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SPD beschließt Sozialstaatspapier

Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung?

01. März 2019 Auffällig, dass die SPD den „Sozialstaat“ immer vor Wahlen wiederentdeckt. Nichtsdestotrotz macht sie Vorschläge, die zum Teil in die richtige Richtung gehen. Jetzt müssen sie nur noch erklären, wie sie das und mit wem umsetzen wollen.

Sollten die Reformen tatsächlich so umgesetzt werden, würde das Verbesserungen der Situation von Millionen von Rentner*innen, Kindern, Geringverdiener*innen und Arbeitslosen bedeuteten. Denn die Sozialleistungen wären leichter zugänglich und der Druck würde sinken, unbedingt jede noch so schlecht bezahlte Arbeit annehmen zu müssen. Zusammen mit der Erhöhung des Mindestlohnes wäre ein moderater Zuwachs der Kaufkraft der unteren Gesellschaftsschichten absehbar.

Während einer Vorstandsklausur beschloss die SPD einstimmig ein sogenanntes „Sozialstaatspapier.“ Hauptpunkte sind längere Ansprüche auf ALG 1, eine Kindergrundsicherung sowie die Umwandlung von Hartz IV in ein Bürgergeld und eine Erhöhung des Mindestlohnes von derzeit 9,19 Euro auf zwölf Euro, Tarifgebundene Unternehmen sollen Steuervorteile erhalten.

Längeres Arbeitslosengeld

Bis zu 9 Monate länger soll das ALG 1 an ältere KollegInnen gezahlt werden. Außerdem soll sich der Anspruch mit der Dauer der Beitragszahlungen erhöhen. (bei einer Beitragszeit von 20 Jahren um drei Monate, bei 25 Jahren um sechs Monate und nach 30 Jahren um neun Monate. Ältere Arbeitslose ab 58 Jahren kämen damit auf 33 Monate Arbeitslosengeld I statt bisher nur auf bis zu 24 Monate.)

Nach drei Monaten im ALG I soll es einen Anspruch auf eine gezielte Weiterbildung geben, während das sogenannte Arbeitslosengeld Q (ALG Q) gezahlt wird. Dies entspricht in der Höhe dem Arbeitslosengeld I. Abfindungen sollen zukünftig angerechnet werden. Damit soll verhindert werden, dass die Regelung für die vorzeitige Entlassung älterer KollegInnen missbraucht wird.

Kindergrundsicherung

Durch eine Grundsicherung sollen Kinder in dem Hartz IV Bezug nicht mehr berücksichtigt werden. Die Kindergrundsicherung soll alle bisher möglichen Leistungen wie z. B. Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kinderzuschlag bündeln.

Bürgergeld statt Hartz IV

Aus Hartz IV soll ein Bürgergeld werden, wobei die schlimmen Kernelemente wie die Überprüfung der Bedürftigkeit, die Höhe des Arbeitslosengeldes II sowie die Mitwirkungspflichten bestehen bleiben sollen. Wer aus dem ALG I in den ALG-II-Bezug wechselt, soll zwei Jahre von der Heranziehung seines Vermögens und der Überprüfung der Wohnungsgröße verschont bleiben.

Die SPD will „unsinnige“ Sanktionen wie die schärferen Leistungskürzungen für Jüngere unter 25 Jahren sowie die Kürzung der Wohnkostenerstattung als Strafmaßnahme abschaffen. Außerdem soll es keine kompletten Streichungen von Leistungen mehr geben.

Die SPD will Hartz IV hinter sich lassen, Partner der Menschen sein, statt ihnen „mit Misstrauen und Kontrolle zu begegnen“. Ob ihnen das gelingt ist mehr als fraglich. Zunächst dient das „Sozialstaatspapier“ nur der Profilierung gegenüber der eigenen Wählerschaft.

„Will die SPD den Kapitalismus beerdigen“?

Nicht unerwartet kam scharfe Kritik aus der Union und den Arbeitgebern. „Die SPD plant die Beerdigung der sozialen Marktwirtschaft“, sagte CDU-Vizechef Volker Bouffier. „Mit ihrem Wunsch, wieder Wähler zu gewinnen, hat sie sich für einen strammen Linkskurs entschieden“. Die Arbeitgeber warnten vor einer „Rolle rückwärts in ein sozialpolitisches Denken des letzten Jahrhunderts, das die Wirtschaft abwürgte und eine hohe Arbeitslosigkeit zur Folge hätte“. Zum Schutze der Profite fordern die Kapitalisten „eine Sozialabgabenbremse“ in Höhe von 40 Prozent.

Grundrente

Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD geeinigt, dass Geringverdiener, die 35 Jahre an Beitrags-, Kinder, oder Pflegezeiten vorzuweisen haben, eine Grundrente in Höhe von zehn Prozent über der Grundsicherung erhalten sollen.

Hubertus Heil hat jetzt ein eigenes Konzept, die Respekt- bzw. Grundrente vorgelegt.

So sieht Heils Rechenbeispiel aus: eine Kollegin die 40 Jahre lang den Mindestlohn in Höhe von 1296,70 Euro erhielt kommt heute auf eine Rente in Höhe von 512,48 Euro. Sie ist damit auf die Grundsicherung angewiesen. Heil will die Rentenanwartschaften, die mit diesen und ähnlich niedrigen Einkünften in den ersten 35 Jahren erreicht werden können, verdoppeln. Maximal soll die Rente jedoch nicht höher sein, als der Rentenanspruch eines Arbeitnehmers, der immer 80 Prozent des Durchschnitts verdient hat.

Mit zielgerichteter Bekämpfung von Altersarmut hat die Grundrente wenig zu tun. Im obigem Rechenbeispiel bringen die ersten 35 Versicherungsjahre 448,42 Euro. Die Verdoppelung bringt 896,54 Euro. Da aber 40 Jahre eingezahlt wurden beträgt die Bruttorente 960,90 Euro. Davon werden die Beiträge für die Pflege- und Krankenversicherung abgezogen. Es verbleiben netto 855,20 Euro. Damit wäre man mit 59.- EUR über der Grundsicherung.

Nach dem vorliegenden Koalitionsvertrag ergibt sich eine Rente in Höhe von 796 Euro plus 10 Prozent (870 Euro) Die Höhe der Renten können je nach Region sehr unterschiedlich ausfallen, da es in den Ballungszentren wegen der hohen Mieten deutlich größere Zuschüsse geben würde. Bei Heil erhält die Rentnerin weniger Rente, dafür soll es aber keine Bedürftigkeitsprüfung geben.

Natürlich bleibt die Grundrente mittelbar eine Subvention für Arbeitgeber im Niedriglohn- und Teilzeitsektor. Die Arbeitgeber werden aus der Pflicht genommen, über angemessene Löhne und Gehältern ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine angemessene Altersvorsorge zu ermöglichen. Und die Politik bekommt mit der Grundrente ein Feigenblatt, auf das sie verweisen können, wenn es um die Vorsorge im Niedriglohnbereich geht, da die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Aufstockung der Grundrente übernehmen. Die Aufstockung des Mindestlohnes ist ein Schritt in die richtige Richtung müsste aber, gegen Altersarmut, mindestens 14.- Euro betragen.

Die Grund-bzw.Respektrente ist auch nicht gerechter, bringt sogar neue Ungerechtigkeiten. Arbeiter*innen z.B. die eine „normale Rente“ von z.B. 1000.- Euro erhalten und ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, erhalten keine Aufstockung. Außerdem werden die Rentenkürzungen der Agenda 2010 Parteien (SPD/Grüne) nicht zurückgenommen. Warum verweigert die SPD den Respekt vor der Arbeitsleistung dieser Kolleg*innen?

(hg)

   

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