Bahide-Arslan-Platz in Kiel-Gaarden:
Gedenken an Opfer des Nazi-Terrors
Am 23.11.2020 hatte der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel zu einer Gedenkveranstaltung auf dem Bahide-Arslan-Platz in Gaarden eingeladen. Etwa 100 Menschen folgten dem Aufruf. Sie gaben damit ihrer solidarischen Verbundenheit mit den Opfern des Möllner Brandanschlages vom 23.11.1992 und ihren Angehörigen Ausdruck.
Foto: U. Stephan, r-mediabase
Bahide Arslan, Yeliz Arslan, Ayse Yilmaz – die Opfer des Naziterrors sind nicht vergessen. Ihren Mördern wird nicht vergeben. Gesellschaftliche Zustände und politische Entscheidungen, die rassistischen Terror hervorbringen und begünstigen, werden nicht hingenommen.
In verschiedenen Redebeiträgen wurde auch an alle anderen Opfer rechter Gewalt in Deutschland erinnert und die Entschlossenheit betont, gemeinsam dem Treiben der Nazis und Rassisten überall und jederzeit entgegenzutreten. Das erste Wort aber hatte Ibrahim Arslan, der Enkel Bahide Arslans. Seine Grußbotschaft wurde auf eine Leinwand übertragen. Parallel zu unserer Aktion fand eine Veranstaltung mit der Familie in Mölln statt. Eine Konferenzschaltung zwischen Kiel und Mölln, wie wir sie vorgesehen hatten, kam aufgrund technischer Probleme leider nicht zustande, aber ganz zum Schluss konnten wir noch telefonisch einen kleinen Eindruck aus Kiel und unsere solidarischen Grüße an Ibrahim und Faruk Arslan, alle Angehörigen und die in Mölln versammelten Menschen übermitteln.
Nach Ibrahim sprach Viktoria Ladyshenski, Vertreterin der Jüdischen Gemeinde, die direkt am Bahide-Arslan-Platz ihren Sitz hat, zu den Anwesenden. Es folgte das Grußwort des Stadtpräsidenten Hans-Werner Tovar. Danach sprachen Rolf Schlotter als Vertreter des Landesverbands der Sinti und Roma, eine Vertreterin der Autonomen Antifa-Koordination Kiel und Norbert Aust, ehemaliger Leiter des Werftpark-Theaters, der aus Literatur und Theater passende Bemerkungen aus der „Germania“ von Tacitus bis zu Brechts „Arturo Ui“ einstreute.
Für den Runden Tisch sprach Uli Stangen, 1992 Vertrauenskörperleiter der IGM auf der Werft und Organisator der Demonstration von HDW-Kolleg*innen, die während der Arbeitszeit vom Werftgelände zum Vinetaplatz zogen, wo sie zusammen mit Schüler*innen verschiedener Ostufer-Schulen eine beeindruckende Kundgebung gegen Nazi-Terror und Rassismus veranstalteten. Passend zu seinem Vortrag wurden Fotos der damaligen Aktion auf die Leinwand übertragen.
Einen wesentlichen Teil der Veranstaltung nahm die Vorstellung der bisher erarbeiteten Ideen zu einer angemesseneren Gestaltung des Platzes ein. Sie wurden von Detlef Schlagheck als Vertreter der Künstler*innen der Galerie On Space vorgetragen und auf der Leinwand präsentiert – aus den vielen auch von Bewohner*innen des Stadtteils entwickelten Ideen ist inzwischen ein sehr konkreter Vorschlag geworden. Der Ortsbeirat Gaarden und der Kulturausschuss der Stadt Kiel werden sich damit befassen.
Von besonderer Wichtigkeit für uns ist, dass die Familie Arslan von Beginn an in diese Entwicklung eingebunden ist. Auch die Inhalte angedachter Gedenktafeln auf dem Platz werden durch sie bestimmt werden. Bei der Einrichtung des Platzes in Kiel ist die Familie der Opfer ursprünglich nicht eingebunden gewesen – ein Umstand, den Ibrahim und sein Vater Faruk bei ihren Besuchen in Kiel deutlich kritisiert hatten. Die Kritik daran ist inzwischen, das war der deutliche Eindruck auch am 23.11., bei der Stadt angekommen. Vom Runden Tisch aus halten wir bei allen Aktivitäten, die den Bahide-Arslan-Platz betreffen, engen Kontakt zu Ibrahim und Faruk Arslan. Wir führen einen gemeinsamen Kampf nicht nur an Gedenktagen, sondern an jedem Tag für eine Gesellschaft, in der Rassismus und Faschismus keinen Nährboden mehr finden und niemand mehr um Angehörige und Freund*innen trauern muss, die von Faschisten umgebracht wurden.
(Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus)
Proteste gegen Querdenker-Demo:
KEIN SPAZIERGANG MIT NAZIS!
Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel hatte für den 12. Dezember 2020 zu einer Kundgebung „Querdenker:innen, Coronaleugner:innen und Sozialdarwinist:innen – für unsere sozialen und demokratischen Rechte!“ aufgerufen.
Anlass war die Planung einer landesweiten Demonstration in Kiel durch die Gruppe „Querdenken_431“, die sich erst vor kurzer Zeit in „Kiel steht auf“ umbenannt hatte, ein Name der einfach geklaut wurde von gewerkschaftlichen Aktionen gegen Arbeitsplatzabbau bei Heidelberger Druckmaschinen. Tonangebend sind bundesweit und oft auch in Schleswig-Holstein faschistische Gruppierungen wie NPD und „Der III. Weg“ und die AfD. Auch in Kiel trafen sich 360 Personen, die an der Seite vom AfD-Landtagsabgeordneten Volker Schnurrbusch und Angehörigen der Reichsbürger*innen-Szene mitgelaufen sind, sehr oft ohne die inzwischen für alle Demonstrationen vorgeschriebene Mund-Nase-Bedeckung. Dies ist hier erwähnt, weil bei den Gegenaktivitäten sehr genau von der Polizei auf die Einhaltung der Maßnahmen geachtet wurde.
Es kann gelungener kreativer Protest genannt werden, dass insgesamt sechs mögliche und beliebte Kundgebungsplätze in Kiel schon belegt waren und dem Auftakt- und Abschluss der „Querdenken“-Veranstaltung nicht zur Verfügung standen. Der gesamte Innenstadtbereich war so für sie nicht einnehmbar. Ein Übriges taten weitere Aktionen an der belebten Kiellinie. So blieb ihnen nur der Ostseekai und eine Demoroute in Richtung Holtenauer Straße.
Der Protest des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus und der unterstützenden Organisationen fand in Hör- und Sichtweite zum Ostseekai statt. Bei (gefühlt) eisiger Kälte waren 300 Antifaschist*innen bereits vor Ort, als am anderen Ende des Kais die ersten Teilnehmer*innen eintrafen. Mit Redebeiträgen und Musik wurde der Widerstand gegen das Treffen von „Querdenken“ deutlich gemacht. Die Reden von Omas gegen Rechts, Autonome Antifa, der Kulturbeitrag von Björn Katzur mit einem Poetry Slam, der Beitrag vom Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus, der des ver.di-Gewerkschaftssekretärs für den Gesundheits- und Pflegebereich Kiel-Plön und der DIDF unterstrichen die Breite des Bündnisses.
In den Beiträgen wurde darauf hingewiesen, dass die von den Regierenden beschlossenen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie soziale und demokratische Rechte der Bevölkerung aushebeln. Auch, dass viele dieser Maßnahmen, die im wesentlichen die Unterstützung von Konzernen und Unternehmen vorsehen, in der Folge von der Mehrheit der Bevölkerung bezahlt werden sollen. Gegen diese sozialen Folgen, sowie gegen den Demokratieabbau im öffentlichen Bereich muss Widerstand entwickelt werden. Auch, dass bei der Bekämpfung der Pandemie die internationale und europaweite Dimension des Gesundheitsschutzes keine Rolle spielt, wurde kritisiert.
Kiels Stadtpräsident Hans-Werner Tovar hat seine Solidarität mit dem Protest gezeigt und ist der Einladung zu einem Redebeitrag gefolgt. Darin hat er seinen Schwerpunkt auf die Durchsetzung der Corona-Maßnahmen gelegt, aber auch gegen die zunehmende Beteiligung von Faschisten an den Corona-Protesten gesprochen.
Wer die Forderung zur Auflösung des Bundesinnengeheimdienstes „Verfassungsschutz“ stellt, kann die nun in Baden-Württemberg beschlossene Beobachtung von „Querdenken“ durch diese Behörde nicht als einen Beitrag des politischen Kampfes gegen diese Gruppen unterstützen. In diesem Punkt gibt es Widerspruch zu der Rede des Stadtpräsidenten, und wie es in breiten Bündnissen und ihren Beiträgen manchmal geht, gibt es auch zu weiteren Punkten unterschiedliche Einschätzungen. Die Tatsache jedoch, dass der Stadtpräsident sich nicht nur mit einem Grußwort beteiligte, sondern bis zum Ende an diesem Gegenprotest auf der Straße teilgenommen hat, lässt die Möglichkeit weiterer gemeinsamer Aktivitäten mit diesem Repräsentanten der Landeshauptstadt offen.
Die Teilnehmer*innen einer ebenfalls an diesem Tag stattfindenden Fahrrad-Demo, aus Anlass des Jahrestags des Pariser Klimaabkommens von der TKKG organisiert, machten einen solidarischen Zwischenstopp bei den Protestierenden gegen die „Querdenkenden“.
Zurückhaltend war die Polizei noch während der Kundgebung des „Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus“ und im Beisein des Stadtpräsidenten. Nachdem „Querdenken“ als Demonstration am Rande der Innenstadt Kiels lief, wurden jedoch einige Blockadeversuche der Antifaschist*innen teilweise auch mit Polizeigewalt aufgelöst. Zwei Gruppen der „Querdenken“-Gegner*innen wurden bis zu einer halben Stunde eingekesselt. Bei einem plötzlichen und nicht nachzuvollziehenden Einsatz von Polizeiknüppeln gegen antifaschistische Aktivist*innen mussten Sanitäter eine/n Verletzte/n betreuen. Demgegenüber durften die „Querdenken“-Teilnehmer*innen ungehindert ihren Weg gehen.
Gemeinsame Aktivitäten der Antifaschist*innen in Kiel werden auch in Zukunft gegen alle Organisationen und Bewegungen von und mit Reichsbürger*innen und Faschist*innen stattfinden. (Bettina Jürgensen)
Demonstration der „Querdenker“ in Kiel am 12.12.2020 ohne Mund-/Nasenschutz
Redebeitrag: Bettina Jürgensen für den Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel
Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Genossinnen und Genossen,
Wieder müssen wir unseren Protest gegen rechtes Querdenken, Verschwörungen und Leugnung des Corona-Virus auf die Straße tragen.
Denn: Wir wissen, dass es das Virus gibt. Wir wissen, dass dieses Virus tödlich sein kann. Wir wissen, dass es nun zwar Impfstoffe gibt, diese aber noch nicht zur Verfügung stehen. Wir wissen, dass aktuell die Zahl der Infektionen mit dem Corona-Virus zunimmt. Deshalb stehen wir hier mit Mund-Nasen-Schutz und mit Abstand!
Wir wissen auch, dass viele Menschen aus Kiel mit unserem Protest solidarisch sind. Wir verstehen, dass viele heute aus Sorge um die eigene und die Gesundheit anderer Menschen nicht teilnehmen wollen oder können!
Heute sind wir hier, weil wir uns wehren gegen
• Die Missachtung der Gesundheit anderer Menschen
• Krude Verschwörungstheorien, die das Virus als Geheimwaffe einstufen, von Bill Gates gesteuerte Zwangsimpfung vorhersagen (Er macht viele Sauereien, das wohl doch nicht.).
• Kundgebungen und Demonstrationen die von rechten bis faschistischen Gruppierungen und Parteien genutzt werden, um ihre völkischen, nationalistischen Theorien zu verbreiten, die Hetze gegen Migrant*innen fortzusetzen und Geschichtsfälschung zu betreiben.
Die sogenannten „Querdenken“-Aktivitäten waren von Beginn an offen nach rechts. Inzwischen wird versucht mit der Behauptung, das Infektionsschutzgesetz heute sei mit dem Ermächtigungsgesetz der Faschisten von 1933 vergleichbar, Gehör zu finden. Es werden Vergleiche mit Anne Frank und Sophie Scholl gemacht. Damit wird der Widerstand gegen den Faschismus von 1933 - 1945 instrumentalisiert und ins Gegenteil gekehrt. Er wird benutzt, um die Aufmerksamkeit auf Verschwörungstheorien, Querfront und rechte Parolen zu lenken. Das dürfen und werden wir nicht zulassen!
Eine Studie des Soziologen Oliver Nachtwey von der Universität Basel bestätigt die immer stärkere Rechtsentwicklung der „Querdenken“-Bewegung. Er hat nach einer Befragung auf deren Plattformen im Internet festgestellt, dass 30 Prozent der Befragten bei der nächsten Bundestagswahl AfD wählen wollen.
Und doch behaupten immer noch einige, „Querdenken“ hat mit Rechten, mit Faschisten nichts zu tun, sie nehmen teil an deren Aktionen. Wir sagen: Wer sich mit Faschisten gemein macht, bekommt von uns kein Verständnis!
In der Kieler Erklärung gegen Rassismus und Faschismus haben wir im Jahr 2000 gesagt: „Rassistische Erklärungsmuster und Orientierungen entstehen in der Mitte der Gesellschaft. Sie sind kein Randproblem, nicht jugendspezifisch und nicht regional einzugrenzen. Sie werden gefördert durch gesellschaftliche Verhältnisse, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit bis zur Vernichtung des Konkurrenten erfordern, Ungleichheit und Abbau sozialer Errungenschaften als Fortschrittsmotor rechtfertigen und damit Entsolidarisierung und Ausgrenzungsbereitschaft notwendig hervorbringen.“
Dies trifft heute noch zu. Wobei ich jedoch einen Punkt noch einmal herausgreife: „Faschismus entsteht in der Mitte der Gesellschaft.“ Sollten wir heute nicht hinzufügen, dass der Weg aus dieser „Mitte“ führen muss? Ich meine: Es gibt keine Mitte zwischen Antifaschismus und Faschismus! In dieser Frage muss sich jede/r entscheiden!
Wir haben uns entschieden! Für den Antifaschismus! Mit Verdrehung, Fälschung und Leugnung von Geschichte und von aktuellem Geschehen haben wir nichts zu tun! Mit Faschisten haben wir nichts zu tun! Deshalb sind wir heute hier!
Aber: Deshalb stimmen wir nicht ein in den Chor derer, die sagen „Unsere Regierung hat doch im Kampf gegen die Pandemie alles richtig gemacht!“ Wir haben viel Kritik an dem, was diese Regierung getan und nicht getan hat! Das Handeln der Regierenden und ihre Beschlüsse wurden und werden danach ausgerichtet, was der Wirtschaft hilft! Milliardenpakete werden geschnürt, um Großkonzerne zu retten. Dort werden – kann man sagen mit unserem Geld – dann die Dividenden ausgeschüttet.
Gleichzeitig wird verweigert, den Hartz-IV-Betrag um einen 150 Euro-Corona-Zuschlag zu erhöhen, wie es auch die Gewerkschaften gefordert haben. Auch so wird soziale Spaltung in diesem Land vorangetrieben.
Die Politik vor Corona und die Politik in der Pandemie behält ihre Kontinuität. Nur zwei Beispiele:
Der Bundesinnenminister Seehofer setzt wie bisher auf strikte Begrenzung von Geflüchteten und missachtet dabei selbst das Votum der Städte, die sich zum Sicheren Hafen und zur Aufnahme Geflüchteter bereit erklärt haben. Auch eine Katastrophe wie der Brand auf Moria brachte kein Umdenken, nur wenige Menschen durften nach Deutschland.
Dabei wird weiter auf der Flucht über das Mittelmeer gestorben, 2020 sind fast 1.000 Menschen ertrunken. Doch Europa schottet sich weiter ab. Die europäische Grenztruppe Frontex macht mit deutscher Beteiligung Rettungsboote mit Geflüchteten manövrierunfähig, setzt die Menschen auf Flöße und drängt sie in die Türkei zurück.
In den Lagern in Griechenland warten Geflüchtete unter unmenschlichen Bedingungen darauf, dass sie zu den Wenigen gehören, die aus dem Lager gerettet werden. Dies war die Politik 2015 bis 2019 und es ist die Politik der Gegenwart 2020. Die von den Regierenden an uns gerichtete Forderung nach einer Corona-Solidarität soll demnach an den Grenzen Europas enden. Wir fordern jedoch nun erst recht: Leave No One Behind!
Wir sagen auch: All Lives Matter! Der Kampf um den Impfstoff gegen das Corona-Virus ist geprägt von Macht und Profit – ausgetragen auf dem Rücken der Menschen, vor allem im globalen Süden. Zunehmend wird es zu einer Frage der Menschenrechte ob, wer und in welchem Land geimpft wird. Patente der Pharmakonzerne wie Pfizer, der mit der deutschen Biontech einen Impfstoff entwickelt hat, verhindern, dass Arzneimittel als globale öffentliche Güter gehandelt werden. Aus Südafrika und Indien wurden Anträge gestellt, diesen Patentschutz für Covid-19 Impfstoffe auszusetzen. Ziel war es, ihn für alle Länder zugänglich zu machen. Die Bundesregierung Deutschland sorgte bei Beschlüssen in der WTO (Welthandelsorganisation) dafür, dass der enge Verteilungsrahmen bleibt. Die CDU/SPD-Regierung trägt also mit Verantwortung dafür, wenn in anderen Ländern Menschen dem Virus weiter hilflos ausgeliefert sind. Wo bleibt da ihre vielbeschworene Solidarität in der Pandemie?
Wir meinen: Die Macht von Pharmaunternehmen muss begrenzt werden. Medizin muss global und für die Gesundheit aller Menschen zur Verfügung stehen! Fügen wir also dem „Leave no one behind“ ein „Medikamente für Alle – weltweit“ hinzu!
In unserem Aufruf zu dieser Kundgebung und Demonstration sagen wir:
„Es gibt viele Gründe, mit den Verordnungen des „Corona-Kabinetts“ unzufrieden zu sein. Wir treten allen Versuchen entgegen, die Rechte der Parlamente bei der Beschlussfassung über geeignete Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auszuhebeln.
Wir, Antifaschist*innen, Gewerkschafter*innen, Menschen vieler Mutterländer aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft in Deutschland, verteidigen die Demokratie, indem wir auch unter Corona-Bedingungen öffentlich für unsere sozialen und demokratischen Rechte, für internationale Solidarität im Kampf gegen Rassismus, gegen Abschottungs- und Kriegspolitik, für den Schutz von Geflüchteten usw. auf die Straße gehen und dabei den rechten Rattenfängern die rote Karte zeigen. Wir fordern von den politischen Entscheidungsträger*innen, unseren Anliegen Rechnung zu tragen.“
Fordern wir, dass Solidarität nicht nur ein Wort bleibt, sondern Taten folgen. Und zwar im nationalen und internationalen Rahmen! Die genannten Beispiele zeigen, dass sofortiges Handeln notwendig ist. Deshalb sind wir heute auf der Straße und werden es auch in Zukunft sein!
Polizeieinsatz räumt den Protest gegen die Querdenkerdemo von der Straße.
Verhaftungen von Protestanten gegen die Querdenkerdemo in Kiel
Heikendorf:
700 Menschen auf der Straße gegen rechte Umtriebe
Am 31.10.2020 demonstrierten unter dem Motto „Heikendorf und das Ostufer gegen Rechts!“ etwa 700 Antifaschist*innen in Heikendorf, um den zunehmenden rechten und rassistischen Vorfällen in der Gemeinde den Kampf anzusagen. (...)
Nach einem Auftaktredebeitrag des Veranstalters bewegte sich der beeindruckende und bunt gemischte Zug vom Dorfplatz aus etwa eine Stunde lang durch Heikendorfer Straßen, bevor zurück am Ausgangspunkt eine längere Abschlusskundgebung stattfand. Hier sprachen Redner*innen des Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel, der Autonomen Antifa-Koordination Kiel, von Fridays for Future und der Heikendorfer SPD sowie der Kieler DGB-Vorsitzende Frank Hornschuh, eine ortsansässige Schülerin und Birgit Lohmeyer aus dem mecklenburgischen Jamel, die dort seit Jahren einer neonazistischen Übermacht trotz, der antifaschistischen Initiative in Heikendorf ihre Solidarität aus. Zudem wurden Grußworte von Nazi-Gegner*innen aus Sülfeld im Kreis Segeberg verlesen, das vor allem im letzten Jahr Schauplatz von Nazi-Umtrieben geworden war. (...)
Neben gezielten Nazi-Schmierereien waren vor allem Gerüchte um nächtliche Schießübungen im Ort der Hintergrund für die Demo. Dass die Initiator*innen mit ihren Einschätzungen leider nicht falsch liegen, bestätigte sich am Rande der Demo. An mindestens zwei parkenden Autos, die ob ihrer auswärtigen Kennzeichen offenbar angereisten Antifaschist*innen zugeordnet wurden, wurden Reifen zerstochen, desweiteren ein Fahrrad beschädigt. Nichtsdestotrotz hat die Demonstration verdeutlicht, dass die Nazi-Täter*innen sich in ihrem Übermut nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen sollten. Sie werden zukünftig mit starkem Heikendorfer Gegenwind zu rechnen haben.
(Aus einem Bericht der Autonomen Antifa-Koordination Kiel)
Uraufführung der Dokumentation über den Kapp-Putsch in Kiel
So., 08.11.2020, 18 Uhr im Studio Filmtheater am Dreiecksplatz in Kiel
Eintritt 5 Euro. Gewerkschaftsmitglieder frei. Vorherige Veranstaltung sind ausgebucht, aber alle Veranstaltungen im November fallen leider aus.
Corona:
Solidarisch kämpfen gegen reaktionäre Verschwörungsmärchen
Am Sonntag, dem 20. September 2020 hatte sich erneut breiter Widerstand gegen die rechtsoffene, verschwörungsideologische und anti-solidarische Versammlung von „Corona-Leugnern“ an der Kiellinie formiert. 500 folgten dem antifaschistischen Bündnisaufruf.
Spätestens mit ihrer letzten Veranstaltung Mitte August haben die lokalen Initiator*innen endgültig klargestellt, wie sie politisch einzuordnen und zu behandeln sind: Sie fungierten als Erfüllungsgehilfen der bundesweiten „Querdenken“-Strukturen, hießen bekannte Antisemiten und Rassisten und die Mettenhofer Nazi-Truppe Bollstein Kiel in ihrer Mitte willkommen.
Die Demonstration und die Redebeiträge brachten die vielseitigen Forderungen der solidarischen und antirassistischen Bewegung zum Ausdruck. Dazu gehört immer noch ganz aktuell die Forderung nach der Evakuierung aller Lager an den Außengrenzen der EU und nach der Aufnahme vieler Tausend geflüchteter Menschen in Deutschland, ebenso wie die Solidarität mit den aktuellen sozialen Kämpfen wie z.B. den Kämpfen um den Erhalt der Arbeitsplätze, den Lohnkämpfe und den Lohnkämpfen: „Leave no one behind“
(gst)
20 Jahre Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus
Antifaschismus nicht vergessen !
Während in der ganzen Republik an vielen Orten noch über die Möglichkeit von politischen Festen unter Corona-Maßnahmen diskutiert wird, fand am Wochenende in Kiel das „Sommerfest 20 Jahre Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus“ statt – mit Hygienekonzept und der Auflage: es dürfen nicht mehr als 250 Personen auf dem Festgelände gleichzeitig sein.
Im Spätsommer 2000 bildete sich auf Vorschlag der IG Metall und anderen Gewerkschaften das breiteste antifaschistische Bündnis in der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins. Aktueller Anlass war damals die andauernde Bedrohung, bis hin zu Morddrohungen, eines hauptamtlichen Gewerkschaftssekretärs der IG Metall in Elmshorn. Auch die Nazigewalt der 90er-Jahre mit ihren mörderischen Anschlägen in Mölln, Solingen und Rostock und die dagegen noch weiter entwickelten antifaschistischen Strukturen zeigten die Notwendigkeit und Möglichkeit gemeinsamen Handelns gegen Faschisten.
Die Bundesregierung hat mit der 1993 erfolgten defacto Abschaffung des Asylrechts, der bis heute immer wieder stattfindenden menschenverachtenden Diskussion von Politiker*innen über eine „Höchstgrenze“ von Asylsuchenden in diesem Land den Faschist*innen in die Hände gespielt. Die Gewalt der Faschisten, deren Kundgebungen, Aufmärsche und deren öffentliches Auftreten zu be- und verhindern, gleichzeitig inhaltlich etwas entgegenzusetzen war ein Grund zur Bildung des Runden Tisches gegen Rassismus und Fachismus Kiel.
In der Begrüßungsrede des Runden Tisches wurde von Dietrich Lohse festgestellt: „Grundlage unserer Arbeit ist nach wie vor die gemeinsam erarbeitete „Kieler Erklärung“. Sie hält fest: Der RT bietet Platz für jede/n Antifaschist*in. Er ist kein Verein, sondern ein Forum, ein ständiges Angebot. Ein Tisch, der mindestens einmal im Monat für euch alle bereitsteht, zum Erfahrungsaustausch, zum Planen von Aktionen, zum gemeinsamen wieder Aufstehen gegen Rassismus, Faschismus und Nationalismus.“
Dass diese Zusammenarbeit weit über antifaschistische Initiativen und Organisationen geschätzt und gebraucht wird, machten die 34 Informationsstände deutlich. In Talkrunden wurde die Geschichte und Gegenwart der antifaschistischen und antirassistischen Arbeit diskutiert und dargestellt, immer ging es dabei, das Gemeinsame – den Kampf gegen Nazis – über das Trennende der Organisationen zu stellen.
Dabei gab es auch reichlich Zustimmung zur Arbeit in Kiel. Conny Kerth, Bundesvorsitzende der VVN-BdA berichtete, dass sie 2002 bei der Bildung des Hamburger Bündnis gegen Rechts dabei war und hier die Erfahrung des Kieler Runden Tisches eine große Rolle spielte. „Eure Kieler Erklärung wurde fast identisch übernommen. Und eure Arbeit, die politische Breite, wirkt auch bundesweit“ stellte Kerth fest.
Matthäus Weiß, Vorsitzender des Sinti und Roma Landesverband Schleswig-Holstein, unterstützt die Arbeit wie bisher „wir brauchen gerade in der aktuellen Situation, in der rechte Parteien in Parlamenten sitzen mehr Zusammenarbeit.“
Der Flüchtlingsrat SH, Seebrücke Kiel, Motorradclub Kuhle Wampe, DIDF und andere waren gekommen und werden auch in Zukunft die antifaschistische und antirassistische Arbeit unterstützen.
Die Landeshauptstadt Kiel hat inzwischen eine andere Position zu den antifaschistischen Aktivitäten eingenommen – zumindest geht dies aus dem Grußwort des Stadtpräsidenten Tovar hervor (Auszug):
„In der Kieler Erklärung, die von der Stadt Kiel unterstützt wird, ist u. a. als gemeinsames Ziel das Verbot und die vollständige Auflösung der NPD und aller anderen faschistischen Organisationen festgelegt. Die NPD hat sich als Organisation glücklicherweise selbst zerlegt. Aber damit ist das Gespenst des Faschismus nicht erledigt. Weite Teile der AfD haben die Nachfolge angetreten. In Kiel spielt diese Partei nur eine kleine Rolle. (…) Es gibt immer wieder wohlmeinende Menschen, die milde gestimmt betonen, dass nicht alle AfD-Wähler oder Parteimitglieder Nazis seien. Viele seien frustriert, fühlten sich abgehängt und wählten die AfD lediglich als Protestwähler. Man müsse mit ihnen reden und man müsste sie zurückholen.
Tut mir leid. Ich sehe das anders. Wer heute noch AfD wählt oder Mitglied oder gar Funktionär dieser Partei ist, der weiß dass er eine faschistische Partei wählt oder für sie arbeitet.“
(Bild links: Talkrunde mit Matthäus Weiß, Conny Kerth und Hans-Werner Tovar)
Das die LH Kiel Grüße durch ihren Stadtpräsidenten überbringt ist neu. In den vergangenen Jahren gab es oft statt Zustimmung zur Arbeit des Runden Tisches die Ablehnung. Die Breite des Bündnisses von Christen, Parteien, Verbänden, Gewerkschaften, linken und auch autonomen Kräften wurde nicht nur kritisch gesehen, sondern teilweise auch be- und verhindert. Wenn zu Sitzungen im Rathaus die Forderung gestellt wurde zu den Wahlen keine faschistischen Parteien zuzulassen, wurden Antifaschist*innen mit Polizei aus dem Saal gebracht, als die NPD mit einem Mandat eingezogen ist, erhielt eine Sprecherin des Runden Tisches „vorsorglich“ Hausverbot, weil sie als Antifaschistin bekannt war. Auch die Gespräche mit dem Ordnungsbehörden gegen Naziaufmärsche, gegen AfD-Aktivitäten waren nicht immer geprägt von dem Gedanken gemeinsam das Auftreten faschistischer Kräfte zu verhindern. Das Grußwort des Stadtpräsidenten mit der Zustimmung für antifaschistische Arbeit in Kiel wird vom Bündnis begrüßt und in den Amtsstuben der Stadt wenn nötig in Zukunft daran erinnert.
Das Programm des Sommerfestes wurde von teilnehmenden Künstler*innen inhaltlich vervollständigt. „Der Chor“ mit internationalen Liedern gegen Faschismus, „Irgendwas mit Möwen – Best of Slam Poetry“, die Safar Band bis zum Konzert von Heinz Ratz „Strom und Wasser“ haben bewiesen, dass auch mit Kultur gut kämpfen gegen Nazis ist! Durch das Programm führte Bjørn Høgsdal, sein Poetry-Slam ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, mit pointierten Ansagen und Fragen in den Talkrunden.
Dass dieses Fest auch von der örtlichen AfD wahrgenommen und auf ihrer Internetseite als „Linksextreme feiern in AWO-Zentrum“ benannt wird, macht die weitere Arbeit dieses und anderer Bündnisse gegen Faschisten deutlich. Auch dieses Wissen prägte den Tag, dass es weiterhin notwendig ist die Netzwerke nicht ab- sondern auszubauen und die antifaschistische und antirassistische Arbeit fortzusetzen.
Täglich gibt es noch Menschen, die Opfer der Gewalt werden durch Nazis werden. Dem gilt es den Widerstand aller entgegenzusetzen, die nicht in einem Land im braunen Schlamm versinken wollen.
Es ist nicht nur eine Frage, ob die Täter*innen ein Gewissen haben, wie die Worte der vorsitzenden Richterin Anne Meier-Göring im Prozess gegen den inzwischen 93-jährigen SS-Wachmann im KZ-Stutthof andeuten: „Hätten Sie doch nur Ihr Gewissen mehr angestrengt“. Sie verurteilte ihn, der tausendfache Beihilfe zum Mord geleistet hat, zu zwei Jahren Haft – auf Bewährung. Es geht doch nicht nur um einen alten Mann, der seit zig-Jahren unauffällig lebt und keiner Fliege etwas zu Leide tut. Urteile gegen Nazis und ihre Helfer*innen finden zu häufig diesen Abschluss: es wird appelliert an das Gewissen, es werden indirekt damit die Taten kleingeredet, entschuldigt.
Dabei oder deshalb zieht sich die Blutspur der menschenverachtenden Faschisten und Rassisten durch dieses Land. Die Morde des NSU, der Mord an Walter Lübcke, die Morde in Halle, die Morde in Hanau – es sind nur die letzten Opfer. Deren Namen wir nicht vergessen werden. In deren Namen für alle Opfer und für die Zukunft die Forderung nach Verfolgung und Verurteilung der Gewalttäter*innen und Mörder*innen gestellt wird. Auch die Scharfmacher und geistigen Brandstifter in Parteien und Organisationen wie NPD und AfD, in den Burschenschaften und Mädelsgruppen gilt es zu verurteilen.
An dem Sommerfest haben insgesamt 400 Menschen teilgenommen, sich über die Arbeit des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus informiert, Organisationen haben Kontakte geknüpft. Die antifaschistische Arbeit in Kiel wird fortgesetzt. Nach der Corona-Pandemie werden die soziale Folgen der Krise, nicht nur durch Corona, sich noch stärker zeigen und damit die Versuche auch der rassistischen Spaltung der Gesellschaft wieder zunehmen. Dagegen muss der gemeinsame Widerstand stehen. Jeder Stadt steht ein Bündnis wie der „Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus“ gut zu Gesicht.
Bettina Jürgensen, marxistische linke
Aktionen auf dem Gaardener Bahide-Arslan-Platz:
Gedenken – Gestalten – Leben
In Trauer
Am 23.11.1992 wurde die 51-jährige Bahide Arslan mit ihren beiden Enkelinnen - der 10-jährigen Yeliz Arslan und der 14-jährigen Ayse Yilmaz - in Mölln bei einem Brandanschlag durch zwei Neonazis ermordet. Dieser Platz in Kiel-Gaarden soll an die Opfer erinnern und alle Bewohnerinnen und Bewohner auffordern, GEGEN RASSISMUS UND FASCHISMUS einzutreten.
Matem
Mölln’de 13 Kasim 1992 tarihinde 51 yasindaki Bahide Arslan ve torunlari 10 yasindaki Yeliz Arslan ve 14 yasindaki Ayse Yilmaz iki neonazi irkçisi tarafindan yakilarak katledildi. Kiel-Gaarden’deki bu alan, Mölln magdurlarini anmak ve bu çevrede oturan herkesi „IRKÇILIK ve FASIZME“ karsi durmaya davet etmek için olusturulmustur.
Am ersten Tag der angekündigten Aktionstage am 10. August 2020, versammelten sich einige Dutzend Menschen auf dem Platz und rundherum und wurden von Faruk Arslan begrüßt, der in bewegenden Worten das Schicksal seiner Familie beschrieb und seine Dankbarkeit über die Unterstützung auch von Seiten der Kieler Antifaschist*innen zum Ausdruck brachte. Zusammen wollen wir weiter dafür sorgen, dass das Schicksal von Bahide Arslan, ihrer Familie und all der anderen Opfer des rassistisch motivierten Terrors in Deutschland nicht vergessen wird. Der Kampf gegen die Terroristen und die Urheber des Terrors geht weiter. Es gab im Rahmen der Aktionstage Filmvorführungen, Ausstellungen und Reden.
10 Tage lang trafen sich Gaardener auf dem Platz um mit Zeichnungen, Diskussion und Text herauszufinden, wie man den Platz umgestalten sollte. Aus den Ergebnissen entwickelt eine Gruppe aus Vertretern der Familie Arslan, der Platzsanrainer, dem Projektteam und Anderen einen Vorschlg, der der Stadt zur Realisierung überantwortet wird.
Wichtig ist für Faruk Arslan und seine Familie, dass die geplante Umgestaltung des Platzes mit dem Ziel, ihn attraktiver zu gestalten und mehr zu einem Ort der Begegnung der Menschen im Stadtteil zu machen, in Zusammenarbeit und Abstimmung mit seiner Familie erfolgt und nicht über ihre Köpfe hinweg. Über die Einrichtung des Platzes und seine ursprüngliche Gestaltung war die Familie Arslan informiert, aber nicht einbezogen worden. Gemeinsam geht es nun weiter. Unabhängig von der Entstehungsgeschichte des Platzes sind Angehörige der Familie seit langem jedes Jahr in Kiel und besuchen den Platz.
Im Bewusstsein der Einwohner*innen Kiels ist dieser Platz bisher zu wenig verankert. Wir wollen mehr dafür tun, dass sich das ändert. Denn die Existenz des Platzes ist von Bedeutung für alle Menschen hier. Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus wird sein Teil dazu beitragen.
Besonders GaardenerInnen sind gefragt, sich an der Diskussion um eine ansprechendere Gestaltung dieses wichtigen Platzes in Kiel zu beteiligen.
Den dreieckigen Bahide-Arslan-Platz gibt es in Gaarden schon seit 1999. Er befindet sich dort, wo die Wikigerstraße und die Kaiserstraße aufeinandertreffen. Seit 2013 wird der Name des Platzes mit einem zusätzlichen Schild erläutert, und zwar auf deutsch und türkisch.
Die Ausstellung der Ergebnisse und Vorschlagsentwicklung findet noch in der Galerie ONspace bis zum 27.9.2020 jeden Di., Mi., Do. und So. von 15-18 Uhr statt.
Das Partner-Projekt „Möllner Fassaden“ gibt es vom 4.9. - 12.9.2020 auf dem Bahide-Arslan-Platz.
Kiellinie:
Antifaschistischer Protest gegen „Corona-Querdenker“
250 Antifaschist*innen demonstrierten am Sonntagnachmittag, dem 16.8.2020, gegen ein potentielles Superspreader-Event von mindeststens 600 rechtsoffenen „Querdenkern“ auf der Reventlou-Wiese an der Kiellinie.
In verschiedenen Redebeiträgen wurde nicht nur auf den sozidaldarwinistischen und verschwörungsideologischen Charakter der Pandemie-Verharmloser*innen und -leugner*innen sowie deren Offenheit für antisemitische und neofaschistische Akteur*innen eingegangen, sondern auch ihre Positionierung an der Seite der Kapital-Lobby kritisiert, die ihren Profit gegen die Gesundheit der Menschen durchsetzt. Zudem lenkten die dort angesprochenen Luxusprobleme wie eine partielle Maskenpflicht von den eigentlichen gesellschaftlichen Problemen ab, die sich unter Corona verschärft haben.
Parallel hatten der selbsternannte Corona-Widerstand um ihren lokalen Organisator Björn Dinklage/Björn de Vil und seine zahlreichen bundesweiten Unterstützer*innen aus den „Querdenken“-Strukturen mit dem Aufbau einer Bühne auf der benachbarten Reventlouwiese begonnen. Hier versammelten sich im Laufe des Nachmittags über 600 Menschen. Viele von ihnen waren aus anderen Städten angereist, darunter auch der als „Volkslehrer“ bekannt gewordene Antisemit, Rassist und Videoblogger Nikolai Nerling aus Berlin und andere bekannte Protagonist*innen der extremen Rechten. Etwa dreieinhalb Stunden konnte hier ohne Masken und die Einhaltung von Abständen ein buntes Potpourri aus „alternativen Fakten“, waghalsigen Theorien, esoterischem Quatsch, reaktionären Ideologien, egoistischer Ignoranz und gesellschaftlicher Verantwortungslosigkeit verbreitet werden.
Als sich Gegendemonstrant*innen von der Antifa-Kundgebung auf den Weg zur Reventlouwiese machten, um dort ihren Widerspruch in Sicht- und Hörweite vorzutragen, wurden diese auf halber Strecke durch einen brutalen Polizeieinsatz gestoppt. Mindestens eine Person wurde hierbei vorläufig in Gewahrsam genommen, der Durchgang an der Kiellinie war fortan für Antifaschist*innen abgeriegelt. Nichtsdestotrotz gelang es kleineren Gruppen von Gegendemonstrant*innen immer wieder, ihren Protest an die rechtsoffene Versammlung heranzutragen, wurden dabei jedoch immer wieder durch die Polizei behindert. Die antifaschistische Kundgebung wurde als Kontrapunkt bis zum Ende der „Querdenker“-Veranstaltung aufrechterhalten. Immer wieder wurden hier Durchsagen gemacht und hunderte Flugblätter an Passant*innen verteilt. Wiederholt konnten hier auch Reaktionär*innen auf den Weg zu ihrer Kundgebung konfrontiert werden. Auch hier sabotierte die Polizei im Laufe des Nachmittags jedoch die antifaschistische Gegenöffentlichkeit, indem sie begann, grundlos die Spaziergänger*innen umzuleiten und so die Reichweite der Kundgebung einzuschränken.
(Aus einer Presserklärung vom 17. August 2020 der Antifa Kiel)
Neonazistischer Übergriff in Elmschenhagen
Am Dienstag, 2.6.2020 kam es im Kieler Stadtteil Elmschenhagen zu einem brutalen Übergriff durch 2-3 Neonazis. Vor einem Supermarkt in der Villacher Straße griffen diese gegen 15 Uhr unvermittelt eine Person an, die sie offenbar der antifaschistischen Bewegung zurechneten. Der Haupttäter schlug den Betroffenen zu Boden und malträtierte diesen mit Tritten. Anschließend flüchteten die Täter in einem Auto. Der Betroffene verlor kurzzeitig das Bewusstsein, erlitt Prellungen und eine Gehirnerschütterung und musste im Krankenhaus behandelt werden.
Bereits in den zurückliegenden Wochen kam es in Elmschenhagen wiederholt zu Einschüchterungsversuchen gegenüber Personen, die dort die regelmäßig im Straßenbild verklebte rechte Propaganda entfernten oder antifaschistische Inhalte verbreiteten. Schon seit Längerem stellen Antifaschist*innen fest, dass in manchen Ecken des Stadtteils teils massiv rassistische und neo-faschistische Aufkleber angebracht werden. Auch wenn ein offenes Auftreten organisierter Neonazis auch hier in jüngerer Vergangenheit nicht zu Tage getreten ist, ist bekannt, dass in Elmschenhagen ein durchaus verankertes rechtes Milieu ansässig ist, dass bestimmte Gebiete für sich zu reklamieren versucht. Der Übergriff am Dienstag ist das zuletzt deutlichste Beispiel für solche Bemühungen.
Wir möchten dem Betroffenen unsere Solidarität ausdrücken – Du bist nicht allein! Wir rufen alle Elmschenhagener*innen dazu auf, wachsam zu sein und bei Nazi-Umtrieben im Stadtteil nicht wegzusehen, sondern einzugreifen. Alle Antifaschist*innen in Kiel rufen wir dazu auf, die Entwicklungen im Blick zu behalten und eigenständig aktiv zu werden. Entfernt Nazi-Propaganda und zeigt antifaschistische Präsenz! Wir werden das Hegemoniestreben von Nazi-Schlägern nicht unbeantwortet lassen, weder in Elmschenhagen, noch anderswo. Achtet auf Ankündigungen!
Solidarität mit allen Betroffenen rechter Gewalt – schlagt zurück!
Autonome Antifa-Koordination Kiel, 7.6.2020
Quelle: https://www.antifa-kiel.org/2020/06/08/neonazistischer-uebergriff-in-elmschenhagen/#more-3001
8. Mai in Kiel:
Erinnern an den 75. Jahrestag der Befreiung vom Hitler-Faschismus
Der 8. Mai 2020, der 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, wurde in Kiel trotz aller corona-mäßigen Einschränkungen auch öffentlich begangen. Dazu hatte der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus sich zu dreierlei verabredet:
Um 16 Uhr fand eine Kranzniederlegung auf dem Gelände des bis 1945 von den Nazis betriebenen Zwangsarbeitslagers in Russee, dem von den Faschisten sogenannten „Arbeitserziehungslager Nordmark“, statt. Um 17 Uhr folgte eine Kundgebung auf dem Asmus-Bremer-Platz. Nach Beendigung der Kundgebung machten sich Zweiertrupps auf, um „Stolpersteine“, die an Opfer des Hitlerfaschismus erinnern, zu säubern.
Das Zwangsarbeitslager „AEL Nordmark“
Das Lager zwischen Rendsburger Landstraße und Speckenbeker Weg bestand bei Kriegsende aus 17 Baracken, in denen 1400 männliche, 400 weibliche Häftlinge und 250 Angehörige des Wachpersonals, das sich zum großen Teil aus Kieler Fremdarbeitern zusammensetzte, untergebracht waren. Außerdem gab es den „Bunker“, ein großes, fensterloses Gebäude mit 48 Einzelzellen, in denen Häftlinge unter kaum zu ertragenden Bedingungen eingesperrt waren.
Das „Arbeitserziehungslager Nordmark“ war keine „geheime Reichssache“, von der nur wenige wussten. Viele Kieler sahen die Elendszüge der entkräfteten Häftlinge, wenn sie auf klappernden Holzschuhen in Richtung Werft oder Schlachthof marschierten. Zurück kamen sie oft mit einem oder mehreren Toten, die auf einem Lattengerüst, notdürftig zugedeckt, zurück ins Lager getragen wurden.
Als im Zweiten Weltkrieg die Alliierten im Frühjahr 1945 immer weiter auf deutschem Gebiet vordrangen, begann im „Arbeitserziehungslager“ (AEL) „Nordmark“ in Hassee die systematische Erschießung von Gefangenen. Das Register des Friedhofs Eichhof vermerkt für die Zeit vom 16. bis 26. April 119 Bestattungen von Opfern des AEL Nordmark, darunter über 60 Exekutierte. Viele von ihnen waren Mitglieder der Widerstandsgruppe „Scoor“. 1964 machte ein ehemaliger Wachmann des Lagers vor der Kieler Staatsanwaltschaft folgende Aussage:
„Eines Tages wurden über 60 Mitglieder der Widerstandsgruppen im Bunker zusammengefasst. ... Die Opfer wurden in kleinen Gruppen zu fünf oder sechs Häftlingen vom Bunker zum Leichenhaus ... geführt. ... Im Leichenhaus mussten sie sich restlos ausziehen. Ich hatte eine Liste, auf der sämtliche Namen der zu Erschießenden verzeichnet waren. Die Opfer wurden dann aus dem Leichenhaus nackt herausgeführt. ... Dann wurden die Opfer gezwungen, sich hinter dem Leichenhaus mit dem Kopf (Gesicht) nach unten auf die Erde zu legen. ...Wenn der betreffende Häftling auf der Erde lag, wurde er ... mit der Maschinenpistole hinterrücks erschossen. Das Opfer blieb dann liegen und wurde nicht etwa beseitigt. Es wurde dann der nächste Häftling herausgeführt und gezwungen, sich neben die soeben erschossenen Personen zu legen. Dann wurde auch dieser Häftling getötet. ... So ging es insgesamt 60 Mal. Zum Schluss lagen die Häftlinge in zwei Reihen nebeneinander.“ (Detlef Korte: „Erziehung“ ins Massengrab. Die Geschichte des „Arbeitserziehungslagers Nordmark“ Kiel Russee 1944-45, Veröffentlichung des Beirates für Geschichte der Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein 10, Kiel,1991)
Die Arbeitserziehungslager sollten der Besserung „arbeitsunlustiger Elemente“ dienen. Genannte Gründe für die Einlieferung waren daher „Arbeitsbummelei“, „Arbeitsuntreue“, „Verstoß gegen die Arbeitsverträge“ und „Sabotage“.
Auch politisch Verdächtige waren im AEL. Hier ging es vor allem um die kommunistische Widerstandsgruppe „Scoor“. Bernhard Scoor, in Gaarden geboren, war im Maschinenamt der Stadt Kiel beschäftigt. Er knüpfte zu „Ostarbeitern“, vor allem zu sowjetischen Zwangsarbeitern, in verschiedenen Lagern Verbindungen. Geplant waren Anschläge beim Zurückweichen der deutschen Truppen. Scoor und weitere 150-200 Personen wurden im Oktober 1944 verhaftet, ins AEL Nordmark eingeliefert und kamen dort großteils im April 1945 um.
Die Haft war normaler Weise auf 56 Tage beschränkt. Während dieser Zeit war härteste Arbeit vorgesehen. Erwies sich der Häftling nach acht Wochen nicht als „erzogen“, erfolgte in der Regel die Einweisung in ein Konzentrationslager.
Die Inhaftierten wurden u. a. zum Bunkerbau und zur Trümmerräumung in der Stadt eingesetzt, wo sie unter Lebensgefahr Blindgänger beseitigen mussten. Manche Häftlinge wurden durch die Gestapo an Kieler Privatfirmen vermietet, z. B. arbeiteten sie bei der Holsten-Brauerei, in der Baufirma Ohle & Lovisa, der Nordland Fisch-Fabrik und im Rüstungsbetrieb Land- und See-Leichtbau GmbH.
Am 4. Mai 1945 befreiten britische Truppen das Lager. Sie fanden einige hundert Häftling im erbärmlichen Zustand vor und entdeckten die Massengräber. Die nackten oder halb nackten Leichen waren planlos übereinander gehäuft. Im Juni 1947 fand die britische Militärbehörde weitere 52 Skelette. Unweit dieser Stelle wurde bei Bauarbeiten 1962 ein weiteres Massengrab entdeckt.
Soweit die sterblichen Überreste der Lagerhäftlinge nicht in ihre Heimatländer oder auf andere Friedhöfe überführt wurden, wurden sie auf dem Friedhof Eichhof auf dem „Kriegs- und Bombenopferfeld der Landeshauptstadt Kiel“ in einem Sammelgrab zur letzten Ruhe gebettet.
Der Lagerkommandant Post und sein Stellvertreter Baumann wurden vom britischen Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der Hauptbeschuldigte für die Morde, der Kieler Gestapochef Fritz Schmidt, konnte erst 1963 verhaftet werden, da er untergetaucht war. Sein Verfahren wurde mangels Beweises eingestellt. (gst)
Kiel:
Gegen Verschwörungsideologien, Querfront und Faschismus!
Etwa 50 Antifaschist*innen demonstrierten am Samstagnachmittag, den 9.5.2020 in der Kieler Innenstadt gegen eine die Corona-Pandemie verharmlosende Querfront-Allianz aus „Demokratischer Widerstand“ und „Widerstand 2020“. Ab 15 Uhr fand eine Kundgebung des „Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus“ auf dem Europaplatz statt.
Ein Großteil der Teilnehmer*innen begab sich nach einem kurzen Redebeitrag zum Asmus-Bremer-Platz, um dort gegen eine weitere rechtsoffene Mahnwache wegen der Corona-Maßnahmen zu protestieren. Bereits in den zwei Wochen zuvor hatte hier ein lokaler Ableger der durch die Berliner „Hygienedemos“ bekannt gewordenen Initiative „Demokratischer Widerstand“ Präsenz gezeigt. In dieser Woche schlossen sich zudem erstmals offiziell Anhänger*innen der in Niedersachsen gegründeten virtuellen Parteieninitiative „Widerstand 2020“ an, die z. B. als Veranstalter der verschwörungsideologischen Großdemos in Stuttgart fungiert. Kurz zuvor hatte bereits eine zumindest fragwürdige Kunstaktion mit ähnlichem Tenor am Asmus-Bremer-Platz stattgefunden.
Das bisher prägende Bild esoterischer Hippies, die auf Yoga-Matten meditieren, wurde entsprechend erweitert durch eine etwas kleinere Gruppe mittelalter, größtenteils männlicher Personen, die sich als dicht gedrängter Pulk daneben platzierte. Insgesamt beteiligten sich etwa 50 Menschen an der skurrilen Zusammenkunft. Der politische Ausdruck blieb weiterhin schwach: Es dominierten ein paar unkonkrete wie unproblematische Pappschilder gegen Grundrechtseinschränkungen, es wurde das Grundgesetz verteilt, aber auch verantwortungslose und im Kern sozialchauvinistische Forderungen wie „Gegen alle Corona-Maßnahmen“ wurden gezeigt. Vereinzelt nahmen Teilnehmer*innen auf Verschwörungsideologien Bezug, in ausliegenden Flugblättern wurden die Gefahren von Covid19 bagatellisiert. Offen antisemitische oder andere klar rechte Positionen wurden nicht zu Schau gestellt, mit der Parole „Gegen Faschismus“ bemühte man sich um formale Abgrenzung.
In diversen Diskussionen zwischen Mahnwachenteilnehmer*innen und Gegendemonstrant*innen offenbarte sich jedoch die gesamte Palette an unterschiedlichen Graden politischer Verwirrung und Verdorbenheit. Redebeiträge gab es nicht, das Absingen der Nationalhymne wurde erfolgreich durch lautstarke „Alerta antifascista“-Rufe abgebrochen.
Wenn auch in deutlich kleinerem Ausmaß als anderswo sehen sich Antifaschist*innen derzeit auch in Kiel mit den schwierigen Auswüchsen der rechtsoffenen Corona-Mobilisierung konfrontiert, die berechtigte Existenzängste und Unbehagen gegenüber den staatlichen Eingriffen in die Grundrechte mit Esoterik, verschwörungsideologischer Verblödung, neoliberalem Sozialchauvinismus und offen antisemitischer bis neofaschistischer Hetze verbindet. Rechte Akteure spielen bundesweit mittlerweile führende Rollen.
Die politische Antwort von links muss insofern zweigleisig agieren: Einerseits den Widerstand gegen die realen Folgen des Ausnahmezustands in Form des nächsten großen kapitalistischen Krisenschubs vorantreiben, sowie Grundrechte wie Versammlungsfreiheit verantwortungsvoll verteidigen. Andererseits darf es keine falschen Zugeständnisse geben, wenn solidarisches Handeln zum Schutze von gefährdeten Personen von Sozialchauvinist*innen negiert und bewusst angegriffen wird, wenn irrationaler Aberglaube diskursfähig wird, wenn Antisemitismus als legitime „Meinung“ gilt und wenn Faschist*innen mit- oder voranmarschieren.
Auch in den nächsten Wochen wird daher antifaschistischer Widerspruch nötig sein. Diesen gemeinsam den vereinigten „Corona-Skeptiker*innen“ entgegenzusetzen und politisch sinnvoll zu vermitteln, wird die Aufgabe aller Kieler Antifaschist*innen sein.
(Quelle: Revolutionsstadt Kiel,
https://de-de.facebook.com/RevolutionsstadtKiel/)