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Dänemarks Linke und der Libyen-Krieg:

Überraschendes Zurückrudern

01. Mai 2011 Am 18. März hatte das dänischen Parlament am 18.3. für die Entsendung von Kampfflugzeugen gestimmt. Auch die Abgeordneten der links-sozialistischen Einheitsliste votierten für den Kampfeinsatz. Zwei Wochen später kam der überraschende Rückzug: Da die Mission ihren Charakter geändert habe und eine Seite im Bürgerkrieg unterstütze, sei das Ziel der Aktion nicht mehr erfüllt. Deshalb könne man die Intervention nicht mehr unterstützen, so der Beschluss des geschaftsführenden Parteivorstandes.

Keine Waffenruhe, sondern Parteinahme

Frank Aaen, verteidigungspolitischer Sprecher und Fraktionsvorsitzender, meinte zur Begründung: „Seit letztem Freitag ist es geglückt, Gaddafi und seine Angriffe auf die Zivilbevölkerung zu stoppen. Dies war ein richtiger Beschluss, und wir sind froh darüber, dass wir diesen mitgetragen haben. Es ist (jedoch, S.G.) 

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Frank Aaen, verteidigungspolitischer Sprecher und Fraktionsvorsitzender der „Einheitsliste“ (dän. Linke)

nicht die militärische Aufgabe, die eine Konfliktpartei in einem Bürgerkrieg zu stützen.“ Die Bedingungen für die Unterstützung des dänischen Einsatzes seien nicht mehr gegeben. „Es war entscheidend für uns, dass das politische Ziel eine Waffenruhe und Verhandlungen ist. Und wir müssen hier schlussfolgern, dass hier kein ernsthafter Versuch gemacht wurde, auch wenn das Punkt Nummer Eins in der UNO-Resolution ist.“ Die Einheitsliste werde dafür arbeiten, die UNO wieder einzubeziehen. Die Kosten eines langen Krieges seien zu groß.

Glätten der Wogen?

Unverständlich bleibt, warum dieser Sinneswandel jetzt einsetzt. Zwar ist die Einsicht aus Sicht der Friedensbewegung zu begrüßen, unbeantwortet bleibt jedoch, warum die Parteiführung 12 Tage lang die Mission unterstützte. Nach wie vor fehlt auch eine Analyse der UNO, welche Mächte dort tonangebend sind und ob überhaupt UNO-geführte Interventionen geeignet sind, Konflikte zu lösen. Hans Jørgen Vad, Vertreter der Minderheit im Parteivorstand, sieht den Rückzug vor allem als Zugeständnis an die parteiinternen KritikerInnen und die Anti-Kriegs-Bewegung, die sowohl schriftlich und in Debattenbeiträgen ihrem Unmut Luft gemacht hatten. Auch auf der Demonstration gegen den Krieg am 26. März wurde der Pro-Interventions-Beschluss scharf kritisiert. Der neue Beschluss  hat deshalb auch nach Meinung des kommunistischen Bloggers Kristian die Funktion, die Ruhe in der Partei wieder herzustellen und die Reihen vor dem bevorstehenden Wahlkampf zu schließen. Ich würde dem noch den Umstand hinzufügen, dass die Einheitsliste auch in der Europäischen Linken mit ihrer Pro-Kriegs-Haltung isoliert war.

Weiterhin bleibt der Aufbau einer starken Bewegung gegen den Krieg die Aufgabe aller Linken und Friedenskräfte. Es bleibt daher spannend zu verfolgen, wie sich die dänische Linke insgesamt und die Einheitsliste im Speziellen gegenüber der Rechts-Regierung und ihrer Politik des Krieges und des Abbaus des Sozialstaates verhält.

Anfang April gab es in Kopenhagen eine weitere Antikriegsdemo. Dem organisierenden Bündnis „Stoppt den Krieg in Libyen“ gehörten nicht nur kommunistische und Friedensgruppen an, sondern auch die der Einheitsliste nahestehende Jugendorganisation SUF, welche sich erstmals im Widerspruch zur „Mutterpartei“ befindet. Auch in Århus hat mittlerweile eine Demonstration stattgefunden.

Nach dem Erfolg der ersten Demonstration beschloss das Bündnis für den 9. April, dem Jahrestag der Befreiung Dänemarks, erneut zu einem Protest aufzurufen. Eine Woche zuvor hatte eine Demonstration für einen Regierungs- und Politikwechsel stattgefunden, auf welcher auch der Protest gegen die Beteiligung Dänemarks am Libyen-Einsatz eine Rolle spielte.

Wermutstropfen

Wie in anderen Ländern auch, ist in Dänemark keine Kriegsbegeisterung zu spüren und ca. ein Drittel der Bevölkerung lehnen den Einsatz ab. Bedauerlicherweise führt dies aber nicht zu einer Stärkung der Anti-Kriegs-Bewegung, eher im Gegenteil. So nahmen an der Demonstration am Samstag mit 200 nur halb so viele Menschen wie an der ersten teil. Die Redner, darunter auch ein Parlamentskandidat der Einheitsliste, der in Opposition zur Parteiführung steht, riefen deshalb auch zu einer Stärkung und Verbreiterung des Widerstandes auf und warnten vor der Verblendung durch die Medienpropaganda. Sie erklärten sich solidarisch mit den demokratischen Massenbewegungen im Nahen Osten. Unerklärlich und ärgerlich war der Auftritt des Parlamentskandidaten der fundamentaslistischen Christendemokraten, Bjarne Nederby Jessen, der auf seiner Homepage gegen Abtreibung und die Homo-Ehe wettert. Das von IS (in Deutschland Marx21) dominierte Vorbereitungskommitee war jedoch zu einer Ausladung nicht bereit. Breiter, über Parteigrenzen reichender Widerstand gegen Kriegspolitik ist grad wegen der momentan noch recht schwachen Friedensbewegung nötig, erfordert aber dennoch ein Mindestmaß an politischer Klarheit.

 (Stefan Godau, Kopenhagen)