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Zum Bericht „Ein Schirm für den Osten“, KN vom 8.7.16, von Uwe Koch

Die eigene Sicherheit hat die Sicherheit des Anderen zur Voraussetzung!

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Spontan nach der Demonstration gegen die Kiel Conference zogen einige TeilnehmerInnen zum Werbetruck der Bundeswehr an die Kielline. Auch auf der Kieler Woche sollte kein Platz sein für das "Werben fürs Sterben". Foto: Ulf Stephan/r-mediabase.eu 

01. August 2016 Als Bürgerin des Werft- und Marine-Standorts Kiel fühle ich mich durch die Muskelspiele der NATO nicht geschützt, sondern bedroht! Denn sollte es zu einer kriegerischen Eskalation kommen, dann sind Orte in Deutschland wie Ramstein, Stuttgart mit Africom aber auch Kiel erste Ziele! Deutschland und Europa würden zum Schlachtfeld eines irgendwann atomar eskalierenden Krieges!

In der Bildunterschrift unter dem relativ einseitigen Artikel wird das „symbolträchtige NATO-Manöver Anaconda“ erwähnt! Würden Sie sich gegenüber einer Anaconda, einer Riesenschlange, die ihre Beute durch Umschlingung tötet, sicher fühlen? Wenn wir uns in die Besorgnis der Balten vor einer russischen Invasion einfühlen können, weil dadurch die im Kalten Krieg bei uns kräftig geschürte Angst „die Russen kommen“ wieder angeheizt wird, sollten wir dann nicht auch versuchen, die russische Seite zu verstehen? Muss sich Russland nicht durch die „Umschlingung“ durch zahllose US-Stützpunkte sowie durch die Osterweiterung der NATO mindestens ebenso bedroht fühlen?

Durch den pro-westlichen „Regime-Change“ in der Ukraine verlor Russland einen weiteren Pufferstaat, der zur eigenen Sicherheit wichtig war. Dass die völkerrechtswidrige Annexion der Krim mit dem für die russische Schwarzmeerflotte existentiell wichtigen Hafen Sewastopol direkt nach dem Sturz der prorussischen ukrainischen Regierung erfolgte, zeigt doch, wie das eine das andere nach sich zieht und jetzt wieder als Begründung für den Aufmarsch der NATO dient. Zur Angstabwehr wird nach militärischer Abschreckung gerufen. Ein naheliegender, aber fataler Reflex, der den Rüstungswettlauf – zur Freude der Rüstungsindustrie – anheizt.

Sollten wir uns nicht in russische Menschen einfühlen können, dass dadurch das kollektive russische Trauma der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs reaktiviert und russischer Nationalismus befeuert wird, der mit den im Westen und Osteuropa erstarkenden nationalistischen Strömungen eine gefährliche Mischung bildet? Müssen wir aus den vielen Beinahe-Atomkriegen im Kalten Krieg nicht endlich lernen, dass die eigene Sicherheit wesentlich vom Sicherheitsgefühl des Anderen abhängt! Da die erleichtert begrüßten Abrüstungsverhandlungen eher zur Modernisierung von Atomwaffen geführt haben, sollte statt auf Abschreckung, die mit der gefährlichen Tendenz eines Krieges verbunden ist, eine auf rein defensive Landesverteidigung ausgerichtete Militärstrategie angestrebt werden, wie dies auch im Grundgesetz gefordert wird.

Vertrauensbildende Maßnahmen, Dialog statt Konfrontation, Handelsbeziehungen statt deren selbstschädigender Abbruch infolge der Sanktionen, kultureller Austausch, Städtepartnerschaften, all das haben wir doch glücklicherweise in der deutsch-französischen Freundschaft gelernt!


(Dr. med. Mechthild Klingenburg-Vogel, Kiel)