Daten/Fakten  

   

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GEHT DOCH!

60 Jahre Ostermarsch!

Das Corona-Virus und der Schutz vor einer zu schnellen Verbreitung hat in den Bundesländern zu einschränkenden Maßnahmen bis hin zum Verbot von Kontakten in Kleingruppen geführt. Der Förderalismus der BRD führt dazu, dass die Einschränkungen sehr unterschiedlich sind.

Weil in einigen Bundesländern das öffentliche Leben fast zum Erliegen gekommen ist, mussten die Friedensaktivist*innen andere Möglichkeiten zur Darstellung ihrer Forderungen finden. Der „virtuelle Ostermarsch“ wurde von vielen Initiativen als Alternative genutzt. Damit werden jedoch nur diejenigen erreicht, die mit der entsprechenden Computertechnik ausgerüstet und mit den dafür notwendigen PC-Programmen vertraut sind. Trotz allem: es ist eine Form der gemeinsamen Aktion, ist ist in einigen Regionen momentan eine Art der Kontaktaufnahme und die Möglichkeit die Forderungen der Friedensbewegung öffentlich zu machen und zu verbreiten.

Auch in Schleswig-Holstein gibt es Auflagen und Beschränkungen, auch hier dürfen maximal Familien, WG´s oder Lebenspartner*innen mit einer zusätzlichen Person in die Öffentlichkeit. Unter dem Eindruck der Verordnungen der Bundes- und Landesregierung und auch der Unsicherheit mit dem neuen Virus wurden geplante Ostermärsche von Veranstalter*innen in abgesagt. Teilweise wurde von den Initiativen zu anderen Aktionsformen eingeladen wie z. B. in Wedel zu einem virtuellen Ostermarsch mit Musik, Fotos, einem Videorundgang durch die Stadt.

Aber es geht auch anders. Jedes Jahr am Karfreitag findet eine Friedensdemonstration von Schleswig nach Jagel statt, mit Abschlusskundgebung vor dem Drohnen- und Tornado-Standort der Bundeswehr in Schleswig-Holstein.
Auch für 2020 war die Demo und Kundgebung geplant. In Folge der Corona-Pandemie wurde die Demonstration untersagt, da es nach Auffassung der Ordnungsbehörde „nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der (für die Verhinderung von Coronavirusübertragungen) vorgeschriebene Abstand (von 1,5 Metern zwischen den Teilnehmern) marschbedingt ungewollt verringert und weitere Personen hinzukommen.“
Für die Kundgebung in Jagel wurde die Einhaltung eines 1,5 m Abstandes vorgeschrieben, mit dem diese stattfinden konnte. Gemäß Behördenschreiben „sind Teilnehmer mit erkennbaren Symptomen einer COVID19-Erkrankung oder jeglichen Erkältungssymptomen auszuschließen.“

Das im Versammlungsgesetz Schleswig-Holstein festgelegte „Vermummungsverbot“ wurde wie folgt relativiert:
„Das Vermummen der Teilnehmer in Form von Tüchern, Schals oder Atemschutzmasken ist erlaubt und wird aufgrund der aktuellen Pandemie zur Verringerung der Ansteckungsgefahr begrüßt. Ich weise darauf hin, dass Vermummungen zur Verhinderung der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gem. § 17 Abs.1 Nr. 1 VersFG SH weiterhin verboten sind.“

Unter Einhaltung dieser Auflagen hat die Kundgebung als Osterfriedensaktion stattgefunden. Gefordert wurde im 60. Jahr der Ostemarschbewegung von den bis zu 70 Teilnehmer*innen:

• Die nukleare Teilhabe der Bundeswehr an dem NATO-Aufrüstungsprogramm sofort zu beenden !
• Die umgehende Schließung kriegsrelevanter Standorte wie Jagel !
• Kein Einsatz von Drohnen !
• Die Beendigung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr !
• Abrüsten statt aufrüsten !

Diese Forderung der bundesweiten Friedensbewegungen war auch vor dem Haupttor zum Fliegerhorst in Jagel unüberhörbar.

 

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Ostermahnwache in Kiel

Oster-Mahnwache in Kiel

Der Ostersonnabend ist in Kiel seit einigen Jahrzehnten für Friedensbewegte immer der Tag des Ostermarsches. Auch für dieses Jahr gab es einen Aufruf, der von einem breiten Unterstützer*innenkreis, darunter auch die marxistische linke, getragen wurde. Darin hieß es unter anderem:


Die Ostsee – ein Meer des Friedens !

Überall auf dem Kontinent demonstrieren Menschen gegen die lebensbedrohende Umweltzerstörung und für die Eindämmung des Klimawandels. Während die Jugend ihre Zukunft einfordert, praktiziert das Militär, einer der größten Umweltvernichter, unbeeindruckt seine Rituale. Die regelmäßigen Manöver in unserer Ostseeregion sind gegen Russland gerichtet und machen eine Entspannungspolitik unmöglich.

 

 

8. Mai 1945: Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus !

Der Überfall deutscher Truppen auf die Sowjetunion darf nicht vergessen werden. Dieses Verbrechen forderte Millionen Tote, Elend und Zerstörung. Wir empfinden es als Provokation, dass gerade zu Beginn des Gedenkjahres 2020 (75 Jahre Befreiung des KZ Auschwitz, 75 Jahre Befreiung von Krieg und Faschismus) im Baltikum und an der russischen Westgrenze die von NATO-Staaten unterstützte amerikanische Großübung Defender 2020 stattfindet. Deutschland übernimmt dabei die Funktion einer logistischen Drehscheibe auf der Grundlage des Truppenstationierungsabkommen. Es ist höchste Zeit, dieses Abkommen zu kündigen.“

Wir erinnern uns: Viele Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie waren bereits durchgesetzt, das Defender2020 Manöver war jedoch zu dem Zeitpunkt noch in voller Aufrüstung. Dies macht die notwendige, mindestens mahnende und inhaltliche Aktivität gegen die Hochrüstung und das Säbelrasseln auch in Zeiten der Corona-Pandemie deutlich.


Der Ostermarsch 2020 in Kiel wurde bereits Mitte März wegen der Maßnahmen gegen die Pandemie und mit Blick auf die Gesundheit der Aktivist*innen alternativlos abgesagt. Mit Blick auf die Entwicklungen in Kiel selbst – die Rüstungswerft der Thyssen-Krupp-Marine Systems (TKMS) hat am 9.4.2020 ein U-Boot an die ägyptische Armee übergeben – ergriff die örtliche DFG-VK die Initiative und meldete eine Mahnwache für den Frieden an. Da die meisten Geschäfte wegen der Auflagen geschlossen sind, blieb der Zuspruch der Bevölkerung überschaubar, trotzdem wurde die Aktion interessiert wahrgenommen. Zwei Stunden Mahnwache, mit dem notwendigen Abstand der Aktivist*innen zueinander, statt Ostermarsch waren eine wichtige Alternative.

Der Motorradclub Kuhle Wampe Kiel hatte sich entschlossen in kleinen zweier Gruppen mit Motorrädern über Ostern zu touren. Das die Kuhle Wampe dabei nicht die Probleme und das Geschehen in der Welt außer acht lässt, erstaunt nicht, denn die Mitglieder stehen für Frieden, Antifaschismus und Demokratie. „Macht von euren demokratischen Rechten weiterhin Gebrauch“ waren dann auch die nach außen sichtbaren an den Motorrädern angebrachten Forderungen.
Auf der Kieler Gablenzbrücke wurden innerhalb von 5 Minuten fünf Fahrer*innen von der Polizei zur Kontrolle angehalten. Außerdem gab es die Aufforderung die Transparente zu entfernen. Von zwei Mitgliedern der Kuhlen Wampe wurden die Personalien aufgenommen. Insgesamt wurde die Tour von den Teilnehmenden als positiv eingeschätzt.

Das Aktivitäten dieser Art in Schleswig-Holstein möglich sind, liegt nicht nur an den, gegenüber anderen Bundesländern, noch nicht so scharfen Einschränkungen und Kontaktauflagen. Die Durchführung dieser Aktionen zur Wahrnehmung der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit war nur durch das aktive Einfordern der Anmelder*innen möglich. Es ist auch kein, wie einige Außenstehende geäußert haben, sorgloser Umgang von Aktivist*innen mit der Gefahr einer möglichen Infektion für sich und andere Menschen. Immerhin wurde bei beiden Aktionen mehr Abstand gewahrt und Mund-Nase-Schutz genutzt, als es oft in Super- und Baumärkten durch Kund*innen geschieht. Erwähnt werden sollte, dass auch die anwesende Polizei nur mit wenig Personal und „begleitend“ erschienen ist. Es ist bekannt, dass an anderen Orten in den letzten Wochen Aktionen für die Aufnahme Geflüchteter, sowie anderer notwendiger Protest, Widerstand und Informationen per Kundgebungen, mit Polizeigewalt verhindert wurden. Die Solidarität mit denen, die derart repressiv an ihrer Meinungsäußerung gehindert werden, ist gefordert und notwendig!

Die Kundgebung in Jagel, die Mahnwache in Kiel und die Aktion der Kuhlen Wampe waren ermutigende Zeichen, dass auch in Zeiten der Corona-Pandemie das Demonstrationsrecht, wenngleich mit Einschränkungen, wahrgenommen werden kann.


Bettina Jürgensen, marxistische linke

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Osteraktion Kuhle Wampe in Kiel

U Boote systemrelevant

Rüstung in Kiel:

Kriegsschiffbau – ein todsicher florierendes Geschäft

Mit der Schlagzeile „TKMS arbeitet weiter - Corona kann U-Bootbau nicht stoppen“ machten die Kieler Nachrichten am 1.4.2020 auf einen noch aktiven Produktionsbereich in Kiel aufmerksam. Manch eine/r dachte wohl zunächst an einen Aprilscherz. Doch, so die KN weiter: „Die Lage auf den deutschen Werften ist aufgrund der Corona-Krise angespannt. Fast alle Werften haben Kurzarbeit angemeldet und die Produktion heruntergefahren. Bei Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS) in Kiel-Gaarden allerdings wird in drei Schichten rund um die Uhr weitergearbeitet.“

Das sollte wohl die Kieler Bevölkerung beruhigen, denn immer noch gelten die Werften als eine der wichtigen Industriezweige in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt.

Gleichzeitig hatte die German Naval Yards Kiel (GNYK) ab dem April Kurzarbeit angemeldet und Teile des Betriebs, wie die Werkstätten sowie die Fertigung und damit die Arbeiten an und in den Schiffen, geschlossen.

Ein Grund für die Fortführung des Betriebs auf der TKMS wurde am 9.4. deutlich: Das dritte von vier U-Booten wurde an den Oberbefehlshaber der ägyptischen Marine, Vizeadmiral Ahmed übergeben. Laut Angaben der „Kieler Nachrichten“ sollen alle vier Boote rund eine Milliarde Euro einbringen.
Wegen der Corona-Schutzmaßnahmen auf der Werft erfolgte die Übergabe ohne Zeremonie im engsten Kreis der Projektverantwortlichen, so die TKMS.

Doch Kieler Aktivist*innen ließen das U-Boot nicht ohne öffentlichen Widerspruch vom Stapel. Eine Gruppe hatte sich zur Mittagszeit des 9. April vor dem Haupttor der Werft mit Transparent und Protestschildern versammelt. Sie stellten mit ihrem Protest auch die Frage, ob der U-Boot-Bau in Kiel systemrelevant ist, denn während allerorts die Produktion wegen der Corona-Pandemie runtergefahren wurde, läuft die Werft auf Hochtouren weiter.

Der Protest gegen Rüstungsexporte wächst in der Bevölkerung, die Forderung nach einem Verbot von Waffenexporten wird lauter. Kritisiert wird, dass mit der Auslieferung des U-Bootes an Ägypten außerdem die von Saudi-Arabien geführte Kriegskoalition im Jemen unterstützt wird, zu der auch Ägypten gehört. Deutlich wird hier die Rolle Deutschlands und der TKMS, die an den Toten dieses Krieges verdienen.

Dass die Aktion vor dem Haupttor der TKMS kurz vor Ostern stattgefunden hat, ist ein wichtiger Protest, da in diesem Jahr die Ostermärsche abgesagt wurden und hier aber deutlich wird, wie wichtig auch in Corona-Zeiten die politische Aktion ist.


„Krieg beginnt hier!“ ist nicht nur eine Parole der Friedensbewegten, sondern die Rüstungsindustrie selbst zeigt, dass sie rund um die Uhr den Kriegen in der Welt die Waffen liefert.

Thyssen Krupp KielDazu gehört auch das eingefädelte Milliardengeschäft der TKMS mit Brasilien. Eine Werftentochter von Thyssenkrupp soll in Brasilien vier Kriegsschiffe bauen. Der brasilianische Staatskonzern Emgepron wird mit einem dazu gegründeten Konsortium aus Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS), der brasilianischen Embraer Defense & Securities sowie der Embraer-Tocher Atech vier Kriegsschiffe bauen. 2025 soll das erste Schiff ausgeliefert werden.

Auch wenn die Produktion mit einem Wert von 1,7 Milliarden Euro nicht in Kiel, sondern in Brasilien stattfindet, wird die TKMS auch hier mit ihrem technischen Know-How, wie es beschrieben wird, mit Wissenstransfer für Kriegsschiffbau verdienen.

Wie eine Randnotiz wirkte da der Hinweis am 10.4.2020 in den Kieler Nachrichten: „Deutsche Marine U-Boot-Krise ist überstanden - Fast zweieinhalb Jahre dauerte die Reparatur. Jetzt bereitet sich „U 35“ auf die Rückkehr in die Marine vor. In dieser Woche kam das U-Boot im Kieler Hafen wieder ins Wasser. Die Werft Thyssen Krupp Marine Systems hatte das Boot repariert.“

Noch vor wenigen Jahren wurde das „Werftensterben in Deutschland“ beklagt und negative Auswirkungen auf die norddeutsche Wirtschaft insgesamt erwartet. In dieser Situation fusionierte die HDW-Kiel im Jahr 2005 mit Thyssen-Krupp Marine Systems. Dies und der noch stärkere Ausbau der Rüstungsproduktion, die HDW war immer Werft für Kriegsschiffbau, wurde den Beschäftigten auf den Werften und der Bevölkerung als Mittel gegen den Abbau von Arbeitsplätzen „verkauft“. Die TKMS gliederte 2005 den zivilen Überwasserschiffbau aus. 2011 wurde dieser Teil dann von „Abu Dhabi Mar“ übernommen. Da die israelische Regierung an diesen Teil der Werft vier Korvettenschiffe in Auftrag gegeben hatte und sich an dem arabischen Namen störte, wurde die Werft 2015 in German Naval Yards umbenannt. Gleichzeitig war dies der Start für das Ende des zivilen Schiffbaus.
Arbeitsplätze hat dies alles nicht gerettet. Bei der Thyssen-Krupp Marine Systems ist die Zahl von 6.024 Beschäftigten im Jahr 2006 auf 3.441 Beschäftigten in 2019 gesunken. Die German Naval Yards hatte 2015 noch 964 Beschäftigte, in 2019 waren es 915. (Zahlen lt. Statista)
Kein Geheimnis ist, dass die Bundesregierung Deutschland den Export von U-Booten mit Kreditzusagen und Kaufsubventionen fördert. Im März 2010 hatte die deutsche Regierung z.B. von Griechenland als Voraussetzung für das Rettungspaket gefordert, zwei U-Boote in Lizenz der HDW für eine Milliarde Euro zu kaufen. Ebenso gehen Rüstungsaufträge der Bundeswehr an die deutschen Werften und sind bereits bei der Auftragsgebung eine sprudelnde Quelle der Finanzierung.

Dass (Rüstungs-)Aufträge für deutsche WerftGerman Naval Yards Kielen erwartet werden, machte unlängst die Vergabe eines europäisch ausgeschriebenen Auftrags der Bundeswehr für das Mehrzweckkampfschiff 180 deutlich. Nicht die TKMS hatte den Zuschlag für das 5,3 Milliarden Euro-Projekt erhalten, sondern am 14.Januar 2020 die niederländische Damen-Werft. Dies sorgte für Kritik in Politik und Wirtschaft, insbesondere in Schleswig-Holstein. Die Kieler Wert German Naval Yards (GNYK) hat dagegen, mit Unterstützung der Landesregierung, juristische Schritte eingeleitet.


Die Produktion und der Verkauf von Rüstungsgütern aus Deutschland sollte Anlass sein, die Bewegung gegen Krieg und Militarisierung zu stärken! Gerade im 75. Jahr nach dem Ende des von Deutschen begonnenen Krieges muss die Forderung „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ nicht nur virtuell, sondern konkret, sichtbar und hörbar gestellt werden. Dazu bedarf es unter den Beschränkungen für Veranstaltungen Kreativität und vielleicht auch Mut. Dass dies nicht unmöglich ist, zeigten Aktivitäten zu Ostern und zur Rettung Geflüchteter.

Bettina Jürgensen, marxistische linke

Rheinmetall:

Rüstungskonzerne sollen zum sicheren Hafen für Kapitalanleger in der Corona-Krise werden

Das Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen!“ fordert Stopp von Rüstungsproduktion und Waffenexporten. Die Welt steht auf dem Kopf. Aber nicht für alle. Während das soziale und kulturelle Leben fast vollständig zum Erliegen kommt, Bars, Restaurants und große Teile des Einzelhandels geschlossen sind und Kontaktverbote auf wackliger gesetzlicher Grundlage erlassen werden, geht die Rüstungsproduktion bei den Konzernen Rheinmetall und Krauss Maffei Wegmann weiter als wäre nichts.

Die Politik unterstützt und befördert diese zweifelhafte Prioritätensetzung. Vor einigen Tagen erst wurde bekannt, dass die Regierung wieder umfangreiche Rüstungsexporte unter anderem an Ägypten, Israel und Katar genehmigt hat. Seit Anfang 2019 hat die Bundesregierung Rüstungsexporte in Höhe von 1,2 Milliarden Euro an Länder der saudisch geführten Kriegsallianz im Jemen genehmigt. Das sind gute Voraussetzungen für Bombengeschäfte: Rheinmetall hat angekündigt, die Summe von 103.399.780,80 EUR als Dividende für das Jahr 2019 auszuschütten.

Die Absätzmärkte werden von der Politik gesichert. Während die Rüstungsproduktion weitergeht, ermöglicht die Bundesregierung die Waffenexporte an kriegführende Allianzen und in Krisengebiete. Und trotz Pandemie plant Deutschland, die Militärausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern. Außenminister Heiko Maas hat das vor wenigen Tagen noch einmal deutlich gemacht. Unter diesen Bedingungen raten Börsenexperten aktuell zum Kauf von Rüstungsaktien.

„Waffengeschäfte werden zum sicheren Hafen für Kapitalanleger in der Corona-Krise gemacht. Dieses Handeln von Politik und Konzernen ist genau das Falsche. Es verschärft Krisen und Konflikte, statt sie zu lösen. Wir brauchen einen Stopp der Rüstungsproduktion und der Exportgenehmigungen. Als Sofortmaßnahme in der gegenwärtigen Krisensituation müssen die 103 Mio. EUR Dividende, die an die Anteilseigner des Rheinmetall-Konzerns ausgeschüttet werden sollen, abgeschöpft und in das Gesundheitssystem umgeleitet werden”, sagt Carola Palm vom Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen“.

Neben all dem Leid, das die Pandemie verursacht und verschärft, eröffnet sie auch die Chance das richtige zu tun. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, hat das erkannt und bemüht sich um einen weltweiten Waffenstillstand. In vielen Unternehmen wird zur Zeit über eine Umstellung der Produktion nachgedacht. Die Pandemie drängt zu Überlegungen, wie sich eine Produktion, die zu Zerstörung und Leid führt, in eine zivile Produktion umwandeln lässt, die den Menschen und ihren Bedürfnissen dient.

„Wir haben jetzt die Chance zu tun, was schon immer richtig war. Rüstungsproduktion ist in vielerlei Hinsicht zerstörerisch. Wir fordern den sofortigen Stopp der Rüstungsproduktion und eine gesellschaftliche Diskussion darüber, wie die Rüstungskonzerne auf eine zivile Produktion umgestellt werden können. Sie muss dem Wohlergehen der Bevölkerung verpflichtet sein. Das ist der Weg aus der Krise“, sagt Daniel Seiffert vom Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen!“.

Quelle und mehr Infos:
https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org

rheinmetall entwaffnen berlin

Der in Kiel mit einem Werk in Suchsdorf ansässige Konzern Rheinmetall hat gerade erst einen Großauftrag über die Modernisierung für Leopard- Kampfpanzer, Panzer-Haubitzen und Lkw aus Ungarn bekommen.

Manfred Sihle Wissel Bueste Wilhelm Bauer Foto LH Kiel Imke Schroeder

U-Boot-Erfinder an der Hörn:

Mit der Wilhelm-Bauer-Büste Werbung für heimtückische Waffen

Die Stadt Kiel und der Ortsbeirat Gaarden hat am 31.3.2020 die Bronzebüste des Erbauers des ersten U-Bootes in Kiel am Hörnufer südlich des Museumshafens Kiel aufgebaut. Das erste deutsche U-Boot versank gleich auf seiner Probefahrt am 1.2.1851 in der Kieler Förde und erst 1887 wurde der „Brandtaucher“ geborgen.

Die Stadt Kiel schreibt in einer Pressemitteilung: „Im vergangenen Jahr hatte sich ein Kreis von Engagierten um den Kieler Historiker Prof. Dr. Peter Wulf dafür eingesetzt, die Büste wieder aufzustellen. Der renommierte Bildhauer Manfred Sihle-Wissel hat mit Unterstützung durch das Kulturdezernat jetzt einen vorhandenen Amboss genutzt und sein Kunstwerk erneuert. Der Amboss befand sich im städtischen Besitz und stand in der Nähe des Schifffahrtsmuseums. Gemeinsam mit dem Bildhauer, dem Ortsbeirat Gaarden und dem Kieler Kunstbeirat, der die Wiederaufstellung finanziert hat, wurde zudem ein neuer Standort an der Hörn für das Kunstwerk gefunden. In Nachbarschaft des Neubaus der Investitionsbank SH und des Theaterschiffs steht nun seit dem 31. März weithin sichtbar die tonnenschwere Büste.“

Die Büste steht direkt am sogenannten Germaniahafen (benannt nach der ersten deutschen Kriegswerft), direkt an der Stelle, wo nach dem 2. Weltkrieg die ersten U-Boote von HDW-Gaarden gebaut wurden. Unter anderem auch für das faschistische Regime in Chile, nach dem dort der blutige Putsch gegen die sozialistische Regierung von Alliende stattgefunden hatte.

Damit nicht genug. Mittlerweile werden von der ehemaligen HDW-Werft, jetzt unter dem Namen Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS) modernste U-Boote gebaut, die mit Brennstoffzellen-Antrieb wochenlang unentdeckt die Weltmeere durchtauchen können, um angeblich sicherheitspolitisch relevante geheime Informationen zu sammeln. Wichtige Verkehrswege können gesichert oder auch bedroht werden. Im Kriegseinsatz können sie über die Geräuscheortung den richtigen Feind ausspähen und mit Torpedos vernichten. Neuerdings werden sie auch von anderen Ländern, wie z. B. Israel mit Atomraketen nachgerüstet. Diese U-Boote werden problemlos auch an Länder geliefert, die in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt sind, wie z. B. Türkei und Ägypten. An Letzteres wurde am 9.4.2020 das dritte U-Boot übergeben. Die Baugenehmigung für die U-Boote erteilte 2014/25 das Bundeswirtschaftsministerium unter der Führung von Sigmar Gabriel (SPD). So ein U-Boot kostet denn locker mal 400-500 Mio. Euro. Ägypten liegt mit der Exportbilanz aktuell mit 800 Mio. Euro knapp hinter Ungarn. Aber das ist ja fast nichts im Vergleich zu den vom Bundessicherheitsrat im Jahre 2019 genehmigten Rüstungsexporten im Wert von 7,95 Mrd. Euro. Die Rüstungskonzerne verdienen in Kiel außerordentlich gut, zahlen ihre Steuern größtenteils woanders und weil das Geschäft so profitabel ist, dürfen die Arbeiter auch bei Corona arbeiten.

Einige SPD- und Grünen-Politiker reden manchmal von Konversion (sprich Umwandlung in zivile Produktion). Aber da lachen nur noch die Möwen. „Ohne Export wäre die wehrtechnische Industrie in Schleswig-Holstein nicht überlebensfähig.“ sagt der Vorsitzende des Unternehmer-Arbeitskreises Wehrtechnik mit 30 Unternehmen und 6.400 Arbeitern. Eine traurige Wirtschaftsform, die nur noch durch Krieg und Mord am Leben zu erhalten ist. Corona hat uns mal kurz gezeigt, dass es Wichtigeres gibt und dass es mit Krieg und Waffen keine Lösung gibt.

Diese Büste am Germaniahafen macht nun unverschämte Werbung für die Produktion zum (heimtückischen) Töten. Nicht nur für die Traditionsschiffe im Museumshafen ist das eine Provokation. Niemand wurde gefragt, ob das Denkmal gewünscht ist. Auf die Beschilderung durch die Stadt Kiel dürfen wir gespannt sein. (uws) (Bild oben: Manfred Sihle-Wissel an der Wilhelm-Bauer-Büste am Germaniahafen. Foto: LH-Kiel, Imke Schroeder)

U Boot Krieg

Bild: Im Ersten Weltkrieg kaperte das deutsche U-Boot U54 u.a. das Norwegische Segelschiff "Ocean" und versenkte es am 31.7.1917

 

LETZTE MELDUNG:

Das Nato-Manöver BALTOPS soll trotz der Corona-Krise vom 6.-19. Juni 2020 in der Ostsee stattfinden. Versorgungshäfen sind die Marinestützpunkte in Kiel und Eckernförde.
Aus 18 Nationen werden wieder 50 Schiffe mit ca. 8000 Soldaten erwartet. USA und NATO wollen ihre Stärke gegenüber Russland zeigen, die angeblich seit März vor der dänischen und deutschen Küste mit Aufklärungsschiffen agieren.

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Mordwaffen:

Bundestag will Kampfdrohnen für die Bundeswehr im Juni beschließen

Liebe Freundinnen und Freunde, bewaffnete Drohnen – im Volksmund „Kampfdrohnen“ – sind zuerst durch die US-Regierung als eine aggressive Waffe zur Menschenjagd und „gezielte Tötungen“ entwickelt und eingesetzt worden. Die Kampfdrohnen ermöglichen Tötungen ohne ein Risiko für die Angreifenden und senken damit die Schwelle, militärische Gewalt auszuüben. In den letzten Jahren haben mehr und mehr Länder Kampfdrohnen angeschafft und in mehr und mehr Ländern eingesetzt. 

Mit Kampfdrohnen werden ganze Bevölkerungen durch ständige Überwachung und häufige Tötungen, auch von vielen Unbeteiligten, gequält. Zudem werden Kampfdrohnen für friedensbedrohende völkerrechtswidrige Attentate eingesetzt, wie im Januar gegen den iranischen General Qasem Soleimani.
Seit Jahren ist es weitgehend bekannt, dass die US-Regierung die Ramstein Air Base im deutschen Hoheitsgebiet für illegale Drohnen-Tötungen verwendet. Die Bundesregierung könnte durch Kündigung des Stationierungsvertrags mit den USA die völkerrechtswidrigen Drohnen-Tötungen via Einrichtungen in Deutschland stoppen. 

Stattdessen will die Bundesregierung Drohnen der Bundeswehr bewaffnen. Kampfdrohnen spielen heute auch eine zentrale Rolle in den Aufrüstungsplänen der NATO und der EU. Und die deutsche Rüstungsindustrie ist bestrebt, so bald wie möglich in den weltweiten Handel mit dieser Mordwaffe einzusteigen.
 
Schon vor mehr als sieben Jahren forderte der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr. Die Friedensbewegung sowie Menschenrechtsorganisationen, Kirchen, Gewerkschaften, NGOs und Abgeordnete aus mehreren Bundestagsfraktionen haben sich über viele Jahre gegen das gefährliche neue Waffensystem eingesetzt. Wegen der starken Ablehnung in der Bevölkerung gab es bis heute noch keine Mehrheit in der Politik für ihre Beschaffung. 
Deutschland hat noch keine bewaffneten Drohnen. Und dies muss so bleiben! Die Gründe, warum wir Kampfdrohnen für die Bundeswehr ablehnen, sind über die Jahre in zahlreichen Erklärungen, Appellen, Reden, Anfragen und Studien von Wissenschaftler*innen und Jurist*innen, Whistleblowern, Parlamentarier*innen, NGOs, Friedens- und Menschenrechtsorganisationen ausführlich beschrieben und belegt.

Aber liebe Freundinnen und Freunde, nun während der Corona-Virus-Krise versucht das Verteidigungsministerium die Beschaffung von Waffen für Bundeswehr-Drohnen doch noch durchzusetzen, und zwar voraussichtlich im Juni 2020. Dies müssen wir stoppen!
Wegen dem erheblichen Widerstand gegen Kampfdrohnen in der Bevölkerung wurde im geltenden Koalitionsvertrag von 2018 durchgesetzt, dass eine parlamentarische Entscheidung über eine mögliche Bewaffnung von Drohnen für die Bundeswehr erst nach einer „breiten gesellschaftlichen Debatte“ und „ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung” stattfinden kann.
Hiermit wurde Deutschland der erste NATO-Mitgliedsstaat, dessen regierende Parteien eine solche Untersuchung zu diesem gefährlichen Waffensystem angeordnet haben. Die in Deutschland vorgesehene „breite gesellschaftliche Debatte“ zu Kampfdrohnen ist deswegen für die ganze Welt von Bedeutung. 
Die schwerwiegende Entscheidung des Bundestags für oder gegen die Bewaffnung von Drohnen für die Bundeswehr darf aus guten Gründen nur nach einer breiten gesellschaftlichen Debatte stattfinden. Als Präzedenzfall wird diese Entscheidung bis weit in die Zukunft die Möglichkeit einer Bewaffnung von allen bewaffnungsfähigen Drohnen der Bundeswehr betreffen: ob Heron TP, „Eurodrohne“ oder auch weitere Drohnen, darunter eventuell in der Zukunft auch autonome Drohnen.  
Die Bundesregierung beteuert, dass sie bewaffnete Drohnen immer unter Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte einsetzen wird. Aber liebe Freundinnen und Freunde, wie sollen wir dies glauben, wenn die Bundesregierung die völkerrechtswidrigen Drohneneinsätze der USA seit Jahren duldet? Und eine Entscheidung für bewaffnete Drohnen würde diese umstrittene Waffe in die Hände von auch zukünftigen deutschen Regierungen geben, welche Politik auch immer sie verfolgen.
Das Verteidigungsministerium will jedoch die sehr notwendige „breite gesellschaftliche Debatte“ umgehen. In einem Brief vom 06. April 2020 an ein SPD-Mitglied im Verteidigungsausschuss beschreibt das Verteidigungsministerium ihren Plan, um die breite gesellschaftliche Debatte, die vorgesehen ist, durch eigene Veranstaltungen im Verteidigungsministerium zu ersetzen. Innerhalb von einigen Wochen plant das Verteidigungsministerium die Vorstände der Bundestagsfraktionen zu einem sogenannten „Workshop“ im Verteidigungsministerium einzuladen. Wegen begrenzter „Sitzplatzkapazitäten“ werden vermutlich laut dem Verteidigungsministerium nicht alle interessierten Bundestagsabgeordneten oder VertreterInnen der Medien teilnehmen dürfen.  
Am Ende dieser sogenannten „Beteiligungsphase“ und unter Lenkung durch das Verteidigungsministerium soll es bis Juni 2020 eine „finale Abstimmung“ der Bundestagsfraktionen zu einem Diskussionspapier geben, das dann als „Grundlage für die weitere Behandlung des Themas in den Gremien des Deutschen Bundestags herangezogen werden“ soll. Es ist klar, dass das Verteidigungsministerium die Meinungsbildung dominieren will.
Wo bleibt hier die „breite gesellschaftliche Debatte“?  Wie kann die Bevölkerung sich über den Verlauf informieren und einbringen? Wird das Verteidigungsministerium etwa seine Türen für die deutsche Bevölkerung öffnen, damit sie sich an der Diskussion beteiligen darf? Werden die Diskussionen, die im Verteidigungsministerium stattfinden, aufgezeichnet und auf der Webseite des Bundestags gepostet wie bei parlamentarischen Debatten üblich?
 
Liebe Freundinnen und Freunden, auch während der Corona-Virus-Pandemie können wir unsere Stimmen erheben! Kontaktiert die Bundestagsabgeordneten mit der Forderung, dass sie sich gegen die Bewilligung der Kampfdrohnen einsetzen. Durch unsere Briefe an Bundestagsabgeordnete sowie an die Medien können wir klar zum Ausdruck bringen, dass das Vorgehen des Verteidigungsministeriums keine Legitimität hat!  

Wir fordern eine breite gesellschaftliche Debatte!

Deutschland darf nicht in das Töten und Morden mit Drohnen einsteigen. Stattdessen muss die Bundesrepublik den Verzicht Deutschlands auf die Anschaffung von bewaffneten Drohnen erklären und sich für internationale Rüstungskontrollen einsetzen – um langfristig eine Ächtung dieses gefährlichen Waffensystems zu bewirken.

Keine Kampfdrohnen für die Bundeswehr!

(Elsa Rassbach, Berlin, 11.4.2020 Die Autorin ist aktiv bei: DFG-VK, attac, Drohnen-Kampagne und Codepink.)
 
Quellen:
Briefe des Verteidigungsministeriums an Bundestagsabgeordneten (Februar - April 2020):
https://www.aktion-freiheitstattangst.org/images/docs/BMVg_an_MdB_Brunner_06.04.2020.pdf
https://www.aktion-freiheitstattangst.org/images/docs/BMVg_an_AG_der_SPD-Fraktion_06.03.2020.pdf
https://www.aktion-freiheitstattangst.org/images/docs/BMVg_an_Fraktionsvorsitzende_26.02.2020.pdf
Offener Brief der Drohnen-Kampagne an die Bundestagsabgeordneten (März 2020):
https://drohnen-kampagne.de/2020/03/25/offener-brief-der-drohnen-kampagne-an-die-bundestagsabgeordneten/
Zum Downloaden als Word-Dokument:
https://www.aktion-freiheitstattangst.org/images/docs/Drohnen_Brief_an_MdB_23.03.2020.doc
Zweiter Appell der Drohnen-Kampagne (Dezember 2019):
https://drohnen-kampagne.de/appell-12-2019/

Das Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie

Nationaleuropäisches Rüstungsspagat

Bei der Vergabe großer Rüstungsaufträge steckt die Bundesregierung zwischen Baum und Borke: Einerseits ist es das erklärte Ziel über europaweite Ausschreibungen zu einer „Konsolidierung“ („Bündelung“) des EU-Rüstungssektors beizutragen. Hierüber sollen größere Auftragsmargen und damit deutlich geringere Stückpreise erzielt und so eine größere militärische Schlagkraft pro investiertem Euro generiert werden. Auf der anderen Seite wird ein solches Verfahren selbstredend überall dort für besonders problematisch empfunden, wo deutsche Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung innehaben und dementsprechend leer ausgehen könnten – dahinter stehen allerdings nicht allein industriepolitische Erwägungen, sondern nicht zuletzt auch das machtpolitische Interesse am Erhalt einer starken nationalen Rüstungsindustrie.

Die diesbezügliche Debatte nahm besonders im Vorfeld der Vergabe eines milliardenschweren Auftrags zum Bau von vier Mehrzweckkampfschiffen (MKS) 180 an Schärfe zu. Obwohl teils recht deutlich vor einem „Ausverkauf der deutschen Marine-Schiffbaukompetenz“ gewarnt wurde, wurde der Auftrag europaweit ausgeschrieben und ging dann Mitte Januar 2020 an das niederländisch geführte Konsortium „Damen Shipyards Group“. Dementsprechend hitzig fielen die Reaktionen der Industrie wie auch von Teilen der Gewerkschaften und der Politik aus. Diesen Spagat zwischen nationalen und europäischen „Sachzwängen“ adressiert nun das am 12. Februar 2020 als Gemeinschaftsproduktion von BMWI, BMVg, BMI, AA und BMBF veröffentlichte „Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“.
Das Dokument ist gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Zunächst einmal betont es zwar den bedarf europaweiter Ausschreibungen, erweitert aber im gleichen Atemzug die bereits im Vorgänger eingeführten „Schlüsseltechnologien“ unter anderem um den „Überwasserschiffbau“. Die entscheidende Neuerung dabei ist, dass dieser Schritt mit einer Gesetzänderung flankiert wird, die am 14. Februar 2020 abschließend den Bundesrat passierte und die es ermöglichen soll, besagte Schlüsseltechnologien künftig vom europäischen Ausschreibungsverfahren auszuklammern. Außerdem fasst das „Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“, wie der Name schon andeutet, die zuvor getrennt behandelten Bereiche der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie unter besonderer Berücksichtigung neuer Technologien und deren „Wert“ für künftige Militärprojekte zusammen. Und schließlich geht es dem Papier darum, die „Rahmenbedingungen für Unternehmen dieser Industrie zu verbessern.“ Ganz vorne auf dem dazu präsentierten Maßnahmenkatalog heißt es unter anderem, man wolle, „Exporte politisch flankieren.“
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich dabei allerdings, dass es der Bundesregierung nicht gelingen dürfte, die nationale und die europäische Ebene auszutarieren. In dem Maße, wie sie sich der einen zuneigt, verprellt sie die andere.

Protektionistischer Gegenwind

Beim MKS 180 handelt es sich um eines der wirklich großen künftigen Rüstungsvorhaben: Als Auftragsvolumen sind inzwischen im Bundeshaushalt 5,27 Mrd. Euro vorgesehen, weshalb es nicht verwunderlich war, dass es aus den Reihen der Politik eine Reihe von Fürsprechern gab, den Auftrag an ein deutsches Konsortium zu vergeben. So meldete sich Anfang 2020 etwa der FDP-Politiker Hagen Reinhold erbost zu Wort, nachdem im Jahr zuvor ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und Lürssen aus dem Bieterverfahren geworfen worden waren: „Mir ist schleierhaft, wie man das Konsortium TKMS/Lürssen, einen rein deutschen Bieter, vor Jahresfrist von der Vergabe ausschließen konnte.“
Nachdem dann im Februar 2020 auch noch „German Naval Yards Kiel“ leer ausging, schalteten sich umgehend diverse Ministerpräsidenten in die Debatte ein, wie der militärnahe Blog Augengeradeaus berichtete: „Mehrere Bundesländer, in denen Schiffe und Zulieferteile für die Deutsche Marine gebaut werden, haben Bundeskanzlerin Angela Merkel dringend zu einem politischen Umsteuern aufgefordert: Wie bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, müsse der Marine Überwasserschiffbau nunmehr umgehend als Schlüsseltechnologie definiert werden, schrieb Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther auch im Namen von Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern an die Kanzlerin.“
Auch die IG Metall Küste machte aus ihrem Unmut über die Entscheidung (einmal mehr) keinen Hehl. Sie veröffentlichte umgehend nach der Auftragsvergabe ein „Gemeinsames Positionspapier von IG Metall Küste und Betriebsräten von Werften und Zulieferern“, das sich mit der „Zukunft für den Marineschiffbau in Deutschland“ beschäftigte und das auch „Forderungen an Bundesregierung und Unternehmen“ enthielt. Die MKS-Vergabeentscheidung wird darin als „Fehlentscheidung“ gegeißelt: „Keine andere Nation würde bei einem Beschaffungsprojekt solcher Dimension und Bedeutung so vorgehen und damit Arbeitsplätze und Standorte sowie die technische Zukunftsfähigkeit der Branche im eigenen Land in Gefahr bringen. […] Der Auftrag MKS 180 ist entscheidend für die Sicherung der Grundauslastung der Werften und den Erhalt einer leistungsfähigen wehr- und sicherheitstechnischen Industrie in Deutschland.“
Und auch die Industrie wollte die Entscheidung buchstäblich nicht klaglos hinnehmen, wie u.a. das Handelsblatt berichtete: „Die Bundesregierung hat sich mit der Vergabe des Auftrags für den Bau neuer Fregatten an die niederländische Werftengruppe Damen juristischen Ärger eingehandelt. Der im Bieterverfahren unterlege Schiffbauer German Naval Yards (GNY) will den Deal über Gerichte stoppen lassen, wie das Handelsblatt aus informierten Kreisen erfahren hat.“
Offensichtlich wird die Bundesregierung in dieser Angelegenheit von diversen einflussreichen nationalen Interessensgruppen erheblich unter Druck gesetzt – und das „Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ ist dazu gedacht, dieses Problem zu lösen.

Militärisch-industrieller Spagat

Die 2020er Version des „Strategiepapiers der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ ist nicht die erste ihrer Art – für die Rüstungsindustrie wurde bereits 2015 ein entsprechendes Papier veröffentlicht, dem im Jahr darauf ein weiteres folgte, diesmal mit Fokus auf die „zivile“ Sicherheitsindustrie.
Auch in der aktuellen Variante wird an der „strategischen Bedeutung“ der heimischen Rüstungs- und Sicherheitsindustrie keine Zweifel gelassen: „Industrielle Kernfähigkeiten und strategisch relevante Entwicklungskapazitäten sind am Standort Deutschland und EU zu erhalten und zu fördern.“ Auf der anderen Seite wird allerdings auch klar bedauert: „Nicht zuletzt durch die unterschiedlichen nationalen Anforderungen ist die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in der EU nach wie vor national ausgerichtet und stark fragmentiert. Insbesondere ein Verteidigungsbinnenmarkt ist faktisch noch nicht realisiert.“ Dies sei ein Problem, denn ein fehlender Rüstungsbinnenmarkt führe zu „erheblichen Nachteilen in Bezug auf Kosten, internatio­nale Wettbewerbsfähigkeit und Zusammenarbeit.“
Europaweite Ausschreibungen hätten zur Folge, dass sich – wie in anderen Sektoren bereits vorexerziert – wenige Großunternehmen herausbilden und die Unternehmen in den kleinen und mittleren Staaten schlucken würden. Obwohl vieles dafür spricht, dass derlei Annahmen reichlich optimistisch sind, versprechen sich EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten von einem Rüstungsbinnenmarkt mit seinen höheren Auftragsmargen jährliche Einsparungen von 25 Mrd. bis hin zu 100 Mrd. Euro – die dann in zusätzliches militärisches Gerät gesteckt werden könnten.
Aus diesem Grund ist auch der Bundesregierung sehr an einem Rüstungsbinnenmarkt und der damit einhergehenden „Konsolidierung“ des Sektors gelegen. Im „Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ heißt es dazu: „Die Bundesregierung wird daher durch verschiedene Maßnahmen auf eine verstärkte industrielle Konsolidierung innerhalb Europas hinwirken und erforderliche Prozesse im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen, um so ökonomische Synergien zu fördern und Kohärenz zu stärken.“
Bislang ist es möglich, die – an sich obligatorische – Pflicht zu europaweiten Ausschreibungen im Militärbereich über einen Verweis auf Artikel 346 des „Vertrags über die Arbeitsweise der EU“ (AEUV) zu umgehen. Er erlaubt es Aufträge unter Berufung auf zentrale sicherheitspolitische Bedenken rein national zu vergeben, eine Möglichkeit, von der die Mitgliedsstaaten rege Gebrauch machen, sodass bis heute 80 Prozent der europäischen Rüstungsaufträge national bedient werden.
Die Kommission drängt deshalb auf eine sparsame Anwendung von Artikel 346 AEUV und auch die meisten deutschen Unternehmen sind durchaus darauf erpicht, dass in Zukunft europaweit ausgeschrieben wird. Sie schätzen ihre Marktstellung – wohl zu Recht – so ein, dass sie zu den Profiteuren der hierdurch ausgelösten Fusions- und Übernahmewelle zählen dürften. Misslich wird das Ganze aber in den Sektoren, in denen die deutschen Unternehmen nicht oder nur bedingt konkurrenzfähig sind, die aber aus macht- wie auch industriepolitischen Gründen am Leben gehalten werden sollen.
Das Strategiepapier versucht dieses Problem nun mit Ansatz zu lösen, das Ziel sei die „Europäisierung von Rüstungsvorhaben unter Wahrung nationaler Schlüsseltechnologien.“

Protegierte Schlüsseltechnologien

Der wichtigste Part des Strategiepapiers betrifft den Bereich der Schlüsseltechnologien, die es zu „schützen“ gelte: „Die Verfügbarkeit der identifizierten sicherheits- und verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien ist aus wesentlichem nationalen Sicherheitsinteresse zu gewährleisten, abhängig von der Einordnung der Technologie gegebenen­falls auch im Rahmen von europäischen/transatlantischen Kooperationen und diesbezüglichen bi- und multilateralen Vereinbarungen.“
Das Papier führt drei Kategorien ein: Als Global werden Technologien eingestuft, die keinerlei Beschränkungen unterliegen und problemlos im Ausland beschafft werden können. Europäisch beinhaltet die „Sicherung der Technologie in Kooperation mit europäischen Partnern“, schließt also faktisch selbst manche NATO-Verbündete, insbesondere die USA aus. Sechs Bereiche fallen hierunter, wobei jeder über Segmente verfügt, die global und solche die europäisch zugeordnet werden. Genannt werden hier Handfeuerwaffen, Dreh- und Starrflügler (v.a. Drohnen und Kampfflugzeuge), ungeschützte Fahrzeuge, ABC-Abwehr, Flugkörper/Lenkverteidigung sowie IT-/Kommunikationssoftware (siehe Grafik [nur im PDF]).
Was „Nationale Schlüsseltechnologien“ anbelangt, wurde bereits 2015 eine erste Liste erstellt, die nun erweitert und mit der „zivilen“ Sicherheitsindustrie vermischt wurde – neu hinzugekommen sind die Elektronische Kampfführung (EloKa), der Überwasserschiffbau, die Künstliche Intelligenz sowie IT- und Kommunikationstechnologie, die sich zu folgenden Bereichen gesellen: Geschützte/Gepanzerte Fahrzeuge, Unterwasserplattformen, Schutz, Sensorik, Vernetzte Operationsführung/Krypto.
Im Papier unterbleibt eine genauere Definition dieser teils doch recht vagen Kategorien, bei der rüstungsnahen „Europäischen Sicherheit und Technik“ (ESUT) werden aber einige Projekte genannt, die sich hier einordnen: „Ein neues Mehrzweckkampfschiff würde also nicht mehr zwingend europäisch ausgeschrieben werden, da der Marineschiffbau eine nationale Schlüsseltechnologie darstellt. Dasselbe gilt für ein neues Battle Management System (Vernetzte Operationsführung), Kampfpanzer (Gepanzerte Fahrzeuge) oder das mittlere geschützte Sanitätsfahrzeug (Geschützte Fahrzeuge), die alle rein national zu vergeben wären. Zumindest, wenn die Aussagen des Strategiepapiers belastbar sein sollen.“
Für die rüstungsnahe ESUT ist hier der entscheidende „Lichtblick“, dass der bisherige Papiertiger Schlüsseltechnologien Zähne in Form einer Gesetzesänderung erhalten soll.

Gesetzlicher Rüstungsprotektionismus

Bereits im Oktober 2019 verabschiedete das Kabinett Änderungen zum „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ (GWB) und zur „Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit“ (VSVgV). Die Änderungen passierten am 30. Januar den Bundestag und am 14. Februar 2020 den Bundesrat und ermöglichen es nun, rüstungsindustrielle Kernbereiche von der Pflicht einer europaweiten Ausschreibung nach Artikel 346 AEUV auszuklammern.
Konkret heißt es im „Entwurf  eines  Gesetzes  zur  beschleunigten  Beschaffung  im  Bereich der Verteidigung und Sicherheit und zur Optimierung der Vergabestatistik“: „Dem § 107 Absatz 2 werden folgende Sätze angefügt: ‚Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, ‚wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft.‘“
Im „Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ wird auch deutlich, dass über das Gesetz weitgehende Ausnahmeregelungen von den Verpflichtungen aus Artikel 346 AEUV eingeführt werden sollen: „Die vom europäischen und nationalen Gesetzgeber eingeräumten Spielräume in der Anwendung der Ausnahmevorschrift des Artikels 346 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sollen genutzt werden, um die wesentlichen nationalen Sicherheitsinteressen, insbesondere den Erhalt nationaler Souveränität, zu wahren. Um dies im deutschen Vergaberecht zu konkretisieren, hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf eingebracht, der ‚sicherheits- und verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien‘ als möglichen Fall der Betroffenheit wesentlicher Sicherheitsinteressen nach Artikel 346 AEUV im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aus­drücklich benennt.“
Mit anderen Worten: Der Wettbewerb auf dem Binnenmarkt soll überall dort über das Vehikel der Schlüsseltechnologien ausgesetzt werden, wo die Bundesregierung Sorge hat, dass deutsche Unternehmen ins Hintertreffen geraten könnten.

Exportförderung und weitere Unterstützungsmaßnahmen

Ein weiteres „Highlight“ des Strategiepapiers ist die systematische Vermischung von „zivilen Sicherheitstechnologien“ und „militärischen Verteidigungstechnologien“. Wie bereits erwähnt, schlägt sich dies allein schon darin nieder, dass die 2015 und 2016 jeweils getrennt veröffentlichten Strategiepapiere nun in einem Dokument zusammengefasst wurden.
Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass Rüstungsinnovationen durch die fortschreitende Digitalisierung in immer stärkerem Maße aus der zivilen (Sicherheits-)Industrie kommen und nutzbar gemacht werden sollen. Im Strategiepapier heißt es dazu: „Eine immer größere Bedeutung nimmt dabei im Rah­men der fortschreitenden Digitalisierung die Informationstechnologie ein, durch die zunehmend neue zivile Techno­logien im Bereich der Sicherheit und Verteidigung zur Anwendung kommen. […] Fortschritte in der Forschung und der Entwicklung neuer Technologien, wie z. B. in der Digitalisierung, im Bereich der Künstlichen Intelligenz, unbemannter Systeme, der Hyperschalltechnik, der Biotechnologien und der Cyberinstrumente, werden grundlegende Auswirkungen auf die sicherheits- und verteidigungsrelevanten Systeme der Zukunft haben.“
Aufgrund der Bedeutung des Sektors wird hier eine Art Topf zum „Schutz“ der „digitalen Souveränität“ aufgelegt: „Zur Erlangung einer digitalen Souveränität und Resilienz gegenüber hybriden Bedrohungen soll die Abhängigkeit von ausländischen Informationstechnologien reduziert werden. Soweit die Souveränität bei heute bereits identifizierbaren, aber erst zukünftig in der Masse relevanten und produktiv eingesetzten Technologien gesichert werden muss, muss es möglich sein, einem Ausverkauf bereits in frühen Stadien entgegenzuwirken. […] Die Bundesregierung arbeitet an entsprechenden Ansätzen, dieses Ziel zu erreichen. Dazu soll insbesondere die Einrichtung eines IT-Sicherheitsfonds vorangetrieben werden, um aktiv unerwünschten Übernahmen begegnen zu können.“
Überhaupt kündigt das Strategiepapier allerhand Maßnahmen an, um die scheinbar darbende Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und ihre Schlüsselindustrien zu fördern: „Zum Erhalt bzw. zur Stärkung der sicherheits- und verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien wird die Bundesregierung diese vor allem bei den unten genannten Maßnahmen in den Bereichen Forschung, Entwick­lung und Innovation (V.1.), Produktion (V.2.), Beschaffung (V.3.), Exportunterstützung und -kontrolle (V.4.) sowie Investitionskontrolle (V.5.) besonders fördern und schützen.“
Besonders die Passagen zur Exportförderung lassen wenig an Klarheit vermissen. So werde auf EU-Ebene eine „Harmonisierung der exportkontrollpolitischen Entscheidungen im Bereich der Rüstungs- wie der Dual-Use-Güter innerhalb der EU angestrebt.“ Dabei lehren die bisherigen Erfahrungen, dass hier mit „Harmonisierung“ stets die Angleichung der europaweiten Exportvorschriften auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gemeint ist. So soll es möglich sein, die – zumindest im Verhältnis – relativ strengen deutschen Vorschriften über den EU-Umweg zu schleifen.
In der Tat steht die Exportförderung ganz oben auf der Prioritätenliste – das Strategiepapier benennt das dahinterstehende Kalkül in selten gelesener Deutlichkeit: „Exporte, insbesondere in EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder, liegen im sicherheits- und verteidigungspo­litischen Interesse Deutschlands. Sie tragen bei zu höheren Stückzahlen und damit ggf. geringeren Beschaffungs- und Nutzungskosten der zivilen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und der Bundeswehr. Zudem unterstützen sie das Ziel einer höheren Interoperabilität mit verbündeten Streitkräften und fördern Beschäftigung und Technologieentwicklung in Deutschland. Die Bundesregierung wird daher Exportaktivitäten in Deutschland ansässiger Unternehmen, insbesondere in EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder, nach sorgfältiger Einzelfallprüfung über außenwirtschaftliche und sonstige Instrumente unterstützen.“

Nationale Rechnung ohne den europäischen Wirt?

Rüstungsnahe Akteure sehen insbesondere in der Möglichkeit, europaweite Ausschreibungen vermeiden zu können, einen großen Fortschritt für die hiesige Industrie. Für interessierte Kreise scheint die Angelegenheit klar zu sein – es wird einfach überhaupt nicht mehr europaweit ausgeschrieben. So interpretiert beispielsweise der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, das Ganze: „Wenn das definiert wird [die Schlüsseltechnologien], heißt das auch automatisch, dass auf Ausschreibungen im großen Stil verzichtet werden kann”.
Allerdings hat die Kommission in den letzten Jahren mehr als deutlich gemacht, dass eine Umgehung von Artikel 346 AEUV nur in absoluten Ausnahmefällen erfolgen darf. Sie hat sogar eine Reihe von Mahnungen an Mitgliedsstaaten verschickt, die ihrer Auffassung allzu schnell dabei waren, sich auf nationale Sicherheitsinteressen zu berufen, um die einheimische Industrie zu schützen.
So könnte es sein, dass auch bei den Schlüsseltechnologien nur mit Einzelfallprüfungen und dabei auch relativ sparsam hantiert werden könnte, was wiederum auf Kritik bei Industrie und Gewerkschaften stoßen dürfte. Sollte sich die Bundesregierung aber dazu entscheiden, den Großteil ihrer Aufträge tatsächlich vom europäischen Rüstungsbinnenmarkt auszuschließen, dürfte die Frage spannend werden, wie sie denn ihre „Verbündeten“ in der EU davon überzeugen will, es ihr nicht gleich zu tun. Da der Schaffung eines EU-Rüstungsmarktes aber mindestens ebenso große Bedeutung wie dem Erhalt der Schlüsselindustrien zugemessen wird, steht die Bundesregierung vor einem Dilemma, das sie auch mit dem Strategiepapier nicht aufgelöst bekommt.

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 14. Februar 2020, IMI-Analyse 2020/06
Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V. • www.imi-online.de

Seit Ende Januar ist unter anderem Deutschland Schauplatz des größten US-Manövers seit über 25 Jahren. Defender 2020 nennt sich das bis Mai andauernde Spektakel, bei dem insgesamt 37.000 US-Soldaten beteiligt sein werden. Ziel ist es, eine US-Division (20.000) Soldaten von den USA unter anderem über Deutschland bis an die Grenzen Russlands zu verlegen. Deutschland ist als zentrales Durchgangsgebiet sowohl über Unterstützungsmaßnahmen der US-Kräfte als auch über verschiedene Defender 2020 angegliederte NATO-Manöver direkt beteiligt.

Der Vortrag geht sowohl auf das Manöver selbst ein, ordnet es aber auch in die allgemeinen Militärplanungen gegenüber Russland ein und setzt es in den größeren Zusammenhang des Neuen Kalten Krieges zwischen dem Westen und Russland.
Referent: Jürgen Wagner
Politikwissenschaftler und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI)

Mehr Infos von Jürgen Wagner zum Großmanöver Defender 2020
IMI-Analyse 2020/02 (Update 13.2.2020)
http://www.imi-online.de/2020/01/10/grossmanoever-defender-2020/

Attac-Veranstaltung am:
Do., 26.3.2020 um 19 Uhr, Pumpe, Gruppenraum 2 - DIE VERANSTALTUNG FÄLLT WEGEN CORONA AUS !

Seit Ende Januar ist unter anderem Deutschland Schauplatz des größten US-Manövers seit über 25 Jahren. Defender 2020 nennt sich das bis Mai andauernde Spektakel, bei dem insgesamt 37.000 US-Soldaten beteiligt sein werden. Ziel ist es, eine US-Division (20.000) Soldaten von den USA unter anderem über Deutschland bis an die Grenzen Russlands zu verlegen. Deutschland ist als zentrales Durchgangsgebiet sowohl über Unterstützungsmaßnahmen der US-Kräfte als auch über verschiedene Defender 2020 angegliederte NATO-Manöver direkt beteiligt.

Der Vortrag geht sowohl auf das Manöver selbst ein, ordnet es aber auch in die allgemeinen Militärplanungen gegenüber Russland ein und setzt es in den größeren Zusammenhang des Neuen Kalten Krieges zwischen dem Westen und Russland.
Referent: Jürgen Wagner
Politikwissenschaftler und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI)

Mehr Infos von Jürgen Wagner zum Großmanöver Defender 2020
IMI-Analyse 2020/02 (Update 13.2.2020)
http://www.imi-online.de/2020/01/10/grossmanoever-defender-2020/

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Do., 26.3.2020 um 19 Uhr, Pumpe, Gruppenraum 2 - DIE VERANSTALTUNG FÄLLT AUS!

Grüne Kiel:

Führung beendet pazifistischen Exkurs der Basis

Am 3. Dezember 2019 hatte die Kieler Kreismitgliederversammlung von Bündnis90/Die Grünen beschlossen, sich für ein Verbot von Werbung der Bundeswehr und die Aussetzung von militärischen Manövern rund um die Kieler Woche einzusetzen. Außerdem hatten sich die Grünen auch endlich deutlich von der sogenannten „Sicherheitskonferenz“ der Kieler Uni und der geballten Präsenz von Kriegsschiffen zur Kieler Woche distanziert. Die Grüne Basis hat offenbar endlich erkannt, was für die LINKE schon lange klar ist und von dieser auch schon mehrfach in der Ratsversammlung gefordert wurde: Ein Fest des Friedens und der Völkerverständigung ist unvereinbar mit aggressiven Manövern, militärischen Planspielen, der massiven Zurschaustellung von Kriegsschiffen und dem Werben fürs Sterben der Bundeswehr.

Jetzt haben Steffen Regis, Luca Köpping und Swaantje Bennecke, die Vorsitzenden von Landes- und Kreisverband von Bündnis90/Die Grünen, sowie die Jessica Kordouni und Eka von Kalben, Vorsitzende der Kieler Rats- und der Landtagsfraktion und Kreisfraktion von Bündnis90/Die Grünen sowie Finanzministerin Monika Heinold diesen Beschluss der Grünen Basis in einer gemeinsamen Erklärung wieder kassiert.

Stattdessen erklären sie, dass Bundeswehr und Marine ein fester Bestandteil der Kieler Woche bleiben sollen.

„Die Grünen in Schleswig-Holstein und Kiel haben sich damit gleichzeitig wieder einmal gegen Pazifismus und demokratische Mitsprache der Basis gestellt. Eigentlich mal zwei elementare Grundlagen dieser Partei. Schade, aber zumindest wir werden uns weiterhin für eine Entmilitarisierung der Kieler Woche einsetzen, damit sie tatsächlich einmal zu dem wird, als das sie so oft bezeichnet wird: ein Fest des Friedens und der Völkerverständigung“, so Rudau abschließend.

„Für einen kurzen Moment hatten wir gehofft, dass die Kieler Grünen zu ihren pazifistischen Wurzeln zurückkehren und wir uns nicht mehr als einzige für eine entmilitarisierte Kieler Woche einsetzen. Dieser Rückzug ist wirklich enttäuschend!“, kommentiert Ratsherr Stefan Rudau, Vorsitzender der Ratsfraktion DIE LINKE, die gemeinsame Erklärung der Grünen Landes- und Kreisspitzen.

(Presseerklärung Ratsfraktion DIE LINKE vom 13.2.2020)

Kieler friedenspolitischer Ratschlag 2020:

Die Ostsee – (k)ein Meer des Friedens?

Samstag, 28. März 2020, 15-18 Uhr   -   DIE VERANSTALTUNG FÄLLT AUS !
Gewerkschaftshaus Kiel, Legienstr. 22
Emma-Sorgenfrei-Foyer (EG)

Programm:
15.00 - 16.00 Uhr
Defender 2020: Volle Kraft gen Osten?
Reiner Braun (IPB Berlin) + Diskussion

16.00 - 17.00 Uhr
Die Ostsee als Kriegsschauplatz der Zukunft?
Benno Stahn (Kieler Friedensforum)

17.00 -18.00 Uhr
Diskussion:
Die Notwendigkeit einer internationalen Ostseekonferenz

Die Entwicklung in der Ostseeregion ist beunruhigend. Entgegen getroffener Vereinbarungen rückte die NATO immer näher an die russische Grenze und trägt zu einer möglichen Eskalation bei. Immer häufiger ist die Ostseeregion Schauplatz großer NATO-Manöver.
Die seit Jahren regelmäßigen Manöver in unserer Ostseeregion erzeugen eine Stimmung, als wäre Russland heute ein militärischer Gegner. Mit der Wiederbelebung der Feindbilder muss Schluss sein.
Ausgerechnet im Zusammenhang mit dem 8. Mai, dem 75. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg, findet in Osteuropa vor der russischen Westgrenze das aufwendigste NATO-Manöver seit dem Ende des Kalten Krieges, »Defender« 2020, statt.
Die Konsequenzen dieser Manöver sind kaum absehbar. Die weltpolitische Lage ist angespannt. Das Säbelrasseln der NATO vor der russischen Haustür erhöht die Kriegsgefahr.
Wir brauchen eine neue Entspannungspolitik statt weiterer Provokationen. Wir wollen Frieden in Europa und der Welt. Und wir brauchen Visionen, wie der Frieden langfristig gesichert werden kann.

Veranstalter: Kieler Friedensforum, mit Unterstützung durch: DGB Region KERN; Zusammenarbeitsausschuss der Friedensbewegung Schleswig-Holstein (ZAA), IPPNW Kiel; DFG-VK Kiel; Friedensforum Neumünster; Attac Kiel, u.a.

Info: www.kieler-friedensforum.de

Aufrüstung:

„Wir müssen mehr Verantwortung in der Welt übernehmen“


– Für wen oder was ?

Von unseren politischen Eliten hören wir tagein tagaus, dass Deutschland und Europa mehr Verantwortung in der Welt übernehmen müssen. Hinter dem schönen Wort „Verantwortung“, gegen das eigentlich niemand etwas haben kann, verstecken sich bei genauerer Betrachtung vor allem die Erhöhung von Militärausgaben, ständig steigende Rüstungsexporte und vermehrte weltweite Militäreinsätze der Bundeswehr.

„Verantwortung“ bedeutet Aufrüstung
Die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen betonte gleich bei ihrer Antrittsrede, dass Europa künftig stärker „ein Wort der Macht“ sprechen müsse, um seine Interessen global besser durchzusetzen.
Die „Verteidigungsministerin“ AKK redet über mögliche Einsätze der Bundesmarine in asiatischen Gewässern, um See und Handelswege zu schützen und um der aufsteigenden ökonomischen und militärischen Macht Chinas etwas entgegenzusetzen. Sie träumt bereits von deutschen Flugzeugträgern im West-Pazifik.
Auch in Afrika plant sie an der Seite der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich weitere Stationierungen der Bundeswehr in der Sahelzone. Dabei geht es nicht nur um den. sog Terrorismus sondern auch um die Sicherung der Uranvorkommen in der Region. Dieser Einsatz beinhaltet die Gefahr eines 2. Afghanistans.

Die „Verteidigung Deutschlands“ erfolgt nach der Regierungslogik nicht mehr nur am Hindukusch (ehem. Fraktionschef der SPD P. Struck), sondern inzwischen weltweit.

Doch real geht es dabei nicht um Landesverteidigung (laut Verfassung ist das die alleinige Aufgabe der Bundeswehr), sondern um die globale Durchsetzung europäischer und deutscher Interessen. Damit sind vor allem deutsche und europäische Kapitalinteressen, der weltweit ungehinderte Zugang zu Märkten und Rohstoffen ( erklärte NATO-Strategie), sowie die Abschottung Europas gegen weitere Flucht- und Migrationsbewegungen gemeint. Somit entpuppt sich der Begriff „Verantwortung“ als reine Propaganda-Floskel zur Tarnung machtpolitischer Interessen.

Ähnliches wird auch bei dem Aufrüstungsbeschluss der NATO deutlich, der angeblich unserer aller „Sicherheit“ dienen soll. Das sog. 2-Prozent-Ziel der NATO sieht vor, dass die Bündnismitglieder jährlich 2 Prozent ihre Haushalte für Rüstung ausgeben sollen.

Dieser geplante Ausgabenautomatismus gilt unabhängig von realen oder konstruierten militärischen Bedrohungen. Der Beschluss führt zu einer gewaltigen Aufrüstung der NATO und somit auch der Bundeswehr. Für die Bundesrepublik würde das 2 Prozent Ziel auf der Basis des aktuellen Bundeshaushalts zu einem Rüstungsetat von über 70 Milliarden Euro führen. Allein dieser Rüstungshaushalt überträfe die Höhe der derzeitigen russischen Militärausgaben.

Um diesen Wahnsinn zu begründen, der letztlich nur der Rüstungsindustrie dient und den Frieden gefährdet, werden uns ständig Russland und inzwischen auch China als Bedrohung und Feindbilder präsentiert.

Zahlen sprechen eine andere Sprache
Diese propagierten militärischen Bedrohungen für die NATO-Staaten lösen sich allerdings in Luft auf, wenn man die Militärbudgets und die geostrategischen Positionen vergleicht.
Dass die NATO als einziges Militärbündnis auf dieser Welt mit insgesamt rund einer Billion US Dollar (963 Milliarden) mehr als der Rest der Welt für Rüstung ausgibt und damit nach Zahlen des Stockholmer Friedensinstituts SIPRI mehrfach die Rüstungsbudgets von Russland (61,4 Milliarden) und China (250 Milliarden) übertrifft, bleibt von den Regierungspolitikern, den GRÜNEN und dem Mainstream-Journalismus weitgehend unerwähnt. Auch die Tatsache, dass allein die USA weltweit 761 Militärstützpunkte unterhalten und damit unter anderem Russland und China umzingeln, wird von diesen Kreisen selten oder nie erwähnt.
Im Frühjahr dieses Jahres planen die USA im Rahmen des NATO- Manövers Defender 20.000 Soldaten aus den USA an die russische Grenze zu verlegen. Es ist seit 25 Jahren das größte Militärmanöver der USA auf europäischem Boden .

Feindbilder und Propaganda
Beim Feindbild Russland wird gebetsmühlenartig auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und auf den autokratischen, machtorientierten Regierungsstil Putins verwiesen, um neben der vermeintlich notwendigen Aufrüstung auch eine harte ökonomische Sanktionspolitik durchzusetzen.
Mit der Berufung auf das Völkerrecht könnte man allerdings ebenso die USA, die Türkei und diverse NATO-Partner wie z. B. Israel oder Ägypten mit Sanktionen belegen.
Doch darum geht es eben nicht wirklich. Es geht der NATO, der EU und auch Deutschland um ökonomische und geostrategische Vormachtstellungen und dabei sind auch Bündnispartner, die Menschenrechte, das Völkerrecht und jede Form von Rechtsstaatlichkeit mit Füßen treten, solange willkommen, solange sie diesen Interessen dienen.
Vor diesem Hintergrund erweisen sich die offiziellen politischen Begründungen westlicher Politiker, für die ständige Aufrüstung, die Sanktionen und militärischen Interventionen der EU und der NATO schlicht als Heuchelei. Dazu gehört auch die Erzählung von der „westlichen Wertegemeinschaft“, ein ideologischer Begriff, der dazu dient, die Welt in gut und böse aufzuteilen.
Abgesehen davon, dass einige Staaten dieser Gemeinschaft es mit den Werten der Menschenrechte, der Gewaltenteilung und Demokratie selbst nicht sehr genau nehmen, spielen auch diese Werte keine Rolle mehr wenn es um die Wahrnehmung geostrategischer Interessen geht.

Das wurde zum Beispiel sehr deutlich als Trump Anfang 2020 in Wildwest-Manier jenseits aller Gesetze den Oberkommandierenden der iranischen Streitkräfte General Soleimani durch eine US-Drohne auf irakischen Boden ermorden ließ. Soleimani war auf Einladung der irakischen Regierung nach Bagdad gereist, um sich unter Leitung der irakischen Regierung an Vermittlungsgesprächen zwischen Saudi Arabien und dem Iran zu beteiligen.
Es ist im Übrigen auch völlig egal, welche Rolle dieser General spielte. Dieser Mordanschlag ist schlicht ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht.
Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, zu fordern, Bush, Obama oder Trump aus gegebenem Anlass während eines Staatsbesuchs in Deutschland oder Frankreich auf offener Straße abzuknallen, weil sie für den Tod tausender Menschen zum Beispiel in Afghanistan, im Irak und in Libyen verantwortlich sind (darunter vorwiegend Zivilisten). Dafür wäre eigentlich der internationale Gerichtshof zuständig.
Doch nicht nur dieser Mordanschlag ist skandalös, sondern auch die Kommentierung durch die herrschenden Politiker und Medien. Er wird nicht eindeutig als völkerrechtswidrig bezeichnet, sondern als „wenig hilfreich“ (Maas), „nicht durchdacht“ oder „strategisch unklug“. Kurzum, ein strategisch kluger Völkerrechtsbruch wäre nach dieser Logik durchaus okay.
Makron, Merkel und Johnsen fiel in einer gemeinsamen Erklärung zu diesem Mordanschlag nicht mehr ein, als den Iran vor weiteren Eskalationen zu warnen.
Luxemburgs Außenminister Asselborn bezeichnete den Anschlag in einem Interview des Deutschlandfunks als „nah an einem Fehler“. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man das auch als Realsatire bezeichnen.

Imperiale Strategien
Gewöhnlich wird die hier vertreten Position von Politikern der herrschenden Parteien und den sog. Qualitätsmedien als „einseitig“, “populistisch“ und „antiamerikanisch“ bezeichnet. Dabei handelt es sich oft um einen durchschaubaren Abwehrmechanismus gegen eine grundsätzliche Kritik an einer imperialen Wirtschafts- und Militärstrategie.
Diese Abwehr benutzt genau die populistischen Mechanismen, die sie ihren politischen Gegnern vorwirft z. B. verschleiernde Begriffswahl, Auslassung von Fakten, Produktion von Feindbildern und die ideologische Aufteilung der Welt in gut und böse.
Um Missverständnisse zu vermeiden, sei hier erwähnt, dass China und der Iran repressive Systeme unterschiedlicher Art sind, in denen im Sinne der Herrschenden die Bevölkerung überwacht wird, Menschenrechte verletzt werden und die Opposition im Knast landet.
Es sind auch die Länder mit den meisten Todesurteilen. Bei Russland muss man von der Einschränkung demokratischer Rechte sprechen. Auch diese Länder haben ein Interesse daran, ihren geostrategischen Einfluss zu stabilisieren oder auszuweiten.Genau das kollidiert mit dem auch offiziell verkündeten weltweiten Führungsanspruch der USA und ihrer Verbündeten.
So geht es global letztlich um die Ausweitung von Einflusssphären und die Konkurrenz verschiedener imperialer Interessen. Hinsichtlich dieser Auseinandersetzung belegen jedoch alle Zahlen, dass zumindest militärisch die USA und die NATO in dieser Konkurrenz allen anderen Staaten haushoch überlegen sind und dass vor diesem Hintergrund das Bedrohungs- und Verantwortungsgeschwätz nur dazu dienen soll, diesen Vorsprung zu legitimieren und auszubauen. Auf diesem Weg werden Kriege (z. B. Afghanistan, Irak, Libyen) und auch Staatsterrorismus
(z. B. Mordanschlag auf General Soleimani und andere weltweite Drohneneinsätze) als völlig adäquate Mittel angesehen. Man muss sie nur als „Friedenseinsätze“ umdeklarieren.

Die Militarisierung des Bewusstseins
Noch lehnt der größte Teil der deutschen Bevölkerung Auslandseinsätze der Bundeswehr und Waffenexporte ab. Um eine mehrheitliche Befürwortung für die Militarisierung der Außenpolitik zu erreichen, wird eine Vielzahl ideologischer und propagandistischer Mittel benutzt. Dazu gehören Bedrohungsszenarien, Feindbilder, die Aufwertung und Werbung für die Bundeswehr auf Marktplätzen,Stadtfesten, in Schulen, bei öffentlichen Vereidigungen mit Fackeln und tschingderassabum bis hin zu Freifahrten für alle Bundeswehrsoldat*innen in Uniform mit der Bundesbahn auch außerhalb ihrer Dienstzeiten.

Wenn es gegen die so beabsichtigte Militarisierung des Bewusstseins keine wirksame öffentliche Gegenwehr gibt, ist zu befürchten, dass mittelfristig diese Propagandamittel nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“ wirken und hegemonial werden.
In der Auseinandersetzung mit diesen Mechanismen ist die Enttarnung wohlklingender Phrasen und Herrschaftsfloskeln, die die Funktion haben, dahinter liegende Interessen zu verschleiern, sehr wichtig. Denn im Vertrauen auf die narkotisierende Wirkung von ständig wiederholten Schlüsselbegriffen werden wir gebetsmühlenartig von der herrschenden Politik und ihnen nahestehenden Medien mit wohlklingenden Phrasen tagtäglich ideologisch eingeseift.

Verantwortung geht anders
Hinsichtlich der Forderung nach mehr deutscher Verantwortung in der Welt wären andere Inhalte der Verantwortung allerdings sehr zu begrüßen. Dazu würden zum Beispiel Reparationszahlungen für den deutschen Völkermord an den Herero und Nama Anfang des 20. Jahrhunderts gehören,ebenso für den Tod und den Terror der Nazis in Griechenland, Polen, Italien und in anderen von den Nazis besetzten Ländern. Dazu sollte auch ein entschiedener Einsatz für einen fairen und ökologischen Welthandel gehören.

Weiterhin eine wirksame Klimapolitik, die auch ausreichende Entschädigungszahlungen und Hilfen für die Länder und Menschen bereitstellt, die den Preis für eine seit einem Jahrhundert anhaltende Umweltverschmutzung durch die industriellen Metropolen mit Dürren, Hunger, Überschwemmungen, ansteigendem Meeresspiegel und Flucht am stärksten zahlen müssen.

Doch wenn es um diese Verantwortung in der Welt geht, reagiert die herrschende Politik mit Verweigerung oder Placebos. Sie dient eben nicht einer optimalen Kapitalverwertung.

Andreas Meyer