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Zur Wahlstrategie 2017 und der Debatte in der Linken.

Länderrat Antikapitalistische Linke in der LINKEN vom 09.10.2016 Einleitung von Thies Gleiss zum ToP „Wahlstrategie“ (Niederschrift nach mündlichem Vortrag, 11.10.2016)

1.

Das Jahr 2017 wird in an solchen Vorgängen überdurchschnittlich interessierten Kreisen, also auch bei den meisten GenossInnen in der LINKEN, wieder als ein „Superwahljahr“ bezeichnet. Entsprechend hoch schlagen schon heute, ein Jahr vor dem Höhepunkt des Wahljahres, die Wellen in der Partei.

Es werden im Februar 2017 die Wahlen zum/r Bundespräsidenten/in, im März die Wahlen im Saarland, im Mai die Wahlen in Schleswig Holstein und Nordrhein-Westfalen und schließlich im September die Wahlen zum Bundestag stattfinden.

Was allerdings gerade in den letzten Tagen und Wochen unter dem Stichwort „Strategie“ kundgetan und diskutiert wird, spottet jeder Beschreibung. Es sind Befindlichkeiten, Fegefeuer der privaten Eitelkeiten, persönliche und kollektive Taktiken und angesichts der realen Umfragewerte nur noch als wirklichkeitsfremd und schräge zu charakterisierende Koalitionsphantasien mit SPD und Grünen – aber keine Spur einer Diskussion einer Strategie.

2.

Die Ausgangsfragestellung einer strategischen Debatte ist im Grunde einfach und seit Gründung der LINKEN unverändert: Wie wird der gesellschaftliche Einfluss der Gesamtheit der programmatischen Vorstellungen der LINKEN, wie sie in etwa im Erfurter Programm niedergeschrieben wurden, größer, tiefer und nachhaltiger. Mehr werden – das ist die vornehmste Aufgabe der Linken wie der LINKEN. Die vielfach zitierte „neue soziale Idee“, für die die LINKE gegründet wurde, muss neue Bereiche der Gesellschaft erfassen, die bereits von ihr erfassten Sektoren müssen stabilisiert und die Bindung der AnhängerInnen an die Partei muss intensiviert werden. Das wäre eine angemessene Strategiefestlegung, die gegebenenfalls durch eine aktuelle Rangordnung der politischen Themen aus unserem Programm und Reaktion auf die großen öffentlich debattierten Fragen in Form einer Präzisierung des Programms ergänzt werden sollte. Erst davon abgeleitet werden die sich heute vordrängenden, taktischen Fragen von Interesse: Gibt es BündnispartnerInnen für die LINKE; gibt es Bewegungen und letztlich auch Personen, die wir durch eine Wahlkampagne stärken und mehr als andere in den Vordergrund stellen müssen?

Strategie heißt also immer: Die Aufstellung der LINKEN als eigenständige politische Kraft, als Trägerin der neuen sozialen Idee und als Ansprechpartnerin wie auch organisatorisches Angebot für alle Menschen, die auf eine radikale Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse hoffen. Linke Wahlstrategie heißt, die Hoffnung erneuern – die Hoffnung auf einen wirklichen Wechsel, aufbauend auf die eigenen Kräfte.

Eine solche Kampagne der Hoffnung ist umso „strategischer“ und wichtiger, als die rechte Antwort auf die Krisen der kapitalistischen Gesellschaft – in Deutschland vor allem durch die AfD – gegenwärtig von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilt. Die rechte Polarisierung gelingt immer in der Geschichte mit dem Gegenstück der Hoffnung, mit einer Angstkampagne. Die Angst ist den Menschen nicht zu nehmen, oft ist sie sogar der Beginn einer Bereitschaft zur Veränderung, damit sie aber nicht lähmt, muss sie durch die Hoffnung verdrängt werden. Rechte gesellschaftliche Polarisierung ist nur durch den Aufbau einer linken Gegenkraft zu beantworten – das ist die einfache Erkenntnis zum Wahljahr 2017.

3.

Als kurz nach dem Jahrtausendwechsel sowohl die aus der gescheiterten DDR übriggebliebene PDS als auch die durch brutale kapitalistische Regierungspolitik blamierte SPD in existenzielle Krisen gerieten – lag es auf der Hand, dass die breiten Proteste gegen den realen Kapitalismus in Gesamtdeutschland auch die Debatte um eine neue linke Partei entstehen lassen würden. Die konkrete Geschichte ist bekannt: Die Gründung der WASG und die beiderseitige kluge Entscheidung, sich mit der PDS zu einer gesamtdeutschen neuen linken Partei zusammenzuschließen. Seit dieser Zeit wird in Umfragen fast konstant ein Sektor von ungefähr 18 (die Schwankungen gehen von 15 bis 25 Prozent aus) Prozent der Wahlberechtigten ermittelt, der eine solche neue linke Partei gut findet und sie unter Umständen wählen würde und der die politischen Prinzipien der Solidarität und einer irgendwie besser aufgeführten sozialistischen Gesellschaftsordnung grundsätzlich teilt. In für die politische Debatte einer linken Strategie viel wichtigeren, absoluten Zahlen ist das ein Bevölkerungsanteil von 8 -10 Millionen Menschen.

Zehn Millionen Menschen und eine Partei wie die heutige LINKE von 59.000 Mitgliedern – das sind formale Werte, mit denen eine Revolution in der Gesellschaft ausgelöst werden könnte. Jede andere Revolution in der Geschichte – das heißt Sturz der alten Verhältnisse und radikaler Neubeginn – hatte zu ihrem Anfang schlechtere Werte. Aber Deutschland ist unbestritten recht weit weg von einer Revolution, auch wenn eine solche ihm gut tun würde. Der Mainstream in der Debatte der LINKEN meint, das wäre so, weil die Menschen noch nicht so weit wären, die Situation sei nicht „reif“ und deshalb müsse sich die LINKE – vom Wahlprogramm, über die Aktionslosungen bis zur Kleiderordnung – anpassen und zahmer daher kommen, als die Verhältnisse eigentlich erfordern würden. „Eigentlich“ – das Lieblingswort der Sozialdemokratie, hat sich auch in allen Poren der LINKEN eingenistet. „Eigentlich“ ist aber ein denkbar schlechtes Koalitionsprogramm.

Das ist jedoch nur die Hälfte der Wahrheit. Die LINKE ist zur anderen Hälfte auch schlicht viel zu feige. Ihre RepräsentantInnen und Mitglieder haben sich ideologisch und oft auch materiell gut eingerichtet und haben selber keinen Antrieb radikaler zu sein. Dabei wäre das nicht nur objektiv erforderlich, weil die Krisen des Kapitalismus keine moderatere Antwort mehr zulassen, sondern es wäre subjektiv auch angebracht. Viele Menschen aus diesem Block der Zehn Millionen wünschen und erwarten, dass die LINKE radikaler auftritt und sich ein wenig mehr dem anpasst, was in ihrem Programm ja schon ganz ordentlich aufgeschrieben wurde, und nicht dem, was andere Kräfte verlangen, aus dem Programm wieder rauszustreichen.

4.

Die LINKE hat bei den Wahlen 2005 gut 4 Millionen, bei den Wahlen 2009 gut 5 Millionen und bei den Wahlen 2013 gut 3,7 Millionen Stimmen aus diesem Block der 10 Millionen tatsächlich gewinnen können. Die personelle Aufstellung der Partei, ob ein, zwei oder viele „Spitzenkandidaten“, ob bunte Personenplakate oder parlamentarisches Expertentum – das hat alles nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die LINKE wurde und wird wegen ihrer Haltung und ihrer Rolle als Trägerin einer neuen sozialen Idee gewählt. Diese Haltung speist sich aus zwei vorrangigen Quellen: Der glaubwürdigen

Opposition zur herrschenden Politik, die nicht gleich beim ersten Hauch eines Gegenwindes umkippt oder sich kaufen lässt und aus einer in der Gesamtheit der Begegnungen mit den realen Mitgliedern sowie den Aktivitäten im Alltag der Menschen erworbenen Ernsthaftigkeit, mehr zu sein als nur papiernes oder verbales Gedröhn.

5.

Der Block der 10 Millionen, die heute bereit sind, der LINKEN zuzuhören und teilweise auch zu folgen sowie sie bei Wahlen zu wählen. Ist nicht einheitlich. Er besteht grob unterteilt aus zwei Teilen: Einem größeren, der aus dem tatsächlich sozial und politisch abgehängten Menschen besteht, die sich zu den Opfern der kapitalistischen Realpolitik zählen oder reale Ängste haben, bald zu den Opfern zählen zu können. Der zweite, kleinere Teil besteht aus eher akademischen und gut gebildeten, oft städtischen Leuten, die aus Einsicht gepaart mit persönlicher Grenzerfahrung große Zweifel und Empörung gegenüber dem kapitalistischen System empfinden.

Jüngste Untersuchungen der letzten Wahlen zeigen bei aller Relativität von demoskopischen Studien, dass sich die realen Stimmen für die LINKE von dem ersten, größeren Bevölkerungsteil auf den zweiten Sektor verschoben haben. Die Attraktivität der LINKEN bei den Abgehängten und Deklassierten hat merklich nachgelassen. Stattdessen werden diese Menschen heute von der AfD umgarnt und erfolgreich bei Wahlen mobilisiert.


Es gibt zwei wesentliche Gründe dafür. Erstens nimmt in der Parteimitgliedschaft das Gewicht der parlamentarisch Engagierten, ihrer großen Anzahl von Beschäftigten stetig zu. Sie werden sogar ergänzt durch einen wachsenden Teil der Parteimitgliedschaft, der in Regierungs- und Verwaltungsgeschäfte verwickelt ist und daraus die eigene materielle Existenz sicherstellt. Auf der Gegenseite haben tausende Mitglieder, die aus direkter Betroffenheit von Hartz-IV und Co. seinerzeit vor allem in die WASG strömten, die Partei wieder verlassen. Die Sprache und Denkweise der heute die LINKE prägenden Mitglieder ist weitgehend identisch mit Sprache und Denkweise des akademischen, städtischen Milieus, das den Kapitalismus zwar deutlich kritisiert, aber gleichzeitig auch tiefes Vertrauen in seine grundsätzliche Reformierbarkeit predigt. Es wird also ein Wahlangebot und ein Wahlkampf von Interessensgleichen aufgeführt. Das muss nicht so komplett schräge ausfallen, wie der „Aus-Liebe-zu-Meckpomm“-Wahlkampf an der Ostsee. Aber Liebe zum Kapitalismus, sorgende Liebe und Umtriebigkeit, ihn zu kurieren, das ist fast Mainstream in der LINKEN. Die Alternative, von den MarxistInnen gerne „Klassenhass“ auf das System genannt, ist kein Thema für die Partei. Unglücklicherweise ist das tatsächliche Gewicht dieser gesellschaftlichen Schicht in einer von antagonistischen Interessen gespaltenen Klassengesellschaft allerdings bescheiden und nicht annähernd so wirksam wie eine reine Protestpartei mit lärmender Unterstützung in der Unterschicht. Das stets feierlich vorgetragene „Links wirkt“ ist heute deshalb weniger richtig, als früher, allem Expertentum der linken FunktionsträgerInnen, allen Konferenzen und Broschüren zu den Krisenfaktoren der Gesellschaft und auch allen Regierungs- und Verwaltungshandeln der LINKEN zum Trotz.

Der zweite Grund für die spezifische Veränderung der gesellschaftlichen Stellung der LINKEN hängt mit dem ersten zusammen: Die LINKE ist jetzt 10 Jahre alt. Ihre materielle Präsenz in der Gesellschaft ist massiv gestiegen, ihre politische Präsenz aber dünner geworden. Das ist die Basis für die in der Geschichte linker Parteien immer in einer solchen Situation aufkommenden „Abkürzungsdiskussionen“. Die großen Erfolge bleiben aus, also werden die Klein- und Scheinerfolge aufgebläht. Die bizarren Debatten über eine „Regierungskoalition“ – völlig losgelöst von realen Umfrageergebnissen und der Massenstimmung in der Bevölkerung – oder jetzt gerade über „SpitzenkandidatInnen“ sind dadurch erklärbar. An die wirkliche Mobilisierbarkeit der 10 Millionen in der Gesellschaft wird nicht mehr so recht geglaubt, dafür wird die Kraft von StaatssekretärInnen, Ausschussvorsitzenden, Talk-Show-RepräsentantInnen und Medienstreiche-leinheiten umso heftiger aufgejazzt und Gegenstand parteiinterner Konkurrenzkämpfe.

Beide Gründe zusammengenommen begründen leider eine personelle und politische Abkehr der LINKEN von der Realität. Ein Indiz dafür ist z.B. die Tatsache, dass beim letzten Parteitag nur noch die Hälfte der Delegierten Mitglied in einer Gewerkschaft waren. Solch eine Verschiebung war bei anderen linken Parteien immer die Voraussetzung für eine Rechtsentwicklung, die wenig später auch in gravierenden Praxisfehlern mündete.

6.

Die „Alternative für Deutschland“ eilt von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. Sie knüpft massiv an realen und eingebildeten Ängsten der Menschen an, und verkauft sich in typischer, prä-faschistischer Weise als einzige unverbrauchte Kraft, die die inkonsequente Politik der herrschenden Parteien und Eliten überwindet, zupackt und aufräumt. Es ist die klassische Angstkampagne und hat als Hauptadressat und willfährigen Lautsprecher die tatsächlich vom realen Kapitalismus des 21. Jahrhunderts erodierte und die sich vor einem solchen Abstieg fürchtende Mittelklasse. Eine solche Angstkampagne benötigt Sündenböcke und Ansprache tief sitzender national-chauvinistischer Werte. Flüchtende und MigrantInnen auf der einen und undeutsche, linke, hedonistische und emanzipatorische Werte auf der anderen Seite, sind heute das ideologische Zielgebiet der Angstkampagne. Der prägende Begriff solcher rechten Angstkampagne ist immer wieder das Wort vom „Staatsversagen“. Die Autoritäten drücken sich weg und müssen umso klarer und führender wieder aufgebaut werden.

Es ist müßig an dieser Stelle festzustellen, dass die AfD alles andere als eine Alternative zur herrschenden, neoliberalen Politik ist und dass all ihr Gerede von mehr Transparenz und Basisdemokratie nicht das Papier wert ist, auf dem es geschrieben wird.

Eine linke Partei, also auch die LINKE, muss einer solchen Angstkampagne eine Kampagne der Hoffnung entgegenstellen. Diese Kampagne muss aus zwei Komponenten bestehen: Einer radikalen Kritik der herrschenden Verhältnisse. Diese Kritik wird die substantiellen Sorgen der Menschen aufgreifen, aber aller Menschen – von den malochenden „LeistungsträgerInnen“ der hiesigen kapitalistischen Gemeinschaft bis zu den von dieser Gemeinschaft Ausgestoßenen und Prekarisierten und bis zu den internationalen Kosten der kapitalistischen Freiheit, die heute in Form von Millionen Flüchtenden an die Türen reichen Länder klopfen. Diese Kritik muss vor allem die bürgerlichen Projekte angreifen, mit denen die herrschende Politik ihrerseits „Hoffnung“ produzieren will. Da steht die Kritik am kapitalistischen EU-Projekt an vorderster Stelle. Das zentrale Projekt des europäischen Kapitals, die EU, mit dem die Hoffnung verbunden wurde, langfristig Wachstum zu generieren und die lohnarbeitende Klasse in allen Ländern mit genügend Brosamen zu bestechen und ruhig zu stellen, ist in einer Existenzkrise. Das muss durch die LINKE in eine konkrete Kritik des Systemversagens umgesetzt werden.

Der zweite Teil der Kampagne der Hoffnung besteht in Ausarbeitung und Mobilisierung des Vertrauens auf die eigenen Kräfte. Der Sozialismus ist machbar – Frau und Herr

Nachbar, so müsste die Parole heute mehr denn je lauten. Es gibt von dem neuen Aufschwung gewerkschaftlicher Kämpfe, über die Willkommensbewegung und die politische Bewaffnung der Flüchtenden bis zur Massenbewegung gegen die Freihandelsverträge große gesellschaftliche Mobilisierungen. Sie müssen von der LINKEN in eine systemverändernde Strategie zusammengefasst und nicht nur als willkommene positive Ermunterung für parlamentarische Flickschusterei am Kapitalismus begriffen werden.

Nicht „Staatsversagen“, sondern „Systemversagen“ – das macht den großen Unterschied. Es ist mit das Schlimmste, was Linke heute machen können, in den rechten Chor einzustimmen und vom Staatsversagen zu klagen. Wenn – wie es die unglückliche Sahra Wagenknecht wiederholt gemacht hat – dieses „Staatsversagen“ kritisiert wird, wird der rechte Mob der AfD unterstützt, ob es gewollt wird oder nicht. Dazu braucht es noch nicht einmal die Benutzung weiterer Begriffe des rechten Diskurses, wie „Flüchtlingskrise“, „Obergrenze“, „Gastrecht“, „Parallelwelten“, „Stadtteile, in denen nicht mehr deutsch gesprochen wird“ usw., wie es der Fraktionsvorsitzenden der LINKEN ja leider auch immer wieder passiert. Es wird in einer Zeit, wo weltweit der kapitalistische Klassencharakter des Staates immer mehr offenkundig wird und in einen tiefen Gegensatz zu den Erwartungen der Menschen gerät, der Staat mit einer solchen Argumentation als neutrales Wesen erklärt, der nicht etwa die Interessen der Mächtigen vertritt, sondern nur ein paar Fehlentscheidungen getroffen hat.

Und wer einen solchen „neutralen“ Staat mit den angeblichen oder tatsächlichen Sicherheitsbedürfnissen der Menschen zusammenbringt, der oder die wird zwangsläufig bei Staatssicherheit landen.

7.

Die Diskussion über die Wahlstrategie läuft in der LINKEN gegenwärtig sehr schräg, aber auch das nötigt ein paar Festlegungen in zweitrangigen Einzelfragen ab.

Da ist zunächst die Bundespräsidentenwahl im Februar 2017. Das Amt des Bundespräsidenten ist ein Fremdkörper in einer demokratisch verfassten Gesellschaft. Viele liberale Schreiber (wie z.B. Heribert Prantl in der SZ) weisen darauf immer wieder hin. Es kann schlicht und einfach abgeschafft werden. Gerade in den letzten zwei Jahrzehnten, in denen Neoliberalismus und „Klassenkampf von Oben“ die alte Ideologie der Sozialpartnerschaft von Kapital und Arbeit verdrängt haben, fällt es ja sogar der herrschenden Elite schwer, einen entsprechenden Grüßaugust und Sprechkasper für dieses Amt zu finden.
Die LINKE sollte also die Abschaffung des Amtes fordern.

Das wohl überflüssigste Spektakel ist die Debatte über die sogenannte „Spitzenkandidatur“. Sie ist nur ein Schauspiel der offenkundig schon am Parlamentarismus Verblödeten in der Partei. Es gibt keinen seriösen Grund, warum die LINKE als 10-Prozent-Partei eine Spitzenkandidatin oder Spitzenkandidaten benötigt. Hinter dieser Debatte verbirgt sich auch eine massive Entwürdigung der Parteimitgliedschaft. Sie ist nur eine besondere Form des Konkurrenzkampfes um Pöstchen vor und nach der Wahl. An dieser Stelle muss der klare Hinweis kommen, dass keiner und keine der GenossInnen, die sich jetzt solche Debatten leisten, irgendetwas Besonderes wären (neben der Tatsache, dass jeder Mensch besonders ist) ohne die reale Arbeit der Parteimitgliedschaft.

Hier soll nichts mehr zur leidigen Debatte über eine „Rot-Rot-Grüne“-Regierungsoption gesagt werden. Die AKL und auch meine Wenigkeit haben dazu genügend Seiten gefüllt und Beiträge in den Internetmedien getippt. Zur historischen Einordnung und aktuellen Positionierung in dieser Frage haben wir ein komplettes schönes Buch geschrieben. Die Umfrageergebnisse der Demoskopen ergeben seit Monaten, dass eine numerische Mehrheit von SPD, Grünen und LINKE im Parlament nicht erreicht werden wird. Darüber zu spekulieren gehört also in die Kammer einer Wahrsagerin, aber nicht in die Parteidebatte. Es wird sich an diesen Zahlen auch in 2017 nichts mehr ändern – es sei denn die politischen Rahmenfaktoren ändern sich zuvor gewaltig (wie zum Beispiel bei einer Pleite der Deutschen Bank, einer neuen Weltfinanzkrise, oder bei harter Eskalation in den Kriegen und Kriegsdrohungen).

8.

Wie könnte auf dem Hintergrund dieser bisher geäußerten Einschätzungen eine konkrete, handwerkliche Wahlkampagne aussehen? Ich skizziere dazu mal meine Wunschvorstellungen, wissend, dass ich da selbst in den Reihen der AKL nur eine Minderheit darstelle.

Es ist eine Kampagne wünschenswert, in der die Mitglieder im Mittelpunkt stehen. Also nicht der Ansatz, der in der LINKEN bisher immer gewählt wurde, eine Kampagne um die „Wählerin“ oder den „Wähler“. Die WählerInnen sind ja das große unbekannte Wesen. Deshalb werden Heerscharen von Demoskopen beauftragt, sie aufzuspüren und zu benennen, damit weitere Heerscharen von Werbefuzzies eine bunte Kampagne ausarbeiten können, mit denen die Leute dann angesprochen werden können. Ich halte das alles weitgehend für entbehrlich und man könnte da Millionen von Euros und materielle Ressourcen sparen.

Die Mitglieder sind weit weniger unbekannt. Es wäre leicht möglich, die Wohnorte, Arbeits- und Ausbildungsstätten, die konkreten sehr menschennahen Probleme in jedem einzelnen Kreisverband, von jedem einzelnen Mitglied zu ermitteln. In der Summe würde dadurch die politische Themenrangfolge abgebildet werden, die – wenn es gut geht – auch eine zentralisierte Werbeagentur ausfindig machen könnte: Wohnung und Mieten, rechte Nazibanden und AfD, Solidarität mit den Flüchtenden, Renten und Löhne, Energieversorgung und Gesundheit, Angst vor Krieg und Klimakrise und über allen: Wie kann das alles geändert werden.

Aber im Gegensatz zur synthetischen, zentralisierten „Kampa“ wäre dieser andere, über die Mitglieder laufende Zugang viel konkreter, viel einladender, viel bunter, viel lebendiger, viel selbstgemachter und auch mit viel mehr Mut zur Widersprüchlichkeit geprägt.

Ich wäre also dafür, dass das gesamte Wahlkampfbudget auf die einzelnen Kreisverbände verteilt wird und zentral ausschließlich technische Hilfen angeboten werden. Der Rest wird ein konstruktiver Wettbewerb der Kreisverbände und Mitglieder sein. Es würde ein Wahlkampf sein, der unter der heute außerordentlich angemessenen Parole laufen würde, „Jetzt wählen wir uns selber“. Die KandidatInnen würden nicht so wichtig sein (oder genauer: sie würden so wichtig sein, wie sie in Wirklichkeit sind) und gänzlich entbehrlich wären Personenfotografien die auf Plakate gedruckt und an die Bäume gehängt werden. Die Aktivitäten der Partei, so konkret und lebensecht, so zum Mitmachen einladend wie möglich, ständen im Mittelpunkt, und der Beitritt zur Partei wäre die logische Konsequenz aus Wahlkampf und Stimmabgabe für die LINKE. 

   

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