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Die Gestapo in Schleswig-Holstein

Am 30. Januar 1996, also zum 33.Jahrestag des Machtantritts des deutschen Faschismus, lud der AStA der Uni Kiel zusammen mit dem Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte (IZGR) zum Vortrag über die nationalsozialistische geheime Staatspolizei (Gestapo) in Schleswig-Holstein ein. Der Referent Prof. Dr. Gerhard Paul, Mitherausgeber des Werkes „Die Gestapo – Mythos und Realität“ (Darmstadt, 1995), ist seit 1993 Professor für Geschichte am IZGR der Bildungswissenschaftlichen Hochschule Flensburg und zur Zeit auch dort noch tätig.

Der Vortrag sollte die Struktur und Aufgabenfelder der Gestapo in Schleswig-Holstein beschreiben und anhand von Biographien die Herkunft ihrer Mitarbeiter aufzeigen. Obgleich Schleswig- Holstein eine der Hochburgen der NSDAP im damaligen „3. Reich“ darstellte, entfaltete sich der Repressions- und Terrorapparat schon 1933/34 in der Einrichtung von vier Staatspolizeistellen, die z.T. in Konkurrenz zueinander standen (Anm. tg: solche Konkurrenzverhältnisse im NS-„Sicherheitsapparat“ waren nicht untypisch, sie sollten durch „Erfolgszwang“ die „Effektivität“ von Repression und Terror gewährleisten). Die leitenden Mitarbeiter der Anfangszeit waren nicht, wie mensch annehmen sollte, zu 100% Nazis, sondern rekrutierten sich zum überwiegenden Teil aus den Beamten des Polizeiapparates der Weimarer Republik. Vom Parteibuch her fanden sich darunter sogar Sozialdemokraten und Zentrumsparteimitglieder (kath. dominierte bürgerliche Mitte). Allen gemeinsam war ein ausgeprägter Antikommunismus, der es ihnen damit wohl auch möglich machte, bruchlos unter den Nazis weiterzuarbeiten. Das machte sich zunächst auch in der Durchführung der Repression bemerkbar. Während die Kommunisten von Anfang an konsequenter Verfolgung ausgesetzt waren, die Verfolgungs-/Verhaftungslisten waren schon von der Polizei der Weimarer Republik erstellt worden, genossen SozialdemokratInnen und JüdInnen noch eine „Schonfrist“. Dies änderte sich jedoch mit der zunehmenden Besetzung der Dienststellen durch NSDAP- und SS-Mitglieder, wobei hiermit auch eine Brutalisierung der Ermittlungs- und Verhörmethoden einherging.

Der Aufgabenschwerpunkt der Gestapo in Schleswig-Holstein lag in der Unterbindung der politischen Kommunikation (z.B. mit dem Exilzentrum Dänemark der Linksparteien) und der Verfolgung der SozialdemokratInnen, KommunistInnen und ihren Anhängern. Die Repression/Verfolgung gegenüber jüdischen Menschen bei einem Gesamtbevölkerungsanteil von unter 0,3% hatte für die hiesige Gestapo wohl eher „untergeordnetere“ Bedeutung als im restlichen Reichsgebiet. Regionalgeschichtliche Besonderheiten der Gestapo-Aktivitäten äußerten sich auch in der Observation der dänischen Minderheit in Südschleswig und in der Überwachung der olympischen Segelwettbewerbe 1936 in Kiel.

Durch das sogenannte Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 war die Gestapo-Dienststelle in Kiel (wieder) zur Zentrale für das Land geworden. Sie war in fünf Außendienststellen und drei Grenzpolizeikommissariate in Kiel, Lübeck und Flensburg aufgegliedert. Diesen Grenzkommissariaten waren wiederum 13 weitere Grenzpolizeistellen (und Nebenstellen) untergeordnet. Diese Grenzpolizeistellen und -kommissariate waren nicht nur für die Überwachung der Grenzen zuständig, sondern eben auch Niederlassungen der Kieler Gestapo-Zentrale, in deren Auftrag sie denn auch agierten. Insgesamt schwankte die Zahl der Mitarbeiter in den Dienststellen von 1933-1945 zwischen 50 und 150, bei einer hohen personalen Fluktuation in den Dienststellen.

Der „Erfolg“ der Gestapoarbeit lag im übrigen nicht an dem Mythos vom Schlapphut im Ledermantel in jeder dunklen Ecke, sondern an der hohen Bereitschaft der Bevölkerung zur „Mitarbeit“(!). Die Denunziationen mußten derartige Ausmaße angenommen haben, daß sie die Dienststellen zum Teil kaum noch bewältigen konnten.

Während des Krieges waren leitende Gestapomitarbeiter aus Schleswig-Holstein beteiligt/verantwortlich für Repressions- und Vernichtungsaktionen in einigen jüdischen Ghettos in Polen und wirkten auch bei den Mordaktionen der sog. „Einsatzgruppen“ der SS und Wehrmacht an JüdInnen, ZivilistInnen und KommunistInnen in der Sowjetunion mit.

In Schleswig-Holstein erweiterte die Gestapo ihre Repression auf die Kriegsgefangenen und die aus den besetzen Ländern verschleppten ZwangsarbeiterInnen, welche in der hiesigen Landwirtschaft und Rüstungsindustrie ausgebeutet wurden. Zum Kriegsende hin wurden die Dienststellen weiter dezentralisiert, mit der Einrichtung von weiteren Außenstellen, die u.a. zuständig waren für die „Sicherheit“ in den Rüstungsbetrieben und ZwangsarbeiterInnenlagern.

Die Kieler Zentralstelle der Gestapo richtete 1944 das „Arbeitserziehungslager Nordmark“ (KZ Russee) ein, in welchem bis zu 4.000 Menschen aus zehn Ländern eingesperrt waren, in der Kriegsindustrie Kiels ausgebeutet wurden und in dem ca. 600 Menschen ermordet wurden.

Zum Ende des „3.Reiches“ hatte das Grenzpolizeikommissariat Flensburg noch eine besondere Bedeutung: Aus dem Osten wurden etliche Gestapo-Stellen einschließlich ihrer Mitarbeiter nach Flensburg verlegt, sowie ganze Abteilungen des Reichssicherheitshauptamtes der SS und die Oranienburger „Inspektion der Konzentrationslager“. Am 5. Mai 1945 vollzog sich im Flensburger Polizeipräsidium die offizielle Auflösung der Gestapo über einen Appell des Reichsführers der SS und Chef der deutschen Polizei Himmler. Einige leitende Mitarbeiter der Gestapo Schleswig-Holstein wurden nach dem Kriege von der (alliierten) Justiz zur Rechenschaft gezogen und abgeurteilt.

 (tg) 

   

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