionen der Bundeswehr im Ausland, zum Beispiel auf ihren Kanonenbootfahrten vor die chinesische Küste.

Derweil kommt eine vom britischen Think-Tank Common Wealth gemeinsam mit dem US-amerikanischen Climate and Community Project durchgeführte Studie zu dem Ergebnis, dass das britische und das US-amerikanische Militär zwischen 2015 und 2022 474 Millionen Tonnen CO2 verursacht haben. Zum Vergleich: Das wäre rund 70 Prozent der deutschen Treibhausgasproduktion in 2023. Allerdings verteilen sich die genannten Militäremissionen über acht Jahre. Sie sind also nicht gerade exorbitant groß, aber auch nicht zu vernachlässigen. Für den Schaden, den eine Tonne CO2 anrichtet, setzte die Studie 234 US-Dollar an und kommt damit zu dem Schluss, dass die USA und Großbritannien den Ländern des Südens 111 Milliarden US-Dollar (101 Milliarden Euro) an Kompensation schuldet.

Derweil schaden Militär und Kriege nicht nur dem Klima, sondern verseuchen zum Beispiel Landschaften durch Atombombenversuche, wie sie die USA auf dem Bikini-Atoll oder Frankreich in Algerien oder unter dem Muroroa-Atoll unternommen haben. Auch die zahllosen Militärstützpunkte, die vor allem die USA aber auch Großbritannien und Frankreich in aller Welt unterhalten – zusammen sind es rund 900 –, sind oft mit massiven Umweltzerstörungen verbunden. In der Nachbarschaft des US-Stützpunktes Vieques auf Puerto Rico führen zum Beispiel jahrzehntelange Verschmutzung der Umwelt mit Chemikalien unter den Anwohnern zu einem Anstieg der Herzkreislauf- und Atemwegserkrankungen, wie die britische Zeitung „Guardian“ berichtet.

Manchmal wird auch einfach die Bevölkerung für die Stützpunkte vertrieben, sodass keiner mitbekommt, was die Militärs treiben und wo sie ihre nicht selten giftigen Abfälle lassen. So geschehen etwa auf der Insel Diego Garcia im Indischen Ozean, die Großbritannien seit den 1970ern an die USA verpachtet hat, nachdem die örtliche Bevölkerung zwangsweise umgesiedelt wurde. Auf der japanischen Insel Okinawa, wo die USA rund 30.000 Soldaten unmittelbar vor der chinesischen Küste stationiert haben, ist es nicht ganz so einfach. Dort wehrt sich die Bevölkerung schon seit mehr als zwei Jahrzehnten gegen einen neuen Stützpunkt, der unter anderem wichtige Korallenriffe zerstören würde.
Besonders schlimm sind für die Umwelt natürlich die Auswirkungen von Kriegen. Als im Juni 2023 in der Ukraine der Kachowkadamm am Dnieper gesprengt wurde – woran sich seinerzeit die Konfliktparteien gegenseitig die Schuld gaben – kam es am Unterlauf zu weitreichenden Überschwemmungen. Betroffen waren auch allerlei Fabriken, Tankstellen, Müllhalden, Kläranlagen und ähnliches, sodass sich ein wahrer Giftcocktail ergab.

Ob der allerdings mit den Hinterlassenschaften der US- und NATO-Kriege auf dem Balkan und im Irak – an letzterem beteiligte sich auch die Ukraine – mithalten kann, ist fraglich. Truppen Großbritanniens und vor allem der USA verschossen dort in großem Umfang besonders durchschlagskräftige Munition, die mit abgereichertem Uran ummantelt war. Dies ist zwar nur relativ schwach radioaktiv, verteilt sich jedoch beim Aufprall sehr fein und kann daher eingeatmet werden. Entsprechend haben im Irak die Krebsraten nach dem Krieg zugenommen und der Sender „Al Jazeeras“ berichtet, dass dortige Ärzte die Hinterlassenschaften der neuartigen Munition mit Missbildungen von Neugeborenen und einer Reihe neu auftretender Erkrankungen der inneren Organe und des Immunsystems in Verbindung bringen.

Das alles ist jedoch nichts im Vergleich zu einem nuklearen Winter, den ein Atomkrieg auslösen könnte. Neuere Studien zeigen, dass schon ein begrenzter Schlagabtausch zwischen Indien und Pakistan die Temperaturen über weiten Teilen Eurasiens und Nordamerika für mindestens ein Jahr um 10 Grad und mehr absenken würde, mit den entsprechend katastrophalen Folgen für die Welternährung. Ein nuklearer Krieg zwischen der NATO und Russland würde die Welt für mehrere Jahre zu einem Eisplaneten machen. Die großen Mengen bis in die Stratosphäre aufgewirbelten Staubs würden das Sonnenlicht so weit abschirmen, dass auch im Sommer die Temperaturen nicht über null Grad Celsius stiegen. (wop)

Infoveranstaltung am Do., 5. September mit Dr. Shir Hever:

Schaffen deutsche Waffen für Israel Frieden und Gerechtigkeit in Nahost?

Informations- und Diskussionsveranstaltung am Do., 5. September 2024 um 19.00 Uhr, Werftpark Kiel, im Rheinmetall-Entwaffnen-Camp (findet nicht wie geplant an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, CAP3, Hörsaal 2, Christian-Albrechts-Platz 3 statt) mit Dr. Shir Hever von der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“

Nach der Staatsgründung von 1948 waren die USA die erste Schutzmacht des Staates Israel. In deren Windschatten wurde die junge Bundesrepublik zu einer wichtigen Unterstützerin Israels. Reparationen, Waffenlieferungen und Finanzmittel halfen vor allem den in der BRD Regierenden selbst – als kostengünstiges Konjunkturprogramm (bezahlt wurde mit Waren der deutschen Industrie), vor allem aber als Eintrittsbillett für die „zivilisierte Welt“ (wo eine Verständigung mit Israel als Voraussetzung galt - nach dem Holocaust, den der deutsche Faschismus an den Juden begangen hatte).
Insbesondere bis zum 1967er-Krieg nahm die BRD ihre „Schutzmachtrolle“ gegenüber Israel exponiert wahr - erst danach übernahmen die USA diese Rolle voll und ganz. Die Bundesrepublik lieferte und liefert vor allem existentielle Militärgüter nach Israel, bis hin zu hochmodernen U-Booten der Dolphin-Klasse, die atomar bestückt werden können – gebaut auf der Kieler TKMS-Werft. Deutschland ist nach den USA Israels zweitgrößter Waffenlieferant. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums hat Deutschland im Jahr 2023 zehnmal so viele Rüstungsgüter an Tel Aviv übergeben wie im Vorjahr, darunter Kriegswaffen im Wert von 20 Millionen Euro. Die allermeisten Genehmigungen wurden nach Beginn des Kriegs im Gazastreifen erteilt.

Internationaler Gerichtshof: Israel ist ein Apartheidstaat

Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen (IGH), hat am 19. Juli 2024 in einem Gutachten festgestellt, was palästinensische, israelische und internationale Menschenrechtsorganisationen seit Jahren immer wieder betont haben: Israels Besatzung palästinensischen Landes – Westjordanland, Ost-Jerusalem und Gaza – ist illegal und muss beendet werden. Die Besatzung zielt der Einschätzung des Gerichts zufolge auf permanente Kontrolle und kommt somit einer Annexion gleich. Auch Israels Siedlungspolitik, ein Kernelement der Besatzung, ist demnach illegal. Konkret benannt wurden im Gutachten Landbeschlagnahmungen sowie die Ausweitung israelischer Rechtssprechung und Infrastruktur auf israelische Siedler. Mehr noch: Israels Praktiken in Palästina konstituieren in den Augen der Mehrheit des Gerichts Apartheid – genauer: einen Verstoß der Internationalen UN-Antirassismuskonvention, die Rassentrennung und Apartheid verbietet. Konkret forderte der IGH in seinem Gutachten auch umfassende Reparationen und ein Rückkehrrecht für Palästinenser, die seit Beginn der Besatzung 1967 zwangsvertrieben wurden.

Israels Krieg in Gaza

Es steht heute außer Frage: das militant-zionistische Netanjahu-Regime ist dabei, systematisch jeden Aspekt des palästinensischen Lebens in Gaza auszulöschen. Nach offiziellen Angaben hat Israel inzwischen fast 40.000 Palästinenser direkt getötet, vor allem Frauen und Kinder. Tausende weitere liegen ungezählt unter den Trümmern. Die tatsächliche Zahl der Toten infolge der Bombardierungen, der Hungerblockade, des Abschneidens von Trinkwasser, der systematischen Zerstörung der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen, der katastrophalen hygienischen Zustände mit der Folge von Epidemien liegt weit über den vom Gesundheitsministerium in Gaza bekanntgegebenen und von der UN übernommenen Zahlen. Der Mangel an sauberem Trinkwasser, zerstörte Abwassersysteme, zerbombte sanitäre Einrichtungen und ein zerstörtes Gesundheitssystem führen zur epidemischen Ausbreitung von Krankheiten wie Hepatitis, Cholera, Polio und Meningitis, die Tausenden Palästinenser:innen das Leben kosten.

Der Referent:
Dr. Shir Hever ist 1978 in Israel geboren und aufgewachsen. Nach dem Studium in Tel-Aviv promovierte er in Berlin in Politikwissenschaft über die Privatisierung der israelische Sicherheit. Er forscht zur Ökonomie der israelischen Besatzung und zu Waffenlieferungen Deutschlands an Israel. Veröffentlichungen: Die Politische Ökonomie der israelische Besatzung (2014) und The Privatization of Israeli Security (2017). Dr. Shir Hever ist Mitglied der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“.

Veranstalter: Griechenland-Solidaritätskomitee Kiel, Students for Palestine, Chefduzen

Einladung zur Lesung mit PATRIK BAAB:

AUF BEIDEN SEITEN DER FRONT

Meine Reise in die Ukraine
PATRIK BAAB stellt sein Buch vor.

Patrik Baab hat die Ukraine bereist – den Westen vor Beginn des Krieges, den Osten nach dem russischen Einmarsch. Gemäß der journalistischen Handwerksregel „audiatur est Altera pars“ – auch die andere Seite soll gehört werden – hat er auf beiden Seiten der Front recherchiert.
Patrik Baab kennt die Schicksale der Bauern und Wanderarbeiter, der Soldaten und ausgebombten Zivilisten. Er erzählt die Geschichte hinter den Schlagzeilen und der Propaganda: vom Maidan-Putsch 2014 über den Bürgerkrieg im Donnas zum Stellvertreterkrieg zwischen Russland und der NATO.
Das Buch zeigt die politischen Interessen und den geostrategischen Konflikt, um den es in Wahrheit geht. Es ist ein Poker am Rande eines Atomkriegs mitten in Europa – ein Tanz auf dem Vulkan.

Freitag, 6. September 2024, 19.00 Uhr

Veranstaltungs-Zentrum Kiel, Großer Saal, Faluner Weg 2, 24103 Kiel

Veranstalter: DFG-VK: Gruppe Kiel - Exerzierplatz 19 - 24103 Kiel

Aufruf zu einer bundesweiten Friedensdemonstration am 3. Oktober in Berlin:

Nein zu Krieg und Hochrüstung!
Ja zu Frieden und internationaler Solidarität.

nein zu kriegen 03 10 24

Die Situation in Europa und Nahost entwickelt sich gefährlich in Richtung Großkrieg. Statt sich für Frieden einzusetzen, liefert der Westen – einschließlich der Bundesregierung – immer mehr Waffen und beschleunigt die Eskalation durch die Erlaubnis, diese auch gegen russisches Gebiet einzusetzen. Atomwaffen werden wieder einsatzfähig gemacht. Die deutsche Regierung rüstet auf wie nie zuvor. Wir alle sollen kriegstüchtig gemacht werden. Eine „neue“ Wehrpflicht droht. Das Geld für die Hochrüstung fehlt bei Krankenhäusern und Pflege, Rente und Sozialleistungen, Bildung und Kitas, Bahn und Nahverkehr. Globale Herausforderungen, die weltweit nur gemeinsam gelöst werden können, um den Generationen, die uns folgen, eine lebenswerte Welt zu erhalten, werden nicht in Angriff genommen.

Den Frieden gewinnen – jetzt oder nie!

Deshalb:
Verhandlungen zur sofortigen Beendigung des Krieges in der Ukraine und in Gaza!
• Keine Waffenlieferungen an die Ukraine, Israel und in alle Welt!

Atomwaffen raus aus Deutschland und Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen!
• Keine Modernisierung der Atomwaffen und keine atomare Teilhabe!

Friedenserziehung an Schulen und Aufrechterhaltung der Zivilklausel an Universitäten und Hochschulen!
• Keine Bundeswehr an Schulen und keine „neue“ Wehrpflicht!

Recht auf Kriegsdienstverweigerung überall!
• Keine Zwangsrekrutierung!

Abrüstung! Geld in Bildung, Gesundheitswesen, Klimaschutz und Infrastruktur investieren, Sozialstaat ausbauen!
• Keine Milliarden in die Rüstung!

Demokratischen Meinungsaustausch fördern, sachliche Berichterstattung ermöglichen!
• Keine Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit!

Frieden und Sicherheit gehen nur gemeinsam. Es ist kurz vor 12! Widerstand und Protest – jetzt! Geht auf die Straße, bildet Initiativen, wehrt euch, seid kreativ, wehret den Anfängen, die schon längst keine mehr sind!

Kommt alle zur bundesweiten Friedensdemonstration am 3. Oktober um 13 Uhr nach Berlin!

Es liegt an uns!

Initiative „Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder“

Yusuf As, Reiner Braun, Wiebke Diehl, Andreas Grünwald, Rita-Sybille Heinrich, Jutta Kausch-Henken, Ralf Krämer, Willi van Ooyen, Christof Ostheimer, Peter Wahl

Mit Stand vom 18.08.2024 haben bisher weitere 1183 Gruppen und Einzelpersonen angegeben, dass Sie die Friedensdemonstration am 3. Oktober in Berlin aktiv unterstützen werden.Dazu zählen beispielsweise:

Dr. Dietmar Bartsch (MdB), Prof. Heinz Bierbaum (Vors. der RLS), Prof. Peter Brandt, Prof. Michael Brie, Prof. Christoph Butterwegge, Sevim Dagdelen (MdB), Özlem Demirel (MdEP), Eugen Drewermann, Ulrike Eifler (Gewerkschaftssekretärin), Sefariye Eksi (DIDF-Bundesvorsitzende), Dr. Petra Erler, Lühr Henken (Co-Sprecher Bundesausschuss Friedensratschlag), Matthias Jochheim (IPPNW), Patrik Köbele (DKP), Christian Leye (MdB), Gesine Lötzsch (MdB), Prof. Birgit Mahnkopf, Amira Mohamed Ali (BSW-Co-Vorsitzende), Michael Müller, Zaklin Nastic (MdB), Sören Pellmann (MdB), Mehmet Perişan (Vorsitzender IG BAU Köln / Bonn), Prof. Werner Ruf, Helga und Reinhard Schwitzer, Werner Siebler (DGB-Vorsitzender Freiburg), Prof. Wolfgang Streeck, Jessica Tatti (MdB), Ceyda Tutan (Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e.V.), Günter Verheugen, Dr. Michael von der Schulenburg (MdEP), Sahra Wagenknecht, Ayhan Zeytin (BR ArceloMittal, IG Metall) …

https://nie-wieder-krieg.org/nein-zu-krieg-und-hochruestung/

sagt NEIN orgKeine Waffenlieferungen! Keinerlei Aufrüstung!
sondern Abrüstung – SOFORT! 


Unsere Haltung ist und bleibt antimilitaristisch und international.


WIR ZAHLEN NICHT FÜR EURE KRIEGE!
WAFFEN RUNTER – LÖHNE RAUF!


Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden
www.sagtnein.org

 

 

Petition:

https://www.change.org/p/sagt-nein-gewerkschafter-innen-gegen-krieg-militarismus-und-burgfrieden?redirect_reason=guest_user

AN ALLE GEWERKSCHAFTSMITGLIEDER


insbesondere aber an die Delegierten des ver.di-Bundeskongresses 


SAGT NEIN!

Nachdem der DGB-Bundeskongress 2022 auf Betreiben des DGB-Bundesvorstandes und unter Bruch unserer Satzungen und Beschlüsse das „Ja! zu Waffenlieferungen“ beschlossen hat, soll dies jetzt auf Initiative des ver.di-Vorstandes, unterstützt durch den Gewerkschaftsrat auch auf dem ver.di-Bundeskongress nachvollzogen werden: Ja! zu einer Kriegslogik, die unter dem Deckmantel eines sogenannten „umfassenden Sicherheitsbegriffs“ ausdrücklich „militärische Sicherheit“, indirekt  „Auf- und Hochrüstung“  und Kriegseinsätze auch deutscher Soldat:innen befürwortet – „was zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung erforderlich ist“ und  das alles unter der den wahren Kern verschleiernden Überschrift: „Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung in einer Welt im Umbruch“.  (Alle in Anführung gesetzten kursiven Passagen sind Originaltext des Leitantrages )
Mit vielen Worten und dem Appell an die „besondere Verantwortung“ der Regierenden garniert, sollen die DelegiertEn die Hand heben für den Schulterschluss der Gewerkschaften mit der deutschen Regierung, insbesondere für die militärische Unterstützung der Ukraine. Heute sind dies Waffenlieferungen bis hin zu weltweit geächteten Streubomben, morgen können das schon Soldat:innen sein! Das 100 Milliarden-Hochrüstungsprogramm wird nur teilweise abgelehnt, weil es „ausschließlich für die Bundeswehr“ ist; weil dieselbe Regierung nach wie vor unbeirrt und ungeniert mit demselben neoliberalen Austrocknungsprogramm der Öffentlichen Daseinsvorsorge fortfährt, so wie alle ihre Vorgängerregierungen; die „Auf- und Hochrüstung der Bundeswehr und NATO“ soll lediglich „nicht grenzenlos“ sein. 
Das ist der finale Kniefall vor militaristischer Logik und das genaue Gegenteil von unserer elementaren gewerkschaftlichen Grundüberzeugung: Uns eint die Ablehnung eines Denkens in militärischen Kategorien. Diese wird in das Gegenteil verkehrt durch die Einfügung eines kleinen Wortes: „Uns eint die Ablehnung eines Denkens in rein militärischen Kategorien.“
Wir, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter von ver.di, IG Metall und anderen DGB-Einzelgewerkschaften, wenden uns an die DelegiertEn des ver.di-Bundeskongresses:

SAGT NEIN! 


Hebt Eure Hand nicht für einen erneuten Schulterschluss der Gewerkschaften mit dem deutschen Kriegskurs!

Wir haben nicht vergessen, was 1914 geschah: Die Gewerkschaftsführungen in ganz Europa schickten unter Bruch aller vorherigen Beschlüsse ihre Mitglieder in den Krieg – angeblich `gegen den russischen Despoten-Zaren`, tatsächlich aber für den Profit von Krupp, Thyssen und Co. Konsequenterweise wurde in `Wahrnehmung der nationalen Verantwortung für Volk und Vaterland` der sogenannte `Burgfrieden` erklärt, und jede Klassen- und Arbeitskampfauseinandersetzung eingestellt, die Streikunterstützung ausgesetzt.

SAGT NEIN!

zum Leitantrag für den ver.di-Bundeskongress

• der mit seinem "Ja! zu Waffenlieferungen" gegen unsere Satzung verstößt, die uns in § 5, Ziff 3, lit. i dazu verpflichtet „militaristische Tendenzen (zu) bekämpfen“, und alle unsere bisherigen klaren und deutlichen Beschlusslagen gegen Waffenlieferungen missachtet.
• der mit seinem "Ja! zu Auf- Und Hochrüstung" gegen unsere Grundsatzerklärung verstößt und damit unsere tausendmal bekräftigte Haltung für "allgemeine Abrüstung" und das "Recht aller Menschen auf Schutz vor Verfolgung, Folter und Krieg" zum "Geschwätz von gestern" macht.
• der so tut, als sei mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine erstmals seit 1945 wieder Krieg in Europa, und damit den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 "übersieht", die unter deutscher Beteiligung 78 Tage lang Tag und Nacht bombardiert wurde.
Wer dies alles "vergisst" macht sich zum Teil der deutschen Kriegspartei. Wer meint, es gehe bei den aktuellen Kriegen weltweit um "Freiheit" oder "Diktatur", "Aggression" oder "Selbstverteidigung" oder gar um "Völker- und Menschenrecht", ist der beiderseitigen Kriegspropaganda bereits auf den Leim gegangen. Um all das ging es in der Geschichte noch nie und geht es eben gerade nicht.
Darum lasst uns an den Beschlüssen der vergangenen Jahre festhalten.


Keine Waffenlieferungen! Keinerlei Aufrüstung! … 
sondern Abrüstung - SOFORT! 
Unsere Haltung ist und bleibt antimilitaristisch und international.
Für uns kann es als Lehre aus der eigenen Geschichte nur einen Beschluss geben:
• Unsere Zukunft ist nicht an der Seite der deutschen Regierung oder irgend einer anderen Kriegspartei.
• Unsere Zukunft ist an der Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter, die in Italien und Griechenland gegen Waffenlieferungen kämpfen, und an der Seite der Kolleg:innen in Frankreich, Großbritannien und weltweit, die immer wieder gegen den Krieg und die Abwälzung der Krisen- und Kriegskosten auf uns Alle streiken.
• Unsere Solidarität gehört den Arbeiter:innen, Kriegsdienstverweiger:innen, Deserteur:innen und den Flüchtlingen aus und in der Ukraine, Russland, Belarus und weltweit!

Offener Bruch mit dem «sozialen Frieden» der Herrschenden:


WIR ZAHLEN NICHT FÜR EURE KRIEGE! 
WAFFEN RUNTER – LÖHNE RAUF!

Dafür lasst uns gemeinsam und organisiert kämpfen!

Erstunterzeichner:innen: Heinz Assenmacher, ver.di, Bonn - Dario Azzellini, Sozialwissenschaftler und Autor, ver.di, Berlin - Renate Bayer, Mtgld. ver.di- LBzV Bayern, LFBV FB C, VLL TU München, München - Pablo Bonta, BR-Vors. MMC Studios, Köln - Andreas Buderus, ver.di / ZAKO, Berlin - Clare Daly, MdEP (GUE/NGL), Dublin - Gregor Falkenhain, ehem. ver.di-Gewerkschaftssekretär, Solingen - Gaby Gedig, AK  gegen rechts in ver.di, München - Ingrid Greif, ver.di BuKo-Delegierte, München - Barbara Haase, ver.di-BuKo-Delegierte, München - Stefan Hetzler, ver.di-VLL MVG/SWM Verkehr, München - Kerstin Hohner, ver.di, sv. GPR-Vors. AOK Bayern, Bamberg  - Angela Keil, ver.di, Köln - Hedwig Krimmer, Gewerkschaftssekretärin i.R., Mitinitiatorin von "Wir widersprechen" 2013/2014, München - Albert Leuschner, ver.di- Orts- und BzV Eckernförde/Nordwest, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Rieseby - Alfons Lukas, ver.di-LBzV Hamburg, Hamburg - Norbert Müller, GEW, Schwäbisch Gmünd -  Andreas Münnich, AK  gegen rechts in ver.di, München - Robert Neumayer,  ver.di BuKo-Delegierter, Mtgld. ver-di BzV München, VLL Postbank München, München - Hinrik von Normann, ver.di, Bonn - Tobias Pflüger, ver.di, ehem. MdB u. MdEP (LINKE), München - Margit Rötzer, Mtgld. ver.di- OVV Regensburg, Regensburg - Jürgen Scheidle, ver.di, Bonn - Ulrich Schneider, ver.di/ZAKO, GEW, Bundessprecher VVN – BdA, Generalsekretär der FIR - Bund der Antifaschisten, Kassel - Peter Schrott, Mtgld. ver-di Bundessenior:innenV, Berlin - Jürgen Senge, Landesbetrieb Information und Technik, ver.di-BuKo-Delegierter, Mtgld. Präsid. ver.di-Bz Düssel-Rhein-Wupper u. Präsid. ver.di-OV Düsseldorf, Düsseldorf - Bernhard Trautvetter, Publizist, pens. Lehrer, GEW u. ver.di, Essen - Gudrun Uszkoreit, Mtgld. ver.di-Senior*nnen, München - Mick Wallace, MdEP (GUE/NGL), Wexford -  Jürgen Wagner,  geschäftsführendes Vorstandsmitglied Informationsstelle Militarisierung IMI, Tübingen - Günter Wangerin, Maler und Grafiker,  VBK in ver.di, München -  Frank Weidermann, GdS, Erfurt - Steffen Wieland, ver.di, Chemnitz - Mag Wompel, LabourNet Germany, Bochum - Irene Zeyn-Haben, ver.di, Düsseldorf - Informationsstelle Militarisierung (IMI), Tübingen

Ostermarsch Kiel, Ansprache des Kieler Friedensforum an die Stadt Kiel:

Wenn man wirklich etwas gegen Krieg machen will, muss man vor Ort anfangen!

Ostermarsch Kiel 2024 2

Liebe Friedensbewegung - Liebe Kielerinnen und Kieler, Herr Oberbürgermeister und liebe Kieler Ratsversammlung!

Wenn man wirklich etwas gegen Krieg machen will, muss man vor Ort anfangen!

Alle älteren Kielerinnen und Kieler wissen es: Die Geschichte Kiels ist extrem stark vom Krieg geprägt und hat stark darunter gelitten.

Kiel hat schon viel erlebt:
- Ein gutes Beispiel von weltweiter Bedeutung: Die Novemberrevolution 1918, wo durch den Aufstand der Marinesoldaten in Kiel der Erste Weltkrieg beendet wurde und Arbeiterräte in Kiel die Macht übernahmen.
- Aber als dann wenige Jahre später Nationalsozialisten an die Regierung kamen, wurde die Kiel zum Reichskriegshafen erklärt und militärisch aufgerüstet. Mit schweren Folgen für die Menschen weltweit.
- Für den Zweiten Weltkrieg produzierte Kiel mörderische und heimtückische Waffen, also z. B. U-Boote in großer Zahl und schickte sie zum Morden in die Welt.
- Dann, 1945 zum Endes Krieges, war die Stadt zu 80 % zerstört und alles lag in Schutt und Asche, viele Millionen Menschen starben durch das deutsche Weltmachtstreben.
- Die gesamte Rüstungsindustrie und die Werften wurde in Kiel von den Alliierten demontiert, damit von Kiel nie wieder Krieg ausgeht.
- Unsere Stadtvertreter haben damals gesagt: Kiel soll nie wieder Kriegsstadt werden und deshalb auch keine Rüstungsproduktion mehr stattfinden und auch kein Militärstandort sein. Damit war es dann 1952 schon wieder vorbei.
- Aber in Erinnerung an die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki wurde die Stadt Kiel Teil der „Mayors for Peace“, um vor einem nuklearen Rüstungswettlauf zu warnen und als Friedensbotschafterin ein sichtbares Zeichen zu setzen und das Kieler Friedensforum führt einmal jährlich eine gemeinsame Veranstaltung im Hiroshimapark durch.

Jetzt fordern wir, dass die Stadt den Friedenswillen erst nimmt!

Herr Oberbürgermeister und liebe Kieler Ratsversammlung!

• Die Ostsee muss ein Meer des Friedens sein! Von Kiel muss wieder Frieden ausgehen!

• Wir fordern den sofortiger Stop aller Waffentransporte über den Kieler Hafen.

• Keine weiteren Waffenexporte aus Kiel, nicht in die Ukraine und auch nicht nach Ägypten, Arabischen Emirate, Israel, Türkei oder anderswo hin.

Aber es gibt nicht nur die Waffenlieferungen über den Kieler Hafen. Auch der Flughafen Kiel ist beteiligt an der Ausbildung von ukrainischen Militäreinheiten mit Schießübungen in der Howachter Bucht bei der Flugabwehrraketengruppe 61 der Bundeswehr in Todendorf. Hier trifft sich in einem neuen Trainingscentrum seit 2024 Europas Militär zum Üben an dem neuen Raketenabwehrsystem IRIS-T. Für die Übungseinsätze starten mehrmals täglich vom Kieler Flughafen mehrere Zielkörperflugzeuge. Wir lehnen diese Kriegsbeteiligung ab.

• Keine Ausbildung von ausländischen Militäreinheiten !

Der Kieler Marinestützpunkt ist gleichzeitig auch ein Ausrüstungshafen für die NATO. Die NATO ist ein Militärbündnis unter der Führung der USA und hat diverse völkerrechtswidrige Kriege initiert, in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen.
Wir lehnen jegliche Zusammenarbeit mit dem nordatlantischen Kriegsbündnis ab und verurteilen deren völkerrechtswidrige Kriegspläne und weltweite Regimechange-Aktionen.

• Kiel soll nicht länger NATO-Stützpunkt sein und wir fordern den Stopp des Empfangs von NATO-Truppen in Kiel, sowie die Auflösung der NATO-Centers COECSW in Kiel.

Propaganda für die NATO-Kriegspolitik betreibt auch die Kieler Universität. Dazu fordern wir insbesondere die

• Schließung des Instituts für Sicherheitspolitik an der UNI Kiel.

Wir fordern stattdessen:

- Ein Friedensforschungsinstitut an der CAU
- Friedenserziehung als Unterrichtsfach an Kieler Schulen
- Bundeswehr raus aus der Schule

Die Stadt Kiel braucht insgesamt die Rückkehr zu einer Friedensstadt

- ohne Rüstungsproduktion und ohne Waffenexporte

Die Rüstungsindustrie umzuwandeln in menschen- und umweltfreundliche Produktion wäre ein zeitgemäßer Schritt um dem Klimawandel gerecht zu werden und den immensen CO2-Ausstoß durch Rüstung und Militär zu beenden, der ca. 5% der weltweiten Emissionen ausmacht. Wenn Kiel den Masterplan für die CO2-Neutralität bis 2040 erfüllen will, wird das nur ohne die Rüstungsproduktion realisierbar sein.
• Stopp der Rüstungsproduktion in Kiel

Auch für die Kieler Kulturmeile: Wir fordern konkret:

• Eine Kieler Woche für Frieden und Völkerverständigung !
• Keine Militär- und Kriegsschiffschau auf der Kieler Woche !
• Bundeswehrwerbung auf der Kieler Woche verbieten !

Um eine weitere Eskalation zwischen Russland und dem Westen, einen 3. Weltkrieg oder etwas Schlimmeres zu vermeiden, fordern wir die Bundesregierung auf, alles zu tun um den Ukraine-Krieg zu stoppen:

• Sofortiger Waffenstillstand ! Verhandeln statt schießen!
• Keine weiteren Waffenlieferungen und stattdessen ernsthaftes diplomatisches Engagement für eine Deeskalation.
• Stop der Kampfhandlungen in der Ukraine und Einfrieren des Ukraine-Konfliktes auf der Basis des Abkommens Minsk II.

Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt die kriegstreibende Politik der Bundesregierung ab und fordert das Recht ein, in Frieden zu leben!

Statt 100 Mrd. für Militäraufrüstung und Kriegsmobilmachung brauchen wir wieder eine Abrüstung der Bundeswehr.

Statt horrender Summen für Waffen und Militär benötigen wir mehr Geld für Bildung, Gesundheit, Klima und ein solidarisches Sozialsystem.

Wir benötigen dringend eine Zusammenarbeit von Friedensbewegung, der gewerkschaftlichen- und sozialen Bewegungen und der Klimagerechtigkeitsbewegung um die wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben wieder in den Vordergrund zu bringen.

Es geht um das Überleben von Mensch und Natur – und es geht auch um Menschlichkeit.

Ostermarsch Kiel 2024 Plakat

Unsere aktuellen Forderungen an die Stadt Kiel:

• Keine Waffenexporte über den Kieler Hafen
• Keine Rüstungsproduktion
• Friedenserziehung als Unterrichtsfach an Kieler Schulen
• Bundeswehr raus aus der Schule
• Schließung des ISPK an der Uni Kiel
• Für ein Friedensforschungsinstitut an der CAU
• Kieler Woche für Frieden und Völkerverständigung und ohne Militärpräsenz

Redebeitrag von Uwe Stahl für das Kieler Friedensforum auf dem Ostermarsch 30.03.2024 auf dem Kieler Rathausplatz