Aufruf zum Ostermarsch am Sa., 16.4.2022 in Kiel:
Krieg und Rüstung lösen keine Probleme
• Wir sind bestürzt über den Bruch des Völkerrechts und die russische Invasion in die Ukrain.
• Wir sind bestürzt über die Rückkehr des Krieges als Mittel der Politik.
• Wir sind bestürzt über die gigantische Aufrüstung der Bundeswehr, die die Militarisierung vorantreibt und mit Drohnen, neuen Atombombern und dem 500 Milliarden-Euro-Projekt FCAS Mittel verschwendet. Geld, dass dringend im Bereich der Sozialpolitik, der Bildung, Gesundheit und Klimaschutz benötigt wird.
• Wir sind bestürzt, dass trotz des verheerenden Afghanistan-Krieges Auslandseinsätze der Bundeswehr zur „Durchsetzung der regelbasierten internationalen Ordnung“ weiter ausgeweitet werden sollen.
• Wir sind bestürzt über die Weltflüchtlingskatastrophe, die vor allem in Kriegen – auch unter Beteiligung von NATO-Staaten – ihren Ursprung hat.
• Wir sind bestürzt, dass unsere Regierung im Rahmen der EU und mit der NATO unter dem Begriff der ‚Strategischen Souveränität‘ die militärische Konfrontation fortsetzen will.
Wir erwarten von unserer Regierung Initiativen zu einem Dialog über deeskalierende und vertrauensbildende Maßnahmen!
Die Friedensbewegung fordert einen wirklichen Politikwechsel:
• Stopp von Rüstungsexporten - das angekündigte Rüstungskontrollexportgesetz ist unzureichend. Statt Waffenlieferungen humanitäre Hilfe.
• Abrüsten statt Aufrüsten, Frieden und Kooperation, das geht nur mit einer neuen Entspannungspolitik und internationaler Zusammenarbeit. Keine Anschaffung bewaffneter Drohnen Stattdessen: ziviles Konfliktmanagement stärken und Spannungen abbauen.
• Neben der angekündigten Teilnahme als Beobachter an der Vertragsstaatenkonferenz des UN- Atomwaffenverbotsvertrages – eine Folge des Drucks der Friedensbewegung – eine klare Abkehr von der „nukleare Teilhabe“ Deutschlands: In Deutschland sollen zukünftig keine Atomwaffen gelagert und treffsicherer gemacht werden. Stattdessen: Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag
• Rassismus und Abschiebungen bekämpfen. Menschenrechte sind universell und unteilbar. Allen Flüchtlingen muss gleichermaßen geholfen werden.
• Gegenseitiges Vertrauen aufbauen statt Kriegsvorbereitung und Drohkulissen – nur so entstehen Perspektiven für eine globale gemeinsame Sicherheit.
Mit den Ostermärschen 2022 fordert die Friedensbewegung eine ernsthafte und wirkungsvolle Friedenspolitik! Sie ist unabdingbare Voraussetzung für die Bewältigung der vielen globalen und regionalen Krisen und Herausforderungen, die die Zukunft der Menschheit bedrohen. Dafür geht die Friedensbewegung mit vielfältigen Aktionen auf die Straße.
Kommen Sie mit!
Veranstalter: Kieler Friedensforum
www.kieler-friedensforum.de
OSTERMARSCH KIEL
Samstag, 16. April 2022
12 Uhr Schevenbrücke (Europaplatz)
Attac AG Globalisierung & Krieg:
Der Ukraine-Krieg und seine geopolitischen Hintergründe
Autor: Peter Wahl (Link zum PDF-Dokument siehe am Ende des Beitrags)
Das Papier analysiert die Beziehungen zwischen den Großmächten aus einer systemischen Perspektive,
wie sie in der linken Theorie-Tradition schon bei den alten Imperialismustheorien (Rosa Luxemburg, Lenin u.a.) aber auch heute üblich ist, z.B. in der Weltsystem-Theorie Wallersteins,
oder der neo-gramscianischen Kritik der politischen Ökonomie des internationalen Systems.
Es kritisiert ausdrücklich die Versuche, den Krieg als singuläres Ereignis und moralisches Absolutum hinzustellen, wie dies gegenwärtig von der medialen Dampfwalze und selbst von linken NATO-Verstehern betrieben wird.
Neben pikanten Fakten, wie dem Hinweis, dass die Ukraine als Teil der Koalition der Willigen beim Angriffskrieg auf den Irak 2003
selbst das sechstgrößte Truppenkontingent (von 36) stellte, skizziert das Papier die Logik und Dynamik von Großmachtpolitik beim Übergang der Weltordnung vom unipolaren zum multipolaren System, sowie die Kräfteverhältnisse zwischen den Hauptakteuren.
Politisch plädiert das Papier für einen autonomen linken Standpunkt jenseits der Großmächte und einen Kompromissfrieden zur schnellstmöglichen Beendigung des Krieges, statt auf Sieg und Rache zu setzen.
Das Thema Krieg und Frieden ist wieder an die Spitze der politischen Agenda in Europa gerückt. Das wird auf längere Zeit so bleiben. Auch aus friedenspolitischer Sicht stellen sich zahlreiche neue Fragen. Die Attac-AG Globalisierung & Krieg will mit einer Reihe von Papieren zur Klärung beitragen. Die Texte werden in der AG diskutiert. Die letztliche Verantwortung für den Inhalt liegt jedoch bei den Autoren.
1. Einleitung
Der vorliegende Text ist ein Hintergrundpapier. Wie der Name sagt, geht es darum, Hintergründe und Zusammenhänge in den Blick zu nehmen, Ursachen zu analysieren, das Einzelne in seinen strukturellen und historischen Kontext des Ganzen zu stellen. Dieser methodische Ansatz entspricht dem Verfahren, das emanzipatorische Gesellschaftsanalyse schon immer verfolgt.
So beruht z. B. deren Kapitalismuskritik auf einem systemischen Verständnis von Kapitalismus, aus dem heraus die Einzelphänomene (dialektisch) interpretiert werden und verbindet das mit ihrer historischen Entwicklung. Nicht nur linke Gesellschaftskritik denkt so. Auch die Klimaforschung, um nur ein Beispiel herauszugreifen, tut das. Wenn es in Norddeutschland einen verregneten Sommer gibt, ist das keine Bestätigung zur Leugnung des Klimawandels. Einzelne Wetterereignisse stehen in einem klimatischen Gesamtzusammenhang und dessen Evolution. Zwar verschwindet das Einzelphänomen nicht, aber es wird in eine Relation zum Ganzen gesetzt.
Eigentlich sind das Basics für jedes aufgeklärte Denken. Aber in der gegenwärtigen Debattenlage um den Ukraine-Krieg ist eines der markantesten Phänomene, dass bis in Teile der gesellschaftlichen Linken hinein das einzelne Ereignis von seinem historischen und strukturellen Kontext abgetrennt und zum singulären Ereignis und moralischen Absolutum gemacht wird, das nicht mehr diskutiert werden darf.
Das singularisierte Ereignis, um das es hier geht, ist der russische Angriff auf die Ukraine. Er ist ein gravierender Bruch des Völkerrechts und eine neue Qualität von Gewaltanwendung in einer seit langem sich drehenden Konfliktspirale. Er nimmt humanitäre Katastrophen und das Risiko eines Kontrollverlusts mit unabsehbaren Folgen in Kauf. Global wird er, wie immer der Krieg ausgeht, die geopolitische Konfrontation und damit die Unsicherheit in der Welt verschärfen.
Dennoch läuft die Ausblendung der historischen und strukturellen Zusammenhänge des Krieges auf eine intellektuelle Kapitulation hinaus und nimmt sich selbst die Möglichkeit, eine autonome, an Friedenssicherung orientierte dritte Position jenseits der Kriegsparteien einzunehmen. Sicher ist es nicht einfach, sich der totalen Emotionalisierung des politischen Klimas zu entziehen. Ressentiments und Feindbilder werden von der Kette gelassen und wachsen ins Monströse, sodass viele sich dem so entstandenen Konformitätsdruck nicht mehr entziehen können.
Doch dieser Krieg fällt nicht vom Himmel. Er ist nicht singulär und auch keine Zeitenwende. Russland übernimmt jetzt Praktiken, wie sie in dieser Radikalität seit Ende des Kalten Krieges 1.0 bereits von den USA und der NATO eingeführt wurden, so z.B. im Jugoslawienkrieg 1999: „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute Abend hat die Nato mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen. Damit will das Bündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern.“ So am 24. März 1999 der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Es war der erste große Krieg, mit aktiver Beteiligung der Bundeswehr, und die erste gewaltsame Grenzveränderung in der europäischen Nachkriegsgeschichte.
In Libyen missbrauchten Frankreich und Großbritannien 2011 einen UN-Sicherheitsratsbeschluss für eine Flugverbotszone, um einen Angriffskrieg zwecks Regime-Change zu beginnen. Der in humanitärer Perspektive schwerwiegendste Krieg mit zivilen Opfern in der Größenordnung von 100.000 war der Angriffskrieg gegen den Irak 2003. Gerechtfertigt mit der bald als Lüge entlarvten Behauptung, Saddam Hussein besäße Massenvernichtungswaffen, griff eine „Koalition der Willigen“ unter Führung der USA den Irak an. Beteiligt waren nicht nur sämtliche östlichen Mitgliedsländer der EU, sowie Mazedonien und Georgien, sondern mit 1.650 Soldaten auch die Ukraine. Das war das sechstgrößte Kontingent unter den 36 Angreiferstaaten.
„Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ wie der vielzitierte Militärtheoretiker Clausewitz schrieb, ist also auch in der Ära nach dem Kalten Krieg 1.0 leider wieder etabliert worden. Und zwar von den USA und in deren Gefolge Großbritannien, Frankreich, Deutschland u.a.
All das sind Fakten, die damals wie heute im Gegensatz zu den Idealen und Interessen emanzipatorischer Friedenpolitik stehen. Aber sie sind die geopolitische Realität. Die maßgeblichen Politiker in den maßgeblichen Ländern denken und handeln in machtpolitischen Kategorien und nicht nach den Leitbildern der Friedensbewegung. Wenn man diese traurige Realität verändern will, muss man wissen wie sie funktioniert. Dafür sind Analyse und normative Orientierung, Sachliches und Emotion auseinanderzuhalten. Schon die Anfänge wissenschaftlichen Denkens in der Antike hatten die Devise: sine ira et studio – ohne Zorn und Eifer!
Gerade wenn man Empathie mit den Opfern hat, sollte man nicht den Verstand ausschalten. Moralisch ist bei unserem Thema, wer und was zur Erhaltung des Friedens beiträgt. Und wenn dennoch Krieg ist, ist moralisch alles, was ihn so schnell wie möglich beendet. Das ist die Moral, für die die Opfer – gegenwärtig die Menschen in der Ukraine – das entscheidende Kriterium für Friedenspolitik gerade auch in Kriegszeiten sind.
Begeben wir uns dennoch jetzt in die Welt der Geopolitik, auch wenn sie für viele fremd oder gar verabscheuungswürdig ist.
Die Waffen nieder! – Nein zum Krieg!
Bei der digitalen Aktionskonferenz aus der Friedensbewegung am Samstag, 26. Februar 2022 mit mehr als 250 Teilnehmenden – der bisher größten dieser Art – bestand nach einer intensiven Diskussion mit großer Beteiligung Einigkeit:
• Wir verurteilen die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine. Für
Krieg gibt es keine Rechtfertigung. Die jahrelange antirussische
Konfrontationspolitik des Westens, besonders der USA und der NATO
rechtfertigen keinesfalls die militärische Intervention Russlands.
• Die Bombardierungen und alle weiteren militärischen Aktionen müssen sofort
gestoppt werden. Notwendig ist ein umfassender Waffenstillstand, die
Aufnahme von Verhandlungen und der Rückzug aller Truppen.
• Waffenlieferungen – auch deutsche – werden den Krieg weiter anheizen und
werden deshalb von uns abgelehnt.
• Politische Reaktionen des Westens sollten auf die Wiederaufnahme von
Gesprächen gerichtet sein, weiteren Hass und Konfrontation vermeiden und
nicht die Bevölkerung Russlands treffen. Deswegen lehnen wir
Wirtschaftssanktionen ab. Diese treffen im Kern immer die Menschen der
jeweiligen Länder.
Wir wollen als Friedensbewegung weiter aufklären, dass Krieg und Militär keines der
wichtigen Probleme, wie Hunger, Flucht, Klimakatastrophe und soziale Ungleichheit
lösen wird. Unsre Solidarität gilt den vor Krieg und Verfolgung Geflüchteten.
Es gibt auch bei dem Ukraine/Russland-Konflikt nur eine politische Lösung auf der
Basis der Prinzipien der ungeteilten, gemeinsamen Sicherheit. Wir brauchen eine
Stärkung der OSZE.
Wir begrüßen den Vorschlag des ukrainischen Präsidenten, über eine Neutralität
seines Landes zu verhandeln.
Wir wenden uns entschieden gegen die weitere Aufrüstungspolitik der
Bundesregierung u.a. durch die Erhöhung des Militäretats aber auch durch die
weitere EU-Militarisierung.
Lasst uns gegen den Krieg, für eine Politik der gemeinsamen
Sicherheit auf die Straße gehen. Krieg löst kein Problem
Deshalb fordern wir:
• Umgehend Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine
• Sofortiger Stopp aller Kriegshandlungen
• keinerlei Waffenlieferungen
• keine weitere Aufrüstungsrunde
• Stopp der NATO-Osterweiterung
• Solidarität mit der Friedensbewegung in Russland und der Ukraine
• Solidarität mit allen Geflüchteten
Deshalb ruft die Aktionskonferenz dazu auf:
• Ostermärsche zum Signal für Abrüstung und gemeinsame Sicherheit machen
• Vorbereitung einer bundesweiten Aktion gegen Aufrüstung und Militarismus
• Verhandlungen zur Lösung der Konflikte in der Ukraine
initiative „Die Waffen nieder – Nein zum Krieg“
Hugo Braun (Attac), Reiner Braun (International Peace Bureau), Claudia Haydt (Informationsstelle Militarisierung), Ralf Krämer (Sozialistische Linke in der Partei Die Linke), Willi van Ooyen (Friedens- und Zukunftswerkstatt), Christof Ostheimer (Bundesausschuss Friedensratschlag), Peter Wahl (Attac).
https://nie-wieder-krieg.org/
Ukraine-Krise:
Friedenspolitik statt Kriegshysterie
Die Krise um die Ukraine hat sich zur ernsten Bedrohung des Friedens in Europa zugespitzt. Eine einseitige Schuldzuweisung an Russland, wie sie von einigen westlichen Regierungen und in den großen Medien vorgenommen wird, ist nicht gerechtfertigt und nimmt zunehmend den Charakter von Kriegspropaganda an.
Trotz der Militärmanöver in der Nähe zur Ukraine hat Russland kein Interesse an einem Krieg, der für alle Seiten katastrophale Folgen hätte. Es stehen ähnlich viele Soldaten auf der ukrainischen Seite und bedrohen die von pro-russischen Rebellen kontrollierten Gebiete in der Ostukraine. Auch ohne kriegerische Absicht besteht angesichts der angespannten Situation die Gefahr, dass eine Provokation zum Funken wird, der das Pulverfass explodieren lässt.
Es ist ein legitimes Sicherheitsinteresse Moskaus, dass die Osterweiterung der NATO, die seit 1999 immer näher an die russischen Grenzen heranrückt, nicht auch noch auf die Ukraine ausgedehnt wird. Das würde die Vorwarnzeit für Moskau bei einem Angriff mit Atomraketen auf 5 Minuten verkürzen.
Die aktuelle Krise ist Teil eines globalen und seit längerem bestehenden Konflikts, dessen Wurzeln im Anspruch der USA liegen, „dass Amerika wieder die Welt führt,“ wie es der US-Präsident formuliert. Die europäischen NATO-Partner schließen sich dem mit einigen Nuancierungen als Juniorpartner an. Dagegen lehnen andere, darunter Russland, eine westliche Dominanz ab und wollen als gleichberechtigte Partner in einer multipolaren Weltordnung respektiert werden.
Es ist an der Zeit, dass das Prinzip der ungeteilten, gemeinsamen Sicherheit wieder akzeptiert wird, wie es bereits im Kalten Krieg anerkannt wurde. Im Atomzeitalter kann keine Seite ihre Sicherheit auf Kosten der anderen erhöhen. Sicherheit gibt es nur gemeinsam. Dauerhafter Frieden mit Russland erfordert daher eine gesamteuropäische Friedensordnung.
Erste Schritte müssen eine Demilitarisierung entlang der russisch-ukrainischen Grenze und an den Grenzen zwischen Russland und der NATO sein, sowie die Umsetzung des Abkommens von Minsk II. Es sieht einen Waffenstillstand vor, Dialog der Konfliktparteien und einen Sonderstatus der Regionen Donezk und Luhansk innerhalb der Ukraine. Durch einstimmigen UN-Sicherheitsratsbeschluss hat Minsk II auch verbindlichen Völkerrechtsstatus. Die Umsetzung wird jedoch hauptsächlich von der Ukraine blockiert. Sanktionen werden an dem Konflikt nichts ändern. Sie schädigen sinnlos sowohl Russland als auch die anderen europäischen Länder.
Kräfte, die mit aggressivem Nationalismus und Revanchismus die Spannungen anheizen, müssen auf allen Seiten zurückgedrängt werden.
Propagandakrieg, Säbelrasseln, Sanktionen und Aufrüstung müssen aufhören. Stattdessen brauchen wir Deeskalation und Diplomatie. Dies umso mehr, als die globale Bedrohung durch Klima- und Umweltkatastrophen nur durch internationale Kooperation abgewendet werden kann.
Wir fordern:
• Konkrete Schritte zur Deeskalation, keine militärischen Lieferungen an Kiew,
• Schluss mit Kriegsrhetorik, Konfrontationspolitik und Sanktionen gegen Russland;
• Aktives Eintreten für die Umsetzung des völkerrechtlich verbindlichen Abkommens Minsk II;
• Verhandlungen mit Russland auf der Grundlage eines klaren Bekenntnisses zu Entspannung und dem Prinzip der gemeinsamen Sicherheit;
• Aktives Eintreten für Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen.
Aufruf unterzeichnen: https://nie-wieder-krieg.org/
3.000 Menschen demon-strierten am 19. Februar 2022 gegen die NATO-Sicherheitskonferenz in München.
Verhandlungen statt Kriegsgeheul
„Es muss verhandelt werden, damit ein großer Krieg in Europa verhindert werden kann. Ein neuer Gipfel zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und US-Präsidenten Joe Biden ist sehr begrüßenswert. Es ist höchste Zeit, den Stopp der NATO-Erweiterung wie auch eine substantielle Autonomie für den Donbass auf die Tagesordnung zu setzen“, erklärt Sevim Dagdelen, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im Auswärtigen Ausschuss und Sprecherin für Internationale Politik und Abrüstung. Dagdelen weiter:
„Um den Konflikt zu lösen, helfen kein Kriegsgeheul, Drohgebärden mit immer neuen Sanktionen und Säbelrasseln mit frischen NATO-Truppen an Russlands Grenzen. Es ist ein gutes Zeichen, dass die EU aufgrund des Vetos von Deutschland und Italien einer Ausbildungsmission in der Ukraine eine klare Absage erteilt hat. Kiew darf nicht ermutigt werden, den Konflikt im Donbass militärisch lösen zu wollen.“
Neue Bundesregierung:
Emanzipatorische Kämpfe statt „Iron Ladies“
Vorab eine Mitteilung für die W:O:A-Fans (Wacken open Air): dies ist keine Metall-Musik-Ankündigung!
Als „Iron Lady“ - Eiserne Lady - ist die damalige britische Präsidentin Thatcher 1986 in einen Panzer gestiegen und hat sich ablichten lassen. Und sie hat seitdem einige, ebenso schlechte und sich militaristisch darstellende Nachahmerinnen gefunden.
Die aktuelle britische Außenministerin Liz Truss, seit 2019 zugleich auch Ministerin für Frauen und Gleichstellung, wollte da in nichts nachstehen und folgte Thatcher in voller Uniform in den Panzer bei einem Treffen der Außenminister*innen der NATO Anfang Dezember 2021 in Estland. Fotos wurden auch hier gemacht und der Welt demonstriert: „Seht her – ich als Frau Außenministerin, kämpfe auch im Panzer für Old England!“ Vor allen Dingen erklärte sie jedoch von der Kuppel, wie sie der Ukraine helfen wird, gegen einen dort bereits herbeigeredeten baldigen Angriff Russlands.
Seit 2013 haben die deutschen Kriegsministerinnen Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer in den Panzern Platz genommen, sich in der Mitte von Soldat*innen und deren teuer finanzierten Fuhrparks für die Kriege in aller Welt eingesetzt und daran Gefallen gehabt.
Jetzt haben wir mit SPD/Grüne/FDP seit Dezember 2021 die Ampel-Koalition.
Wenige Tage nach ihrem Antritt hat die neue Verteidigungsministerin Lambrecht (SPD) am 14.12.2021 in Laage dem Luftgeschwader einen Besuch abgestattet. Dorthin „gebeamt“ wurde sie, entgegen den Schwüren der Ampel für mehr Klimapolitik, mit einer Transportmaschine der Bundeswehr in Begleitung zweier Eurofighter-Kampfflugzeuge. Total „geflasht“ sei sie vom Job, diktierte Lambrecht den Medien. Und erklärte auch gleich ihre Position zur nuklearen Teilhabe Deutschlands, die aufgrund der Tornado-Kampfflieger im Rahmen atomarer Rüstung erfragt wurde. Mit dem Blick auf die nukleare Abrüstung meinte sie: „Wenn ich das will, dann muss ich auch Teil dieses Prozesses sein, und das kann ich eben nur sein, wenn ich auch nukleare Teilhabe möglich mache“. Wie sie diesen offensichtlichen Konflikt lösen will, eine Abrüstung durchsetzen will, dazu gab es keine Aussage.
Noch vor Weihnachten erhielten die Bundeswehrsoldat*innen im NATO-Heer in Litauen Besuch von der sozialdemokratischen Verteidigungsministerin Lambrecht. Sie hat sich „militärisches Material“ vorführen lassen und tauchte, wie Liz Truss drei Wochen zuvor, in einen deutschen Schützenpanzer.
Beim nächsten Antrittsevent am 7. Februar in Munster meinte die Kriegsministerin Lambrecht – zu der sie sich in rasanter Geschwindigkeit gewandelt hat - beim Heeresbesuch: „Wir werden herausgefordert an allen Ecken und Enden der Welt.“ und stieg - aus einem Panzer der Lehrbrigade.
Alle diese Bilder scheinen die deutsche (Grüne) Außenministerin Baerbock zu faszinieren – oder zumindest deren mediale Wirkung ist reizvoll. Immerhin geht jedes Foto von Minister*innen in Uniformen um die Welt. Das scheint gesprächsfördernd für eine Außenministerin im Antrittsmodus, die sich für ihre Töchter vor dem Eiffelturm fotogen in Szene setzt, die jede Wiederholung ihrer Reden zwar pointierter ausspricht, dabei jedoch nicht viel Neues sagt, die selbst von ihrem Vorgänger Heiko Maas fast Wortgleich die Textbausteine übernimmt, wenn er als geschäftsführender Bundesaußenminister beim NATO-Außenministertreffen in Riga schon Ende November gen Moskau meinte: „Für jegliche Form von Aggression müsste Russland einen hohen Preis zahlen“.
Auf der Rundreise der Baerbock-Antrittsbesuche ging es nun auch in den Osten. Vor dem Treffen mit dem russischen Amtskollegen in Moskau zog es sie noch in die Ukraine. Hier gab es nicht nur Gespräche. Das Besuchsprogramm der Außenministerin sah auch eine 45-Minuten-Kurzvisite in die umkämpften Gebiete vor. Ausgestattet mit Schuss(tz)weste und „Stahlhelm im Tarnanzug“ wurde sie in die vorderste Front des Kampfes zum Donbass in der Ukraine gefahren. Mit wild-entschlossenem Blick (andere sagen, er sei ängstlich?!) wiederholte sie während der Besichtigung des Gebietes die von Heiko Maas auswendig gelernte Drohung gegen Russland: „Wir sind bereit, für die Sicherheit der Ukraine einen hohen wirtschaftlichen Preis zu zahlen.“ Wenn es nicht der Medienhype um diese Bilder sind, bleibt es das Geheimnis der Annalena Baerbock, welche Rolle dieser Spaziergang haben soll, statt der von einer Außenministerin erwarteten diplomatischen Gespräche, die über den Austausch von Floskeln hinausgehen.
Im Gegensatz zu den oben genannten „Iron Ladies“ hat es Annalena Baerbock noch nicht in den Panzer geschafft, aber sie ist auf dem besten Weg dorthin. Wie irritierend jedoch die Fotos der Außenministerin mit Stahlhelm und in Begleitung vom im Kampfanzug uniformierter Soldat*innen in der Ukraine auch in den sozialen Medien aufgenommen wurden, zeigten umgehend die Bilder im Internet mit Petra Kelly und ihrem mit Blumen geschmückten Stahlhelm und dagegen das aktuelle Helmfoto von Baerbock. Die Wandlung der GRÜNEN von einer pazifistischen Partei bis heute.
Die Erfahrungen der Friedensbewegungen der frühen 80er-Jahre und die Aktivitäten auch der eigenen grünen Parteimitglieder im Kampf für den Frieden scheinen beerdigt. Damals waren „Frauen für den Frieden“ und die Initiative „Frauen in die Bundeswehr? Wir sagen nein!“ aktiv. Sie sammelten 1981 mehr als 60.000 Unterschriften gegen den Zugang von Frauen zur Bundeswehr.
Die Ziele der Abrüstung und Diplomatie für den Frieden wurden bereits in der ersten Regierungskoalition von der SPD und Bündnis90/DieGrünen und dem Krieg gegen Jugoslawien ad acta gelegt.
Und jetzt treten sie in die Fußstapfen ihrer Vorreiter*innen. Den Umweg von Joschka Fischer, der vom Turnschuh in den Springerstiefel lief, muss Annalena Baerbock nicht nehmen. Sie hat sich bereits von Beginn ihrer Bundestagslaufbahn auf den Ausbau des transatlantischen Bündnisses festgelegt. Das Tempo ist rasant, mit dem nun so kurz nach der Wahl und Regierungsbildung im Dezember 2021 SPD und Grüne, diesmal im Bund mit der FDP, die Drecksarbeit gemacht werden soll. Und im Gegensatz zu der Koalition von 1998 sind es heute die Frauen, die sich in kriegerischen Posen darstellen.
Eine Entwicklung, die zum Widerstand herausfordert.
In emanzipatorischen Kämpfen wie in Rojava haben Frauen in der Regel eine positive Rolle, sie kämpfen für die fortschrittliche Entwicklung der Gesellschaft. In den kapitalistischen Ländern, in denen Militarisierung und Krieg größte Profite bringen, sollen Frauen in den Armeen und militärischen Strukturen die Kriege und Kriegsfolgen den Bevölkerungen „erträglicher“ vermitteln.
Doch Gleichberechtigung wird nicht an der Front und nicht im Kriegsministerium erkämpft.
Wir wollen keine „Iron Ladies“! Emanzipatorische Entwicklung braucht den Frieden!
Bettina Jürgensen, marxistische linke
Kundgebung zum Jahrestag Atomwaffenverbotsvertrag in Kiel
Am Sa., 22.1.2022, 5 von 12 Uhr, versammelten sich vor dem Kieler Rathaus ca. 70 Menschen um auf die dringende Umsetzung des Atomwaffenverbots hinzuweisen. Benno Stahn sprach sich für das Kieler Friedensforum dafür aus, dass auch Deutschland den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet.
Das hätte dann zur Folge, dass die amerikanischen Atomwaffen, die in Deutschland stationiert sind, abgezogen werden müssen. Stattdessen werden die Flugzeuge modernisiert, mit denen die Bomben von deutschen Piloten ins russische Ziel gebracht werden sollen, um die westliche Vorherrschaft zu sichern.
Die atomare Bedrohung sei bei Vielen heute nicht mehr so präsent, so Stahn. Mit dem Blick auf die Verschärfung des aktuellen Russland-Ukraine-Konflikt wird dies aber wieder deutlich. „Die Situation bewegt uns sehr, ist beunruhigend und trägt nicht zur Sicherheit in der Region bei. Wir sehen ein Säbelrasseln, ähnlich wie wir es bei uns im Ostseeraum beobachten“, so der Kieler Friedensaktivist.
Auch Kiels Stadtpräsident Hans-Werner Tovar unterstützte die Kundgebung als einen „wichtigen Schritt in eine atomwaffenfreie Welt“ und wünschte sich, dass auch die schleswig-holsteinische Landesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag unterstützt, genauso wie die Stadt Kiel, die eine Petition unterzeichnet hat, die die Bundesregierung zum Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrags auffordert.
Siegfried Lauinger, sprach für die IPPNW, die zusammen mit dem Kieler Friedensforum und der DFG/VK zu dieser Kundgebung aufgerufen hat.
„Seit nunmehr einem Jahr ist der Atomwaffenverbotsvertrag Teil des humanitären Völkerrechtes. Der Vertrag ist am 22.01.2021 in Kraft getreten, nachdem er von 50 Staaten ratifiziert worden war. Bis heute haben ihn 86 Staaten unterzeichnet und 59 Staaten haben ihn ratifiziert.
Leider hat Deutschland den Vertrag noch nicht unterzeichnet und weigert sich beharrlich das in Erwägung zu ziehen. Immerhin will Deutschland an der ersten AVV-Staatenkonferenz im März in Wien teilnehmen. Als Begründung ihrer Weigerung verweist die Bundesregierung auf die Notwendigkeit der nuklearen Teilhabe; auf die Notwendigkeit der nuklearen Abschreckung gegenüber Russland und auf den bestehenden Atomwaffensperrvertrag von 1970, der die Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung für die Atomwaffenstaaten enthalte und deshalb genüge.
Nukleare Teilhabe bedeutet, dass deutsche Flugzeuge im Ernstfall Atombomben gegen Russland einsetzen. Atombomben, die in Büchel in der Eifel für diesen Fall bereit liegen. Flugzeuge, die den deutschen Staatshaushalt mit hunderten Millionen Euros belasten. Geld, das dringend für die Energie und Verkehrswende gebraucht wird. Die Nukleare Teilhabe ist Teil der NATO-Strategie „Frieden durch Abschreckung“.
Frieden durch Abschreckung bedeutet, dass durch eine, auch atomar betriebene, Hochrüstung einem potentiellen Feind signalisiert wird, und meist wird dabei hierzulande an Russland gedacht, ihm im Falle eines Angriffes auf das Bündnisgebiet unakzeptablen Schaden zugefügt wird.
Und schon ist die Rüstungsspirale in Gang gesetzt, die beiderseits gewaltige Ressourcen verschlingt. Und mit den Waffenarsenalen wächst das gegenseitige Misstrauen.
In der Ostseeregion stehen sich die NATO und Russland unmittelbar waffenstarrend gegenüber. Wegen der Bedeutung dieser Region sowohl für die NATO, als auch für Russland, ist in einem Kriegsfall Schleswig-Holstein mit seinen Werften, Marine- und Luftwaffenstützpunkten und Kommandozentralen als ein vorrangiges Ziel russischer Verteidigungs- oder gar Präventivschläge zu betrachten. Auch bei einer entfernteren Nuklearexplosion, beispielsweise in den baltischen Staaten oder in Kaliningrad, ist Schleswig-Holstein durch radioaktiven Fallout bedroht. Von daher muss S.-H. ein großes Interesse daran haben, diese Risiken weitestgehend zu minimieren.
Leider hat sich der Atomwaffensperrvertrag als Maßnahme zur atomaren Abrüstung nicht als wirksam erwiesen. Seit über 50 Jahren gibt es diesen Vertrag, durch den sich die Atommächte zu einer atomaren Abrüstung verpflichtet haben. Geschehen ist nichts. Deshalb ist der Atomwaffenverbotsvertrag, der heute seinen ersten Geburtstag hat, notwendig geworden. Er ist eine Mahnung und eine Aufforderung vieler Staaten, die alle von einem Atomkrieg zwischen den Großmächten betroffen wären, endlich Schluss zu machen mit der Bedrohung durch Atomwaffen.
Im Schleswig-Holsteinischen Landtag wird derzeit beraten, ob eine Empfehlung an die Bundesregierung ausgesprochen werden soll, dem AVV beizutreten. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Vier Bundesländer und alle Landeshauptstädte, auch Kiel, haben diese Empfehlung bereits ausgesprochen.
Der Beitritt Deutschlands zum Atomwffenverbotsvertrag wäre ein wichtiges Signal den untauglichen Versuch „Frieden durch Abschreckung“ zu verlassen. Frieden ist niemals das Ergebnis einer Rüstungsspirale. Frieden kann nur das Ergebnis der Bemühung um eine gemeinsame Sicherheit sein. Das bedeutet:
Jedes Land ist dafür verantwortlich, dass alle anderen sich vor ihm sicher fühlen. Das erfordert Gespräche und führt schrittweise zu immer mehr Abrüstung.“
(Aufruf der AG Atomwaffenverbotsvertrag Schleswig-Holstein, Siegfried Lauinger/uws)
Neue U-Boote für Israel:
Kieler U-Boot-Werft befeuert Pulverfass Nahost aufs Neue
ThyssenKrupp Marine Systems TKMS) hat sich mit dem israelischen Verteidigungsministerium auf die Rahmenbedingungen für den Kauf von drei U-Booten der Dakar-Klasse geeinigt. Das gab das Unternehmen in Kiel am 20.1.22 bekannt. Das erste U-Boot soll innerhalb von neun Jahren dorthin geliefert werden. Das Auftragsvolumen liegt demnach bei rund drei Milliarden Euro. Die Bundesregierung trägt – wie schon bei den bisher gelieferten U-Booten – etwa ein Drittel der Kosten. Um für den Auftrag gerüstet zu sein, investiert ThyssenKrupp Marine Systems nach eigenen Angaben rund 250 Millionen Euro in seine Werft: Damit die Kieler Werft „die größten U-Boote produzieren kann, die jemals in Deutschland gebaut wurden“ (KN 21.1.2022).
„...speziell auf die Anforderungen der israelischen Marine zugeschnitten“
Nach den Worten von TKMS-Vorstandsvorsitzenden Rolf Wirtz handelt es sich bei der Dakar-Klasse um eine neue Konstruktion, „die speziell auf die Anforderungen der israelischen Marine zugeschnitten sein wird.“ Von diesen U-Booten der neuen Generation sollen nicht nur Torpedos verschossen werden und Kampfschwimmer ausgesetzt werden, sondern es gibt auch Startschächte für Marschflugkörper.
„Ich bin zuversichtlich, dass die neuen U-Boote die Fähigkeiten der israelischen Marine verbessern und zur Sicherheitsüberlegenheit Israels in der Region beitragen werden,“ sagte Israels „Verteidingungs“minister bei Vertragsunterzeichnung.
Diese drei U-Boote werden die Dolphin-Klasse ersetzen, die auch schon mit Atomwaffen bestückt werden konnten. Sechs Boote dieser Klasse wurden von 1992 bis 2020 in Kiel gebaut und fünf an die israelische Kriegsmarine ausgeliefert (das sechste befindet sich noch in Bau). Die Lieferung der bisher letzten drei U-Boote an Israel war in die Kritik geraten, da dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, einem seiner Berater und einem ehemaligen Minister Korruption vorgeworfen wird. Es war berichtet worden, dass ein Vertreter von ThyssenKrupp hochrangige israelische Regierungsbeamte bestochen habe, um den Auftrag für die U-Boote zu erhalten.
Doch Israel ist nicht der alleinige Adressat von U-Booten ins Pulverfass Naher Osten.
Zwischen 2016 und 2021 erhielt Ägypten ebenfalls vier Boote. Und es werden sechs U-Boote der Klasse 214 in der Türkei „unter maßgeblicher Beteiligung des Konzerns ThyssenKrupp Marine Systems“ gebaut. Die Lieferung der Bauteile wurde von der Regierung unter Kanzlerin Merkel im Jahr 2009 genehmigt und der Export mit einer sogenannten Hermesbürgschaft von 2,49 Milliarden Euro abgesichert. Dagegen hat vor allem der griechische Verteidigungsminister ausdrücklich protestiert. Denn die U-Boote könnten von der Regierung Erdogan dazu benutzt werden, „eine expansionistische Politik der Türkei in der Ägais und im östlichen Mittelmeer zu verfolgen.“ (telepolis 1.2.2021)
Brief von IPPNW an Kieler Oberbürgermeister (2012) – aufs Neue aktuell
Schon vor 10 Jahren (2012) war auf dem Ostermarsch in Kiel gefordert worden, die Auslieferung von U-Bootes an Israel angesichts der zunehmenden Spannungen im Nahen und Mittleren Osten zu stoppen.
Die Kieler Gruppe der IPPNW (Internationale Ärztinnen und Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges/ÄrztInnen in sozialer Verantwortung) hatte in einem Offenen Brief an Kiels OB gefordert:
„Wir sind entsetzt, mit welcher Selbstverständlichkeit in der Presse über die Lieferung von – bei HDW gebauten U-Booten – an Israel berichtet wird. Insbesondere empört uns, dass die Ausstattung dieser U-Boote für Nuklearraketen in keiner Weise problematisiert wird. Kiel ist Mitglied der Mayors for Peace, worauf wir stolz sind und erleichtert, weil sich damit Kiel dem Grundsatz dieser Vereinigung verpflichtet, ‚der Bedrohung durch Atomwaffen ein Ende zu bereiten und sich weltweit für deren Ächtung und Abschaffung einzusetzen‘. (...) Diese Lieferung von Waffen in das hochexplosive Spannungsgebiet Nahost verstößt gegen das Grundgesetz (Art. 26) und trägt zur weiteren Eskalation der akuten Kriegsgefahr bei. (...) Der Einfluss der Waffenlobby auf unsere Politik und Wirtschaft ist besorgniserregend. Zum Erhalt von Arbeitsplätzen macht Kiel sich abhängig von der Waffenlobby und mitschuldig an der Gefahr, Krisen durch Kriege lösen zu wollen.
Wir möchten Sie deshalb um eine Stellungnahme zu unseren Bedenken bitten sowie um eine Beantwortung der Frage, welche Anstrengungen Sie unternehmen wollen, um im Sinne von „Schwerter zu Pflugscharen“ eine ernsthafte Rüstungskonversion in allen für die Rüstungsindustrie arbeitenden Betrieben in Kiel anzustreben, wie es Ihrer Verantwortung als ‚Bürgermeister für den Frieden‘ entspricht.“
(gst)
Kieler Friedensforum:
Der neue Kooperationsvertrag zwischen dem Bildungsministerium Schleswig-Holstein und der Bundeswehr löst Protest aus
Das Image der Bundeswehr ist angekratzt: Hunderte Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus, erniedrigende Aufnahmerituale, massive Rekrutierungsprobleme, der Fehlschlag in Afghanistan haben zu einer schwerwiegenden Sinnkrise der Bundeswehr geführt. Dass in dieser Situation das Bildungsministerium S-H der Bundeswehr einen Kooperationsvertrag anbietet, dürfte der Bundeswehr nicht ungelegen kommen.
Am 4. August unterzeichneten das Landeskommando Schleswig-Holstein und Bildungsministerin Karin Prien den Kooperationsvertrag. Neu ist der Einsatz von Jugendoffizieren(?) an Schulen in Schleswig-Holstein nicht. Mit der neuen Vereinbarung bekommen die Besuche der Jugendoffizier*innen allerdings eine ministerielle Absegnung. Außerdem kann sich die Bundeswehr sich nun auch offensiv an Schulen wenden.
Jugendoffizier*innen sollen Schüler*innen zur „differenzierten Analyse von sicherheitspolitischen Themen“ befähigen und sie sensibilisieren für „die Entstehung und die Hintergründe internationaler Konflikte“, heißt es in dem Kooperationsvertrag. Eigentlich Aufgaben, die von pädagogisch und didaktisch geschulten Lehrer*innen bewältigt werden sollten. Die Vereinbarung, die bis Ende 2025 gilt, ermöglicht auch Besuche in Standorten. Auch Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften durch Bundeswehrpersonal ist vorgesehen. Nachwuchswerbung soll dabei nicht stattfinden, heißt es im Vertrag. Erfahrungsgemäß dürfte eine solche Formulierung in der Praxis kaum Beachtung finden. Im Kern dürfte es der Bundeswehr allerdings um die Stärkung ihrer Akzeptanz in der Bevölkerung gehen. Das Pädagogische können Lehrer*innen besser leisten.
Keine militärisch ausgerichtete Außen- und Sicherheitspolitik im Unterricht!
Der Kooperationsvertrag nimmt ausdrücklich Bezug auf den Beutelsbacher Konsens von 1976. Er formuliert einen didaktischen Minimalkonsens über die Richtlinien der politischen und didaktischen Inhalte für die Lehrpläne politischer Bildung.
Der Beutelsbacher Konsens beinhaltet drei Grundsätze:
• Es ist nicht erlaubt, den Schüler*innen – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbständigen Urteils zu hindern. Für den schulischen Unterricht bedeutet dieses „Überwältigungsverbot“, junge Menschen anzuregen, ihren Verstand und ihre Urteilskraft für eine eigene Meinung zu trainieren.
• Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Zusammen mit dem Überwältigungsverbot beinhaltet dieses Kontroversitätsgebot die Forderung, unterschiedliche Standpunkte darzulegen und alternative Optionen zu erläutern.
• Die Schüler*innen müssen in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und ihre eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene Lage im Sinne ihrer Interessen zu beeinflussen.
Diese pädagogischen Minimalgrundsätze dürften mit den Kooperationsverträgen schwer in Einklang zu bringen sein. Die Lehrergewerkschaft GEW wendet sich entschieden gegen den zunehmenden Einfluss der Bundeswehr auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts und der Lehreraus- und Fortbildung, wie sie in den Kooperationsabkommen zwischen Kultusministerien und Bundeswehr deutlich werden.
In der Kooperationsvereinbarung ist ausdrücklich angemerkt, dass die Schulen frei sind in Bezug auf die Annahme oder Ablehnung der Angebote der Bundeswehr. Es ist vor diesem Hintergrund zu hoffen, dass zahlreiche Schulen sich für den Verzicht auf die Mitarbeit der Bundeswehr im Unterricht entscheiden. Denn, so Astrid Henke, Vorsitzende der GEW Schleswig-Holstein in einer Pressemitteilung von August 2021:
„Die politische Bildung in der Schule darf nicht Aufgabe der Bundeswehr sein. Das führt geradezu zwangsläufig zur Rechtfertigung von militärisch ausgerichteter Außen- und Sicherheitspolitik im Unterricht. Der Bildungsauftrag der Schule liegt in den Händen der Lehrerinnen und Lehrer. Und das ist auch gut so. Da gehört er hin. Die Bundeswehr brauchen wir dafür nicht.“
In Kiel ist für den 25. Februar 2022, 18 Uhr eine Informations- und Diskussionsveranstaltung per Video geplant. Die zunächst geplante Veranstaltung im Kieler Musiculum wurde wegen der Pandemieentwicklung abgesagt.
Benno Stahn, Kieler Friedensforum
Veranstaltungshinweis:
Brauchen Schulen einen Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr?
Freitag, 25. Februar 2022, 18 Uhr, Zoom-Veranstaltung
Diskussionsveranstaltung mit
• Michael Schulze von Glasser, Publizist
• Astrid Henke, GEW S-H
• Linus Wirwoll, Landesschüler*innenvertretung Gymnasien
•Dr. Horst Leps, Hamburg, Lehrbeauftragter a.D. für Politikdidaktik an der Uni Hamburg
Eine Anmeldung ist erforderlich, bei Sabine Mordhorst, DGB Kiel Region: sabine.mordhorst@dgb.de
Unterstützer: DGB Kiel Region, Attac Kiel, GEW, IPPNW, Kieler Friedensforum, Friedensforum Neumünster, Zusammenarbeitsausschuss der Friedensbewegung in S-H
Protestaktion beim Werbetruck der Bundeswehr auf der Kieler Woche 2016:
„Kein Werben fürs Sterben“. Foto: Ulf Stephan /r-mediabase.eu
Volksinitiative gegen Rüstungstransporte im Hamburger Hafen erfolgreich
Der Hamburger Senat hat in seiner Sitzung am 11. Januar 2022 festgestellt, dass die Volksinitiative „Volksinitiative gegen den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen“ von mehr als 10.000 zur Bürgerschaft Wahlberechtigten unterstützt worden ist und damit zustande gekommen ist.
„Hiermit teile ich Ihnen gemäß $ 5 Absatz 3 des Volksabstimmungsgesetzes diese Feststellung des Senats mit.“ (Annette Korn an die Initiatoren der Volksinitiative Martin Dolzer, Paula Herrschel und Monika Koops)
Die Volksinitiative hatte innerhalb von 6 Monaten 16.442 Unterschriften fristgerrecht am 14.12.2021 eingereicht. Aufruf „Für einen zivilen Hafen und ein weltoffenes Hamburg!“ siehe unter:
NATO-Außenminister erhöhen Druck auf Moskau:
Rote Linien
Blinken fordert Russland zur Verlegung seiner Truppen auf. Putin dringt auf Vereinbarungen zum Stopp der Konflikteskalation.
MOSKAU/BERLIN/WASHINGTON (Eigener Bericht) - Mit neuen Drohungen gegen Russland ist am gestrigen Mittwoch das Treffen der NATO-Außenminister in der lettischen Hauptstadt Riga zu Ende gegangen. US-Außenminister Antony Blinken verlangt, Moskau müsse seine Truppen umgehend von der Grenze zur Ukraine abziehen. Sein scheidender Amtskollege Heiko Maas lobt, man habe „zu den russischen Truppenbewegungen“ eine „gemeinsame“ Sprache gefunden. Worauf die NATO-Außenminister den Anspruch gründen, Moskau den Aufenthalt seiner Streitkräfte an einem bestimmten Ort auf seinem Territorium verbieten zu wollen, ist unklar. Gleichzeitig bringen mehrere NATO-Staaten neue Truppen gegen Russland in Stellung; Großbritannien stationiert Kampfpanzer in Deutschland, um bei einer Eskalation schneller in Richtung russische Grenze aufbrechen zu können. Russlands Präsident Wladimir Putin warnt die NATO-Staaten eindringlich, Moskaus rote Linien nicht zu überschreiten, fordert, das „Vorschreiten der NATO nach Osten“ zu beenden, und dringt auf Vereinbarungen mit „Sicherheitsgarantien“, um die Konflikteskalation zu stoppen.
Oktober 1962
Mit Blick auf das gestern zu Ende gegangene Treffen der NATO-Außenminister hatte Russlands Präsident Wladimir Putin die Warnung vor dem Überschreiten der roten Linien seines Landes wiederholt. Putin hatte bereits im April erklärt, Moskau werde diese roten Linien verteidigen und dazu, falls nötig, mit massiver Vergeltung reagieren. Zuletzt hatte er das am 18. November bekräftigt, hatte präzisiert, es gehe etwa um den Ausbau militärischer NATO-Infrastruktur in der Ukraine, und kritisiert, die westlichen Staaten nähmen seine Warnungen nicht ernst. Am Dienstag konkretisierte der russische Präsident die roten Linien weiter und nannte als Beispiel eine etwaige Stationierung eines Raketenabwehrsystems vom Typ Aegis Ashore, wie es in Rumänien bereits aufgestellt ist und im kommenden Jahr in Polen in Betrieb gehen soll, in der Ukraine.[1] Abschussrampen von Aegis Ashore können genutzt werden, um offensive Marschflugkörper in Gang zu setzen.[2] Diese wären, würden sie in der Ukraine abgefeuert, binnen weniger Minuten in Moskau, das dann kaum noch zu verteidigen wäre. Welche Folgen es haben kann, wenn solche roten Linien überschritten werden, ist auch im Westen seit der Kubakrise vom Oktober 1962 bekannt.
„Voranschreiten nach Osten“
Gestern hat Putin ergänzend angekündigt, Moskau werde sich um Vereinbarungen mit den westlichen Mächten bemühen, die auf Dauer Sicherheit schaffen könnten; darin müssten die NATO-Staaten allerdings „verlässliche und langfristige Sicherheitsgarantien“ abgeben, die „jedwedes weitere Vorschreiten der NATO nach Osten und die Stationierung von bedrohlichen Waffensystemen in unmittelbarer Nähe des Gebiets der Russischen Föderation ausschließen“.[3] Worauf Putin mit „Vorschreiten der NATO nach Osten“ abzielte, hat am Dienstag in anderem Zusammenhang NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg skizziert. Stoltenberg schilderte, wie das Militärbündnis nach der Eskalation des Konflikts um die Ukraine erstmals „kampfbereite Truppen in den östlichen Teil der Allianz“ geschickt habe - „nicht nur in die Ostseeregion, auch zum Schwarzen Meer“.[4] Außerdem hätten NATO-Mitglieder der Ukraine „politische Unterstützung, praktische Unterstützung“ angedeihen lassen: „Die Verbündeten sorgen für Training, für den Aufbau von Kapazitäten, auch militärischer Kapazitäten, Ausrüstung“. Es gebe eine ganze Reihe „verschiedener Arten von Unterstützung, um die ukrainischen Streitkräfte zu stärken“, fügte Stoltenberg hinzu.[5]
Auf dem Weg nach Osten
Ein weiteres „Vorschreiten der NATO nach Osten“ ist längst im Gang. So hat der britische Verteidigungsminister Ben Wallace Ende November angekündigt, die britischen Streitkräfte würden rund 250 gepanzerte Fahrzeuge - darunter Kampfpanzer -, zudem Militär-Lkw und weiteres Gerät nach Deutschland verlegen, auf den Truppenübungsplatz Sennelager bei Paderborn; dort waren bis 2020 britische Truppen fest stationiert. Das Militärlager soll unter der Bezeichnung „Land Regional Hub“ eine ähnliche Funktion erfüllen wie die US-Lager in Deutschland, Belgien und den Niederlanden, die als „Army Prepositioned Stock“ (APS) bekannt sind: Im Kriegsfall sollen Soldaten aus Großbritannien eingeflogen werden, die Militärfahrzeuge besteigen und sofort in Richtung Russland vorrücken. Aktuell ist vorgesehen, dass regelmäßig sogenannte Battle Groups von einigen hundert Soldaten nach Sennelager entsandt werden, um dort Manöver durchzuführen. Von da aus könnten sie unmittelbar weiter nach Estland verlegt werden, heißt es; dort führt Großbritannien eine der NATO-Battle Groups, die in den baltischen Staaten und Polen unweit der Grenze zu Russland stationiert sind.[6]
Der NATO-Krisenreaktionsmechanismus
Weitere Maßnahmen mit Stoßrichtung gegen Russland sind beschlossen, in Vorbereitung oder werden zumindest diskutiert. So hat die Biden-Administration bereits im Februar die unter Präsident Donald Trump festgelegte Obergrenze von 25.000 Soldaten für die US-Truppen in Deutschland aufgehoben. Im April gab US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bekannt, zusätzlich rund 500 Soldaten in die Bundesrepublik zu verlegen. Am Montag hieß es, die US-Streitkräfte bereiteten gemeinsam mit nicht näher beschriebenen Verbündeten weitere Maßnahmen vor, die künftig die „glaubwürdige Abschreckung gegenüber Russland stärken“ sollten.[7] Ebenfalls am Montag verlangte die Regierung Lettlands, die USA müssten auf lettischem Territorium Truppen dauerhaft stationieren sowie zusätzlich Patriot-Luftabwehrraketen an der Grenze zu Russland in Stellung bringen. Ergänzend hat jetzt die NATO ihren Krisenreaktionsmechanismus aktiviert: Sie wird ein gemeinsames Lagebild erstellen sowie Optionen für ein mögliches militärisches Vorgehen gegen Russland entwickeln.
„Eine gemeinsame Sprache“
Weit davon entfernt, sich auf eine Vereinbarung mit Moskau einzulassen, die den sich gefährlich zuspitzenden Konflikt zumindest einfrieren könnte, eskaliert Washington weiter. US-Außenminister Antony Blinken behauptete gestern, die Vereinigten Staaten hätten Belege dafür, dass Russland „Pläne für mögliche militärische Aktivitäten in der Ukraine“ schmiede; die Pläne umfassten „Anstrengungen, die Ukraine von innen zu destabilisieren, aber auch groß angelegte militärische Operationen“.[8] Beweise für die Anschuldigungen legte Blinken nicht vor. Dafür forderte er Russland auf, seine Streitkräfte umgehend von der Grenze zur Ukraine abzuziehen. Anders, als der US-Außenminister suggeriert, steht zumindest ein erheblicher Teil der russischen Truppen, denen der Westen attestiert, für einen möglichen Einmarsch in die Ukraine bereit zu sein, mehrere hundert Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt im Gebiet Smolensk (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Worauf der US-Außenminister den Anspruch gründet, russischen Truppen den Aufenthalt an bestimmten Orten innerhalb Russlands untersagen zu wollen, ist unklar. Der scheidende Außenminister Heiko Maas wird mit der Äußerung zitiert, es sei „sehr wichtig gewesen“, dass man „eine klare Sprache gefunden“ habe „zu den russischen Truppenbewegungen“ - „gemeinsam“.[10]
[1] Vladimir Soldatkin, Andrew Osborn: Putin warns Russia will act if NATO crosses its red lines in Ukraine. yahoo.com 30.11.2021.
[2] S. dazu Abschied vom INF-Vertrag (II).
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7804/
[3] Ukraine-Konflikt: Putin stellt Forderungen an die Nato. rnd.de 01.12.2021.
[4], [5] Press conference by NATO Secretary General Jens Stoltenberg at the Meeting of NATO Ministers of Foreign Affairs, Riga. nato.int 30.11.2021.
[6] Deborah Haynes: British Army restructure sees hundreds of tanks and troops return to Germany after withdrawal less than a year ago. news.sky.com 25.11.2021.
[7] Andrew Eversden: Pentagon’s Global Posture Review emphasizes China, but lacks major strategic changes. breakingdefense.com 29.11.2021.
[8] David M. Herszenhorn: Blinken urges Russia to ’de-escalate’ and return to diplomacy on Ukraine. politico.eu 01.12.2021.
[9] S. dazu Nützliche Kriegsszenarien.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8778/
[10] USA werfen Russland geplante Aggression in der Ukraine vor. vol.at 01.12.2021.
(Quelle: 2.12.2021, https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8781/)
Herausforderungen für die Friedensbewegung:
Die Deutsche Marine und ihr „einzigartiger und unverzichtbarer Beitrag zur Freiheit der weltweiten Seefahrt“
Drei Wochen vor Veröffentlichung des Ampel-Koalitionsvertrages wurde der „Jahresbericht des Marinekommandos der Bundeswehr. Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland“ der Öffentlichkeit übergeben. Auf den 184 Seiten geht es um die „maritime Sicherheit“ für den Welthandel und um die deutsche maritime Rüstungswirtschaft.
Nachzulesen unter https://www.bundeswehr.de/de/organisation/marine/downloads
„Dieser Bericht soll durch Zahlen, Daten und Fakten verdeutlichen, warum die See für unser aller Leben von entscheidender Bedeutung ist und so deutlich machen, warum unser Land nicht umhinkommt, seine maritimen Interessen zu schützen“, so der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Schönbach, im Vorwort der Studie.
Und weiter: „Für Deutschland als Industrie- und Handelsnation ist die uneingeschränkte Nutzung der globalen Seewege von existenzieller Bedeutung. Der zuverlässige Import von Rohstoffen sowie der gesicherte Export von Gütern garantieren die Funktionalität unserer Wirtschaft und damit unserer Gesellschaft. Die Deutsche Marine leistet hier einen einzigartigen und unverzichtbaren Beitrag zur Freiheit der weltweiten Seefahrt und ist somit ein wesentlicher Garant unseres Wohlstands sowie der sozialen Sicherheit. Als Mitglied der NATO stehen wir dafür ein, dass unsere Handels- und Passagierschiffe die Weltmeere weiterhin frei und sicher befahren können.“
Ein Dank geht dann auch noch an die alte Regierung: „Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat im Juni 2021 die Mittel für wichtige Vorhaben der Marine freigegeben, darunter für die Neubeschaffung von zwei U-Booten der Klasse 212 CD in Kooperation mit Norwegen, drei Flottendienstbooten, zwei Marinebetriebsstoffversorgern und fünf Seefernaufklärern P-8A Poseidon. Zusammen mit dem Auftrag für die neuen Fregatten der Klasse F126 wird die dringend notwendige Modernisierung der Flotte weiter vorangetrieben. Zudem konnte mit der Indienststellung der Fregatte „Sachsen-Anhalt“ in diesem Jahr ein weiteres Schiff verfügbar gemacht werden, um die Flotte zu entlasten.“
Wofür „die Industrie- und Handelsnation“ ihre Kriegsschiffe in erster Linie fit machen muss, ist gleich zu Beginn der Studie in einem Grundsatzbeitrag heraus gehoben: „Der Indo-Pazifik: Raum geostrategischer Rivalitäten und sicherheitspolitischer Herausforderungen.“
Darin heißt es u.a. „Seit dem August dieses Jahres ist die Fregatte ‚Bayern‘ auf einer sechsmonatige Reise in den indopazifischen Raum. Ein Gebiet, in dem die Deutsche Marine seit nahezu 20 Jahren nicht mehr aktiv war. Maßgeblicher politischer Anstoß dieser Entsendung sind die im August 2020 von der Bundesregierung erlassenen Leitlinien für den Indo-Pazifik. Davon abgeleitet soll sich das deutsche außen- und sicherheitspolitische Engagement in der Region verstärken und verfestigen. (...) In diesem maritimen Raum treten neue und komplexe Herausforderungen und Konfliktpotenziale zutage, wie es Auseinandersetzungen um Ressourcen oder Rechtsnormen in Teilen der Welt zeigen. Die Entsendung der Fregatte ‚Bayern‘ in diesem Jahr ist sichtbarer Ausdruck des deutschen Engagements...“
In den nachfolgenden Grundsatzbeiträgen unter „Kapitel I – Maritime Sicherheit“ geht es um den „Kampf um den Nordpol“ und um „Illegale Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen“.
In Kapitel 3 „Deutsche Marine“ wird dann ausführlich aufgelistet, welche konkreten Beschaffungsvorhaben für die Deutsche Marine in Angriff genommen werden: Das Produktportfolio umfasst U-Boote, Fregatten, Korvetten, Minenabwehreinheiten, Patrouillen- und Kampfboote, Hilfs- und Versorgungsschiffe und komplette Subsysteme. Also eine breite Palette, um zukünftig auf den Weltmeeren „regelbasiert Ordnung“ zu schaffen.
Rot-gelb-grüner Koalitionsvertrag: Bekenntnis zu NATO-Zielen, Drohnen, atomarer Teilhabe und Aufrüstung
Der „Jahresbericht des Marinekommandos der Bundeswehr“ liest sich als konkretisierende Anlage zum entsprechenden Abschnitt im Ampel-Koalitionsvertrag. Die Koalitionäre bekennen sich darin „zur Aufrechterhaltung eines glaubwürdigen Abschreckungspotenzials. Auftrag und Aufgabe der Bundeswehr müssen sich an den strategischen Herausforderungen und Sicherheitsbedrohungen unserer Zeit orientieren. ... Die Bundeswehr muss entsprechend ihres Auftrages und ihrer Aufgaben bestmöglich personell, materiell sowie finanziell verlässlich ausgestattet werden.“ Die Einsatzbereitschaft soll erhöht werden, ebenso die rüstungstechnische Zusammenarbeit in Europa.
Ein Konzept für eine Entspannungspolitik, geschweige denn konkrete Abrüstungsvorschläge sucht man im Koalitionsvertrag vergebens. Der entsprechende Abschnitt des Vertrages atmet den Geist des Kalten Krieges und fügt sich damit passgenau in die NATO-Globalstrategie ein.
Trotz anfänglicher Bedenken und Widerständen von Teilen der SPD und Grünen sind bewaffnete Kampfdrohnen für die Bundeswehr koalitionsvertraglich eingeplant. Als Begründung für die Anschaffung bewaffneter Drohnen wird angeführt, der Schutz der Bundeswehrsoldaten mache diese Drohnen-Entscheidung notwendig. Im Klartext bedeutet das also, dass von weiteren Auslandseinsätzen der Bundeswehr ausgegangen wird.
Geradezu grotesk sind die Positionen im Koalitionsvertrag zum Thema Atomwaffen. Da heißt es: „Unser Ziel bleibt eine atomwaffenfreie Welt und damit einhergehend ein Deutschland frei von Atomwaffen.“ Aber gleichzeitig wird an dem Konzept der „atomaren Teilhabe“ festgehalten. Das Bekenntnis zu einem atomwaffenfreien Deutschland ist jedoch nichts wert, so lange US-Atomwaffen weiterhin hier gelagert werden und deren Einsatz von der Bundeswehr regelmäßig geprobt wird.
Weiterhin heißt es im Koalitionsvertrag, man wolle „drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in internationales Handeln“ investierten und so „seine Diplomatie und seine Entwicklungspolitik“ stärken – um dann im entscheidende Nachsatz festzustellen: „und seine in der NATO eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Die NATO bleibt unverzichtbare Grundlage unserer Sicherheit. Die NATO-Fähigkeitsziele wollen wir in enger Abstimmung mit unseren Partnern erfüllen und entsprechend investieren.“ Heißt übersetzt: An der Aufrüstungspolitik und der 2-Prozent-Forderung der NATO sollen festgehalten werden.
Mein Fazit nach dem Studium beider Papiere: Der „Jahresbericht des Marinekommandos“ und der Koalitionsvertrag sind eine Herausforderung für die Friedensbewegung.
(gst)