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Die Schlacht um Al Hudaydah:

Eine humanitäre Katastrophe und die Kieler Rüstung

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01. August 2018 Die Vereinigten Arabischen Emirate, Aggressor im Jemen-Krieg und in der aktuellen Schlacht um Al Hudaydah, werden beim Aufbau ihrer Rüstungsindustrie von deutschen Waffenschmieden unterstützt. So hat der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern den Emiraten bei der Gründung einer Munitionsfabrik geholfen; die Streitkräfte des Landes, die in einem Gefechtsübungszentrum von Rheinmetall trainieren, nutzen Militärfahrzeuge, die eine emiratische Rüstungsfirma in Kooperation mit dem Düsseldorfer Waffenproduzenten hergestellt hat. Umgekehrt hat ein emiratisch-libanesisches Unternehmen die Werft German Naval Yards Kiel übernommen, baut Korvetten für Israel und bewirbt sich um den Bau des deutschen Mehrzweckkampfschiffs MKS 180. Beobachter urteilen, die Emirate nutzten den Krieg im Jemen, um die Kontrolle über die Häfen des Landes zu erlangen und sich so eine geostrategisch bedeutende Stellung am Roten Meer zu sichern. Gegen die von emiratischen Truppen angeführte Schlacht um Al Hudaydah laufen 

Men­schenrechts-und Hilfsorganisationen Sturm.

Eine humanitäre Katastrophe

Hilfsorganisationen rufen dringend zu einem Stopp der Kämpfe um die jemenitische Hafenstadt Al Hudaydah auf. Die von Saudi-Arabien geführte Kriegskoalition, die im Jemen gegen die Huthi kämpft, versucht seit Mitte Juni, die Stadt zu erobern, um den Huthi-Truppen den Zugang zu dem letzten von ihnen gehaltenen großen Hafen zu nehmen. Beobachter haben seit je mit äußerstem Nachdruck vor dem Angriff gewarnt, da der Hafen unverzichtbar ist, um Hilfslieferungen ins Land zu bringen. Bereits jetzt sind 22,5 der 27,5 Millionen Jemeniten auf humanitäre Hilfe angewiesen; 8,4 Millionen vegetieren am Rande der Hungersnot dahin (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Seit dem Beginn der Kämpfe spitzt sich nun auch die Lage in der Stadt selbst dramatisch zu. Nur 46.000 der insgesamt 600.000 Einwohner, berichtet die Hilfsorganisation Oxfam, haben es vermocht, aus der Stadt zu fliehen, in der sich die Versorgungslage jetzt bedrohlich verschlechtert: Nahrung wird knapp, die Wasser- und Abwasserleitungen sind stark beschädigt, was das Risiko einer erneuten Cholera-Epidemie spürbar erhöht. Die zur Flucht notwendige Unterstützung, die pro Familie mehr als 100 Euro kosten kann, können nur wenige bezahlen; insbesondere die ärmsten Teile der Bevölkerung sind in der Stadt gefangen. Vororte werden immer wieder bombardiert. Die von Riad geführte Kriegskoalition trifft zudem Vorbereitungen, Al Hudaydah bald militärisch zu stürmen.[2]

 Geostrategische Ziele

Maßgeblich verantwortlich für die Schlacht um Al Hudaydah sind die Vereinigten Arabischen Emirate, deren Truppen die Offensive auf die Hafenstadt anführen. Dabei wird ihre Kriegführung mittlerweile international scharf kritisiert. Beobachter konstatieren, „die Einheit des Jemen“ sei für die Strategen in Abu Dhabi und Dubai allenfalls „zweitrangig“: Die Emirate trieben in dem Land vor allem „ihr eigenes, ambitioniertes geopolitisches Projekt voran“. Zum einen gehe es ihnen darum, nicht nur die Huthi, sondern auch die gegen diese kämpfende, von Saudi-Arabien gestützte Islah-Partei zu schwächen, da sie der mit Abu Dhabi und Dubai verfeindeten Muslimbruderschaft nahesteht. Zum anderen zielten die Emirate darauf ab, ihre geostrategische Position am Eingang zum Roten Meer zu stärken, durch das faktisch der gesamte Seehandel Europas mit dem Mittleren Osten und mit Asien abgewickelt wird. So hätten die Emirate sich nicht nur die Kontrolle über sämtliche wichtigen Häfen des Jemen gesichert - Aden, Mukalla, Mokha -, sie unterhielten zudem Militärbasen an der gegenüberliegenden ostafrikanischen Küste: in Berbera (Somaliland) und in Assab (Eritrea). Neben ihrer neuen Rolle als „Wächter über die Meerenge Bab al Mandab“ an der Einfahrt zum Roten Meer sicherten sie mit der Kontrolle über die Häfen auch „ihr Geschäft als Logistikdrehscheibe ab“.[3] Dies sei für sie von Bedeutung, da ihr eigener Hafen Jabal Ali „entlegen tief im Persischen Golf“ angesiedelt sei.

Munition für die Emirate

Die Vereinigten Arabischen Emirate werden seit Jahren von der Bundesrepublik nicht nur mit Rüstungslieferungen unterstützt (german-foreign-policy.com berichtete [4]); sie erhalten aus Deutschland auch Unterstützung beim Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie. So hat die Düsseldorfer Rheinmetall AG schon im November 2007 ein Joint Venture mit der emiratischen Tawazun-Holding und der Al Jaber Group aus Abu Dhabi gegründet, um eine Munitionsfabrik in den Emiraten zu errichten. Das Joint Venture namens Burkan Munitions Systems stellte bereits Ende 2010 die ersten 40-mm-Granaten her. Im Jahr 2012 zog sich Rheinmetall offiziell aus dem Gemeinschaftsunternehmen zurück, liefert seitdem aber, wie es in einer umfassenden Untersuchung über die Tätigkeit des Konzerns heißt, via Tochterfirmen in „Italien und Südafrika Komponenten für Munitionen sowie technische Dienstleistungen zu“.[5] Burkan Munitions Systems - die Firma ist 2017 in dem Rüstungskonglomerat EDIC (Emirates Defence Industries Company) aus Abu Dhabi aufgegangen - produziert demnach seit Jahren „40 mm-Granaten ..., 155 mm-Artilleriegeschosse, Mörsermunition und ungelenkte 107 und 122mm-Raketen“ sowie „verschiedene Bomben aus der MK80-Baureihe“ für die emiratischen Streitkräfte. Die südafrikanische RDM (Rheinmetall Denel Munition) hat zudem die emiratische Eigenproduktion von Bomben für Mirage 2000-Kampfjets durch die Zulieferung von Sprengmaterialien unterstützt.[6]

Gefechtsübungszentrum am Golf

Rheinmetall hat den Aufbau von rüstungsindustrieller und militärischer Infrastruktur in den Vereinigten Arabischen Emiraten auch anderweitig unterstützt. So hat der Konzern den emiratischen Streitkräften ein hochmodernes Gefechtsübungszentrum geliefert. Die Genehmigung dazu erteilte die Bundesregierung im Jahr 2010; auftragsbegleitend besuchten emiratische Militärs mehrfach das Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr im sachsen-anhaltinischen Letzlingen. Im Jahr 2015 - pünktlich zum Beginn des saudisch-emiratischen Kriegs im Jemen - war Berichten zufolge der Auftrag abgeschlossen und das Gefechtsübungszentrum, für das Rheinmetall rund 70 Millionen Euro erhalten hat, fertiggestellt.[7] Zudem hat Rheinmetall Defence Electronics die emiratische Bin Jabr Group bei der Herstellung militärischer Fahrzeuge unterstützt; das betrifft die Fahrzeuge NIMRAD („NIMR Air Defence“) und NIMRAT („NIMR Anti-Tank“), die von den emiratischen Streitkräften genutzt werden. Dass Rheinmetall darüber hinaus auf der alle zwei Jahre in Abu Dhabi abgehaltenen Rüstungsmesse IDEX zu den Stammgästen zählt, versteht sich von selbst.

 Abu Dhabi Mar Kiel

Umgekehrt beteiligen sich emiratische Konzerne ihrerseits an der deutschen Rüstungsproduktion. Das trifft insbesondere auf die deutsche Marineindustrie zu. So hat im Jahr 2011 die Privinvest Group mit Sitz in Abu Dhabi und Beirut den zivilen Teil der ehemaligen HDW („HDW Gaarden“) übernommen, diese dann aber unter dem Namen Abu Dhabi Mar Kiel auf den Kriegsschiffbau umorientiert. Abu Dhabi Mar Kiel baute zunächst unter anderem zwei MEKO A200-Fregatten für die algerische Marine und benannte sich dann im Frühjahr 2015 in German Naval Yards Kiel um. Ursache war, dass die Werft sich um einen Auftrag aus Israel bemühte; die Umbenennung wurde mit Blick darauf vorgenommen, dass die Emirate den Staat Israel nicht anerkennen und der Name Abu Dhabi Mar daher für einen Lieferanten der israelischen Marine kaum in Frage käme.[8] Im Februar hat die in emiratisch-libanesischem Besitz befindliche German Naval Yards Kiel mit dem Bau der ersten von vier Korvetten für die israelischen Seestreitkräfte begonnen. Derzeit macht die Werft sich außerdem Hoffnungen auf den Zuschlag zum Bau des Mehrzweckkampfschiffs MKS 180 für die deutsche Marine.

Ein emiratischer Rüstungsfinanzier

Darüber hinaus kooperieren deutsche Rüstungskonzerne beim Aufbau von Rüstungsfabriken in arabischen Staaten mit dem emiratischen Staatsfonds Aabar. Aabar hat sich zunächst im Jahr 2011 an der Gründung der Firma „Rheinmetall Algérie“ mit Sitz in Ain Smara im Nordosten Algeriens beteiligt, die Radpanzer des Typs Fuchs für die algerischen Streitkräfte montiert, sowie ein Jahr später an der Gründung der Firma SAPPL-MB mitgewirkt, die - ebenfalls für Algeriens Heer - Daimler-Militär-Lkw montiert (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Die enge Kooperation der Emirate mit der deutschen Rüstungsindustrie hat viele Facetten, sie erfolgt zu beiderseitigem Nutzen - und trägt dazu bei, dass ernsthafte Kritik aus Berlin an der mörderischen Nutzung der Endprodukte durch die emiratischen Streitkräfte im Jemen-Krieg ausbleibt.

 [1] S. dazu Die Schlacht um Al Hudaydah.

 2] Food and water shortage - cholera threat - 80,000 forced to flee their homes. oxfam.org.uk 05.07.2018.

 3] Christoph Ehrhardt: Auf eigene Rechnung. Frankfurter Allgemeine Zeitung 22.06.2018.

 4] S. dazu Mit Diktatoren in den Krieg (II).

 5] Otfried Nassauer: Hemmungslos in alle Welt. Die Munitionsexporte der Rheinmetall AG. BITS-Research Report 16.01. Oktober 2016.

 6] Guy Martin: Artillery, rocket business booming for RDM. defenceweb.co.za 28.04.2015.

 7] Christian Fuchs, Hauke Friederichs: „Wir sind hier der Kriegsgott“. Die Zeit 20.08.2015.

 8] Frank Behling: Israel stört Abu Dhabi Mar Kiel. kn-online.de 09.04.2015.

 9] S. dazu Flüchtlingsabwehr in Nordafrika (I).

 

    (Quelle: german-foreign-policy.com, 6.7.2018)

 

 

 

   

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