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01.02.2011 Die Grünen erleben derzeit eine eigenartige Renaissance und bestätigen damit einmal mehr, wie schlecht des kollektive Gedächtnis der hiesigen Öffentlichkeit ist. Der mediale Mainstream schreibt die ehemalige Friedens- und Protestpartei seit einigen Monaten zur „Dagegen-Partei“ hoch.
Sehr erfolgreich, wie die Meinungsumfragen zeigen. Die Partei ist offensichtlich in der Lage, einen erheblichen Teil des weitverbreiteten Unmuts über konzernhörige Energiepolitik, Großbauprojekte und Entmündigung der Bürger in potenzielle Unterstützung am Wahltag für sich umzumünzen. Aber war da nicht etwas? Hat diese Partei nicht schon in diversen Regierungen gesessen und sich dabei eine reichlich schmutzige Weste geholt? Haben ihre Politiker nicht gelogen, dass sich die Balken bogen, um 1998 den Angriff auf Jugoslawien zu rechtfertigen? Haben sie nicht auch den Krieg gegen Afghanistan gutgeheißen? Haben grüne Minister nicht zugeschaut, wie deutsche Staatsbürger von US-Geheimdiensten entführt und gefoltert wurden? Haben nicht grüne Abgeordnete auch in der Opposition noch wiederholt für die Verlängerung des Afghanistan-Mandats gestimmt?
Und dann die Wirtschafts- und Sozialpolitik? War da nicht was mit Hartz IV? Und wer gehörte in den 1990ern zu den eifrigsten Verfechtern von Liberalisierung und Privatisierung? Schon Anfang der 1990er haben die Grünen der sogenannten Bahnreform zugestimmt. Die damit eingeführte Gewinnorientierung des Unternehmens bildete die Grundlage für das winterliche Bahnchaos im Dezember. Auch in Kiel haben die Grünen seinerzeit dem Verkauf von 51 Prozent der Stadtwerke-Anteile zugestimmt. Das Ergebnis ist bekannt: Massiver Lohnverlust bei der KVG und Arbeitsplätzeabbau bei den Stadtwerken und deren Zulieferern.
Gelernt hat man wenig aus all dem: In Berlin macht die ehemalige Umweltpartei Wahlkampf damit, dass sie eine öffentliche Ausschreibung der S-Bahn-Strecken fordert. Nach dem die Bahn AG das einst vorbildliche Unternehmen mehr oder weniger gegen die Wand gefahren hat – nicht ohne etliche 100 Millionen an Gewinn aus ihm herauszupressen – soll nun erst so richtig privatisiert werden.
Natürlich hat der sich abzeichnende grüne Wahlerfolg auch viel mit der Unfähigkeit der Linkspartei zu tun, sich als die eigentliche Protestpartei zu etablieren. Aber das ist Stoff für einen anderen Kommentar.
(wop)