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Hexenjagd:

Die Repression in Spanien gegen antifaschistische Proteste nimmt zu


#cazadebrujas. Das Hashtag machte am 28. November unter spanischen Usern die Runde, in der radikalen linken Zeitung „Diagonal“ läuft die Berichterstattung über eine Verhaftungswelle seitens der Aufstandsbekämpfungseinheit der Nationalpolizei unter diesem Stichwort: Hexenjagd. 19 bekannte aktive Linke wurden an diesem Tag in besetzten Häusern, in der elterlichen Wohnung oder auf der Arbeit in Madrid verhaftet. Die Vertreterin der Regierung in der Region, Cristina Cifuentes, twitterte während die Verhaftungen noch liefen: „Die Polizei hat 14 Personen der extremen Linken, Teilnehmer des Angriffs auf die Rechtsfakultät am 20. November, festgenommen“. Später erklärte sie noch, die Verhafteten seien vorbestrafte und polizeibekannte „mutmaßliche Verbrecher“. Im Internetportal der konservativen Zeitung ABC wurden die Verhafteten bald darauf in einem Film präsentiert: mit gut erkennbaren Gesichteren war zu sehen, wie sie durch ein Polizeispalier gehen mussten. Gloria García Molina, Mutter eines Verhafteten, empörte sich in einem von der IC, “Kastillischen Linken” Anfang Dezember veröffentlichten Brief: “Wo bleibt denn da die Unschuldsvermutung?” Eine Demonstration vor der Polizeistation in Morataluz, wo die Verhafteten verhört wurden, wurde von der Aufstandsbekämpfungsbrigade der Nationalpolizei rabiat aufgelöst, berichtete die besorgte Mutter, und stellte fest: “Was bleibt den Jugendlichen? Die Arbeitslosigkeit, Emigrieren, Betteln, Studiern für nichts”, so Gloria García Molina: “Und wenn sie protestieren, werden sie verhaftet, geschlagen, beleidigt, bestraft?” Cristina Cifuentes erklärte umgehend, die Kundgebung vor der Polizeistation sei nicht angemeldet gewesen, es sei im Internet von “ultraizquierdistas” und “antisistemas” aufgerufen worden – ein klarer Fall für die Polizeibrigade, die für Terrorismus und gewalttätige Gruppierungen zustandig sei. Bei der Auflösung der Kundgebung kam es zu 11 weiteren Festnahmen, wegen Widerstand und angeblichen Angriffen auf Polizisten. Am nächsten Tag wurden alle verhafteten unter Auflagen freigelassen.

Cifuentes betonte, die 19 bei der Razzia “Verhafteten werden beschuldigt, Schäden und Verletzungen verursacht zu haben und Vergehen gegen die Wahrnehmung fundamentaler Rechte und Freiheiten begangen zu haben, erschwerend haben sie aus Hass gehandelt”. Die bei der Razzia Verhafteten sind allesamt bekannte Aktive aus antifaschistischen und radikalen linken Gruppen: Mitglieder der Anarchistischen Jugend, Anarchosyndikalisten der Gewerkschaft CNT, Mitglieder von der IC und den Bukaneros. Die Bukaneros sind eine bekannte, große Fußballfangruppe des spanischen Erstligisten Rayo Vallecano. Die Regierungsvertreterin und die Polizei legten mi Dezember ein paar Behauptungen über die vermeintliche Gefährlichkeit nach. Insbesondere, nachdem die Familienangehörigen eines bekannten verhafteten Bukaneros erklärt hatten, dieser sei weder “gefährlich” noch “gewalttätig” und könne im Übrigen die ihm vorgeworfenen Taten nicht begangen haben, weil er sich zur fraglichen Zeit auf einer Familienfeier befunden habe. Cifuentes liess sich daraufhin über einige “Elemente” bei den Bukaneros aus: “Es gibt eine kleine Gruppe, die enge Verbindungen zu radikalen Gruppen der Ultralinken hat, die mit dem abertzalen Umfeld und der Kastilischen Linken zu tun haben”. Abertzales Umfeld, damit meint sie militante ETA-nahestehende BaskInnen. Die Ultralinken würden im Übrigen ständig gewaltätig auf die Polizei und Andersdenkende losgehen.

So soll es, laut Polizei, Cifuentes und dem Foro Universitario Francisco de Vitoria, auch am 20. November gewesen sein. Am Todestag des großen Führers der spanischen Faschisten und Diktators Francisco Franco werden jährlich Kundgebungen zum ehrenden Andenken an ihn durchgeführt. So auch in diesem Jahr. Aber die Förderation Anarchistischer Jugendlicher drehte den Spieß um um rief für den 20. 11. zu einer Demonstration “gegen die Faschismen und das Kapital” auf. Im Aufruf wird betont, dass Spaniens autoritäre Herrschaft elemente faschistischer Herrschaft beinnhalte, jede autoritäre Herrrschaft, jeder Staat bekämpft werden müsse – und dem verstärkten Auftreten von neofaschistischen Gruppen wie “Respuesta Estudiantil” oder der “Liga Joven” entschieden entgegengetreten werden müsse. Die Demonstration endete auf demn Campus der Universität Complutense in Madrid, vor der Juristischen Fakultät. Eine kleine Gruppe von etwa 40 Aktiven ging - für die Polizei überraschend -  maskiert in die Rechtsfakultät zum Büro des Foro Universitario Francisco de Vitoria, Dort wurden ein paar Tische umgeworfen, ein Monitor landete auf dem Boden. Niemand wurde bei der kurzen Aktion verhaftet oder identifiziert. Fünf Mitglieder des Foro erklärten hinterher, sie seien angegriffen und verletzt worden. Der eine erklärte, jemand sei mit dem Feuerlösxcher auf ihn losgegangen, der Sprecher des Foro, Marcos Gambra, stellte das ganze als paramilitärischen Angriff eines mit Motorradhelmen und Baseballschlägern ausgerüsteten Schlägertrupp dar. Er wisse gar nicht, warum sie angegriffen worden seien, sie seien zwar konservativ, aber moderat. In den großen Medien des Landes war die Aufregung groß über den Angriff auf die Meinungsfreiheit und die universitäre Lehre. Übersehen wurde dabei gerne, warum das Büro des Foro attackiert wurde. An der Rechtsfakultät gibt es nur eine nichtrechte Astudierendengruppe, die UEP-ei, Vereinigung linker Studierender. Die hatte im November 2010 vorgeschlagen, die katholische Kapelle an der Fakultät zu schliessen. Das Foro reagierte mit einem Transparent, dass mi Foyer aufgehängt wurde, auf dem stand: “Jetzt zeigt sich wieder dass die Roten Spinner sind (weg mit ihnen!!) So sehr sie sich auch aufregen, heute, wie 1939, werden wir gewinnen und die Kapelle wird bleiben!!” In den folgenden Monaten wurden die Aktiven der UEP-ei masiv bedroht, einzelne niedergeschlagen.

Das Foro hat sich nicht nur dieses eine Mal positiv auf den Sieg Francos über die spanische Republik bezogen: Im Mai veranstaltete das Foro eine große Konferenz, auf der bekannte Geschichtsrevisionisten wie Ángel David Martín Rubio o Pío Moa die Verbrechen des Francoregimes mi Bürgerkrieg und danach zu “Mythen” erklärten und leugneten. Das Gedenken der Opferverbände des Bürgerkriegs sei ein großer Betrug. Dass auch mal Vertreter der neofaschistischen Jugendorganisation “Respuesta Estudiantil” beim Foro auftraten, verwundert da nicht mehr. Bezeichnend aber, dass sich Francoanhänger in der breiten Öffentlichkeit als Opfer antifaschistischer Linker inszenieren können, ohne dass ihr eigenes Agieren hinterfragt wird. Während antifaschistische Linke kriminalisiert werden. Auch willkürlich, wie jetzt Ende November, als die Aufstandsbekämpfungseinheiten offensichtlich einfach in ihre Datei schauten nach bekannten Aktivistinen der an der Demo vom 20. Nevember beteiligten Organisationen. So kamen die Verhaftungen zustande, ohne konkreten Verdacht. Reine Einschüchterung, Repression gegen Andersdenkenke, gegen AntifaschistInnen.



Gaston Kirsche