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Stadthaushalt Kiel 2014:
Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Heinz Wieser, Die Linke
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
die Stadt ist nicht so hoch verschuldet, weil die Kielerinnen und Kieler in der Vergangenheit über ihre Verhältnisse gelebt hätten. Es ist bei weitem nicht so, dass in Kiel über Jahre hinaus aus dem Vollen geschöpft wurde.
Schuld an der kommunalen Haushaltsnot sind eindeutig und nachweislich politische Weichenstellungen, die auf der Bundesebene getroffen wurden. Vornehmlich in den Jahren der Großen Koalition Merkel /Müntefering/ Steinmeier 2005 – 2009 und in der Zeit der schwarz/gelben Koalition seit 2009 sind für Länder und Kommunen verheerenden Entscheidungen getroffen worden, die eigentlich die Auswirkungen der großen Finanz-und Wirtschaftskrise bekämpfen sollten, die aber in ihrer Gänze nicht zum erhofften Erfolg führten. Nicht zum Erfolg führen konnten, weil man anstatt die Verursacher der Krise finanziell zur Verantwortung zu ziehen, lieber darauf setzte Bad Banks zu gründen und großzügig Steuergeschenke an die Wirtschaft zu verteilen. Das bekannteste Beispiel dieser verfehlten Finanzpolitik ist wohl das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom Dezember 2009, dass ja seine Berühmtheit besonders durch das FDP-Milliardengeschenk an die Hotelbetreiber erlangt hat. Das war damals natürlich die Schlagzeile, und so blieb es weitestgehend unbemerkt, dass dieses eine Gesetz zu Einnahmeeinbußen von über 8,5 Milliarden Euro bei der Öffentlichen Hand führte, allein zu Einnahmeverlusten von 1,6 Mrd. Euro bei den Kommunen.
Fast 1/3 der gesamten Verschuldung schleswig-holsteinischer Kommunen ist ausschließlich verursacht durch diese Art der Steuerrechtsänderungen auf Bundessebene seit 2008. Ein Drittel aller Schulden.
Übrigens, meine Damen und Herren von CDU und SPD und FDP. Ihre Parteien sind mit ihrer Bundespolitik diejenigen, die die Kommunen immer weiter in die Pleite geritten haben. Und deshalb machen wir ihre Parteien auch verantwortlich für die Lage in unserer Stadt.
Und die Lage der Finanzen ist schlecht. Da können wir uns im Kreis drehen, wie wir wollen: hier einen Euro kürzen, dort eine freiwillige soziale Leistung deckeln oder sogar ganz streichen. Es wird doch nichts nützen. Es wird von hier aus nicht mehr allzu viel zu bewerkstelligen sein.
Wir hier in der Selbstverwaltung sind nicht mehr diejenigen, die gestalten können, wir sind Opfer einer falschen Bundespolitik und es steht zu befürchten, dass wir weitere vier Jahre Opfer sein werden. Der blumige Koalitionsvertrag von CDU und SPD wird an der finanziellen Situation der Kommunen in Deutschland und auch in Schleswig-Holstein nichts Substantielles an Entlastung bringen. Wer darauf hofft, der hofft vergebens. Denn Steuererhöhungen, und die damit im Wahlkampf angekündigte Besteuerung von Vermögen und Vermögenden hat sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen abhandeln lassen. Ohne Steuermehreinnahmen werden trotz vielleicht verbesserter Haushaltsbedingungen für Bund und Länder die Kommunen am Ende der Fresskette mit Sicherheit die Gelackmeierten sein.
Eine Politik, die es nicht wagt, das Geld dort zu holen, wo es ist. Eine Politik, die untertänig Reiche immer reicher werden lässt und es zulässt, dass der Anteil derjenigen von uns , die immer weniger haben, immer größer wird, hat keine Chance die Haushaltsmisere kommunaler Kassen zu beseitigen.
Auch die Stadt Kiel legt sich lieber nicht mit den Großen an. Der singende Augenarzt lässt grüßen. Und bei der Diskussion über die Glücksspielsteuer im letzten Finanzausschuss warnt die Verwaltung vor der mächtigen Lobby der Glücksspielindustrie. Du meine Güte, meine Damen und Herren. Dafür ist die Politik doch wohl da, sich auch mal anzulegen mit den vermeintlich Mächtigen und deren Lobbys. Lobbys, die ihre Pfründe sichern wollen, gibt es viele. Das ist doch ganz normal und ganz verständlich. Hat die Politik Angst und kneift vor Auseinandersetzungen, hat sie meist schon verloren.
Und natürlich erwarten wir auch von unserer Verwaltungsspitze, dass sie den Mut aufbringt, sich in Auseinandersetzungen zu begeben, um das zu fordern, was für unsere Stadt, unsere Bürgerinnen und Bürger nötig ist. Und wenn es sein muss, dann legt sich unser Kämmerer eben mit dem Innenministerium und der Kommunalaufsicht an. Das ist wesentlich besser, finde ich, Herr Kruber, als in vorauseilendem Gehorsam eine 30 Mio. EURO-Linie zu akzeptieren, ohne zu sehen, was für unsere Stadt herauszuholen ist. Ich sehe auch nicht, dass diese 30 Mio.-Linie sachlich begründet ist, erhält doch die Stadt Lübeck das Okay für einen 40Mio- Kreditrahmen. Hier gilt es zu verhandeln und seien sie mutig und selbstbewusst Herr Röttgers und verhandeln sie hart für unsere Stadt, für die Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger.
Wir brauchen, meine Damen und Herren, das ist unsere Überzeugung Investitionen von mindestens 40 Millionen Euro im Jahr. Wir brauchen sie nicht, weil wir einfach mit Geld um uns werfen wollen, wir brauchen sie für die Schulen, für die KiTas, für die Infrastruktur, die das soziale Zusammenleben in unserer Stadt erst ermöglicht.
Und wir sehen gute Argumente gegenüber der Landesregierung, denn die Landesregierung selbst will den Finanzausgleich zu Gunsten der großen Städte verändern. Sie hat erkannt, dass Kiel chronisch unterfinanziert ist. Deshalb ist es nur konsequent, die Spielräume beim Land voll auszuloten.
Seit über einem Jahr hat es das Land in der Hand, zumindest die Kürzungen im Kommunalen Finanzausgleich, jedes Jahr 120 Millionen für schleswig-holsteinische Kommunen, wieder zurückzunehmen.
In der Opposition wurde dies z.B von den GRÜNEN gefordert, jetzt wird es peu a peu und dann noch zweckgebunden in wohl dosierten Portiönchen verabreicht. Und das obwohl die grüne Finanzministerin eine Goldmarie zu sein scheint, die Dank des Zensus und Dank der ökonomischen Entwicklung wohl einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen kann. Aber dann bitte nicht auf Kosten der Kommunen.
Es kann doch nicht sein, das Land stößt sich gesund, steht prima da und dann kommt die Kommunalaufsicht und sagt uns, wann wir die Mensen für unsere Schulen so ausbauen können, wie es nötig ist. Übrigens nötig aufgrund von Rahmenbedingungen, die Bund und Land beschlossen haben. Die Forderung nach Konnexität wird ganz schnell vergessen, wenn man von den Oppositionsbänken aufsteht und es sich in den Regierungssesseln bequem macht.
Meine Damen und Herren, DIE LINKE lehnt diesen Haushalt in der vorgelegten Form ab. Heute hätten wir ihn abgelehnt, in einer Woche werden wir ihn ablehnen und in einem Monat würden wir ihn auch ablehnen.
Wenn sie, die Kooperation, es ernst nehmen damit, Bildung in den Mittelpunkt zu stellen, dann handeln sie doch auch danach. Ziehen sie die nötigen Investitionen in Schulen, Mensen und KiTas vor, lassen sie bei unseren Kindern und deren Eltern nicht das Gefühl entstehen, wir seien ein bildungspolitisches Entwicklungsland. Und beerdigen sie endlich den Flughafen und versenken sie die Planungen für den Kanal am Holstenplatz. Diese Investition wird die Erwartungen, die sie damit verbinden, nicht erfüllen. Sie machen sich da etwas vor. Sie wissen, dass wir ihr Schwimmbadprojekt ablehnen. Es gibt so einiges an Gründen für uns, ihren Haushalt abzulehnen.
Ich will ihnen aber zwei Punkte benennen, die ich für entscheidender halte.
Zuerst: Ihre kategorische Ablehnung einen städtischen Wohnungsbestand aufzubauen. Das ist ein Fehler mit verheerenden Folgen für die Entwicklung des Kieler Wohnungsmarktes. Ihre Weigerung ist auch nicht nachzuvollziehen, sind doch Investitionen in den eigenen Wohnungsbestand durchaus rentierlich und würden zu den Investitionen gehören, die die Kommunalaufsicht bereit wäre vor die berühmte Klammer zu ziehen. Mit eigenen Wohnungen hat eine Kommune Gestaltungsmöglichkeiten und, das vielleicht wichtiger, Einfluss auf die Mietpreisentwicklung. Wenn sie schon bereit sind zuzugeben, dass der Verkauf der KWG ein großer Fehler war - Ich weiß, sie hören das nicht gerne -aber, wenn sie das schon öffentlich zugeben, dann ist es umso unverständlicher, dass sie nicht bereit sind, diesen Fehler zu korrigieren. Wir wissen, dass man es nicht von heute auf morgen realisieren kann, dass die Stadt auf dem Markt wieder eine Rolle spielt. Das wird dauern. Sicher. Aber man muss doch zumindest damit beginnen, um sukzessive auf dem Wohnungsmarkt wieder ein einflussnehmender Akteur zu werden. Sie geben 80 Mio. EUR pro Jahr, ein Zehntel des Gesamthaushaltes als KdU an die freie Wohnungswirtschaft, jeden Monat 6,5 Mio. EUR. Dieser Betrag wird durch einen eigenen Wohnungsbestand natürlich nicht kleiner. Aber die Stadt würde partizipieren als Besitzerin eigener Wohnungen. Dass sie diese städtische Einnahmemöglichkeit einfach ignorieren, ist vollkommen unverständlich. Sie beklagen lautstark kaum Möglichkeiten zu haben, die städtischen Einnahmen zu erhöhen. Hier bietet sich eine Gelegenheit. Natürlich ist der Besitz von Wohnungen auch mit Kosten verbunden, das wissen wir auch. Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft könnte aber, je nach Größe des Wohnungsbestandes, beträchtliche Mittel zum Haushalt beitragen.
Ihre Weigerung hier wirtschaftlich aktiv zu werden, macht ihre Bemühungen die Einnahmesituation der Stadt verbessern zu wollen, nicht gerade glaubwürdiger und ist im Grunde ignorant und verantwortungslos.
Der zweite entscheidende Punkt unserer Ablehnung ist ihre permanente Weigerung die Mobilität von Bürgerinnen und Bürgern mit geringem Einkommen finanziell zu unterstützen. Was denken sie, warum wir die Einführung eines Mobilitätstickets so vehement und penetrant fordern? Weil wir kein Interesse an anderen Politikthemen haben? Nein, ganz bestimmt nicht. Der Grund ist ein ganz einfacher. Die Menschen, die mit wenig Geld auskommen müssen, brauchen so ein Ticket. Und zwar dringend. Ganz dringend. Mobilität ist heutzutage ein wichtiger Bestandteil der gesellschaftlichen Teilhabe. Wer sich in der Stadt nicht bewegen kann, ist sozusagen nicht mit dabei. So einfach, so schlimm. Die Stadt unterhält Kultureinrichtungen, Beratungsstellen, vieles mehr, was löblich und sinnvoll ist. Aber erreichen auch alle Menschen diese Angebote? Nein. Und das ist das Problem. Grenzen sie die Menschen nicht aus. Ausgrenzung und die Verweigerung der Teilhabe ist das gemeinste was man Menschen, vor allem Kindern, antun kann.
Ich habe im Zusammenhang mit dem Wohnungsmarkt hier schon einmal die Landespastorin Thobaben zitiert, die sagte, man könne die Versorgung mit Wohnraum nicht allein dem Markt überlassen. In Gesprächen mit dem KDA, das ist, wenn sie so wollen, die Gewerkschaft der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen, es ging dabei um Arbeitnehmerrechte und die sogenannte Armutsindustrie, habe ich festgestellt, dass wir in Analyse und Forderungen vieles gemeinsam hatte. Auf mein Resümee:“ Ihr seid ja richtig links.“ bekam ich die Antwort: „ Ja, Nein, wir nennen das aber nicht links, wir nennen das nah am Menschen“. An die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hier im Raum: Bauen sie bezahlbaren Wohnraum, helfen sie Menschen mit geringem Einkommen am Leben in unserer Stadt teilhaben zu können. Erinnern sie sich ihrer Geschichte und machen sie es besser als ihre Genossinnen und Genossen der Bundesebene, machen sie eine Politik, die nah am Menschen ist.
(Ratsfraktion DIE LINKE.Kiel, Heinz Wieser, 13.12.2013)