Daten/Fakten  

   

Gegen NATO-Manöver Baltops 2020:

Kriegsspiele vor Russlands Haustür im Ostseeraum

Ziemlich kräftiger Wind blies den rund dreißig Friedensaktivist*innen ins Gesicht und in die Transparente. Gegenüber der Tirpitzmole im Kieler Militärhafen hatten sich die Friedensbesorgten zu einer vom Kieler Friedensforum organisierten Mahn- und Protestwache eingefunden, um gegen das 49. maritime Osteemanöver Baltops 2020 zu demonstrieren.


Corona hatte zwar dafür gesorgt, dass weder die übliche Kriegsschau „Open Ship“, noch die Besuche von Marinesoldaten untereinander stattfinden konnten. Landgang während des Manövers war ebenfalls untersagt. Absagen wollten die NATO-Verantwortlichen das Manöver jedoch nicht, es schien ihnen wohl doch zu wichtig zu sein. Denn immerhin wird bei Baltops („Baltic Operations“) das Zusammenspiel der verschiedenen NATO-Marinen geübt, seit längerem auch unter Beteiligung der noch neutralen Staaten Schweden und Finnland. „Die Übung verbessert die Flexibilität und Interoperabilität zwischen Alliierten und Partnerländern, um die kombinierten Reaktionsfähigkeiten zu stärken und internationale Entschlossenheit zu demonstrieren, um Stabilität im Ostseeraum zu gewährleisten und gegebenenfalls zu verteidigen“, heißt es in einer offiziellen Pressemitteilung der US-Marine. Tatsächlich dürfen Übungen wie Baltops und Defender nicht isoliert betrachtet werden, denn sie sind Teil einer gigantischen militärischen Neuausrichtung der NATO: nämlich Dominanz in allen Bereichen zu demonstrieren.

Dominante deutsche Marine

Vom 7. bis 17. Juni liefen nun 29 Kriegsschiffe, begleitet von 29 Militärflugzeugen aus, um in baltischen Gewässern Minenräum- und abwehrszenarien und die Unterwasser-Kriegsführung zu professionalisieren. Die Deutsche Marine beteiligt sich mit der Fregatte „Lübeck“ (mit zwei Sea Lynx-Hubschraubern), den Minenjagdbooten „Grömitz“ und „Weilheim“, den Tendern „Donau“ und „Werra“ sowie einem Seefernaufklärer P-3C Orion. Die hohe Präsenz deutscher Marineschiffe lässt erkennen, dass dieses Ostseemanöver für die deutsche Marine einen hohen Stellenwert hat, schließlich möchte die deutsche Marine nicht nur in der Ostsee eine dominierende Rolle übernehmen. Der Aufbau eines Seebattallions in Eckernförde und die geplanten extrem teuren Korvetten und Mehrkampfschiffe 180 sind Ausdruck eines solchen Anspruchs.
Kommandiert wurde Baltops von der 6. US-Flotte, die Koordination erfolgte erstmals aus Lissabon. Dass auch eine der US-B 52 Bomber an der Übung beteiligt war, um die Kriegsfähigkeit gegenüber Russland zu demonstrieren, macht deutlich, wie brisant und gefährlich die Situation in der Ostsee geworden ist. Zuvor fand bereits die polnisch-amerikanische Luftlandeübung „Alied Spirit“ statt, die eigentlich als Teil der wegen Corona eingedampften Großübung Defender 2020 gedacht war. „Das ist kein Signal für Verständigung!“, hieß es im Aufruf zur Potestmahnwache. Das ständige Säbelrasseln vor Russlands Haustür soll Konfrontationsbereitschaft signalisieren und müsse gestoppt werden.

1918: Nie wieder Krieg

Nun verschleudern Militärübungen wie Baltops, Defender und andere Militärübungen nicht nur sinnlos Geld, das anderswo dringend benötigt wird. Sie belasten darüber hinaus unnötig Klima und Umwelt. Die Klimaschützer*innen sollten sich damit beschäftigen, was 29 Schiffe und Militärflugzeuge in rund 14 Tagen an Schadstoffen in die Umwelt abgeben. Dennoch: Das Gefährliche an Militärübungen ist das Verbessern einer Kriegsführungsstrategie. Gerade im Hinblick auf die unkalkulierbare amerikanische Strategie der USA sollte von Deutschland der Dialog mit Russland geführt werden, um Rüstungskontrolle und Abrüstung eine Chance zu geben. 1918 ging von Kiel schon einmal ein Friedenssignal aus, das zum Ende des Ersten Weltkrieges führte. Was spricht dagegen, dass von der Marinestadt wieder stärker Friedenssignale ausgehen?

Benno Stahn / Kieler Friedensforum, www.kieler-friedensforum.de

Gedenkfeier am 6.8.2020 in Kiel:

Hiroshima und Nagasaki mahnen

Am 6. August 1945 um 8 Uhr 15 Minuten und 17 Sekunden Ortszeit wurde die Atombombe „Little Boy“ in 580 Metern Höhe über der japanischen Stadt Hiroshima von dem amerikanischen B-29-Bomber mit dem Namen „Enola Gay“ abgeworfen. Im Umkreis eines halben Kilometers um den „Ground Zero“ waren 90 % der Menschen sofort tot. Im Zentrum der Explosion lag die Temperatur eine Sekunde lang zwischen 3000 und 4000 Grad Celsius. Hier verdampfte alles und nur die Schatten der Menschen und Häuser blieben übrig. Am Ende des Tages waren nach Schätzungen mindestens 45.000 Menschen gestorben – und nach unsäglichen Qualen folgten in den nächsten Tagen noch viele.

Die zweite Atombombe wurde aufgrund ihrer Form „Fat Man“ genannt. Sie wurde am 9. August 1945 um 11 Uhr und 2 Minuten Ortszeit auf die Stadt Nagasaki abgeworfen und explodierte in einer Höhe von etwa 500 Metern. 22.000 Menschen starben am Tag des Angriffs. Ein Augenzeuge: „Der Brand entstand nicht, weil das Feuer sich, von Stelle zu Stelle springend, ausgeweitet hätte; vielmehr brachen viele Feuer gleichzeitig in einem riesigen Gebiet aus und loderten, bis der riesige Brand auf einen Schlag erlosch. Eine Zeit lang tobte die ganze Erde und spie Feuer.“ (Jurij Takatani, Bakushin no Oka ni te).
An den Jahrestagen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki wird deren Opfern gedacht. Die Gesamtzahl der Todesopfer in den beiden Städten innerhalb der ersten 4 Monate nach den Bombenabwürfen wird auf 200.000 geschätzt. Jedes Jahr zählen die Opferverbände in Japan weitere Opfer dazu. Das sind schockierende Zahlen, die viele Menschen seit Jahren fordern lassen: Atomare und andere Massenvernichtungswaffen müssen abgeschafft werden!

Nukleare Teilhabe beenden!

Erneut wird die Frage der nuklearen Teilhabe der Bundesrepublik Deutschland öffentlich diskutiert. Neue Atombomber sollen angeschafft werden, da die Tornados ab 2025 ausgemustert werden. Pilotinnen/Piloten der Bundeswehr sollen im Ernstfall Atombomben von Büchel über Zielgebiete abwerfen – mit alten Tornados oder neuen F-18-Bombern.

Die atomare Teilhabe ist Teil der atomaren Abschreckung der NATO. Atomwaffeneinsätze gelten bei Völkerrechtlern als völkerrechts- und grundgesetzwidrig. Damit sind auch die Bereithaltung von Atombomben und alle unterstützenden Vorbereitungsleistungen für deren mögliche Einsätze rechtswidrig. Rechtswidrige Befehle dürfen weder erteilt noch befolgt werden.

Völkerrechtler wie Proffessor Norman Paech weisen darauf hin, dass die nukleare Teilhabe völkerrechts- und damit zugleich grundgesetzwidrig (Art. 25 GG) ist:
Die Bundesrepublik hat sich als Nichtnuklearwaffenstaat im Atomwaffensperrvertrag verpflichtet, Atomwaffen „von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen“ (Art. II NVV).
Jeder Atomwaffeneinsatz verstößt gegen die Genfer Konventionen/Zusatzprotokolle zur Geltung des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten. Jeder Atomwaffeneinsatz ist laut Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) vom 9. Juli 1996 generell verboten.

Hinzu kommt, dass die Nuklearstrategie der NATO den Ersteinsatz von Atomwaffen nicht ausschließt. Zusätzlich erhöhen die Kündigung erreichter Abrüstungsvereinbarungen und die Produktion neuer „Mini-Nukes“, die die Einsatzschwelle senken, die Atomkriegsgefahr. Die neuen strategischen Gedankenspiele über einen begrenz- und gewinnbaren Atomkrieg übersehen die nahezu unaufhaltsame Eskalationsspirale im nuklearen Ernstfall. Die weltweit gelagerten Atomwaffenarsenale können die Menschheit mehrfach auslöschen. Jeder Atomkrieg würde unzählige Menschenleben durch Druckwellen, Feuerstürme und nukleare Strahlung auf grausame Weise auslöschen und zumindest große Teile der Erde unbewohnbar machen. Auch ein „begrenzter“ Atomkrieg hätte weltweit katastrophale Auswirkungen auf Atmosphäre, Klima und Gesundheit der eventuell Überlebenden (nuklearer Winter).

Da der Atomwaffensperrvertrag (Nichtverbreitungs-Vertrag) das in Artikel VI. angestrebte Ziel – vollständige nukleare Abrüstung – nach über 50 Jahren nicht erreicht hat, muss die Bundesrepublik die nukleare Teilhabe in der NATO beenden und dem neuen Atomwaffen-Verbotsvertrag der UNO beitreten – so fordert es die Friedensbewegung. Die Pilotinnen und Piloten können Ihre direkte Mitwirkung an der nuklearen Teilhabe aufkündigen und so dazu beitragen, dass in einem ersten Schritt zu einer atomwaffenfreien Welt die Atomwaffen aus der Bundesrepublik abgezogen werden. Deutschland hätte in dieser Situation die Möglichkeit ein wirksames Zeichen zu setzen: die Unterzeichnung des Vertrages zum Verbot von Atomwaffen.

Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger, Politikerinnen und Politiker dazu auf, sich eindeutig und mit aller Kraft gegen neue Atombomber, für den Abzug der Atombomben aus Büchel und für die weltweite Ächtung aller Atomwaffen einzusetzen!

Hiroshima und Nagasaki mahnen
Programm/Ablauf

Donnerstag, 6. August 2020
Kiel, Hiroshimapark

20.30 Uhr
Grußwort Stadtpräsident Hans-Werner Tovar

21.00 Uhr
Lotosblüten für Hiroshima und Nagasaki
auf dem Kleinen Kiel

Aufgrund der Corona-Pandemie kann die Gedenkfeier nicht in der gewohnten Weise stattfinden. Die Gesundheit Aller hat höchste Priorität. Dennoch möchte der Arbeitskreis Städtesolidarität nicht ganz auf eine Mahn- und Gedenkveranstaltung verzichten. Teilnehmende sind aufgefordert die üblichen und bekannten Hygienevorschriften einzuhalten.

Da das Basteln der Lotosblüten nicht möglich ist, werden Lotosblüten vorbereitet und können - unter Beachtung der Hygienevorschriften - auf den Kleinen Kiel gesetzt werden

Die Lotosblütenaktion wird unterstützt vom Arbeitskreis Städtesolidarität. Mitglieder sind: Gesprächskreis für christliche Friedensarbeit, Hiroshima-Arbeitsgemeinschaft, IPPNW (Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges), DGB Kiel Region, Mitglieder der Ratsversammlung. Vorsitz: Stadtpräsident der Landeshauptstadt Kiel.

Veranstalter: Hiroshima-Arbeitsgemeinschaft c/o Benno Stahn, An den Birken 18, 24111 Kiel

Gemeinsame Erklärung aus Bremen und Kiel:

Kriegsschiffe aus Bremen und Kiel auf allen Weltmeeren? Niemals!

Am 14. Mai 2020 wurde offiziell die Zusammenarbeit der Werften Lürssen (Hauptsitz Bremen) und German Naval Yards (Hauptproduktionstätte in Kiel, ehemals Howaldts-Werke) verkündet. Es geht hauptsächlich um den Bau von Militärschiffen.

Das gemeinsame Unternehmen soll unter Führung von Lürssen mit Sitz in Bremen-Vegesack und seit 1875 „Wiege der deutschen Schnellboote“ stehen. Der Marinepartner German Naval Yards zählt nach eigenen Angaben rund 1000 Mitarbeiter, die Lürssen-Gruppe um die 3000 Mitarbeiter. Einen besonderen Anschub für die Fusion der Werften hat offensichtlich die Vergabe des modernen Kampfschiffes MKS 180 gegeben, für das bisher 5,27 Milliarden Euro veranschlagt sind. Es ist der größte Marineauftrag dieser Art in der Geschichte der Bundeswehr. Das Bundesverteidigungsministerium hatte im Januar 2020 bekanntgegeben, einen gewichtigen Teil des Auftrages an die niederländische Werft Damen Shipyards zu vergeben, die dabei wiederum mit Lürssen kooperiert.

Für das Bremer und das Kieler Friedensforum ist der Bau von zunächst vier dieser neuartigen Mehrzweckkampfschiffe mit weltumspannenden Einsatzmöglichkeiten ein fatales Signal für noch mehr Auslandseinsätze der Bundesmarine.
Das Bremer Werftunternehmen Lürssen war in den letzten Monaten immer wieder in die Schlagzeilen geraten, weil die zu dem Unternehmen gehörende Peene-Werft in Wolgast Patrouillenboote an Saudi-Arabien geliefert hat. Lürssen unterstützte auch nach der Verhängung des Exportstopps für Rüstungsgüter Saudi-Arabien bei der Ausrüstung und der Lieferung von Ersatzteilen sowie bei der Ausbildung für Schiffscrews. Bremer und Kieler Friedensgruppen kritisieren seit Langem die „Rüstungsstandorte Bremen und Kiel“.

Das manager magazin vom 14. Mai 2020 berichtet ausführlich: „Die Konsolidierung in Deutschland ist längst überfällig“, so äußerte sich der der Chef der Privinvest Holding SAL mit Hauptsitz in Beirut (!), der obersten Konzerngesellschaft der German Naval Yards. Laut Friedrich Lürßen von der Lürssen-Gruppe sei die „Konsolidierung unserer Werften im Marineschiffbau sinnvoll und förderlich ..., um dadurch deren Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken“ ... „Mit diesem strategischen Zusammenschluss wollen wir auch aktiv dazu beitragen, die Auswirkungen der durch die gegenwärtige Corona-Pandemie entstandenen Herausforderungen im Schiffbau gemeinsam zu meistern und Arbeitsplätze und Technologiefähigkeit für den nationalen Standort langfristig zu sichern.“ Die Stärkung des nationalen Marineschiffbaus durch eine Gemeinschaftsunternehmung von Lürssen und German Naval Yards Kiel entspreche den Zielvorgaben der Bundesregierung. So sei die Bundesregierung frühzeitig durch den Maritimen Koordinator aus dem Bundeswirtschaftsministerium, Norbert Brackmann (CDU Abgeordneter aus Schleswig-Holstein), in die Konsolidierungsgespräche involviert gewesen. Er hat den Prozess maßgeblich begleitet. Der U-Boot-Bau Spezialist Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) mit rund 6.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 1,8 Milliarden Euro orientiere sich in Richtung einer Kooperation mit der italienischen Fincantieri Gruppe, die sich dazu noch bedeckt hält.

Die IG Metall Küste fordert auf ihrer Internetseite (14. Mai 2020) die Sicherung der Arbeitsplätze und Standorte bei der Konsolidierung im Marineschiffbau in den Mittelpunkt zu stellen. „Die Fusion kann allerdings nur ein erster Schritt sein. Bei der weiteren Konsolidierung muss ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) einbezogen werden“, so IG Metall-Bezirksleiter Friedrich weiter. „Es braucht eine Gesamtlösung für Unter- und Überwasserschiffbau in Deutschland, um dann eine europäische Strategie zu entwickeln.“ Die Gewerkschaft kritisiert das Verfahren, wie diese Fusion vorangetrieben worden ist. „Weder die Belegschaft noch die Arbeitnehmervertreter waren einbezogen. So etwas aus der Presse oder kurzen Gesprächen zu erfahren, ist kein guter Start für die neue Gesellschaft“, erklärte Friedrich. Zwar fordert die IG Metall Küste (7. Mai 2020) daneben auch eine sogenannte „grüne Schifffahrt“, die Entwicklung und der Bau von emissionsarmen Antriebssystemen, Aufträge in Bereichen wie: Behördenschiffe, Forschungsschiffe und Fährschiffe zum Beispiel für den Mittelmeerraum. Aber Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie scheinen für die IG Metall alternativlos zu sein, jetzt in der Krise erst recht.

Das Bremer und Kieler Friedensforum sehen diese Position der IG Metall kritisch und fordert die Gewerkschafter zum Umdenken auf. Die Zeit ist reif, neue Wege zu gehen. „Abrüsten statt Aufrüsten“ muss das Ziel sein. Natürlich geht es dabei auch um Metall-Arbeitsplätze, zum Beispiel durch Rüstungskonversion. Die Sorge der IG Metaller um ihre Arbeitsplätze in den Rüstungsbetrieben ist sicher berechtigt. Es ist allerdings kurzsichtig, nicht die Folgen ihrer Intervention zu beachten: Steigende Verschwendung von Steuergeldern für Produkte, die nicht dem Frieden und einer nachhaltigen ökologischen Wirtschaft dienen; steigende Profite für wenige Aktionäre der Rüstungskonzerne; Unterstützung der NATO, die mit neuen Waffensystemen Dominanz im Weltgeschehen sichern will; Rüstungsexporte im großen Stil und damit auch weitere Kriege auf dem Erdball; weiterer Umbau der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee; wachsende Kriegsgefahr in Europa bis hin zur atomaren Vernichtung aller Lebensgrundlagen im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“.

Das Bremer und das Kieler Friedensforum empfehlen der IG Metall, darüber nachzudenken, ob es für die arbeitenden Menschen im 21. Jahrhundert noch empfehlenswert ist, Strategien der Rüstungsprofiteure zu unterstützen. Erinnert wird an den Schwur der Überlebenden des KZ Buchenwald: „Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg“, verbunden mit der Frage, ob es nicht sinnvoller ist, Konversions- und Abrüstungsprozesse zu unterstützen. Es geht jetzt darum, in einen neuen politischen Prozess einzusteigen, der die bisherigen Erfahrungen des Strebens nach Konversion von Rüstungsarbeitsplätzen in hochwertige Arbeitsplätze für Produkte der Metall- und Elektroindustrie aufgreift. Anstehende Investitionsprogramme zur Erreichung der Klima- und Umweltziele weisen in eine lebenswerte Zukunft. Dazu müssen auch Forschungsgelder eingesetzt werden, die jetzt zur Umsetzung einer nachhaltigen Klimastrategie und zur Überwindung der Folgen der Corona-Krise anstehen. Hier zeigt sich Potenzial für völlig neue Produkte und somit auch für neue Arbeitsplätze.

Fazit
„Abrüstung statt Aufrüstung“ der NATO ist das Gebot der Stunde! Es lohnt sich im Namen des Friedens neue Anstrengungen für Rüstungskonversion zu unternehmen. Die IG Metall kann hier mit ihrem Einfluss einen wichtigen Beitrag leisten. Sie muss es nur wollen!

Juni 2020
Bremer Friedensforum  •  Kieler Friedensforum

Erfolgreiche Strafanzeige von „Aktion Aufschrei“ gegen SIG Sauer:

SIG Sauer schließt Waffenwerk in Eckernförde

Am 4. Juni 2020 wurde bekannt, dass SIG Sauer sein Waffenwerk in Eckernförde schließt. Aufschrei-Sprecher Jürgen Grässlin weist aus diesem Anlass auf die erfolgreiche Strafanzeige von „Aktion Aufschrei“ gegen SIG Sauer und auf neue Rechercheergebnisse zu möglicherweise illegalen Waffenexporten des Unternehmens nach Mexiko hin.

Nach der Strafanzeige von „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ wegen der nachweislich illegalen Exporte von rund 38.000 Pistolen – legal an die USA und illegal von den USA nach Kolumbien (über die SIG Sauer Inc.) – verurteilte das Landgericht Kiel drei führende SIG-Sauer-Manager auf Bewährung. Das Unternehmen selbst wurde zu rund 11 Millionen Euro Geldstrafe verurteilt. Die Berufung vor dem BGH in Karlsruhe läuft.

Die Geschäftsführung von SIG Sauer in Eckernförde informierte die Mitarbeiter, dass das Unternehmen seinen Betrieb in Eckernförde jetzt schließt. Davon sind rund 130 Mitarbeiter betroffen – das Ergebnis einer völlig verfehlten Geschäftspolitik!

Am 17. Juni rückten Polizei und Zoll bei SIG Sauer in Eckernförde an um Vermögenswerte zu sichern, weil es nicht das erste Mal ist, dass bei einer Firmenschließung etwas verschwindet. Es geht um die Einziehung von 11,1 Mio. Euro die SIG Sauer durch den illegalen Waffenhandel mit Kolumbien verdient haben soll, wie das Landgericht in Kiel festgestellt hat. Beim Bundesgerichtshof steht noch das Revisionsverfahren aus, aber für den Staatsanwaltschaft war die Einziehung der Vermögensmittel eine zwingende gesetzliche Folge, weil sich durch Betriebsstilllegungen die Tatsachen ändern.
SIG Sauer in Eckernförde gehört seit dem Jahr 2000 zur L&O Holding in Emsdetten (Nordrhein-Westfalen). Diese ist auch Mutterkonzern der US-Schwester Sig Sauer Inc. in Newington, wie auch die schweizerische Swiss Arms in Neuhausen.

Der Filmemacher Daniel Harrich hat im ARD-Themenabend „Meister des Todes 2“ dokumentierte, dass SIG Sauer neuerliche Pistolenexporte – nunmehr nach Mexiko – getätigt hat! Die Staatsanwaltschaft Kiel prüft deren Legalität, auch wir sind wieder aktiv.

„Einmal mehr gilt: Friedensarbeit lohnt sich – wir sind erfolgreich! Der Wermutstropfen: Die SIG Sauer Inc. in den USA exportiert offenbar weiterhin skrupellos Kleinwaffen – wir bleiben dran!“, so schrieb Jürgen Grässlin, Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!
(uws)


Link zum Film:
ARD-Themenabend zu „Meister des Todes 2“
Dokumentation »Tödliche Exporte 2« (ARD, 30 Minuten) >> auch zu SIG Sauer!
https://www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL21laXN0ZXItZGVzLXRvZGVzLzM2MWU4ZmVlLWQ0ZWUtNGMzMi1hMmZmLWZjZDgxZTBlYTUyNQ?devicetype=pc&embedded=true%2F

Spielfilm »Meister des Todes 2« (ARD, 90 Minuten) >> zum H&K-Strafprozess
https://www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL21laXN0ZXItZGVzLXRvZGVzLzcwYmVlNGQ0LTk0ZDEtNDg0Yy1iYzgyLWE0MmI2YWNhZjlhNA?devicetype=pc&embedded=true%2F

 

Erneut Strafanzeige gegen SIG Sauer wegen illegaler Waffenexporte – nach Mexiko, Kolumbien und Nicaragua

Die Staatsanwaltschaft Kiel ermittelt

Die Kampagne „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“ hat am 30. April 2020 über ihren Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer erneut Strafanzeige gegen das Rüstungsunternehmen SIG Sauer gestellt - dieses Mal wegen illegaler Waffenlieferungen nach Mexiko und Nicaragua und sowie erneut nach Kolumbien.

Es besteht der Verdacht des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz sowie des wiederholten gewerbs- und bandenmäßigen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Bereits 2014 hatte „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“ – ein Bündnis von weit über hundert Organisationen – Anzeige gegen Verantwortliche von SIG Sauer wegen illegaler Exporte von 38.000 Pistolen nach Kolumbien erstattet. Die darauffolgenden Ermittlungen führten 2019 zur Verurteilung von drei hochrangigen Managern des Unternehmens durch das Landgericht Kiel zu Bewährungs- und Geldstrafen. Darüber hinaus sollen von SIG Sauer die gesamten aus den illegalen Geschäften resultierenden Einnahmen von rund 11 Millionen Euro eingezogen werden, wogegen das Unternehmen Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt hat.

Die nun zweite umfassende Strafanzeige richtet sich gegen die bereits verurteilten Mitarbeiter sowie gegen weitere Verantwortliche bei SIG Sauer in Deutschland und in den USA. Sie beruht in wesentlichen Teil auf Recherchen des Regisseurs Daniel Harrich sowie der SWR-Journalisten Thomas Reutter und Manfred Hattendorf (ARD-Doku „Tödliche Exporte 2“). Der Weg der Pistolen im Wert von mehreren Millionen Euro erfolgte über den Umweg der SIG Sauer Inc. in den USA nach Mexiko, Kolumbien und Nicaragua, ein beträchtlicher Anteil davon mit den Aufdrucken „Made in Germany“ oder „Beschussamt Kiel“.

Holger Rothbauer, Rechtsanwalt der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, erklärt dazu: „Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass noch während des am Landgericht Kiel laufenden ersten Strafverfahrens die gleichen Straftaten mit neuen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch tausendfachen Export von Pistolen in Bürgerkriegsländer – wohlgemerkt von bereits wegen der gleichen Delikte verurteilten Geschäftsführern und Verantwortlichen bei SIG Sauer – begangen wurden, dann wäre dies der juristische Mount Everest von kriminellem Verhalten. Dann dürfte es für diese Abscheulichkeit sicherlich keine Bewährung mehr im nächsten Strafurteil geben. Die Staatsanwaltschaft Kiel bestätigt den Anfangsverdacht und hat ein Ermittlungsverfahren mit Aktenzeichen eingeleitet.“ 

Anzeigeerstatter Jürgen Grässlin erklärt: „Dieser Vorgang ist einmalig in der bundesdeutschen Rüstungsexportgeschichte und zeugt von einer nie da gewesenen Skrupellosigkeit: Denn die Bewährungsstrafen durch das Landgericht Kiel im Fall der illegalen Pistolenexporte nach Kolumbien beruhten auf der Annahme, dass die Verurteilten von SIG Sauer nie wieder illegal Waffen exportieren würden. Stattdessen nutzte SIG Sauer die Lücke, die auf dem mexikanischen Waffenmarkt durch das Rüstungsexportverbot der Bundesregierung für Mexiko infolge unserer Strafanzeige gegen Heckler & Koch entstanden war.“ Laut Grässlin, Sprecher der der „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“ und der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) „sind die Folgen dieses Kleinwaffendeals tödlich. Aufgrund dieser wohl erneut illegalen Waffentransfers von SIG-Sauer-Waffen in die drei lateinamerikanischen Länder werden unzählige unschuldige Menschen verstümmelt oder getötet.“

 

Ralf Willinger, Kinderrechtsexperte des Kinderhilfswerks terre des hommes und Mitglied des Trägerkreises von Aktion Aufschrei, sagt: „Unsere Recherchen belegen, dass die Pistolen, die SIG Sauer illegal nach Kolumbien exportiert hat, dort für zahlreiche Verbrechen eingesetzt werden – von illegalen bewaffneten Gruppen; wie Paramilitärs, Guerilla und Drogenkartellen, aber auch von Polizei- und Armeeangehörigen. Das ist den Verantwortlichen bei SIG Sauer bekannt, und dennoch liefern sie offenbar illegal weiter nach Kolumbien, Mexiko und Nicaragua. Diese rücksichtslose Geschäftspolitik auf Kosten der Menschen vor Ort muss dringend gestoppt werden.“    

Christine Hoffmann, Sprecherin der „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“ und pax christi-Generalsekretärin sieht in dem neuerlichen Rüstungsexportskandal einen weiteren Beweis dafür, „dass der Endverbleib von Kleinwaffen nicht kontrollierbar ist und auch Kleinwaffenexporte an NATO-Staaten wie die USA alles andere als unproblematisch sind. Um wirklich zu verhindern, dass deutsche Kleinwaffen bei Gewalttaten und Menschenrechtsverletzungen zum Einsatz kommen, dürfen diese nicht mehr exportieren werden. Ein konsequentes Kleinwaffenexportverbot ist überfällig.“

12.06.2020, „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“  - www.aufschrei-waffenhandel.de

Jagel405

GEHT DOCH!

60 Jahre Ostermarsch!

Das Corona-Virus und der Schutz vor einer zu schnellen Verbreitung hat in den Bundesländern zu einschränkenden Maßnahmen bis hin zum Verbot von Kontakten in Kleingruppen geführt. Der Förderalismus der BRD führt dazu, dass die Einschränkungen sehr unterschiedlich sind.

Weil in einigen Bundesländern das öffentliche Leben fast zum Erliegen gekommen ist, mussten die Friedensaktivist*innen andere Möglichkeiten zur Darstellung ihrer Forderungen finden. Der „virtuelle Ostermarsch“ wurde von vielen Initiativen als Alternative genutzt. Damit werden jedoch nur diejenigen erreicht, die mit der entsprechenden Computertechnik ausgerüstet und mit den dafür notwendigen PC-Programmen vertraut sind. Trotz allem: es ist eine Form der gemeinsamen Aktion, ist ist in einigen Regionen momentan eine Art der Kontaktaufnahme und die Möglichkeit die Forderungen der Friedensbewegung öffentlich zu machen und zu verbreiten.

Auch in Schleswig-Holstein gibt es Auflagen und Beschränkungen, auch hier dürfen maximal Familien, WG´s oder Lebenspartner*innen mit einer zusätzlichen Person in die Öffentlichkeit. Unter dem Eindruck der Verordnungen der Bundes- und Landesregierung und auch der Unsicherheit mit dem neuen Virus wurden geplante Ostermärsche von Veranstalter*innen in abgesagt. Teilweise wurde von den Initiativen zu anderen Aktionsformen eingeladen wie z. B. in Wedel zu einem virtuellen Ostermarsch mit Musik, Fotos, einem Videorundgang durch die Stadt.

Aber es geht auch anders. Jedes Jahr am Karfreitag findet eine Friedensdemonstration von Schleswig nach Jagel statt, mit Abschlusskundgebung vor dem Drohnen- und Tornado-Standort der Bundeswehr in Schleswig-Holstein.
Auch für 2020 war die Demo und Kundgebung geplant. In Folge der Corona-Pandemie wurde die Demonstration untersagt, da es nach Auffassung der Ordnungsbehörde „nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der (für die Verhinderung von Coronavirusübertragungen) vorgeschriebene Abstand (von 1,5 Metern zwischen den Teilnehmern) marschbedingt ungewollt verringert und weitere Personen hinzukommen.“
Für die Kundgebung in Jagel wurde die Einhaltung eines 1,5 m Abstandes vorgeschrieben, mit dem diese stattfinden konnte. Gemäß Behördenschreiben „sind Teilnehmer mit erkennbaren Symptomen einer COVID19-Erkrankung oder jeglichen Erkältungssymptomen auszuschließen.“

Das im Versammlungsgesetz Schleswig-Holstein festgelegte „Vermummungsverbot“ wurde wie folgt relativiert:
„Das Vermummen der Teilnehmer in Form von Tüchern, Schals oder Atemschutzmasken ist erlaubt und wird aufgrund der aktuellen Pandemie zur Verringerung der Ansteckungsgefahr begrüßt. Ich weise darauf hin, dass Vermummungen zur Verhinderung der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gem. § 17 Abs.1 Nr. 1 VersFG SH weiterhin verboten sind.“

Unter Einhaltung dieser Auflagen hat die Kundgebung als Osterfriedensaktion stattgefunden. Gefordert wurde im 60. Jahr der Ostemarschbewegung von den bis zu 70 Teilnehmer*innen:

• Die nukleare Teilhabe der Bundeswehr an dem NATO-Aufrüstungsprogramm sofort zu beenden !
• Die umgehende Schließung kriegsrelevanter Standorte wie Jagel !
• Kein Einsatz von Drohnen !
• Die Beendigung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr !
• Abrüsten statt aufrüsten !

Diese Forderung der bundesweiten Friedensbewegungen war auch vor dem Haupttor zum Fliegerhorst in Jagel unüberhörbar.

 

ostern kiel1878
Ostermahnwache in Kiel

Oster-Mahnwache in Kiel

Der Ostersonnabend ist in Kiel seit einigen Jahrzehnten für Friedensbewegte immer der Tag des Ostermarsches. Auch für dieses Jahr gab es einen Aufruf, der von einem breiten Unterstützer*innenkreis, darunter auch die marxistische linke, getragen wurde. Darin hieß es unter anderem:


Die Ostsee – ein Meer des Friedens !

Überall auf dem Kontinent demonstrieren Menschen gegen die lebensbedrohende Umweltzerstörung und für die Eindämmung des Klimawandels. Während die Jugend ihre Zukunft einfordert, praktiziert das Militär, einer der größten Umweltvernichter, unbeeindruckt seine Rituale. Die regelmäßigen Manöver in unserer Ostseeregion sind gegen Russland gerichtet und machen eine Entspannungspolitik unmöglich.

 

 

8. Mai 1945: Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus !

Der Überfall deutscher Truppen auf die Sowjetunion darf nicht vergessen werden. Dieses Verbrechen forderte Millionen Tote, Elend und Zerstörung. Wir empfinden es als Provokation, dass gerade zu Beginn des Gedenkjahres 2020 (75 Jahre Befreiung des KZ Auschwitz, 75 Jahre Befreiung von Krieg und Faschismus) im Baltikum und an der russischen Westgrenze die von NATO-Staaten unterstützte amerikanische Großübung Defender 2020 stattfindet. Deutschland übernimmt dabei die Funktion einer logistischen Drehscheibe auf der Grundlage des Truppenstationierungsabkommen. Es ist höchste Zeit, dieses Abkommen zu kündigen.“

Wir erinnern uns: Viele Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie waren bereits durchgesetzt, das Defender2020 Manöver war jedoch zu dem Zeitpunkt noch in voller Aufrüstung. Dies macht die notwendige, mindestens mahnende und inhaltliche Aktivität gegen die Hochrüstung und das Säbelrasseln auch in Zeiten der Corona-Pandemie deutlich.


Der Ostermarsch 2020 in Kiel wurde bereits Mitte März wegen der Maßnahmen gegen die Pandemie und mit Blick auf die Gesundheit der Aktivist*innen alternativlos abgesagt. Mit Blick auf die Entwicklungen in Kiel selbst – die Rüstungswerft der Thyssen-Krupp-Marine Systems (TKMS) hat am 9.4.2020 ein U-Boot an die ägyptische Armee übergeben – ergriff die örtliche DFG-VK die Initiative und meldete eine Mahnwache für den Frieden an. Da die meisten Geschäfte wegen der Auflagen geschlossen sind, blieb der Zuspruch der Bevölkerung überschaubar, trotzdem wurde die Aktion interessiert wahrgenommen. Zwei Stunden Mahnwache, mit dem notwendigen Abstand der Aktivist*innen zueinander, statt Ostermarsch waren eine wichtige Alternative.

Der Motorradclub Kuhle Wampe Kiel hatte sich entschlossen in kleinen zweier Gruppen mit Motorrädern über Ostern zu touren. Das die Kuhle Wampe dabei nicht die Probleme und das Geschehen in der Welt außer acht lässt, erstaunt nicht, denn die Mitglieder stehen für Frieden, Antifaschismus und Demokratie. „Macht von euren demokratischen Rechten weiterhin Gebrauch“ waren dann auch die nach außen sichtbaren an den Motorrädern angebrachten Forderungen.
Auf der Kieler Gablenzbrücke wurden innerhalb von 5 Minuten fünf Fahrer*innen von der Polizei zur Kontrolle angehalten. Außerdem gab es die Aufforderung die Transparente zu entfernen. Von zwei Mitgliedern der Kuhlen Wampe wurden die Personalien aufgenommen. Insgesamt wurde die Tour von den Teilnehmenden als positiv eingeschätzt.

Das Aktivitäten dieser Art in Schleswig-Holstein möglich sind, liegt nicht nur an den, gegenüber anderen Bundesländern, noch nicht so scharfen Einschränkungen und Kontaktauflagen. Die Durchführung dieser Aktionen zur Wahrnehmung der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit war nur durch das aktive Einfordern der Anmelder*innen möglich. Es ist auch kein, wie einige Außenstehende geäußert haben, sorgloser Umgang von Aktivist*innen mit der Gefahr einer möglichen Infektion für sich und andere Menschen. Immerhin wurde bei beiden Aktionen mehr Abstand gewahrt und Mund-Nase-Schutz genutzt, als es oft in Super- und Baumärkten durch Kund*innen geschieht. Erwähnt werden sollte, dass auch die anwesende Polizei nur mit wenig Personal und „begleitend“ erschienen ist. Es ist bekannt, dass an anderen Orten in den letzten Wochen Aktionen für die Aufnahme Geflüchteter, sowie anderer notwendiger Protest, Widerstand und Informationen per Kundgebungen, mit Polizeigewalt verhindert wurden. Die Solidarität mit denen, die derart repressiv an ihrer Meinungsäußerung gehindert werden, ist gefordert und notwendig!

Die Kundgebung in Jagel, die Mahnwache in Kiel und die Aktion der Kuhlen Wampe waren ermutigende Zeichen, dass auch in Zeiten der Corona-Pandemie das Demonstrationsrecht, wenngleich mit Einschränkungen, wahrgenommen werden kann.


Bettina Jürgensen, marxistische linke

kuhle wampe kiel162501

Osteraktion Kuhle Wampe in Kiel

U Boote systemrelevant

Rüstung in Kiel:

Kriegsschiffbau – ein todsicher florierendes Geschäft

Mit der Schlagzeile „TKMS arbeitet weiter - Corona kann U-Bootbau nicht stoppen“ machten die Kieler Nachrichten am 1.4.2020 auf einen noch aktiven Produktionsbereich in Kiel aufmerksam. Manch eine/r dachte wohl zunächst an einen Aprilscherz. Doch, so die KN weiter: „Die Lage auf den deutschen Werften ist aufgrund der Corona-Krise angespannt. Fast alle Werften haben Kurzarbeit angemeldet und die Produktion heruntergefahren. Bei Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS) in Kiel-Gaarden allerdings wird in drei Schichten rund um die Uhr weitergearbeitet.“

Das sollte wohl die Kieler Bevölkerung beruhigen, denn immer noch gelten die Werften als eine der wichtigen Industriezweige in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt.

Gleichzeitig hatte die German Naval Yards Kiel (GNYK) ab dem April Kurzarbeit angemeldet und Teile des Betriebs, wie die Werkstätten sowie die Fertigung und damit die Arbeiten an und in den Schiffen, geschlossen.

Ein Grund für die Fortführung des Betriebs auf der TKMS wurde am 9.4. deutlich: Das dritte von vier U-Booten wurde an den Oberbefehlshaber der ägyptischen Marine, Vizeadmiral Ahmed übergeben. Laut Angaben der „Kieler Nachrichten“ sollen alle vier Boote rund eine Milliarde Euro einbringen.
Wegen der Corona-Schutzmaßnahmen auf der Werft erfolgte die Übergabe ohne Zeremonie im engsten Kreis der Projektverantwortlichen, so die TKMS.

Doch Kieler Aktivist*innen ließen das U-Boot nicht ohne öffentlichen Widerspruch vom Stapel. Eine Gruppe hatte sich zur Mittagszeit des 9. April vor dem Haupttor der Werft mit Transparent und Protestschildern versammelt. Sie stellten mit ihrem Protest auch die Frage, ob der U-Boot-Bau in Kiel systemrelevant ist, denn während allerorts die Produktion wegen der Corona-Pandemie runtergefahren wurde, läuft die Werft auf Hochtouren weiter.

Der Protest gegen Rüstungsexporte wächst in der Bevölkerung, die Forderung nach einem Verbot von Waffenexporten wird lauter. Kritisiert wird, dass mit der Auslieferung des U-Bootes an Ägypten außerdem die von Saudi-Arabien geführte Kriegskoalition im Jemen unterstützt wird, zu der auch Ägypten gehört. Deutlich wird hier die Rolle Deutschlands und der TKMS, die an den Toten dieses Krieges verdienen.

Dass die Aktion vor dem Haupttor der TKMS kurz vor Ostern stattgefunden hat, ist ein wichtiger Protest, da in diesem Jahr die Ostermärsche abgesagt wurden und hier aber deutlich wird, wie wichtig auch in Corona-Zeiten die politische Aktion ist.


„Krieg beginnt hier!“ ist nicht nur eine Parole der Friedensbewegten, sondern die Rüstungsindustrie selbst zeigt, dass sie rund um die Uhr den Kriegen in der Welt die Waffen liefert.

Thyssen Krupp KielDazu gehört auch das eingefädelte Milliardengeschäft der TKMS mit Brasilien. Eine Werftentochter von Thyssenkrupp soll in Brasilien vier Kriegsschiffe bauen. Der brasilianische Staatskonzern Emgepron wird mit einem dazu gegründeten Konsortium aus Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS), der brasilianischen Embraer Defense & Securities sowie der Embraer-Tocher Atech vier Kriegsschiffe bauen. 2025 soll das erste Schiff ausgeliefert werden.

Auch wenn die Produktion mit einem Wert von 1,7 Milliarden Euro nicht in Kiel, sondern in Brasilien stattfindet, wird die TKMS auch hier mit ihrem technischen Know-How, wie es beschrieben wird, mit Wissenstransfer für Kriegsschiffbau verdienen.

Wie eine Randnotiz wirkte da der Hinweis am 10.4.2020 in den Kieler Nachrichten: „Deutsche Marine U-Boot-Krise ist überstanden - Fast zweieinhalb Jahre dauerte die Reparatur. Jetzt bereitet sich „U 35“ auf die Rückkehr in die Marine vor. In dieser Woche kam das U-Boot im Kieler Hafen wieder ins Wasser. Die Werft Thyssen Krupp Marine Systems hatte das Boot repariert.“

Noch vor wenigen Jahren wurde das „Werftensterben in Deutschland“ beklagt und negative Auswirkungen auf die norddeutsche Wirtschaft insgesamt erwartet. In dieser Situation fusionierte die HDW-Kiel im Jahr 2005 mit Thyssen-Krupp Marine Systems. Dies und der noch stärkere Ausbau der Rüstungsproduktion, die HDW war immer Werft für Kriegsschiffbau, wurde den Beschäftigten auf den Werften und der Bevölkerung als Mittel gegen den Abbau von Arbeitsplätzen „verkauft“. Die TKMS gliederte 2005 den zivilen Überwasserschiffbau aus. 2011 wurde dieser Teil dann von „Abu Dhabi Mar“ übernommen. Da die israelische Regierung an diesen Teil der Werft vier Korvettenschiffe in Auftrag gegeben hatte und sich an dem arabischen Namen störte, wurde die Werft 2015 in German Naval Yards umbenannt. Gleichzeitig war dies der Start für das Ende des zivilen Schiffbaus.
Arbeitsplätze hat dies alles nicht gerettet. Bei der Thyssen-Krupp Marine Systems ist die Zahl von 6.024 Beschäftigten im Jahr 2006 auf 3.441 Beschäftigten in 2019 gesunken. Die German Naval Yards hatte 2015 noch 964 Beschäftigte, in 2019 waren es 915. (Zahlen lt. Statista)
Kein Geheimnis ist, dass die Bundesregierung Deutschland den Export von U-Booten mit Kreditzusagen und Kaufsubventionen fördert. Im März 2010 hatte die deutsche Regierung z.B. von Griechenland als Voraussetzung für das Rettungspaket gefordert, zwei U-Boote in Lizenz der HDW für eine Milliarde Euro zu kaufen. Ebenso gehen Rüstungsaufträge der Bundeswehr an die deutschen Werften und sind bereits bei der Auftragsgebung eine sprudelnde Quelle der Finanzierung.

Dass (Rüstungs-)Aufträge für deutsche WerftGerman Naval Yards Kielen erwartet werden, machte unlängst die Vergabe eines europäisch ausgeschriebenen Auftrags der Bundeswehr für das Mehrzweckkampfschiff 180 deutlich. Nicht die TKMS hatte den Zuschlag für das 5,3 Milliarden Euro-Projekt erhalten, sondern am 14.Januar 2020 die niederländische Damen-Werft. Dies sorgte für Kritik in Politik und Wirtschaft, insbesondere in Schleswig-Holstein. Die Kieler Wert German Naval Yards (GNYK) hat dagegen, mit Unterstützung der Landesregierung, juristische Schritte eingeleitet.


Die Produktion und der Verkauf von Rüstungsgütern aus Deutschland sollte Anlass sein, die Bewegung gegen Krieg und Militarisierung zu stärken! Gerade im 75. Jahr nach dem Ende des von Deutschen begonnenen Krieges muss die Forderung „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ nicht nur virtuell, sondern konkret, sichtbar und hörbar gestellt werden. Dazu bedarf es unter den Beschränkungen für Veranstaltungen Kreativität und vielleicht auch Mut. Dass dies nicht unmöglich ist, zeigten Aktivitäten zu Ostern und zur Rettung Geflüchteter.

Bettina Jürgensen, marxistische linke

Rheinmetall:

Rüstungskonzerne sollen zum sicheren Hafen für Kapitalanleger in der Corona-Krise werden

Das Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen!“ fordert Stopp von Rüstungsproduktion und Waffenexporten. Die Welt steht auf dem Kopf. Aber nicht für alle. Während das soziale und kulturelle Leben fast vollständig zum Erliegen kommt, Bars, Restaurants und große Teile des Einzelhandels geschlossen sind und Kontaktverbote auf wackliger gesetzlicher Grundlage erlassen werden, geht die Rüstungsproduktion bei den Konzernen Rheinmetall und Krauss Maffei Wegmann weiter als wäre nichts.

Die Politik unterstützt und befördert diese zweifelhafte Prioritätensetzung. Vor einigen Tagen erst wurde bekannt, dass die Regierung wieder umfangreiche Rüstungsexporte unter anderem an Ägypten, Israel und Katar genehmigt hat. Seit Anfang 2019 hat die Bundesregierung Rüstungsexporte in Höhe von 1,2 Milliarden Euro an Länder der saudisch geführten Kriegsallianz im Jemen genehmigt. Das sind gute Voraussetzungen für Bombengeschäfte: Rheinmetall hat angekündigt, die Summe von 103.399.780,80 EUR als Dividende für das Jahr 2019 auszuschütten.

Die Absätzmärkte werden von der Politik gesichert. Während die Rüstungsproduktion weitergeht, ermöglicht die Bundesregierung die Waffenexporte an kriegführende Allianzen und in Krisengebiete. Und trotz Pandemie plant Deutschland, die Militärausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern. Außenminister Heiko Maas hat das vor wenigen Tagen noch einmal deutlich gemacht. Unter diesen Bedingungen raten Börsenexperten aktuell zum Kauf von Rüstungsaktien.

„Waffengeschäfte werden zum sicheren Hafen für Kapitalanleger in der Corona-Krise gemacht. Dieses Handeln von Politik und Konzernen ist genau das Falsche. Es verschärft Krisen und Konflikte, statt sie zu lösen. Wir brauchen einen Stopp der Rüstungsproduktion und der Exportgenehmigungen. Als Sofortmaßnahme in der gegenwärtigen Krisensituation müssen die 103 Mio. EUR Dividende, die an die Anteilseigner des Rheinmetall-Konzerns ausgeschüttet werden sollen, abgeschöpft und in das Gesundheitssystem umgeleitet werden”, sagt Carola Palm vom Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen“.

Neben all dem Leid, das die Pandemie verursacht und verschärft, eröffnet sie auch die Chance das richtige zu tun. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, hat das erkannt und bemüht sich um einen weltweiten Waffenstillstand. In vielen Unternehmen wird zur Zeit über eine Umstellung der Produktion nachgedacht. Die Pandemie drängt zu Überlegungen, wie sich eine Produktion, die zu Zerstörung und Leid führt, in eine zivile Produktion umwandeln lässt, die den Menschen und ihren Bedürfnissen dient.

„Wir haben jetzt die Chance zu tun, was schon immer richtig war. Rüstungsproduktion ist in vielerlei Hinsicht zerstörerisch. Wir fordern den sofortigen Stopp der Rüstungsproduktion und eine gesellschaftliche Diskussion darüber, wie die Rüstungskonzerne auf eine zivile Produktion umgestellt werden können. Sie muss dem Wohlergehen der Bevölkerung verpflichtet sein. Das ist der Weg aus der Krise“, sagt Daniel Seiffert vom Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen!“.

Quelle und mehr Infos:
https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org

rheinmetall entwaffnen berlin

Der in Kiel mit einem Werk in Suchsdorf ansässige Konzern Rheinmetall hat gerade erst einen Großauftrag über die Modernisierung für Leopard- Kampfpanzer, Panzer-Haubitzen und Lkw aus Ungarn bekommen.

Manfred Sihle Wissel Bueste Wilhelm Bauer Foto LH Kiel Imke Schroeder

U-Boot-Erfinder an der Hörn:

Mit der Wilhelm-Bauer-Büste Werbung für heimtückische Waffen

Die Stadt Kiel und der Ortsbeirat Gaarden hat am 31.3.2020 die Bronzebüste des Erbauers des ersten U-Bootes in Kiel am Hörnufer südlich des Museumshafens Kiel aufgebaut. Das erste deutsche U-Boot versank gleich auf seiner Probefahrt am 1.2.1851 in der Kieler Förde und erst 1887 wurde der „Brandtaucher“ geborgen.

Die Stadt Kiel schreibt in einer Pressemitteilung: „Im vergangenen Jahr hatte sich ein Kreis von Engagierten um den Kieler Historiker Prof. Dr. Peter Wulf dafür eingesetzt, die Büste wieder aufzustellen. Der renommierte Bildhauer Manfred Sihle-Wissel hat mit Unterstützung durch das Kulturdezernat jetzt einen vorhandenen Amboss genutzt und sein Kunstwerk erneuert. Der Amboss befand sich im städtischen Besitz und stand in der Nähe des Schifffahrtsmuseums. Gemeinsam mit dem Bildhauer, dem Ortsbeirat Gaarden und dem Kieler Kunstbeirat, der die Wiederaufstellung finanziert hat, wurde zudem ein neuer Standort an der Hörn für das Kunstwerk gefunden. In Nachbarschaft des Neubaus der Investitionsbank SH und des Theaterschiffs steht nun seit dem 31. März weithin sichtbar die tonnenschwere Büste.“

Die Büste steht direkt am sogenannten Germaniahafen (benannt nach der ersten deutschen Kriegswerft), direkt an der Stelle, wo nach dem 2. Weltkrieg die ersten U-Boote von HDW-Gaarden gebaut wurden. Unter anderem auch für das faschistische Regime in Chile, nach dem dort der blutige Putsch gegen die sozialistische Regierung von Alliende stattgefunden hatte.

Damit nicht genug. Mittlerweile werden von der ehemaligen HDW-Werft, jetzt unter dem Namen Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS) modernste U-Boote gebaut, die mit Brennstoffzellen-Antrieb wochenlang unentdeckt die Weltmeere durchtauchen können, um angeblich sicherheitspolitisch relevante geheime Informationen zu sammeln. Wichtige Verkehrswege können gesichert oder auch bedroht werden. Im Kriegseinsatz können sie über die Geräuscheortung den richtigen Feind ausspähen und mit Torpedos vernichten. Neuerdings werden sie auch von anderen Ländern, wie z. B. Israel mit Atomraketen nachgerüstet. Diese U-Boote werden problemlos auch an Länder geliefert, die in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt sind, wie z. B. Türkei und Ägypten. An Letzteres wurde am 9.4.2020 das dritte U-Boot übergeben. Die Baugenehmigung für die U-Boote erteilte 2014/25 das Bundeswirtschaftsministerium unter der Führung von Sigmar Gabriel (SPD). So ein U-Boot kostet denn locker mal 400-500 Mio. Euro. Ägypten liegt mit der Exportbilanz aktuell mit 800 Mio. Euro knapp hinter Ungarn. Aber das ist ja fast nichts im Vergleich zu den vom Bundessicherheitsrat im Jahre 2019 genehmigten Rüstungsexporten im Wert von 7,95 Mrd. Euro. Die Rüstungskonzerne verdienen in Kiel außerordentlich gut, zahlen ihre Steuern größtenteils woanders und weil das Geschäft so profitabel ist, dürfen die Arbeiter auch bei Corona arbeiten.

Einige SPD- und Grünen-Politiker reden manchmal von Konversion (sprich Umwandlung in zivile Produktion). Aber da lachen nur noch die Möwen. „Ohne Export wäre die wehrtechnische Industrie in Schleswig-Holstein nicht überlebensfähig.“ sagt der Vorsitzende des Unternehmer-Arbeitskreises Wehrtechnik mit 30 Unternehmen und 6.400 Arbeitern. Eine traurige Wirtschaftsform, die nur noch durch Krieg und Mord am Leben zu erhalten ist. Corona hat uns mal kurz gezeigt, dass es Wichtigeres gibt und dass es mit Krieg und Waffen keine Lösung gibt.

Diese Büste am Germaniahafen macht nun unverschämte Werbung für die Produktion zum (heimtückischen) Töten. Nicht nur für die Traditionsschiffe im Museumshafen ist das eine Provokation. Niemand wurde gefragt, ob das Denkmal gewünscht ist. Auf die Beschilderung durch die Stadt Kiel dürfen wir gespannt sein. (uws) (Bild oben: Manfred Sihle-Wissel an der Wilhelm-Bauer-Büste am Germaniahafen. Foto: LH-Kiel, Imke Schroeder)

U Boot Krieg

Bild: Im Ersten Weltkrieg kaperte das deutsche U-Boot U54 u.a. das Norwegische Segelschiff "Ocean" und versenkte es am 31.7.1917

 

LETZTE MELDUNG:

Das Nato-Manöver BALTOPS soll trotz der Corona-Krise vom 6.-19. Juni 2020 in der Ostsee stattfinden. Versorgungshäfen sind die Marinestützpunkte in Kiel und Eckernförde.
Aus 18 Nationen werden wieder 50 Schiffe mit ca. 8000 Soldaten erwartet. USA und NATO wollen ihre Stärke gegenüber Russland zeigen, die angeblich seit März vor der dänischen und deutschen Küste mit Aufklärungsschiffen agieren.

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Mordwaffen:

Bundestag will Kampfdrohnen für die Bundeswehr im Juni beschließen

Liebe Freundinnen und Freunde, bewaffnete Drohnen – im Volksmund „Kampfdrohnen“ – sind zuerst durch die US-Regierung als eine aggressive Waffe zur Menschenjagd und „gezielte Tötungen“ entwickelt und eingesetzt worden. Die Kampfdrohnen ermöglichen Tötungen ohne ein Risiko für die Angreifenden und senken damit die Schwelle, militärische Gewalt auszuüben. In den letzten Jahren haben mehr und mehr Länder Kampfdrohnen angeschafft und in mehr und mehr Ländern eingesetzt. 

Mit Kampfdrohnen werden ganze Bevölkerungen durch ständige Überwachung und häufige Tötungen, auch von vielen Unbeteiligten, gequält. Zudem werden Kampfdrohnen für friedensbedrohende völkerrechtswidrige Attentate eingesetzt, wie im Januar gegen den iranischen General Qasem Soleimani.
Seit Jahren ist es weitgehend bekannt, dass die US-Regierung die Ramstein Air Base im deutschen Hoheitsgebiet für illegale Drohnen-Tötungen verwendet. Die Bundesregierung könnte durch Kündigung des Stationierungsvertrags mit den USA die völkerrechtswidrigen Drohnen-Tötungen via Einrichtungen in Deutschland stoppen. 

Stattdessen will die Bundesregierung Drohnen der Bundeswehr bewaffnen. Kampfdrohnen spielen heute auch eine zentrale Rolle in den Aufrüstungsplänen der NATO und der EU. Und die deutsche Rüstungsindustrie ist bestrebt, so bald wie möglich in den weltweiten Handel mit dieser Mordwaffe einzusteigen.
 
Schon vor mehr als sieben Jahren forderte der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr. Die Friedensbewegung sowie Menschenrechtsorganisationen, Kirchen, Gewerkschaften, NGOs und Abgeordnete aus mehreren Bundestagsfraktionen haben sich über viele Jahre gegen das gefährliche neue Waffensystem eingesetzt. Wegen der starken Ablehnung in der Bevölkerung gab es bis heute noch keine Mehrheit in der Politik für ihre Beschaffung. 
Deutschland hat noch keine bewaffneten Drohnen. Und dies muss so bleiben! Die Gründe, warum wir Kampfdrohnen für die Bundeswehr ablehnen, sind über die Jahre in zahlreichen Erklärungen, Appellen, Reden, Anfragen und Studien von Wissenschaftler*innen und Jurist*innen, Whistleblowern, Parlamentarier*innen, NGOs, Friedens- und Menschenrechtsorganisationen ausführlich beschrieben und belegt.

Aber liebe Freundinnen und Freunde, nun während der Corona-Virus-Krise versucht das Verteidigungsministerium die Beschaffung von Waffen für Bundeswehr-Drohnen doch noch durchzusetzen, und zwar voraussichtlich im Juni 2020. Dies müssen wir stoppen!
Wegen dem erheblichen Widerstand gegen Kampfdrohnen in der Bevölkerung wurde im geltenden Koalitionsvertrag von 2018 durchgesetzt, dass eine parlamentarische Entscheidung über eine mögliche Bewaffnung von Drohnen für die Bundeswehr erst nach einer „breiten gesellschaftlichen Debatte“ und „ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung” stattfinden kann.
Hiermit wurde Deutschland der erste NATO-Mitgliedsstaat, dessen regierende Parteien eine solche Untersuchung zu diesem gefährlichen Waffensystem angeordnet haben. Die in Deutschland vorgesehene „breite gesellschaftliche Debatte“ zu Kampfdrohnen ist deswegen für die ganze Welt von Bedeutung. 
Die schwerwiegende Entscheidung des Bundestags für oder gegen die Bewaffnung von Drohnen für die Bundeswehr darf aus guten Gründen nur nach einer breiten gesellschaftlichen Debatte stattfinden. Als Präzedenzfall wird diese Entscheidung bis weit in die Zukunft die Möglichkeit einer Bewaffnung von allen bewaffnungsfähigen Drohnen der Bundeswehr betreffen: ob Heron TP, „Eurodrohne“ oder auch weitere Drohnen, darunter eventuell in der Zukunft auch autonome Drohnen.  
Die Bundesregierung beteuert, dass sie bewaffnete Drohnen immer unter Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte einsetzen wird. Aber liebe Freundinnen und Freunde, wie sollen wir dies glauben, wenn die Bundesregierung die völkerrechtswidrigen Drohneneinsätze der USA seit Jahren duldet? Und eine Entscheidung für bewaffnete Drohnen würde diese umstrittene Waffe in die Hände von auch zukünftigen deutschen Regierungen geben, welche Politik auch immer sie verfolgen.
Das Verteidigungsministerium will jedoch die sehr notwendige „breite gesellschaftliche Debatte“ umgehen. In einem Brief vom 06. April 2020 an ein SPD-Mitglied im Verteidigungsausschuss beschreibt das Verteidigungsministerium ihren Plan, um die breite gesellschaftliche Debatte, die vorgesehen ist, durch eigene Veranstaltungen im Verteidigungsministerium zu ersetzen. Innerhalb von einigen Wochen plant das Verteidigungsministerium die Vorstände der Bundestagsfraktionen zu einem sogenannten „Workshop“ im Verteidigungsministerium einzuladen. Wegen begrenzter „Sitzplatzkapazitäten“ werden vermutlich laut dem Verteidigungsministerium nicht alle interessierten Bundestagsabgeordneten oder VertreterInnen der Medien teilnehmen dürfen.  
Am Ende dieser sogenannten „Beteiligungsphase“ und unter Lenkung durch das Verteidigungsministerium soll es bis Juni 2020 eine „finale Abstimmung“ der Bundestagsfraktionen zu einem Diskussionspapier geben, das dann als „Grundlage für die weitere Behandlung des Themas in den Gremien des Deutschen Bundestags herangezogen werden“ soll. Es ist klar, dass das Verteidigungsministerium die Meinungsbildung dominieren will.
Wo bleibt hier die „breite gesellschaftliche Debatte“?  Wie kann die Bevölkerung sich über den Verlauf informieren und einbringen? Wird das Verteidigungsministerium etwa seine Türen für die deutsche Bevölkerung öffnen, damit sie sich an der Diskussion beteiligen darf? Werden die Diskussionen, die im Verteidigungsministerium stattfinden, aufgezeichnet und auf der Webseite des Bundestags gepostet wie bei parlamentarischen Debatten üblich?
 
Liebe Freundinnen und Freunden, auch während der Corona-Virus-Pandemie können wir unsere Stimmen erheben! Kontaktiert die Bundestagsabgeordneten mit der Forderung, dass sie sich gegen die Bewilligung der Kampfdrohnen einsetzen. Durch unsere Briefe an Bundestagsabgeordnete sowie an die Medien können wir klar zum Ausdruck bringen, dass das Vorgehen des Verteidigungsministeriums keine Legitimität hat!  

Wir fordern eine breite gesellschaftliche Debatte!

Deutschland darf nicht in das Töten und Morden mit Drohnen einsteigen. Stattdessen muss die Bundesrepublik den Verzicht Deutschlands auf die Anschaffung von bewaffneten Drohnen erklären und sich für internationale Rüstungskontrollen einsetzen – um langfristig eine Ächtung dieses gefährlichen Waffensystems zu bewirken.

Keine Kampfdrohnen für die Bundeswehr!

(Elsa Rassbach, Berlin, 11.4.2020 Die Autorin ist aktiv bei: DFG-VK, attac, Drohnen-Kampagne und Codepink.)
 
Quellen:
Briefe des Verteidigungsministeriums an Bundestagsabgeordneten (Februar - April 2020):
https://www.aktion-freiheitstattangst.org/images/docs/BMVg_an_MdB_Brunner_06.04.2020.pdf
https://www.aktion-freiheitstattangst.org/images/docs/BMVg_an_AG_der_SPD-Fraktion_06.03.2020.pdf
https://www.aktion-freiheitstattangst.org/images/docs/BMVg_an_Fraktionsvorsitzende_26.02.2020.pdf
Offener Brief der Drohnen-Kampagne an die Bundestagsabgeordneten (März 2020):
https://drohnen-kampagne.de/2020/03/25/offener-brief-der-drohnen-kampagne-an-die-bundestagsabgeordneten/
Zum Downloaden als Word-Dokument:
https://www.aktion-freiheitstattangst.org/images/docs/Drohnen_Brief_an_MdB_23.03.2020.doc
Zweiter Appell der Drohnen-Kampagne (Dezember 2019):
https://drohnen-kampagne.de/appell-12-2019/

Das Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie

Nationaleuropäisches Rüstungsspagat

Bei der Vergabe großer Rüstungsaufträge steckt die Bundesregierung zwischen Baum und Borke: Einerseits ist es das erklärte Ziel über europaweite Ausschreibungen zu einer „Konsolidierung“ („Bündelung“) des EU-Rüstungssektors beizutragen. Hierüber sollen größere Auftragsmargen und damit deutlich geringere Stückpreise erzielt und so eine größere militärische Schlagkraft pro investiertem Euro generiert werden. Auf der anderen Seite wird ein solches Verfahren selbstredend überall dort für besonders problematisch empfunden, wo deutsche Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung innehaben und dementsprechend leer ausgehen könnten – dahinter stehen allerdings nicht allein industriepolitische Erwägungen, sondern nicht zuletzt auch das machtpolitische Interesse am Erhalt einer starken nationalen Rüstungsindustrie.

Die diesbezügliche Debatte nahm besonders im Vorfeld der Vergabe eines milliardenschweren Auftrags zum Bau von vier Mehrzweckkampfschiffen (MKS) 180 an Schärfe zu. Obwohl teils recht deutlich vor einem „Ausverkauf der deutschen Marine-Schiffbaukompetenz“ gewarnt wurde, wurde der Auftrag europaweit ausgeschrieben und ging dann Mitte Januar 2020 an das niederländisch geführte Konsortium „Damen Shipyards Group“. Dementsprechend hitzig fielen die Reaktionen der Industrie wie auch von Teilen der Gewerkschaften und der Politik aus. Diesen Spagat zwischen nationalen und europäischen „Sachzwängen“ adressiert nun das am 12. Februar 2020 als Gemeinschaftsproduktion von BMWI, BMVg, BMI, AA und BMBF veröffentlichte „Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“.
Das Dokument ist gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Zunächst einmal betont es zwar den bedarf europaweiter Ausschreibungen, erweitert aber im gleichen Atemzug die bereits im Vorgänger eingeführten „Schlüsseltechnologien“ unter anderem um den „Überwasserschiffbau“. Die entscheidende Neuerung dabei ist, dass dieser Schritt mit einer Gesetzänderung flankiert wird, die am 14. Februar 2020 abschließend den Bundesrat passierte und die es ermöglichen soll, besagte Schlüsseltechnologien künftig vom europäischen Ausschreibungsverfahren auszuklammern. Außerdem fasst das „Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“, wie der Name schon andeutet, die zuvor getrennt behandelten Bereiche der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie unter besonderer Berücksichtigung neuer Technologien und deren „Wert“ für künftige Militärprojekte zusammen. Und schließlich geht es dem Papier darum, die „Rahmenbedingungen für Unternehmen dieser Industrie zu verbessern.“ Ganz vorne auf dem dazu präsentierten Maßnahmenkatalog heißt es unter anderem, man wolle, „Exporte politisch flankieren.“
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich dabei allerdings, dass es der Bundesregierung nicht gelingen dürfte, die nationale und die europäische Ebene auszutarieren. In dem Maße, wie sie sich der einen zuneigt, verprellt sie die andere.

Protektionistischer Gegenwind

Beim MKS 180 handelt es sich um eines der wirklich großen künftigen Rüstungsvorhaben: Als Auftragsvolumen sind inzwischen im Bundeshaushalt 5,27 Mrd. Euro vorgesehen, weshalb es nicht verwunderlich war, dass es aus den Reihen der Politik eine Reihe von Fürsprechern gab, den Auftrag an ein deutsches Konsortium zu vergeben. So meldete sich Anfang 2020 etwa der FDP-Politiker Hagen Reinhold erbost zu Wort, nachdem im Jahr zuvor ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und Lürssen aus dem Bieterverfahren geworfen worden waren: „Mir ist schleierhaft, wie man das Konsortium TKMS/Lürssen, einen rein deutschen Bieter, vor Jahresfrist von der Vergabe ausschließen konnte.“
Nachdem dann im Februar 2020 auch noch „German Naval Yards Kiel“ leer ausging, schalteten sich umgehend diverse Ministerpräsidenten in die Debatte ein, wie der militärnahe Blog Augengeradeaus berichtete: „Mehrere Bundesländer, in denen Schiffe und Zulieferteile für die Deutsche Marine gebaut werden, haben Bundeskanzlerin Angela Merkel dringend zu einem politischen Umsteuern aufgefordert: Wie bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, müsse der Marine Überwasserschiffbau nunmehr umgehend als Schlüsseltechnologie definiert werden, schrieb Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther auch im Namen von Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern an die Kanzlerin.“
Auch die IG Metall Küste machte aus ihrem Unmut über die Entscheidung (einmal mehr) keinen Hehl. Sie veröffentlichte umgehend nach der Auftragsvergabe ein „Gemeinsames Positionspapier von IG Metall Küste und Betriebsräten von Werften und Zulieferern“, das sich mit der „Zukunft für den Marineschiffbau in Deutschland“ beschäftigte und das auch „Forderungen an Bundesregierung und Unternehmen“ enthielt. Die MKS-Vergabeentscheidung wird darin als „Fehlentscheidung“ gegeißelt: „Keine andere Nation würde bei einem Beschaffungsprojekt solcher Dimension und Bedeutung so vorgehen und damit Arbeitsplätze und Standorte sowie die technische Zukunftsfähigkeit der Branche im eigenen Land in Gefahr bringen. […] Der Auftrag MKS 180 ist entscheidend für die Sicherung der Grundauslastung der Werften und den Erhalt einer leistungsfähigen wehr- und sicherheitstechnischen Industrie in Deutschland.“
Und auch die Industrie wollte die Entscheidung buchstäblich nicht klaglos hinnehmen, wie u.a. das Handelsblatt berichtete: „Die Bundesregierung hat sich mit der Vergabe des Auftrags für den Bau neuer Fregatten an die niederländische Werftengruppe Damen juristischen Ärger eingehandelt. Der im Bieterverfahren unterlege Schiffbauer German Naval Yards (GNY) will den Deal über Gerichte stoppen lassen, wie das Handelsblatt aus informierten Kreisen erfahren hat.“
Offensichtlich wird die Bundesregierung in dieser Angelegenheit von diversen einflussreichen nationalen Interessensgruppen erheblich unter Druck gesetzt – und das „Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ ist dazu gedacht, dieses Problem zu lösen.

Militärisch-industrieller Spagat

Die 2020er Version des „Strategiepapiers der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ ist nicht die erste ihrer Art – für die Rüstungsindustrie wurde bereits 2015 ein entsprechendes Papier veröffentlicht, dem im Jahr darauf ein weiteres folgte, diesmal mit Fokus auf die „zivile“ Sicherheitsindustrie.
Auch in der aktuellen Variante wird an der „strategischen Bedeutung“ der heimischen Rüstungs- und Sicherheitsindustrie keine Zweifel gelassen: „Industrielle Kernfähigkeiten und strategisch relevante Entwicklungskapazitäten sind am Standort Deutschland und EU zu erhalten und zu fördern.“ Auf der anderen Seite wird allerdings auch klar bedauert: „Nicht zuletzt durch die unterschiedlichen nationalen Anforderungen ist die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in der EU nach wie vor national ausgerichtet und stark fragmentiert. Insbesondere ein Verteidigungsbinnenmarkt ist faktisch noch nicht realisiert.“ Dies sei ein Problem, denn ein fehlender Rüstungsbinnenmarkt führe zu „erheblichen Nachteilen in Bezug auf Kosten, internatio­nale Wettbewerbsfähigkeit und Zusammenarbeit.“
Europaweite Ausschreibungen hätten zur Folge, dass sich – wie in anderen Sektoren bereits vorexerziert – wenige Großunternehmen herausbilden und die Unternehmen in den kleinen und mittleren Staaten schlucken würden. Obwohl vieles dafür spricht, dass derlei Annahmen reichlich optimistisch sind, versprechen sich EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten von einem Rüstungsbinnenmarkt mit seinen höheren Auftragsmargen jährliche Einsparungen von 25 Mrd. bis hin zu 100 Mrd. Euro – die dann in zusätzliches militärisches Gerät gesteckt werden könnten.
Aus diesem Grund ist auch der Bundesregierung sehr an einem Rüstungsbinnenmarkt und der damit einhergehenden „Konsolidierung“ des Sektors gelegen. Im „Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ heißt es dazu: „Die Bundesregierung wird daher durch verschiedene Maßnahmen auf eine verstärkte industrielle Konsolidierung innerhalb Europas hinwirken und erforderliche Prozesse im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen, um so ökonomische Synergien zu fördern und Kohärenz zu stärken.“
Bislang ist es möglich, die – an sich obligatorische – Pflicht zu europaweiten Ausschreibungen im Militärbereich über einen Verweis auf Artikel 346 des „Vertrags über die Arbeitsweise der EU“ (AEUV) zu umgehen. Er erlaubt es Aufträge unter Berufung auf zentrale sicherheitspolitische Bedenken rein national zu vergeben, eine Möglichkeit, von der die Mitgliedsstaaten rege Gebrauch machen, sodass bis heute 80 Prozent der europäischen Rüstungsaufträge national bedient werden.
Die Kommission drängt deshalb auf eine sparsame Anwendung von Artikel 346 AEUV und auch die meisten deutschen Unternehmen sind durchaus darauf erpicht, dass in Zukunft europaweit ausgeschrieben wird. Sie schätzen ihre Marktstellung – wohl zu Recht – so ein, dass sie zu den Profiteuren der hierdurch ausgelösten Fusions- und Übernahmewelle zählen dürften. Misslich wird das Ganze aber in den Sektoren, in denen die deutschen Unternehmen nicht oder nur bedingt konkurrenzfähig sind, die aber aus macht- wie auch industriepolitischen Gründen am Leben gehalten werden sollen.
Das Strategiepapier versucht dieses Problem nun mit Ansatz zu lösen, das Ziel sei die „Europäisierung von Rüstungsvorhaben unter Wahrung nationaler Schlüsseltechnologien.“

Protegierte Schlüsseltechnologien

Der wichtigste Part des Strategiepapiers betrifft den Bereich der Schlüsseltechnologien, die es zu „schützen“ gelte: „Die Verfügbarkeit der identifizierten sicherheits- und verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien ist aus wesentlichem nationalen Sicherheitsinteresse zu gewährleisten, abhängig von der Einordnung der Technologie gegebenen­falls auch im Rahmen von europäischen/transatlantischen Kooperationen und diesbezüglichen bi- und multilateralen Vereinbarungen.“
Das Papier führt drei Kategorien ein: Als Global werden Technologien eingestuft, die keinerlei Beschränkungen unterliegen und problemlos im Ausland beschafft werden können. Europäisch beinhaltet die „Sicherung der Technologie in Kooperation mit europäischen Partnern“, schließt also faktisch selbst manche NATO-Verbündete, insbesondere die USA aus. Sechs Bereiche fallen hierunter, wobei jeder über Segmente verfügt, die global und solche die europäisch zugeordnet werden. Genannt werden hier Handfeuerwaffen, Dreh- und Starrflügler (v.a. Drohnen und Kampfflugzeuge), ungeschützte Fahrzeuge, ABC-Abwehr, Flugkörper/Lenkverteidigung sowie IT-/Kommunikationssoftware (siehe Grafik [nur im PDF]).
Was „Nationale Schlüsseltechnologien“ anbelangt, wurde bereits 2015 eine erste Liste erstellt, die nun erweitert und mit der „zivilen“ Sicherheitsindustrie vermischt wurde – neu hinzugekommen sind die Elektronische Kampfführung (EloKa), der Überwasserschiffbau, die Künstliche Intelligenz sowie IT- und Kommunikationstechnologie, die sich zu folgenden Bereichen gesellen: Geschützte/Gepanzerte Fahrzeuge, Unterwasserplattformen, Schutz, Sensorik, Vernetzte Operationsführung/Krypto.
Im Papier unterbleibt eine genauere Definition dieser teils doch recht vagen Kategorien, bei der rüstungsnahen „Europäischen Sicherheit und Technik“ (ESUT) werden aber einige Projekte genannt, die sich hier einordnen: „Ein neues Mehrzweckkampfschiff würde also nicht mehr zwingend europäisch ausgeschrieben werden, da der Marineschiffbau eine nationale Schlüsseltechnologie darstellt. Dasselbe gilt für ein neues Battle Management System (Vernetzte Operationsführung), Kampfpanzer (Gepanzerte Fahrzeuge) oder das mittlere geschützte Sanitätsfahrzeug (Geschützte Fahrzeuge), die alle rein national zu vergeben wären. Zumindest, wenn die Aussagen des Strategiepapiers belastbar sein sollen.“
Für die rüstungsnahe ESUT ist hier der entscheidende „Lichtblick“, dass der bisherige Papiertiger Schlüsseltechnologien Zähne in Form einer Gesetzesänderung erhalten soll.

Gesetzlicher Rüstungsprotektionismus

Bereits im Oktober 2019 verabschiedete das Kabinett Änderungen zum „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ (GWB) und zur „Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit“ (VSVgV). Die Änderungen passierten am 30. Januar den Bundestag und am 14. Februar 2020 den Bundesrat und ermöglichen es nun, rüstungsindustrielle Kernbereiche von der Pflicht einer europaweiten Ausschreibung nach Artikel 346 AEUV auszuklammern.
Konkret heißt es im „Entwurf  eines  Gesetzes  zur  beschleunigten  Beschaffung  im  Bereich der Verteidigung und Sicherheit und zur Optimierung der Vergabestatistik“: „Dem § 107 Absatz 2 werden folgende Sätze angefügt: ‚Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, ‚wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft.‘“
Im „Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ wird auch deutlich, dass über das Gesetz weitgehende Ausnahmeregelungen von den Verpflichtungen aus Artikel 346 AEUV eingeführt werden sollen: „Die vom europäischen und nationalen Gesetzgeber eingeräumten Spielräume in der Anwendung der Ausnahmevorschrift des Artikels 346 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sollen genutzt werden, um die wesentlichen nationalen Sicherheitsinteressen, insbesondere den Erhalt nationaler Souveränität, zu wahren. Um dies im deutschen Vergaberecht zu konkretisieren, hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf eingebracht, der ‚sicherheits- und verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien‘ als möglichen Fall der Betroffenheit wesentlicher Sicherheitsinteressen nach Artikel 346 AEUV im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aus­drücklich benennt.“
Mit anderen Worten: Der Wettbewerb auf dem Binnenmarkt soll überall dort über das Vehikel der Schlüsseltechnologien ausgesetzt werden, wo die Bundesregierung Sorge hat, dass deutsche Unternehmen ins Hintertreffen geraten könnten.

Exportförderung und weitere Unterstützungsmaßnahmen

Ein weiteres „Highlight“ des Strategiepapiers ist die systematische Vermischung von „zivilen Sicherheitstechnologien“ und „militärischen Verteidigungstechnologien“. Wie bereits erwähnt, schlägt sich dies allein schon darin nieder, dass die 2015 und 2016 jeweils getrennt veröffentlichten Strategiepapiere nun in einem Dokument zusammengefasst wurden.
Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass Rüstungsinnovationen durch die fortschreitende Digitalisierung in immer stärkerem Maße aus der zivilen (Sicherheits-)Industrie kommen und nutzbar gemacht werden sollen. Im Strategiepapier heißt es dazu: „Eine immer größere Bedeutung nimmt dabei im Rah­men der fortschreitenden Digitalisierung die Informationstechnologie ein, durch die zunehmend neue zivile Techno­logien im Bereich der Sicherheit und Verteidigung zur Anwendung kommen. […] Fortschritte in der Forschung und der Entwicklung neuer Technologien, wie z. B. in der Digitalisierung, im Bereich der Künstlichen Intelligenz, unbemannter Systeme, der Hyperschalltechnik, der Biotechnologien und der Cyberinstrumente, werden grundlegende Auswirkungen auf die sicherheits- und verteidigungsrelevanten Systeme der Zukunft haben.“
Aufgrund der Bedeutung des Sektors wird hier eine Art Topf zum „Schutz“ der „digitalen Souveränität“ aufgelegt: „Zur Erlangung einer digitalen Souveränität und Resilienz gegenüber hybriden Bedrohungen soll die Abhängigkeit von ausländischen Informationstechnologien reduziert werden. Soweit die Souveränität bei heute bereits identifizierbaren, aber erst zukünftig in der Masse relevanten und produktiv eingesetzten Technologien gesichert werden muss, muss es möglich sein, einem Ausverkauf bereits in frühen Stadien entgegenzuwirken. […] Die Bundesregierung arbeitet an entsprechenden Ansätzen, dieses Ziel zu erreichen. Dazu soll insbesondere die Einrichtung eines IT-Sicherheitsfonds vorangetrieben werden, um aktiv unerwünschten Übernahmen begegnen zu können.“
Überhaupt kündigt das Strategiepapier allerhand Maßnahmen an, um die scheinbar darbende Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und ihre Schlüsselindustrien zu fördern: „Zum Erhalt bzw. zur Stärkung der sicherheits- und verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien wird die Bundesregierung diese vor allem bei den unten genannten Maßnahmen in den Bereichen Forschung, Entwick­lung und Innovation (V.1.), Produktion (V.2.), Beschaffung (V.3.), Exportunterstützung und -kontrolle (V.4.) sowie Investitionskontrolle (V.5.) besonders fördern und schützen.“
Besonders die Passagen zur Exportförderung lassen wenig an Klarheit vermissen. So werde auf EU-Ebene eine „Harmonisierung der exportkontrollpolitischen Entscheidungen im Bereich der Rüstungs- wie der Dual-Use-Güter innerhalb der EU angestrebt.“ Dabei lehren die bisherigen Erfahrungen, dass hier mit „Harmonisierung“ stets die Angleichung der europaweiten Exportvorschriften auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gemeint ist. So soll es möglich sein, die – zumindest im Verhältnis – relativ strengen deutschen Vorschriften über den EU-Umweg zu schleifen.
In der Tat steht die Exportförderung ganz oben auf der Prioritätenliste – das Strategiepapier benennt das dahinterstehende Kalkül in selten gelesener Deutlichkeit: „Exporte, insbesondere in EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder, liegen im sicherheits- und verteidigungspo­litischen Interesse Deutschlands. Sie tragen bei zu höheren Stückzahlen und damit ggf. geringeren Beschaffungs- und Nutzungskosten der zivilen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und der Bundeswehr. Zudem unterstützen sie das Ziel einer höheren Interoperabilität mit verbündeten Streitkräften und fördern Beschäftigung und Technologieentwicklung in Deutschland. Die Bundesregierung wird daher Exportaktivitäten in Deutschland ansässiger Unternehmen, insbesondere in EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder, nach sorgfältiger Einzelfallprüfung über außenwirtschaftliche und sonstige Instrumente unterstützen.“

Nationale Rechnung ohne den europäischen Wirt?

Rüstungsnahe Akteure sehen insbesondere in der Möglichkeit, europaweite Ausschreibungen vermeiden zu können, einen großen Fortschritt für die hiesige Industrie. Für interessierte Kreise scheint die Angelegenheit klar zu sein – es wird einfach überhaupt nicht mehr europaweit ausgeschrieben. So interpretiert beispielsweise der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, das Ganze: „Wenn das definiert wird [die Schlüsseltechnologien], heißt das auch automatisch, dass auf Ausschreibungen im großen Stil verzichtet werden kann”.
Allerdings hat die Kommission in den letzten Jahren mehr als deutlich gemacht, dass eine Umgehung von Artikel 346 AEUV nur in absoluten Ausnahmefällen erfolgen darf. Sie hat sogar eine Reihe von Mahnungen an Mitgliedsstaaten verschickt, die ihrer Auffassung allzu schnell dabei waren, sich auf nationale Sicherheitsinteressen zu berufen, um die einheimische Industrie zu schützen.
So könnte es sein, dass auch bei den Schlüsseltechnologien nur mit Einzelfallprüfungen und dabei auch relativ sparsam hantiert werden könnte, was wiederum auf Kritik bei Industrie und Gewerkschaften stoßen dürfte. Sollte sich die Bundesregierung aber dazu entscheiden, den Großteil ihrer Aufträge tatsächlich vom europäischen Rüstungsbinnenmarkt auszuschließen, dürfte die Frage spannend werden, wie sie denn ihre „Verbündeten“ in der EU davon überzeugen will, es ihr nicht gleich zu tun. Da der Schaffung eines EU-Rüstungsmarktes aber mindestens ebenso große Bedeutung wie dem Erhalt der Schlüsselindustrien zugemessen wird, steht die Bundesregierung vor einem Dilemma, das sie auch mit dem Strategiepapier nicht aufgelöst bekommt.

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 14. Februar 2020, IMI-Analyse 2020/06
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