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Ratsversammlung diskutiert Wohnungsbau in Kiel:
"...das Baugesetzbuch kann ich nicht sprengen"
01. Dezember 2017 Über drei Stunden debattierte am 16.11. die Kieler Ratsversammlung über den Wohnungsnotstand in der Landeshauptstadt. Auf die in der Fragestunde von Andreas Meyer (attac) und Jan Dreckmann (Paritätischer) vom Kieler Bündnis "Wir machen Stadt" gestellte Fragen zu Wohnungssituation, Mietpreisen, Wohnungs- und Obdachlosigkeit antworte der für Wohnen zuständige Stadtrat Gerwin Stöcken (SPD):
"Im Masterplan Wohnen vom März 2015 heißt es: Bei allen Bauprojekten, insbesondere bei Ausschreibung von Flächen im städtischen Eigentum, wird eine Balance zwischen gefördertem Wohnen, Eigentum und Komfortwohnungen angestrebt. Die Stadt hat städtische Grundstücke mit einer verpflichtenden Quote für den geförderten Wohnraum für den Wohnungsbau ausschrieben (Regelfall 30%). Private Investoren nicht immer daran interessiert, sich auf die langfristigen Bindungen der sozialen Wohnraumförderung einzulassen. Der Oberbürgermeister, die Stadtbaurätin und ich thematisieren diese Fragestellungen bei jedem Zusammentreffen und werben für den sozialen Wohnungsbau auf allen Ebenen. Aber: Das Baugesetzbuch kann ich nicht sprengen," deshalb könne er die privaten Investoren nicht zwingen, preiswerten Wohnraum zu schaffen.
Zur Frage der Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft: "Gemeinsam mit dem Land wird derzeit an einer Expertise für die notwendigen Voraussetzungen für die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft gearbeitet. Ich gehe davon aus, dass wir der Ratsversammlung noch vor der Kommunalwahl einen Vorschlag zur Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft unterbreiten können."
Stöcken zur Frage der Wohnunslosigkeit in Kiel: "36 Personen leben auf der Straße, könnten aber auch sofort eine Notunterkunft erhalten, wenn sie es wollten und es gibt 700 Wohnungslose, die in Hotels oder Gemeinschaftsunterkünften 'untergebracht' sind. 264 leben bei Verwandten und Bekannten." Es gibt in diesem Jahr bisher 288 Anträge auf Übernahme von Mietschulden, in 281 Fällen seien diese Anträge von der Stadt positiv beschieden worden. Stöcken musste eingestehen, dass es für bestimmte Personengruppen äußerst schwer sei, Wohnungen zu finden, da Vermieter durch die Bank Schufa-Auskünfte und Vormieterbescheinigungen verlangten.
Über weite Strecken wurde die Ratssitzung von SPD und Grünen zum Warmlaufen auf den kommenden Kommunalwahlkampf genutzt, was in der beiderseitig sehr eindimensional geführten Debatte "für oder wider Verkehrslandeplatz Holtenau – Suchsdorf West" zum Ausdruck kam. In der durchaus berechtigten Kritik Lutz Oschmanns (Grüne) an der "Zwischenbilanz Masterplan Wohnen" der Stadt fiel einem unwillkürlich der Spruch ein: "Die größten Kritiker Elche waren früher selber welche" – waren die Grünen doch seit Jahrzehnten gemeinsam mit der SPD für die Ausrichtung der Wohnungspolitik mit verantwortlich, namentlich Lutz Oschmann und Peter Todeskino.
Die Ergebnisse der Ratssitzung: Neben der Annahme des von der SPD eingebrachten Beschlusses "Keine Tabus: Auch Suchsdorf-West für Wohnungsbau berücksichtigen" wurde noch ein gemeinsam von SPD, SSW und LINKEN eingebrachter Antrag angenommen, der den Landtag und die Landesregierung zur Schaffung eines Wohnraumschutzgesetztes auffordert. Dies würde eine gesetzliche Grundlage dafür schaffen, leerstehende oder zweckentfremdeten Wohnraum wieder für Wohnzwecke zur Verfügung zu stellen. CDU und FDP stimmten gegen diesen Antrag, die Grünen enthielten sich.
Etwas Amüsantes zu diesem ernsthaften Thema wusste zuletzt Bürgermeister Ulf Kämpfer noch beizutragen: So versuchte er die Grünen wieder in sein Boot (pro Flughafen) zu holen, in dem er ihnen einen "Bio-Flughafen" Holtenau schmackhaft zu machen suchte. Als nachahmenswertes Beispiel nannte er den Flughafen Stuttgart, wo er persönlich gesehen habe, wie dort grüne Inseln mit vielfältiger Flora und Fauna gediehen und sogar ganze Bienenvölker heimische geworden seien.
(gst)