Daten/Fakten  

   

Camp gegen Krieg im Kieler Werftpark ab 3. September 2024:

Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen“ kündigt Veranstaltungen gegen Militarisierung an

Das antimilitaristische Camp „Rheinmetall Entwaffnen“ wird vom 3. bis 8. September im Kieler Werftpark seine Zelte aufschlagen. Unter dem Motto „Krieg beginnt hier! Rheinmetall entwaffnen – Waffenexporte verhindern“ ist die Versammlung bei der Ordnungsbehörde angemeldet. Der Veranstalter, das antimilitarische Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen“ rechnet mit 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. „Wir laden Anwohner:innen und Antikriegs-Aktivist:innen aus aller Welt zu einem vielfältigen inhaltlichen Programm ein“, erklärt Fiona Brinkmann von RheinmetallEntwaffnen.

Am Dienstag, den 3. September startet das inhaltliche Camp-Programm. Dazu gehören kulturelle Formate wie das Theaterstück „Hoppla, wir sterben! Rheinmetall: Eine deutsche Geschichte“ von Theater X aus Berlin. Ein breites Workshop-Angebot zu aktuellen Kriegen, zur Kieler Kriegsindustrie sowie zu Feminismus und Antimilitarismus erwartet interessierte Gäste. Neben gemeinsamen Diskussionen lockt das Programm auch mit praktischen Aktionen, wie z.B. eine feministischen Performance gegen Militarismus zum Mitmachen in der Innenstadt. Geplant sind weitere vielfältige und kreative Aktionen gegen die in Kiel ansässige Bundeswehr und Kriegsindustrie.

Unsere Welt droht im Krieg zu versinken. Seit nunmehr über zwei Jahren ist Krieg in der Ukraine. Ein Ende ist nicht in Sicht. Seit knapp einem Jahr ist der Krieg in Israel und Palästina erneut eskaliert. Weitere globale Kriegsherde im Jemen, in Kurdistan, in Syrien, im Sudan brodeln seit Langem.

„Auch Deutschland ist in diesen Kriegen beteiligt. Darauf wollen wir mit unseren Camps und Aktionen hinweisen. Kriege beginnen in Deutschland. Auch hier in Kiel sitzen Firmen, die Milliarden in diesen Kriegen verdienen“, beschreibt die Bündnis-Sprecherin Fiona Brinkmann die Ziele des Camps. Die in den globalen Kriegen eingesetzten Waffen werden in Deutschland produziert. In Kiel produziert Thyssen Krupp Marine Systems U-Boote, die nach Israel geliefert werden. Sensoren der Firma Hensoldt befinden sich in Drohnen, die von der Türkei im Krieg gegen Kurdistan eingesetzt werden.

Seit Bundeskanzler Olaf Scholz vor gut zwei Jahren die militaristische Zeitenwende verkündet hat, ist eine neue Qualität von Militarisierung auch in Deutschland zu erleben. Die erst kürzlich beschlossene Stationierung von Langstreckenraketen der NATO in Deutschland, die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, genauso wie die Umverteilung von Geldern in den Wehretat, zeigen ganz deutlich, dass die herrschende Politik auf Eskalation setzt. Krieg als Mittel der Durchsetzung von politischen Interessen steht wieder zentral auf der Tagesordnung.

„Dies ist besorgniserregend“, beschreibt Jonah Fischer die aktuelle Lage. „Wir nehmen aber auch wahr, dass viele Menschen dagegen aktiv werden wollen. Dafür wird das Camp ein Anlaufpunkt sein, egal ob bei einem informellen Kaffeegespräch, am Infostand oder bei Workshops und gemeinsamen Diskussionen.“
Das Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen“ besteht seit 2018 aus zahlreichen Gruppen und Initiativen aus der feministischen, der antimilitaristischen, der internationalistischen und der Friedensbewegung. Mit Camps in Unterlüß (2018, 2019), Kassel (2022) und dieses Jahr in Kiel macht das Bündnis auf die Kriegsindustrie aufmerksam, die in Deutschland Milliardengewinne mit den weltweiten Kriegen verzeichnet. Das Bündnis fokussiert Rheinmetall im Namen, den größten Kriegskonzern in Deutschland, der auch international ein immer wichtigerer Player wird.

Unterstützt das Camp mit einer Spende auf das Konto: Spenden&Aktionen, Verwendungszweck: Rheinmetall entwaffnen, IBAN: DE29 5139 0000 0092 8818 06.

https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org

Camp-Programm 2024

Zeltlager vom 3. bis 8. September 2024

Das Camp beginnt am 3. September im Werftpark. Die Tage davor wird der Aufbau sein – helfende Hände sind willkommen. Das Camp findet in Kiel im Werftpark (Ellerbek/Gaarden-Ost) statt. Die Anschrift lautet: Ostring 187a. Die Bushaltestelle Ernestinenstraße grenzt unmittelbar daran an.

Das aktuelle Camp-Programm wird auf der Homepage https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org veröffentlicht.

Einige davon siehe hier im Überblick:

Mi., 4. September, nachmittags:
Jan van Aken stellt sein druckfrisches Buch vor:
„Worte statt Waffen. Wie Kriege enden und Frieden verhandelt werden kann.“

Do., 5. September, 10.30 Uhr:
Selbstverwaltung im Kriegszustand – Rojava zwischen politischer Autonomie und wirtschaftlichem Kollaps.

Fr., 6. September, am frühen Morgen:
Eine Massenaktion gegen die Rüstungsproduktion in Kiel

Fr., 6. September, abends:
S.K.E.T. von Theater X aus Berlin führt ihr aktuelles Stück auf

Sa., 7. September, 12 Uhr, Kiel, Bootshafen:
Antimilitaristische Demonstration in Kiel vom Bootshafen nach Gaarden:
Kiel entwaffnen – gemeinsam gegen Kriegsprofiteure und Militarisierung! Antimilitaristischen Widerstand auf die Straße tragen!

Bis spätestens Dienstag, den 10. September werden wir mit dem Camp-Abbau beschäftigt sein. Alle sind aufgerufen, bis dahin zu bleiben und mitzuhelfen.

Das gesamte Camp-Programm mit ca. 50 Veranstaltungen ist hier zu finden: https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org/camp-programm-2024/

Veranstaltung am Donnerstag, 5. September, 10.30 Uhr

Selbstverwaltung im Kriegszustand – Rojava zwischen politischer Autonomie und wirtschaftlichem Kollaps

Seit 2012 hat sich die kurdische Freiheitsbewegung in Nordostsyrien eine umfassende Autonomie erkämpft und eine demokratische, säkulare und geschlechtergerechte Selbstverwaltung aufgebaut. Aber Region und Bewegung sind schweren Angriffen ausgesetzt und gehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Erklärte Absicht des Erdogan-Regimes war und ist es, die selbstverwaltete Region Nordostsyrien (Rojava) zu zerschlagen. Seit Jahren führt die Türkei einen Krieg „geringer Intensität“ in der Region, der von massiven Luftangriffswellen begleitet wird, die große Teile der zivilen Infrastruktur zerstört haben. Die Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Gas, Benzin und Wasser ist prekär.
Der Drohnenkrieg der Türkei spielt bei dem Versuch, Rojava zu destabilisieren und zu zerschlagen, eine besondere Rolle. Wie zeichnet sich dieser Krieg aus? Welche psychischen und physischen Auswirkungen hat er? Wie ist Deutschland technisch und rüstungspolitisch in den Drohnenkrieg involviert? Und welche Strategien hat die kurdische Freiheitsbewegung entwickelt, um dagegen vorzugehen oder wenigstens damit umzugehen?
All diese Fragen wollen wir mit dem Journalisten Tim Krüger und einem Mitglied der Akademie der demokratischen Moderne diskutieren. Und wir wollen natürlich auch besprechen, wie wir den Widerstand gegen den Krieg in Kurdistan und die Solidarität mit der kurdischen Freiheitsbewegung stärken können.
Diese Veranstaltung findet im Rahmen des „Rheinmetall Entwaffnen!“-Camps in Kiel am Donnerstag, 5. September um 10.30 Uhr statt. Unsere Hoffnung und unser Anspruch ist, dass wir gemeinsam auf dem Camp auch praktische Schritte machen werden, um die Bewegung zu unterstützen und zu stärken. Die Veranstaltung findet auf Deutsch statt.

Rheinmetall-Entwaffnen-Camp

https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org

Fr., 6. September, am frühen Morgen:

Massenaktion gegen die Rüstungsindustrie in Kiel

Am frühen Freitagmorgen, dem 6. September, werden wir gemeinsam mit Hunderten von Aktivist*innen durch Kiel fließen und Standorte der Rüstungsindustrie belagern, blockieren und diejenige Produktion unterbrechen, die dem Zweck dient, Leben zu zerstören.


Wir sehen uns dazu verpflichtet einzugreifen, in einer Zeit, in der Deutschland „kriegstüchtig“ gemacht werden soll, in der die Ampelregierung die genozidalen Kriege in Kurdistan und Gaza unterstützt, in der der Krieg um die Ukraine weiter eskaliert, die deutsche Politik die Hochrüstung der Bundeswehr forciert, statt sich für ein Ende des koordinierten Mordens einzusetzen. Gegen diesen Wahnsinn werden wir Widerstand organisieren. Wir laden alle dazu ein, mit uns gemeinsam in Aktion zu gehen.

Die ganze Woche vom 3. bis 8. September wird von vielfältigen Aktionen, Diskussionen und Veranstaltungen geprägt sein. Alle sind aufgerufen, die Tage mit eigenständig organisieren, kreativen Aktivitäten zu füllen. Am Freitag wollen wir dann alle gemeinsam zusammenkommen und entschlossen in Aktion treten. Dabei werden wir uns weder von der Polizei oder dem Werkschutz noch von baulichen Hindernissen abhalten lassen, um unseren fantasievollen Widerstand in die Tat umzusetzen.

Wir wissen, dass es unter uns Aktivist*innen mit ganz unterschiedlichen Aktionserfahrungen und unterschiedlichen Aktionslevel existieren. Wenn jede*r von uns dabei mithilft, wird es möglich sein, dass sich alle Aktivist*innen nach ihren Bedürfnissen und Erfahrungen einbringen können und dadurch eine durchschlagende widerständige Vielfalt entsteht. Dabei ist uns wichtig zu betonen: Unsere politischen Gegner*innen sind die Politiker*innen und Konzernchefs, nicht die Beschäftigten der Rüstungsunternehmen.

Bis zum Freitag, 6. September wird es viel Raum und Zeit geben, sich kennenzulernen, über die Aktion zu sprechen und sich gemeinsam darauf vorzubereiten durch Diskussionen, Aktionstrainings und Plena. Um gut vorbereitet und informiert in die Aktion zu gehen, empfehlen wir eine frühzeitige Anreise.

Wir sind uns bewusst, dass einige von uns bei den Aktionen mit staatlicher Repression konfrontiert sein werden. Wir lassen uns davon nicht abhalten. Wir wissen, dass die Funktion von Repression auch und vor allem darin besteht, uns davon abhalten zu wollen, das Richtige zu tun. Wir werden unsere aufsehenerregenden Pläne dennoch unerschrocken umsetzen und dabei niemanden allein lassen. Seid am 6. September mit dabei!

Rheinmetall-Entwaffnen-Camp

https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org

Antimilitaristische Demonstration:
Samstag, 7. September 2024 | 12 Uhr | Bootshafen | Kiel

Kiel entwaffnen – gemeinsam gegen Kriegsprofiteure und Militarisierung!
Antimilitaristischen Widerstand auf die Straße tragen!

Es ist auch hierzulande längst spürbar: Die globale Kriegsgefahr steigt und entlädt sich bereits heute an verschiedenen regionalen Konfliktherden. Es wird gebombt, geschossen und getötet. Menschen werden vertrieben, gefoltert, vergewaltigt und ermordet. Die ersten Leidtragenden davon sind, der patriarchalen Logik des Krieges entsprechend, Frauen und Kinder. Viele Kriegsschauplätze, z.B. in Syrien, der Ukraine, Palästina, im Sudan oder dem Jemen, entwickeln sich dabei zunehmend zu Stellvertreterkriegen, in denen die ins Wanken geratenen Weltordnung neu ausgehandelt wird. Diese drohen jeden Moment in einem Flächenbrand zu eskalieren.

Um in den gegenwärtigen und kommenden Kriegen weiter eine Führungsrolle an der Seite ihrer NATO-Partner spielen zu können, wurde auch in der BRD eine „militärische Zeitenwende“ ausgerufen. Ihre eigenen imperialistischen Interessen, d.h. globaler Einfluss und Zugriff auf Ressourcen für die Profite des deutschen Kapitals, sollen mit milliardenschwerer Aufrüstung und der Stärkung der Bundeswehr abgesichert und ausgebaut werden. Damit einher geht die Militarisierung der Gesellschaft, die eine grundsätzliche Zustimmung der Bevölkerung zu Militär und Kriegsbeteiligungen herstellen soll. Permanentes Säbelrasseln gegen rivalisierende Konkurrenten der eigenen Interessen, ein neuer liberaler Nationalismus und das autoritäre Beschwören der Alternativlosigkeit des grassierenden Militarismus: Sie sind im politischen und medialen Mainstream derzeit allgegenwärtig. Das ideologische Schüren von Kriegsbegeisterung in der Gesellschaft soll dabei auch möglichen Protesten gegen die sozialen Einschnitte entgegenwirken, die die Steigerung der Militärbudgets mit sich bringt. Von diesen sind immer vor allem die Lohnabhängigen und ärmsten Teile der Gesellschaft betroffen.

Die immer gefährlicher werdenden militärischen Zuspitzungen sind Folge einer tiefgreifenden globalen Krise des kapitalistischen Systems und seiner bisher vorherrschenden Weltordnung. Die zunehmende Enge der Weltmarktkonkurrenz kann dem Bedarf des Kapitals nach permanentem Wachstum und neuen Märkten nicht mehr gerecht werden. Erstarkte Wirtschaftsmächte wie China stellen zudem die Dominanz von USA, EU und ihren westlichen Verbündeten sowie ihr globales Ausbeutungssystem immer mehr in Frage. Regionalmächte wie Russland, Türkei, Saudi-Arabien oder der Iran versuchen gleichzeitig ihre Relevanz zu behaupten. Die allgemeine Bereitschaft, die jeweiligen Einflusssphären mit offener Waffengewalt abzusichern und zu vergrößern, steigt. Einmal mehr zeigt sich: Der Krieg ist in der kapitalistischen Weltordnung und der imperialistischen Staatenkonkurrenz angelegt, das hat auch die Geschichte immer wieder gezeigt.

Kiel ist Kriegsgebiet

Doch in Kriegen werden nicht nur Märkte erobert, er ist auch selbst ein Mordsgeschäft und dieses findet direkt vor unserer Haustür statt. Die Rüstungsindustrie ist durch Waffenlieferungen in alle Welt die ständige Profiteurin von Krieg und Aufrüstung. Die Auftragsbücher von Rheinmetall, Thyssen-Krupp und der vielfach in Kiel ansässigen Produktion von Kriegsgerät und Logistik sind, beschleunigt durch die Invasion Russlands in der Ukraine, den Vernichtungsfeldzug Israels in Palästina oder den permanenten Angriffen der Türkei auf Kurdistan, mehr als voll. In Kiel sollen in den nächsten Jahren mindestens sechs neue U-Boote, u.a. für Israel, gebaut werden. Der Auftragsbestand von Rheinmetall ist im letzten Jahr um 44% gestiegen und es werden fleißig neue Fabriken für Kriegsgerät und Munition gebaut, unter anderem auch direkt in der Ukraine oder der Türkei. Die Rüstungskonzerne sind deshalb die letzten, die ein Interesse an einer friedvollen Welt und Abrüstung haben und agieren in diesem Sinne auch als politische Lobby für Aufrüstung und Militarisierung.

Die Geschichte Kiels ist eng mit seiner Funktion als zentraler Rüstungs- und Militärstandort verknüpft. Durch die Ernennung zum Reichskriegshafen im preußischen Kaiserreich wuchs die Stadt erst zu ihrer heutigen Größe. Im Kolonialismus, insbesondere aber im I. und II. Weltkrieg, war Kiel Dreh- und Angelpunkt der deutschen imperialistischen Eroberungs- und Unterwerfungsambitionen und des Militarismus. Die schweren Zerstörungen im II. Weltkrieg, die das Stadtbild nachhaltig geprägt haben, fielen also nicht zufällig vom Himmel.

Daran hat sich bis heute wenig geändert. Durch seine Lage am Wasser, den Nord-Ostsee-Kanal und den Zugang zur Ostsee ist Kiel von strategischer Bedeutung für die Deutsche Marine. Deshalb verwundert es auch nicht, dass in Kiel Teile der „Einsatzflottille 1“ stationiert und das „Landeskommando Schleswig-Holstein“ beherbergt sind. Militaristische Think Tanks wie das „Institut für Sicherheitspolitik“ (ISPK) und das „Centre of Excellence for Operations in Confined and Shallow Waters” (COE CSW) stellen die entsprechende Ideologieproduktion sicher. Aber unsere Aufmerksamkeit sollte sich zentral auch auf die hiesigen Rüstungsunternehmen richten, die oftmals viel unscheinbarer agieren, als das Militär selbst.

War starts here – let’s stop it here

Ob Thyssen-Krupp Marine Systems, Anschütz, Thales oder eben Rheinmetall – den Profiteuren von Krieg und globalen Krisen gilt unser Widerstand! Unser Protest richtet sich dabei nicht gegen die Arbeiter:innen auf der Werft und den Betrieben an sich. Wir wollen im Gegenteil auch die Frage der Rüstungskonversion, d.h. den Umbau der militärischen zur zivilen Produktion, wieder auf die Tagesordnung setzen.
Am Samstag, den 7. September werden wir im Rahmen des bundesweiten Rheinmetall-Entwaffnen-Camps, das vom 3. bis zum 8. September im Gaardener Werftpark stattfindet, mit einer Demonstration durch die Innenstadt ziehen. Wir wollen diejenigen, die mit dem Morden in aller Welt unvorstellbare Reichtümer anhäufen, beim Namen nennen und angreifen. Kein ruhiges Hinterland für die Rüstungsindustrie, kein Burgfrieden mit den Kriegstreiber:innen! Lasst uns den antimilitaristischen Widerstand an ihre Heimatfront nach Kiel tragen und klar machen, dass wir ihren andauernden Kriegskurs und ihre imperialistischen Interessen hier vor Ort sabotieren werden.

Denn auch in diesem Sinne stehen wir in Kiel in einer langen Tradition: Schon einmal wurde von Kiel aus das sinnlose Gemetzel für die Interessen der Herrschenden beendet. Lasst uns im Geiste der revolutionären Matrosen und Arbeiter:innen von 1918 gemeinsam und kämpferisch auf die Straße gehen:

Für eine solidarische, klassenlose und geschlechterbefreite Welt ohne kapitalistische Konkurrenz, imperialistische Ausbeutung und Ausplünderung, die das Leben und die Freiheit liebt und den Krieg unmöglich macht.

Hinter Krieg und Krise steht das Kapital – der Kampf um Befreiung ist international!
Rüstungsindustrie versenken!


Rheinmetall Entwaffnen

https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org

Hinweis:

AMST 2014 Brosch

Broschüre „Militär und Rüstung in Kiel“

Die Broschüre der AG Antimilitaristische Stadtrundfahrt ist 2014 erschienen und enthält auf 68 Seiten umfassende Informationen über derzeit 27 Kieler Rüstungsbetriebe, wie auch Historisches im Zusammenhang mit der Militarisierung in Kiel und dem Widerstand dagegen. Erstellt wurde sie von einer Arbeitsgruppe des damaligen Antikriegsbündnisses Kiel und derzeit herausgegeben von attac-Kiel, avanti-Kiel, GEW-Kreisverband Kiel. Mittlerweile hat sich einiges in der Rüstungsindustrie und beim Militärstützpunkt verändert, aber leider nicht zum Positiven.

Die Broschüre ist als PDF zu finden unter:
https://www.gegenwind.info/stadtrundfahrt/Bilder/AMST-Brosch2014.pdf

Hinweise IMI-Ausdruck Juni 2024

Von der Schmuddelecke in die Systemrelevanz

Die mediale Zeitenwende im öffentlichen Diskurs über Rheinmetall
(von Jonas Uphoff)

Nicht erst seit der Eskalation des Kriegs in der Ukraine und der „Zeitenwende“-Politik der Ampelregierung ist die deutsche Rüstungsindustrie auf dem aufsteigenden Ast. Aktienwerte und Umsatz der Rheinmetall-AG stie- gen beispielsweise in den letzten zehn Jahren fast kontinuierlich an. Mit offiziell 172 Standorten und 98 Tochterfirmen weltweit, ist Rheinmetall, gemessen am Umsatz, der zweitgrößte deutsche Rüstungskonzern nach Airbus.
Der latente Aufstieg erlebte mit der „Zeitenwende“ jedoch eine rasante Beschleunigung, von der die deutsche Rüstungsindustrie im Allgemeinen und Rheinmetall im Besonderen noch immer profitieren. Dass Rüstungsunternehmen von politischen Program-men zur massiven Aufrüstung oder Führung von ausgedehnten konventionellen Kriegen wie in der Ukraine profitieren, liegt auf der Hand. Dieser Höhenflug drückt sich jedoch nicht nur im wirtschaftlichen Erfolg aus, sondern geht einher mit einer politischen und gesellschaftlichen Diskursverschiebung in Bezug auf das Thema Rüstungskonzerne. So präsent im öffentlich medialen Diskurs, wie seit dem Februar 2022, waren Rüstungsunternehmen nie zuvor. Die Wandlung vom eher unsympathischen Geschäftemacher mit Krieg und Tod zum geschätzten Partner, der Seite an Seite mit dem Bundeskanzler den ersten „Spatenstich“ einer neuen Munitionsfabrik ausführt, wirkt fast hastig, so schnell geschah sie. Politischer Wille und wirtschaftliche Interessen allein erklären dies nicht, es hat auch eine Diskursverschiebung in den Medien gegeben.

Quelle: IMI-Ausdruck, Juni 2024
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck117_10_Jonas_Uphoff.pdf

EU-MILITARISIERUNG

Umschalten auf Kriegswirtschaft

Die EU-Kommission legt eine Industriestrategie (EDIS) und ein Industrieprogramm (EDIP) für den Rüstungsbereich vor
(von Özlem Alev Demirel und Jürgen Wagner)

Anfang März 2024 legte die Europäische Kommission zwei neue Papiere vor, mit denen die Union einen weiteren großen Schritt in Richtung Kriegswirtschaft unternimmt. Dabei formuliert die „European Defence Industrial Strategy“ (EDIS) recht konkrete Ziele, während das „European Defence Industry Programme“ (EDIP) ergänzend die entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung vorschlägt.

Es geht dabei um nicht weniger als die Fähigkeit zur „Massenproduktion“ von Rüstungsgütern und den forcierten Aufbau eines europäischen Rüstungskomplexes, um international stärker in Konkurrenz treten und die eigenen Interessen „besser“ durchsetzen zu können. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die ansonsten neoliberal bis ins Mark daherkommende EU-Kommission damit Befugnisse erhalten will, um „Eingriffe in die Grundrechte der Unternehmen“ (EDIP: Artikel 61) vornehmen zu können – augenscheinlich stoßen die vielbeschworenen Freiheiten des Marktes bei Aufrüstungsfragen inzwischen an ihre Grenzen. Parallel dazu betont der zuständige Industriekommissar Thierry Breton, es gehe darum, dass sich die EU schrittweise einer Kriegswirtschaft nähern und bei Bedarf der militärischen Produktion ein Vorrang vor ziviler Produktion einräumen müsse. Kriegswirtschaft, das bedeutet nichts weiter als alle Bereiche der Produktion und Wirtschaft dem Bedarf des Krieges unterzuordnen. Diese Programme sind also eine vorauseilende Maßnahme, die deutlich machen, wohin die Reise in der EU geht

Quelle: IMI-Ausdruck, Juni 2024
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck117_11_Demirel_Wagner.pdf

Hiroshima-Gedenktag in Kiel:

Lotosblüten für HIROSHIMA und NAGASAKI

Ca. 150 Menschen beteiligten sich 6. August 2024 in Kiel im Hiroshimapark an der jährlichen Gedenkveranstaltung. Die Stadt Kiel, die Hiroshima AG und der Arbeitskreis Städtesolidarität konnten zusammen mit der neuen Stadtpräsidenten Bettina Aust die diesjährige Gedenkveranstaltung zu den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki abhalten.

hiroshima kiel 6 08 2024 01 web

Im Aufruf zur Veranstaltung heißt es deutlich:

Die Waffen nieder! Frieden jetzt!

„Vor genau zwei Jahren begann der russische Angriff auf die Ukraine, der bis heute zahlreiche Opfer in der Zivilbevölkerung fordert. Dieser und alle anderen Kriege bergen die Gefahr der Eskalation bis hin zum atomaren Inferno in sich. Die Lehre aus dem Ukrainekrieg und der global angespannten Lage muss sein, dass Atomwaffen keine wirkungsvolle Verteidigung gegen Angriffe bieten.
Die Drohungen mit Atomwaffen haben in einer zivilisierten Welt keinen Platz und stehen in krassem Widerspruch zu der gemeinsamen Erklärung der Atomwaffenstaaten von Januar 2022, dass ein „Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf.“ Der Ukrainekrieg zeigt auch, dass die nukleare Abrüstung noch dringlicher geworden ist. Nuklearwaffen ermuntern ihre Besitzer zu einem verheerenden Krieg und bieten keine Sicherheit.
In Deutschland ist unlängst eine unüberlegte und schlecht fundierte Forderung nach europäischen oder deutschen Atomwaffen diskutiert worden. Es ist ermutigend, dass über alle Parteien hinweg diese Forderung abgelehnt wurde. Die Lehre aus der atomaren Bedrohung kann nur sein, dass sich Deutschland nicht am nuklearen Wettrüsten beteilig, sondern stattdessen mit den Unterzeichnerstaaten des Atomwaffenverbotsvertrag zusammenarbeitet und den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet.“

In ihrem Jahresbericht warnt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI vor der steigenden Zahl einsatzfähiger Atomwaffen. „Wir driften in eine der gefährlichsten Perioden der Menschheitsgeschichte“, heißt es in dem Bericht. Sie fordern, die Nukleardiplomatie wiederherzustellen und die internationalen Kontrollen von Atomwaffen zu verstärken.

Frau Aust ging in ihrem Grußwort insbesondere auf das Leid der Bewohner der neuen Partnerstadt Kiels, Cherson in der Ukraine, ein.

Ralph Urban von der IPPNW (Ärzte gegen den Atomkrieg), zeigte mit einem Augenzeugenbericht eindringlich, welche Folgen der Atombombenabwurf für die Menschen in Hiroshima und Nagasaki bedeutete. Beispielhaft für die Stadt Kiel zeigte er die Folgen eines Atombombenabwurfs über der Stadt auf.
Zusätzlich wies er auf die Mitverantwortung des kollektiven Westens am Ukraine-Krieg sowie der weiteren Eskalation hin.
Ebenso wurde der undemokratische Beschluss zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland kritisiert. Selbst wenn dieser rein formal keinerlei Abstimmung oder Diskussion benötigt, hätte einer solch weitreichenden Entscheidung mindestens eine Diskussion darüber vorausgehen müssen.
Die Stadt Kiel kann mit der logistischen Unterstützung für die Waffenlieferungen in die Ukraine – und als Rüstungsstandort sowie Stützpunkt für den Ostseeraum – ein Ziel russischer Raketen-Angriffe darstellen, diese können auch atomar bestückt sein.

Musikalisch untermalte die Musikgruppe COLIBRÍ die Veranstaltung mit Antikriegsliedern und um 21 Uhr setzen die Anwesenden wieder Lotosblüten in Gedenken an die Opfer auf dem Kleinen Kiel aus.

Die Veranstalter freuen sich, dass trotz aller Kontroversen, eine friedliches Gedenken zusammen mit der Stadt veranstaltet werden konnte.
Das Kieler Friedesforum würde es sehr begrüßen, wenn demnächst auch die Stadt Kiel aktiv für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrages einsteht und nach dem Vorbild der Stadt Marburg ein Transparent am Rathaus aufhängt. (T.S./uws)

 

Liedtext der Gruppe COLIBRÍ auf der Veranstaltung:

Wind of change (Melodie Scorpions - Text Colibri)

Ostseestrand so schön – zum Spazierengeh’n,
Wellen rauschen sanft – wie immer.
Dort am Horizont - taucht ein U-Boot auf.
Kriegsbedrohung naht – viel schlimmer.

Plötzlich wieder Krieg – in uns’rer Alltagswelt
Horrornachrichten – erschüttern.
Alle rüsten auf – verdienen damit Geld.
Wie kann man da noch ruhig schlafen.

Wahnsinn – warum lern’ die Menschen nichts aus der Vergangenheit?
Warum hör’n denn diese Kriege niemals auf?
Nehmt das nicht in Kauf !

Männer in Zivil – werden nun Soldat
Kämpfen für die Freiheit – sagt man.
Bombadier’n die Stadt – zerstören die Natur.
Wie können hier noch Menschen leben?

Wahnsinn – warum lern’ die Menschen nichts aus der Vergangenheit?
Warum hör’n denn diese Kriege niemals auf?
Nehmt das nicht in Kauf !

Der Friedenswunsch ist da – liegt immer in der Luft.
Die Friedensglocken laut und unermüdlich gell’n.
Lasst die Balalaika kling’n – und die Gitarr’n für uns sing’n!

Wahnsinn – warum lern’ die Menschen nichts aus der Vergangenheit?
Warum hör’n denn diese Kriege niemals auf?
Nehmt das nicht in Kauf !

Frieden durch Diplomatie statt weiterer Eskalation bis zum Atomkrieg – Hiroshima und Nagasaki mahnen:

Kriege in der Ukraine, in Gaza und Nahost beenden und Atomwaffen abrüsten!

Der vorliegende Text ist eine erweiterte Fassung eines Vortrags des Autors anlässlich einer Mahnwache für den Frieden am 9. August am Wedeler Mühlenteich. In der Druckversion wurde der Beitrag stark gekürzt. Hier jetzt der Beitrag in voller Länge. Autor: Klaus-Dieter Kolenda, IPPNW

Die Atombomben, die am 6. August 1945 von den USA abgeworfen wurden, töteten auf einen Schlag in Hiroshima mehr als 80.000 Menschen (Fußnote 1), und die am 9. August auf Nagasaki zielende etwa 22.000 (Fußnote 2).

Die genauen Zahlen an diesem Tage und an den anschließenden Wochen und Monaten sind immer noch umstritten. Die Gesamtzahl der Todesopfer dürfte aber bei mindestens 200.000 liegen (Fußnote 2). Denn in den Tagen und Wochen nach den Bombenangriffen war es nicht möglich, eine genaue Zählung der Opfer durchzuführen. Aufgrund der massenhaften Zerstörungen der staatlichen Einrichtungen, der Krankenhäuser, der Polizei- und Feuerwehrstationen herrschte völliges Chaos und Verwirrung (Fußnote 1).  

Als langjähriges Mitglied der IPPNW, das ist die Abkürzung für die berufsbezogene Friedensorganisation „Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung“, die 1985 den Friedensnobelpreis erhalten hat, bin ich gebeten worden, hier ein paar einleitende Worte zu sagen.

Aus aktuellen Gründen werde ich im Folgenden nicht so sehr über die Opfer von Hiroshima und Nagasaki sprechen, sondern vor allem über die steigende Atomkriegsgefahr, der wir mit der immer weiteren Eskalation der Kriege in der Ukraine und auch in Gaza bzw. im Nahen Osten in zunehmendem Maße ausgesetzt sind und die mir große Sorgen bereitet.

Diese Gefahr war ja nach dem Ende des „Kalten Krieges“ im Jahre 1990/91 anscheinend überwunden. Seit Beginn des Ukraine-Krieges besteht sie jedoch wieder ganz real.

Und jetzt wurde am Rande des diesjährigen Nato-Gipfel in Washington vom 9. bis 11. Juli in einer gemeinsamen Erklärung der US-Regierung und der deutschen Bundesregierung verkündet, dass ab 2026 wieder atomwaffenfähige Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite bis zu 2.800 km in Deutschland stationiert werden sollen. Das hat die Bedrohung, der wir alle ausgesetzt sind, noch einmal deutlich erhöht (Fußnote 3).  

Atomkriegsgefahren im ersten „Kalten Krieg“

Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen. Deshalb möchte ich mit einem kurzen Rückblick beginnen.

Mit den US-amerikanischen Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 begann die Geschichte des atomaren Wettrüstens zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion.

Zugleich bedeuteten diese Ereignisse den Eintritt in eine neue und vielleicht letzte Epoche der Menschheitsgeschichte. Diese ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die Menschen seit dieser Zeit die Fähigkeit besitzen, die Menschheit insgesamt auszulöschen und damit 12.000 Jahre Zivilisationsgeschichte mit einem Schlag zu beenden, wie es die US-Journalistin Annie Jacobsen kürzlich in ihrem neuen Buch in einem erschreckenden Szenario sehr eindrucksvoll dargestellt hat (Fußnote 4).

Wie sagte doch Albert Einstein: „Ich weiß nicht, mit welchen Waffen der Dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber der Vierte Weltkrieg wird bestimmt mit Stöcken und Steinen ausgetragen.“

Die Geschichte des Wettrüstens ist aber auch die Geschichte des Widerstands gegen die atomare Aufrüstung in Deutschland. Sie begann 1957, als 18 führende Atomwissenschaftler mit ihrem berühmten "Göttinger Manifest" die Öffentlichkeit über die Gefahren eines Atomkrieges alarmierten.

Sie warnten vor den Plänen der damaligen Regierung, die Bundeswehr mit Atomwaffen aufzurüsten. Bereits 1955 hatten die USA - unter strengster Geheimhaltung - damit begonnen, atomare Kurzstrecken-Raketen in der Bundesrepublik zu stationieren.

Daraufhin entstand mit der Kampagne "Kampf dem Atomtod" eine Protestbewegung gegen die atomare Aufrüstung. 1960 begannen dann die jährlich stattfindenden "Ostermärsche der Atomwaffengegner".

Kuba-Krise

Ich gehöre zu der Generation, deren Angehörige sich aus eigenem Erleben noch an die dramatischen Tage der Kuba-Krise im Oktober 1962 erinnern können.

Diese geopolitische Krise zwischen den beiden damaligen Supermächten USA und Sowjetunion wurde durch einen Kompromiss beendet, bei dem Chruschtschow die von den USA als bedrohlich angesehenen russischen Atomraketen in Kuba abzog und im Gegenzug Kennedy auf entsprechende in der Türkei und in Italien stationierten, gegen die Sowjetunion gerichtete Raketen verzichtete.

Dieser Kompromiss, der 1962 eine atomare Katastrophe um Haaresbreite gerade eben noch verhindert hat, soll das Ergebnis einer Absprache zwischen den beiden verantwortlichen Politikern hinter dem Rücken der Militärs und der Geheimdienste gewesen sein. Deshalb war ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen Voraussetzung für sein Zustandekommen.

Dieses notwendige Vertrauen ist aber heute durch die Politik der Nato-Osterweiterung, die mit Täuschungen und Lügen von westlicher Seite einhergegangen ist, durch eine in den letzten Jahren ständig zunehmende und zuletzt maßlose russlandfeindliche Propaganda in unseren Hauptmedien (zum Beispiel: „Putin ist ein Wiedergänger Hitlers“; Fußnote 5) und durch die beispiellosen völkerrechtswidrigen Sanktionen des Westens gegen Russland weitgehend zerstört worden.

Nato-Doppelbeschluss

In den 1960er und 1970er Jahren erreichte das atomare Wettrüsten zwischen den beiden damaligen Supermächten USA und Sowjetunion seinen Höhepunkt.

Damals war die Zahl der Atomwaffen bis auf ca. 30.000 (Fußnote 4) mit den entsprechenden Trägersystemen auf jeder der beiden Seiten angewachsen. Diese Zahlen schlossen Tausende von taktischen Atomwaffen der USA in Deutschland ein, die im Ernstfall auf dem Gebiet der DDR oder der BRD zum Einsatz gekommen wären.

Als dann Ende der 1970er Jahre entsprechend dem Nato-Doppelbeschluss noch atomare Pershing-II-Raketen und Marschflugkörper in Deutschland aufgestellt werden sollten, brachte die damalige Friedensbewegung in der ersten Hälfte der 1980er Jahre viele Hunderttausende in der Bundesrepublik auf die Straßen, die gegen diese Politik protestierten (Fußnote 6).

Dazu gehörten auch viele IPPNW-Mitglieder mit Losungen wie „Raketen sind Magneten“ oder Plakaten, auf denen zu lesen war: „Wir werden Euch nicht helfen können“ (Fußnote 7).

Auch wenn es damals der Friedensbewegung nicht gelang, die Stationierung der Pershing-Raketen zu verhindern, dürfte ihr unüberhörbarer Protest jedoch mit dazu beigetragen haben, dass 1987 der wichtigste Vertrag über die atomare Abrüstung, der sogenannte INF-Vertrag, von Regan und Gorbatschow unterzeichnet wurde. In dessen Folge wurden Tausende von Mittelstrecken-Raketen bis zum Ende des „Kalten Krieges“ 1991 vernichtet.

Atomare Beinahe-Unfälle

Während es bisher außer in Hiroshima und Nagasaki glücklicherweise zu keinem weiteren kriegerischen Einsatz von Atombomben gekommen ist, findet man im Internet eine Liste von atomaren Beinahe-Unfällen mit Atomwaffen („nuclear close calls“, im Deutschen auch als sogenannte „Vorfälle“ bezeichnet- Fußnote 8). Darunter versteht man „Vorfälle“, die zumindest zu einer unbeabsichtigten nuklearen Detonation oder Explosion hätten führen können.

Die Liste zeigt, dass seit den 1950er Jahren bis Anfang der 1990er Jahre insgesamt mindestens 16 Vorfälle dieser Art bekannt geworden sind, die einen Atomkrieg hätten auslösen können.

Einen dieser Beinahe-Katastrophen möchte ich als Beispiel kurz anführen.

Es geht um Stanislaw Petrow, einem Menschen, dem wir Älteren wahrscheinlich zu verdanken haben, dass wir noch leben, und die Jüngeren unter uns, dass sie geboren worden sind (Fußnoten 9 und 10).

Am 26. September 1983 stufte Petrow als leitender Offizier in der Kommandozentrale der sowjetischen Satellitenüberwachung einen vom Überwachungssystem gemeldeten Angriff der USA mit nuklearen Interkontinentalraketen auf die UdSSR nicht als einen Alarm ein, wie das System es anzeigte und die Auslösung eines schnellen Gegenschlags erforderlich gemacht hätte, sondern bewertete ihn als einen Fehlalarm.

Später ergab sich, dass es sich tatsächlich um einen Fehlalarm gehandelt hatte, der durch einen Satelliten des sowjetischen Frühwarnsystems ausgelöst worden war. Eine fehlerhafte Software hatte einen Sonnenaufgang und Spiegelungen in den Wolken als Raketenstarts in den USA interpretiert.

Durch sein Eingreifen verhinderte Petrow damals wahrscheinlich das Auslösen eines umfassenden Atomkriegs mit strategischen Nuklearwaffen zwischen den USA und der Sowjetunion.

Deshalb gibt es Bemühungen, den 26. September im Andenken an diesen „Weltretter“, der 2017 in Moskau gestorben ist, als „Petrow-Tag“ zu begehen.

Dieser Fall und weitere in der Liste angeführte Beispiele zeigen, dass wir es mutigen und selbständig denkenden Menschen und darüber hinaus Zufällen und glücklichen Umständen zu verdanken haben, dass es im ersten Kalten Krieg zu keinem nuklearen Inferno gekommen ist.  

Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen heute und Schicksal bisheriger Abrüstungsverträge                                                      

Heute verfügen die neun Atommächte (neben Russland und den USA sind das China, Frankreich, Großbritannien, Pakistan, Indien, Israel und Nordkorea) über rund 12.000 nukleare Sprengköpfe (Fußnote 11).

Es handelt sich dabei um taktische, aber auch strategische Atomwaffen. Taktische Atomwaffen haben in der Regel eine geringere Sprengkraft und kürzere Reichweite als strategische Atomwaffen, aber die Übergänge sind fließend.

New START

Trotz einiger Reduzierungen von strategischen Atomwaffen, die sich im Besitz von Russland und den USA befinden, z. B. 2010 durch den neuen START-Vertrag (New Start: Strategic Arms Reduction Treaty) auf jeweils 800 Trägersysteme mit ca. 1500 Atomsprengköpfen, sind laut SIPRI immer noch mehr als 90 Prozent aller Atomwaffen je etwa zur Hälfte im Besitz der beiden größten Atommächte. Das bedeutet, dass sowohl Russland als auch die USA heute insgesamt über jeweils etwa 5000 bis 5500 Atomsprengköpfe verfügen.

2021 bzw. 2022 unterzeichneten Putin und Biden eine Vereinbarung zur Verlängerung von New START, dem letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag der beiden Staaten, um fünf weitere Jahre (Fußnote 12).

Im August 2022 gab das russische Außenministerium jedoch bekannt, dass es Kontrollen von Atomwaffenbeständen im Rahmen des Abkommens vorerst aussetze, weil Russland wegen der Sanktionen gegen seine Flugzeuge keine Inspekteure in die USA fliegen könne. Deshalb würde eine Wiederaufnahme der US-Inspektionen auf russischem Gebiet den Amerikanern einen Vorteil verschaffen. Man werde sich aber weiter an New Start halten.

"Nukleare Teilhabe" Deutschlands

Deutschland verfügt über keine „eigenen“ Atomwaffen, ist aber über die „Nukleare Teilhabe“ an der Atomkriegsstrategie der Nato direkt beteiligt.

Im Rahmen der Nuklearen Teilhabe haben die USA in vier europäischen Nato-Staaten ca. 150 taktische Atomwaffen stationiert. Das sind frei fallende Atombomben vom Typ B61. Neben Deutschland sind das Belgien, Italien, die Niederlande und die Türkei.

Die USA liefern also die Atomwaffen, während die Stationierungsländer die Stützpunkte, die Trägerflugzeuge und die Piloten zur Verfügung stellen, die im Kriegsfall die Atomwaffen ins Ziel fliegen und abwerfen müssen. In Deutschland sollen dafür schätzungsweise ca. 20 US-Atombomben auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in der Eifel stationier sein.

Die IPPNW hat sich eindeutig gegen die Nukleare Teilhabe ausgesprochen, unter anderem, weil sie gegen den Atomwaffensperrvertrag von 1970 verstößt, den auch Deutschland nach langen Auseinandersetzungen 1975 unterzeichnet hat.

Darin haben sich alle Nicht-Atomwaffenstaaten verpflichtet, "Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen.“

Trotz eines parteiübergreifenden Beschlusses des Bundestages im Jahr 2010 hält die Bundesregierung weiterhin an der Stationierung der US-Atombomben in Deutschland fest und lässt Piloten der Bundeswehr regelmäßig den Atomwaffeneinsatz für den Ernstfall trainieren.

B61-12

Beachtenswert ist, dass in den letzten Jahren eine „Modernisierung“ der in Büchel stationierten US-Atombomben erfolgt ist. Die neue B61-12 ist eine "Allround"-Atombombe, eine zielgenaue, elektronisch gesteuerte und gelenkte Atomwaffe mit variabler Sprengkraft, vergrößerter Reichweite und der Fähigkeit, tief verbunkerte Ziele zu zerstören.

Die B61-12 ist die erste Nuklearbombe, die mit einem derartigen Steuerungssystem ausgestattet ist. Durch die variable Sprengkraft, in der Größenordnung von sog. Mini-Nukes bis zur Sprengkraft der Hiroshima-Bombe, ergeben sich für die Kriegsplaner erweiterte operative Möglichkeiten für den Einsatz dieser Nuklearwaffen.

Zusätzlich ist in Deutschland der Kauf einer neuen Generation von Atombombern (F 35) von den USA als Ersatz für die derzeitigen Tornados vorgesehen.

Atomwaffenverbotsvertrag

2017 haben die atomwaffenfreien Länder den Aufstand gegen die Atommächte gewagt. 122 Mitgliedstaaten der UNO haben damals den Vertrag über das Verbot aller Atomwaffen beschlossen.

Für den Atomwaffenverbotsvertrag erhielt ICAN, ein internationales Bündnis von Nichtregierungsorganisationen, das sich viele Jahre für die Abschaffung aller Atomwaffen durch einen bindenden völkerrechtlichen Vertrag eingesetzt hat, 2017 den Friedensnobelpreis. Auch die IPPNW ist Teil dieses Bündnisses.

Nachdem über 50 Staaten diesen Vertrag ratifiziert hatten, ist er 2021 in Kraft getreten.

Der Atomwaffenverbotsvertrag verbietet den Vertragsstaaten, Kernwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu erwerben und zu besitzen, Kernwaffen einzusetzen oder ihren Einsatz anzudrohen, Kernwaffen zu lagern oder die Verfügungsgewalt darüber unmittelbar oder mittelbar anzunehmen und Kernwaffen über ihr Staatsgebiet zu transportieren.

Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung, zwar mit wohlfeilen Lippenbekenntnissen, eine Welt ohne Atomwaffen zu befürworten, in der Uno gemeinsam mit den anderen Nato-Staaten gegen die Aufnahme der Verbotsverhandlungen gestimmt, und, gemeinsam mit den Atommächten, die Verhandlungen in der Uno boykottiert hat.

Der Atomwaffenverbotsvertrag war ein Ziel des jahrzehntelangen Kampfes der weltweiten Bewegung gegen die atomare Aufrüstung und auch des jahrzehntelangen Kampfes gegen die in Deutschland stationierten Atombomben.

Die Friedensbewegung Deutschland hat deshalb allen Grund, den Widerstand gegen die Beteiligung unseres Landes an der Atomkriegsstrategie der USA, gegen die in Büchel stationierten US-Atomwaffen, gegen die damit verbundene Gefahr eines Atomkrieges in Europa und für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags auch unseres Landes verstärkt fortzusetzen.

Kündigung von Abrüstungsverträgen und neue atomare Aufrüstung

Obwohl sich alle Kernwaffenmächte, die ebenfalls den Atomwaffensperrvertrag von 1970 mitunterzeichnet haben, damals feierlich zur nuklearen Abrüstung verpflichtet haben, gibt es seit dieser Zeit leider keinerlei substanzielle Fortschritte in diese Richtung.

Es ist vor allem der Anspruch der USA auf Ausbau und Erhaltung ihrer weltweiten militärische Überlegenheit, der das Wettrüsten auch bei den Atomwaffen anheizt und weitere Abrüstungsmaßnahmen verhindert.

Bereits unter Präsident Obama hatte die US-Regierung beschlossen, ihr Atomwaffenarsenal in den kommenden 30 Jahren für 3.000 Milliarden Dollar- das sind 100 Mrd. jährlich- aufzurüsten.

2001 haben die USA einen der wichtigen Abrüstungsverträge, den sogenannten ABM-Vertrag von 1972, einseitig gekündigt, der die Errichtung von Raketenabwehrsystemen verboten hatte.

Darüber hinaus kündigte die US-Regierung im Februar 2019 den INF-Vertrag, bei dem es sich um den wichtigsten Vertrag über die atomare Abrüstung gehandelt hat. Er wurde 1987 von Reagan und Gorbatschow unterzeichnet und in dessen Folge sind, wie schon gesagt, Tausende von Mittelstrecken-Raketen bis zum Ende des „Kalten Krieges vernichtet worden (Fußnote 13).

Nach der Kündigung des ABM-Vertrages 2001 und des INF-Vertrages 2019 droht jetzt die Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen und damit ein erneutes Wettrüsten zwischen den beiden größten Atommächten.

Im Zusammenhang mit der erfolgten Kündigung sowohl des ABM-Vertrags als auch des INF-Vertrags steht die Stationierung von angeblichen Raketenabwehrsystemen in Polen und Rumänien, die in den letzten Jahren erfolgt ist.

Diese inzwischen von den USA stationierten sogenannten "Aegis Ashore"-Systeme können "Abfangraketen" abfeuern, angeblich gegen eine Bedrohung aus dem Iran.

Diese Systeme können aber auch durch eine einfache Änderung der Programmierung Raketen gegen Bodenziele abschießen. Und sie können Marschflugkörper abfeuern und somit gegnerische Ziele bis weit hinter Moskau erreichen und zerstören.

Neben den bereits installierten Aegis-Ashore-Systemen in Rumänien und in Polen, die -wie gesagt- auch Mittelstrecken-Raketen abschießen können, planen die USA seit Längerem die Stationierung von neuen Hyperschall-Raketen mit dem Namen "Dark Eagle" (zu Deutsch: „schwarzer Adler“), die Moskau in etwa 20 Minuten erreichen können und ausgerechnet am früheren Standort der Pershing-II-Raketen, in Mainz-Kastel, aufgestellt werden sollen (Fußnote 14).

Auch die neuen taktischen B61-12-Atomwaffen, deren Stationierung in Europa im Rahmen der „Nuklearen Teilhabe“ inzwischen wahrscheinlich erfolgt ist, könnten die Hemmschwelle für einen Atomwaffeneinsatz weiter senken. In der Logik der US-Militärs macht die neue Bombe einen auf Europa begrenzten Atomwaffeneinsatz kalkulierbar, ohne einen atomaren Gegenschlag Russlands auf US-Territorium bzw. einen globalen Atomkrieg zu riskieren.

Ein „begrenzter“ Atomwaffenkrieg zwischen den USA und Russland in Europa würde aber sehr wahrscheinlich auch das Ende Deutschlands bedeuten, von den sonstigen Folgen eines derartigen Krieges einmal ganz abgesehen, auf die ich hier nicht näher eingehen kann (Fußnote 15).

Geplante Stationierung neuer Mittelstreckenraketen verschärft nukleare Bedrohung

Mittelstreckenwaffen sind, wie dargestellt, keine Defensivwaffen, sondern aufgrund ihrer kurzen Vorwarnzeit Waffen für den atomaren Erstschlag. Damit wächst die Gefahr eines Atomkrieges in Europa.

Am Rande des letzten Nato-Gipfels in Washington im Juli dieses Jahres ist mehr beiläufig bekannt gegeben geworden, dass die USA von 2026 an in Deutschland weitere zerstörerische Waffensysteme stationieren wollen, die weit bis nach Russland reichen sollen. Die Ampelregierung hat dem schon zugestimmt, ohne dass darüber im deutschen Bundestag eine Debatte erfolgt ist.

Zum ersten Mal seit Ende des Kalten Krieges sollen jetzt in Deutschland wieder US-Raketen stationiert werden, die Russland treffen können. Dieser Tabubruch wird wahrscheinlich einen gefährlichen neuen Rüstungswettlauf einläuten, der keine Sicherheit, sondern kommende Katastrophen vorbereiten kann.

Darunter sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit einer Reichweite von bis zu 2500 Kilometern sein, die technisch gesehen auch nuklear bestückt sein können, sowie Flugabwehr-Kurzstreckenraketen vom Typ SM-6 und auch neu offensive entwickelte Hyperschallraketen.

Russland und China haben auf diese Ankündigung scharf reagiert.

Der Kreml-Sprecher Peskow sagte auf eine entsprechende Frage eines russischen Fernsehjournalisten:

„Unser Land steht im Fadenkreuz amerikanischer Raketen in Europa. Wir haben das alles schon einmal durchgemacht“. Russland habe die Fähigkeit zur Abschreckung dieser Raketen. „Aber das potenzielle Opfer sind die Hauptstädte dieser Staaten“, fügte er hinzu.

Die IPPNW hat zu den höchst alarmierenden Plänen zur Stationierung von neuen Mittelstreckenraketen in Deutschland in einer Presseerklärung vom 17.07.2024 ebenfalls klar Stellung bezogen (Fußnote 16). Dort heißt es u. a.:

„Die ärztliche Friedensnobelpreisträger-Organisation IPPNW kritisiert die Beschlüsse der Nato als weitere Stufe der Eskalation und als brandgefährlich. Mit der Ankündigung der Stationierung neuer Mittelstreckenraketen vom Typ Tomahawk in Deutschland sollen erstmals seit dem Abzug der atomaren Mittelstreckenraketen im Jahr 1991 im Zuge des INF-Abkommens wieder Raketen auf deutschem Boden stationiert werden.

Tomahawks können mit konventionellen oder atomaren Sprengköpfen bestückt werden. Am 1. Februar 2019 hatten die USA das INF-Abkommen zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenraketen aufgekündigt.

Zudem ist die Einrichtung eines neuen Ukraine-Kommandos in Wiesbaden ein weiterer Eskalationsschritt, der Deutschland tiefer in den Krieg hineinzieht.

Der Konflikt um die Entwicklung der sowjetischen SS-20-Raketen und der Nato-Doppelbeschluss im Jahr 1979 hatte die Welt damals an den Rand eines Atomkriegs gebracht. Wer den Krieg verhindern will, muss den Frieden vorbereiten, statt weitere Schritte in Richtung atomarer Eskalation zu gehen“, erklärt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen.

Verteidigungsminister Pistorius erklärte die Stationierung in Deutschland zu einer bloßen Abschreckungsmaßnahme. Russland habe in der Vergangenheit ähnliche Waffensysteme stationiert, etwa in Kaliningrad. Nun gehe es lediglich darum, »diese Fähigkeitslücke zu schließen«.

Inzwischen ist aber bekannt geworden, dass die Einrichtung der sogenannten Multi-Domain Task Force (MDTF) in Deutschland mit den genannten verschiedenen Raketentypen spätestens im April 2021, also vor dem Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine, beschlossen worden ist (Fußnote 17).

„Tatsächlich dürften aber handfeste politische Gründe vorliegen, wieso die Entscheidung gerade jetzt bekannt gegeben wurde: Deutschland möchte seine Rolle innerhalb der Nato stärken und gegenüber der Weltgemeinschaft Handlungsbereitschaft und Willensstärke demonstrieren“, meinen Juliane Hauschulz und Xanthe Hall von der IPPNW in einem aktuellen Beitrag zu diesem Thema (Fußnote 18).

Ein Blick in die Geschichte verdeutlicht jedoch die Tragweite der Entscheidung der Bundesregierung. Bereits während des Kalten Krieges drohte Europa immer wieder, zum atomaren Schlachtfeld zu werden. Und auch damals spielte die Stationierung von Tomahawks in Westeuropa eine wichtige Rolle.

Das Abrüstungsabkommen – der INF-Vertrag – zwischen den USA und der Sowjetunion über nukleare Mittelstreckensysteme führte im Ergebnis dazu, dass die Tomahawks Ende der 1980er Jahre unter Ronald Reagan zusammen mit den Pershing-II-Raketen aus Deutschland abgezogen wurden.

Aber wie schon dargestellt, ist der INF-Vertrag 2019 von den USA einseitig gekündigt worden, sodass das atomare Wettrüsten in Zukunft wieder ungebremst Fahrt aufnehmen kann.

Schlussfolgerungen:

  1. Der Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg oder anderswo wäre die ultimative Katastrophe (Fußnote 19 und 20) und darf niemals zugelassen werden.
  1. Je länger der Krieg in der Ukraine andauert, desto eher besteht die Gefahr, dass sich daraus ein Dritter Weltkrieg entwickelt, in dem auch Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten.
  1. Deshalb muss der Ukraine-Krieg so schnell wie möglich auf diplomatischem Wege mit Kompromissen von Seiten aller Beteiligten beendet werden, bevor die Welt in ein Chaos gestürzt wird.
  1. Es mangelt nicht an Friedensvorschlägen, insbesondere aus Ländern wie China und Brasilien. Die jetzige deutsche Regierung hüllt sich diesbezüglich leider in Schweigen.
  1. Aus der Ukraine wird berichtet, dass eine Meinungsumfrage vom 15. Juli ergeben hat, dass 44 Prozent der ukrainischen Bevölkerung, die Meinung geäußert habe, dass es Zeit ist, mit Russland Friedensverhandlungen zu beginnen.
  1. Auch eine Mehrheit der Deutschen ist der Meinung, dass der Westen, und damit vor allem auch unsere Bundesregierung, Verhandlungen über eine Beendigung des Krieges in der Ukraine anstoßen sollte.
  1. Waffenlieferungen aus Deutschland (und anderen Ländern) können den Krieg in der Ukraine dagegen nur verlängern und dazu beitragen, dass das Sterben von Ukrainern und Russen und die Zerstörungen in der Ukraine weitergehen und die von dort ausgehende nukleare Bedrohung auch unseres Lebens weiter anhält.
  1. Sehr zu hoffen ist, dass die Antwort auf die durch nichts zu rechtfertigenden Gefahren einer weiteren Eskalation aufgrund der geplanten Aufstellung der neuen Mittelstreckenraketen in Deutschland eine Auferstehung der Friedensbewegung in Deutschland sein wird, d. h. eine Friedensbewegung 2.0.
  1. Ein Kristallisationskern einer Friedensbewegung 2.0 könnte die geplante bundesweite Demonstration am 3. Oktober in Berlin sein.
  1. Caitlin Johnstone, eine bekannte unabhängige australischen Journalistin, hat die folgende nachdenkenswerte Einschätzung abgegeben, die ich zum Schluss noch anführen möchte (Übersetzung von KDK; Fußnote 21):  „Für jüngere Menschen ist es schwer zu verstehen, dass das gleiche nukleare Armageddon-Szenario, über das sich ihre Eltern und Großeltern früher Sorgen gemacht haben, immer noch existiert. Wenn jedoch eine kritische Masse der Bevölkerung wirklich verstehen würde, dass ihr Leben aus keinem anderen Grund als der Bereitschaft des US-Imperiums, alles zu riskieren, um ihre Hegemonie, d. h. ihre weltweite Vorherrschaft auf dem Planeten, zu sichern, durch einen Atomkrieg bedroht ist, würde es für die Machthaber sofort schwieriger werden, mit ihr so umzugehen, wie sie es wollen.“

Fußnoten:

  1. Annie Jacobsen: 72 Minuten bis zur Vernichtung. Atomkrieg- ein Szenario. Heyne Verlag, München 2024, S. 34
  1. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1086264/umfrage/geschaetzte-zivile-todesopfer-und-verletzte-in-hiroshima-und-nagasaki/#:~:text=Am%2006.%20und%20am%2009.%20August%201945%20z%C3%BCndete,Todesopfern%20und%20in%20Nagasaki%20zu%20etwa%2064.000%20Opfern.
  1. https://www.telepolis.de/features/Ukraine-Krieg-Einsatz-von-Atomwaffen-wieder-moeglich-7334432.html
  1. Annie Jacobsen: 72 Minuten bis zur Vernichtung. Atomkrieg- ein Szenario. Heyne Verlag, München 2024
  1. https://www.telepolis.de/features/Die-10-gaengigsten-Propaganda-Thesen-zum-Ukraine-Krieg-kurz-erklaert-9617603.html
  1. Wir werden euch nicht helfen können. Ärzte gegen den Atomkrieg. Herausgegeben von Till Bastian 1983                                                                           https://www.amazon.de/werden-nicht-helfen-k%C3%B6nnen-Atomkrieg/dp/3885920492
  1. https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/gefahr-des-einsatzes-von-atomwaffen-wieder-real/
  1. https://en.wikipedia.org/wiki/Nuclear_close_calls
  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Stanislaw_Jewgrafowitsch_Petrow
  1. https://de.richarddawkins.net/articles/frohen-petrow-tag
  1. https://www.sipri.org/yearbook/2024
  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Strategic_Arms_Reduction_Treaty
  1. Scott Ritter: Disarmament in the time of Perestroika. Arms Control and the End oft he Soviet Union. Clarity Press, 2022
  1. https://www.ippnw.de/frieden/konflikte-kriege/ukraine/artikel/de/hyperschallkriege-eine-neue-aera-des.html
  1. https://www.telepolis.de/features/Neue-Studien-zu-nuklearer-Hungersnot-7240037.html
  1. https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/ippnw-kritisiert-plaene-zur-stationie.html
  1. https://overton-magazin.de/top-story/swp-rechtfertigt-stationierung-von-us-mittelstreckenraketen-keine-grossen-zusaetzlichen-risiken/
  1. Juliane Hauschulz und Xanthe Hall: Die Stationierung von US-Raketen verschärft die nukleare Bedrohung. Jacobin 24.07.2024   https://www.jacobin.de/artikel/mittelstreckeraketen-atomwaffen-usa-deutschland-nato-gipfel-inf-vertrag
  1. https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/nukleares-armageddon-unmittelbare-und-laengerfristige-auswirkungen-eines-moeglichen-atomkriegs/
  1. https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/nuklearer-winter-laengerfristige-auswirkungen-eines-moeglichen-atomkriegs/
  1. Johnstone C. A nuklear state of denial. Consortium News, June 24, 2022  https://consortiumnews.com/2022/06/24/caitlin-johnstone-a-nuclear-state-of-denial/

Erstveröffentlichung dieses Artikels am 12.08.2024 im Overton-Magazin:

https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/frieden-durch-diplomatie-statt-weiterer-eskalation-bis-zum-atomkrieg

Autor: Klaus-Dieter Kolenda

E-Mail-Kontakt: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

Kommentar:

Ist FRIEDEN der „Schnee von gestern“?

Es gab in den 50er Jahren die „Ohne mich – Bewegung“ gegen die Remilitarisierung, es sollten „Nie wieder“ Uniformen angezogen werden und „Nie wieder“ Soldaten in den Krieg geschickt werden. Beteiligt waren neben Christ*innen und Kommunist*innen auch Mitglieder der SPD.

Gustav Heinemann (DDP, CDU und später SPD) trat 1951 wegen dem von Adenauer angestrebten Aufbau der Bundeswehr als Innenminister zurück. Martin Niemöller (Theologe und ehemaliger KZ-Häftling) regte damals eine Volksbefragung gegen die Wiederbewaffnung an, in der 6 Millionen Unterschriften gesammelt wurden.

Ist das nur „Schnee von gestern“ oder sollte man erwarten, dass Bundespolitiker*innen die Geschichte kennen? Heute reist der Kanzler des „Sondervermögens“ Scholz im Juli 2024 zum NATO-Gipfel nach Washington, begleitet von der Außenministerin und dem Kriegsminister. Dort vereinbart er mit den USA-Verantwortlichen, dass ab 2026 US-amerikanische Mittelstreckenraketen mit größerer Reichweite in Deutschland stationiert werden. Es sind Waffen mit bis zu 2.500 km Reichweite, die also weit nach Russland hinein reichen. Vielleicht hatte der Kanzler die aktuellen Berichte aus Alaska des kriegstüchtigen Boris Pistorius im Ohr. Dessen Teilnahme am Training von Kampfpiloten für Luftkriegsoperationen zur Zerstörung gegnerischer Luftstreitkräfte, Kommandozentralen und dem Abwurf von Präzisionsbomben kann Ansporn gewesen sein. Wieder in Berlin kommt vom grünen Vizeminister Habeck Unterstützung für die Stationierung, der sich nach eigenen Worten zwar „nicht leicht tue“ damit, aber …

Doch es gibt auch kritische Stimmen, einerseits aus der Bevölkerung, andererseits aus der eigenen Partei. So meinte Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender SPD, laut Spiegel vom 20. Juli: „Die Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation ist beträchtlich.“ Er möchte wenigstens darüber diskutieren. Das ficht einen Olaf Scholz nicht an. Wenn der Scholzomat erst einmal in Gang ist, macht er weiter. Er wischt, mit Pistorius im Einklang, eine Diskussion vom Tisch. Damit Scholz jedoch seine Zusage an die NATO nicht vergisst, erzählt er es seinem SPD-Präsidium. Und während in den aktuellen Landtagswahlkämpfen diese Frage bereits auch Thema ist, wird von der SPD-Spitze ein Beschluss gefasst, der dem Kanzler nach dem Munde redet.

Mit dem Titel „Wir organisieren Sicherheit für Deutschland und Europa“ wird die Zustimmung zur Rüstungspolitik der Regierung gegeben. Wichtig scheint der SPD (und dem Kanzler) der Hinweis auf die „Zeitenwende“. Der Begriff wird sowieso in den letzten Wochen wieder entstaubt, so als wolle man damit die fehlende Umsetzung der Wahlversprechen von 2021 und des Koalitionsvertrages begründen. Schließlich stehen Wahlen vor der Tür und Stimmen für die Kanzlerpartei werden dringend gebraucht.
Mit dem zweiten Satz in dem Beschluss geht es falsch weiter. „Seit dem 24. Februar 2022 wissen wir: Der Überfall eines Staates auf einen anderen in Europa ist wieder möglich.“ Ob es an der Vergesslichkeit des Kanzlers oder es verdrängt wird, richtig ist, dass bereits im März 1999 der Überfall auf einen anderen Staat in Europa erfolgte und die SPD-Grüne Bundesregierung im NATO-Krieg gegen Jugoslawien mit Bundeswehrsoldaten beteiligt war.

Tatsächlich geht es in dem Beschluss letzten Endes um die Begründung einer Rüstungs- und Kriegspolitik mit dem Ziel, sich nicht nur in der Ukraine in Stellung zu bringen, sondern einer auf lange Dauer angelegten „Wiedererlangung unserer Fähigkeit zur Verteidigung unseres Landes ...“. Dabei fehlt nicht die moralische Begründung „der SPD zur Verantwortung dafür, dass kein Kind, das heute in Deutschland geboren wird, wieder Krieg erleben muss“.

Vergessen scheint, dass diese SPD Gesetze macht, die dem Satz widersprechen mit der Abschieberealität von Familien, wenn das hier geborene Kind nicht die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Zynisch ist er auch, da Kinder in Kriegs- und Krisengebieten mit deutschen Waffen in Kriegen getötet werden und die SPD den Waffenlieferungen, sowie der Produktion deutscher Waffen in Kriegsgebieten zustimmt, wie von Rheinmetall in der Ukraine.

Im Beschluss steht: „Deutschland übernimmt in enger Absprache mit seinen Partnern eine Führungsrolle, um Sicherheit, Frieden und Freiheit in Europa zu schützen. Wir stärken die Bundeswehr und den europäischen Pfeiler innerhalb der NATO.“ Will das SPD-Präsidium suggerieren, dass nicht die Regierung, nicht der Bundestag, sondern die SPD die Rolle Deutschlands in Militarisierung und Krieg und darüber hinaus auch in Europa bestimmt? Betont wird die von Partnern anerkannte Führungsrolle Deutschlands. Mühsam wird versucht das Eskalationspotential und die von der Stationierung ausgehende Kriegsgefahr kleinzureden, die Stationierung nur als „Stärkung der Verteidigung unseres Landes“ darzustellen. Dies lässt ahnen, dass auch aus der SPD selbst mit Widerstand gegen diesen Beschluss gerechnet wird.

Im Alleingang hat der Kanzlers der Stationierung der Raketen aus den USA zugestimmt. Im Alleingang hat sein SPD-Präsidium dies bestätigt. Weder im Bundestag, in den Parteien und nicht in der Bevölkerung wurde vorher darüber diskutiert. Dennoch wird zum Ende in dem Papier festgestellt: „Unsicherheit und Sorgen vor einer militärischen Eskalation auf unserem Kontinent sind in der Bevölkerung präsent. Das erfordert eine gesellschaftliche Debatte über die Bedrohungslage und die notwendigen Schritte für unsere Sicherheit, zum Erhalt unserer Freiheit und zur Sicherung von Frieden in Europa. Diese Debatte muss offen geführt werden.“ Es wird auf „Demokratiespielen“ verkehrt herum gesetzt: Erst beschließen und danach reden.

Das scheint die Logik der SPD zu sein – denn auch Waffen werden geliefert, eingesetzt und irgendwann soll dann Diplomatie folgen und verhandelt werden. Mit solchen Nebelkerzen sollen heute die 60 % der wählenden Bevölkerung im Osten der Republik erreicht werden, die sich in Umfragen Anfang August gegen die Stationierung der Raketen ausgesprochen haben.

Zugegeben – Es gibt auch manch eingefleischte Sozialdemokraten, die Nachdenkliches schreiben. Im Oktober 2022 hat Ralf Stegner ein Thesenpapier herausgegeben „Vorrang für Diplomatie – keine Militarisierung der Politik“. In diesem stellt er auch fest: „Wir wissen nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Es gibt keine „sauberen Kriege“, die sich „nur“ gegen militärische Ziele richten und es gibt schon gar keine „Gewinner“, außer in der Waffenproduktion. Im Gegenteil: Tod und Zerstörung, Flucht und Vertreibung, Terror und Angst, Verletzungen an Körper und Seele mit lang anhaltender Traumatisierung waren und bleiben Kennzeichen auch „moderner Kriegsführung“ – und sie treffen die Zivilbevölkerung wie Soldaten. Hinzu kommen Kriegsverbrechen und Gräueltaten, zu deren konsequenter Ächtung und Verfolgung der Verantwortlichen wir uns ausdrücklich bekennen.“

Man muss nicht in Allem mit Stegner übereinstimmen. Aber beim Wort nehmen sollten wir ihn, der zum Stationierungsbeschluss seiner Partei gesagt hat: „Die Welt wird davon nicht sicherer. Im Gegenteil: Wir kommen in eine Spirale, in der die Welt immer gefährlicher wird.“ Damit es kein Zurückweichen von dieser Position gibt. Nicht in der Partei und nicht im Bundestag.

Nötig wäre es. Die politische „Elite“ der Parteien wird nicht müde ihre Begeisterung für alles, was sie für „Sicherheit und Schutz der Bevölkerung“ halten zu fördern. Es gibt öffentliche Bekundungen wie die des SPD-OB Kämpfer aus Kiel, der zum Antikriegstag 2023 eine Woche in der Kaserne Mürwik in die Marine abtauchte und danach seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zurückgab, sein Kumpel Robert Habeck tat es ihm gleich und würde heute nicht mehr verweigern. Gibt es eigentlich noch eine*n Minister*in der Bundesregierung, die nicht in einem Panzer gesessen hat oder mit Stahlhelm und Schutzweste an der Front für das Foto Modell stand?

Es bleibt dabei, dass die Bewegung gegen den Kriegskurs der Regierungen und gegen die daran verdienende Rüstungsindustrie gestärkt werden muss! Mit Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen. Zum Antikriegstag am 1. September, zum Camp und Aktionstage „Rheinmetall entwaffnen“ in Kiel vom 3. - 8. September und zum 3. Oktober auf der Demonstration für Frieden in Berlin.

Bettina Jürgensen,
erschienen auf www.kommunisten.de

Hinweise/Empfehlungen

• Wer hat den Ukrainekrieg verursacht?

Diese Frage ist seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 zutiefst umstritten. Die gängige Meinung im Westen ist, dass Putin verantwortlich ist. Sieben Hauptgründe, warum man das anders sehen kann.

Dieser Artikel erschien am 5. August 2024 auf der US-Plattform Substack. Er wurde von Klaus-Dieter Kolenda mit Erlaubnis des Autors ins Deutsche übertragen, mit einigen Zwischenüberschriften und Hervorhebungen einiger Passagen im Fettdruck versehen und wird hier in zwei Teilen veröffentlicht.

Die Antwort auf diese Frage ist von enormer Bedeutung, denn der Krieg ist aus einer Vielzahl von Gründen eine Katastrophe, von denen der wichtigste die ist, dass die Ukraine faktisch zerstört wird. Das Land hat einen beträchtlichen Teil seines Territoriums verloren und wird wahrscheinlich noch mehr verlieren, seine Wirtschaft liegt in Trümmern, eine große Zahl von Ukrainern sind Binnenvertriebene oder aus dem Land geflohen, und es hat Hunderttausende von Opfern zu beklagen. Und natürlich hat auch Russland einen hohen Blutzoll zu tragen. Auf der strategischen Ebene werden die Beziehungen zwischen Russland und Europa, ganz zu schweigen von Russland und der Ukraine, auf absehbare Zeit vergiftet sein, was bedeutet, dass die Gefahr eines großen Krieges in Europa noch lange Zeit bestehen bleiben wird, auch wenn sich der Ukrainekrieg zu einem eingefrorenen Konflikt entwickeln wird. Wer die Verantwortung für diese Katastrophe trägt, ist eine Frage, die nicht so schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden wird, und wenn überhaupt, wird sie wahrscheinlich noch wichtiger werden, wenn das Ausmaß der Katastrophe für immer mehr Menschen erkennbar wird. ... John J. Mearsheimer, Overton Magazin

https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/wer-hat-den-ukraine-krieg-verursacht/

• Wie kam es zum Ukrainekrieg?

Ein Nato-Beitritt der Ukraine wird von Russland als eine existentielle Bedrohung angesehen. Das war der USA und dem Westen schon lange bekannt, ohne dass darauf Rücksicht genommen wurde.

Zweiter Teil von Mearsheimers Analyse.

Lassen Sie mich jetzt noch einen Gang höher schalten und die drei Hauptgründe für die Annahme darlegen, dass die Nato-Erweiterung die Hauptursache für den Ukrainekrieg ist. Die Nato-Erweiterung ist Hauptursache für den Ukrainekrieg. Erstens: Die russische Führung hat vor Beginn des Krieges wiederholt erklärt, dass sie die Nato-Erweiterung in die Ukraine als existenzielle Bedrohung betrachtet, die beseitigt werden müsse. Putin gab vor dem 24. Februar 2022 zahlreiche öffentliche Erklärungen ab, in denen er diese Argumentation darlegte. In einer Rede vor dem Vorstand des Verteidigungsministeriums am 21. Dezember 2021 erklärte er: „Was sie in der Ukraine tun oder versuchen oder planen, geschieht nicht Tausende von Kilometern von unserer Landesgrenze entfernt. Es liegt vor der Tür unseres Hauses. Sie müssen verstehen, dass wir einfach nirgendwo anders hingehen können. Glauben sie wirklich, dass wir diese Bedrohungen nicht sehen? Oder glauben sie, dass wir einfach tatenlos zusehen werden, wie diese Bedrohung für Russland entsteht?” ... John J. Mearsheimer, Overton Magazin
https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/wie-kam-es-zum-ukrainekrieg/

• US-„Ukraine-Hilfe“: Selbsthilfe für die USA

„80 bis 90 Prozent der gerade für die Ukraine genehmigten Mittel werden die US-Grenzen nie verlassen“ – so bilanziert der polnische Autor Jakub Dymek (Przeglad 22. April 2024). Aber auch das ist nur die Hälfte der Wahrheit. Dymek untersucht das im April 2024 vom US-Kongress beschlossene Hilfspaket von 60 Milliarden Dollar für die Ukraine als typisch für die US-Ukraine-Hilfen: „Es sind gar nicht 60 Milliarden, es handelt sich gar nicht um Hilfe, und meistens geht es gar nicht um die Ukraine. Tatsächlich wird weniger als ein Fünftel dieser Mittel jemals die Ukraine erreichen.“ Von Werner Rügemer.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=116956

• „Umschuldung“ für die Ukraine – das große Geldverdienen kann beginnen

Private Gläubiger wie BlackRock und Co. haben sich mit der Ukraine auf einen Schuldenschnitt geeinigt. Alte Staatsanleihen im Nennwert von rund 20 Milliarden US-Dollar, für die im August Zinszahlungen fällig gewesen wären, werden nun in neue Papiere umgewandelt, die nicht vor 2027 bedient werden müssen. Dafür nehmen sie offiziell einen Verlust von 37 Prozent in Kauf. Was sich wie ein schlechtes Geschäft anhört, ist jedoch eine Wette auf die Zukunft mit Potential. Sobald der Krieg vorbei ist, beginnt der große Wiederaufbau und da wollen die Finanzkonzerne natürlich dabei sein, zumal dann die G7-Staaten, darunter Deutschland, indirekt als Bürgen für neue Schulden der Ukraine einspringen. Die Zeche zahlt am Ende der Steuerzahler, die Gewinne fließen an die Finanzkonzerne im Westen und die Ukraine wird ihre ersehnte „Freiheit“ gegen eine Schuldknechtschaft eintauschen. Von Jens Berger.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=118623