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Arbeitskämpfe:

Hände weg vom Streikrecht

01.05.2012 In einer Pressemitteilung der „Familienunternehmer“ vom 22.02.2011 konnte man folgendes lesen. „DIE FAMILIENUNTERNEHMER fordern vor dem Hintergrund des Fluglotsen-Streiks am Drehkreuz Frankfurt eine Neuregelung des deutschen Streikrechts. ... Es ist wirtschaftlich nicht hinnehmbar, dass Kleinst-Gewerkschaften aber auch Verdi & Co. ökonomische Kollateralschäden in der gesamten Wirtschaft verursachen.
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Das bisher vor allem durch Richterrecht geprägte Streikrecht wird der wachsenden Anzahl von Gewerkschaften nicht mehr gerecht. Der Gesetzgeber muss klar regeln, dass die verschiedenen Gewerkschaften in den Unternehmen künftig nicht permanent streiken dürfen.“ Lutz Goebel forderte weiter: „Für die Bereiche der öffentlichen Infrastruktur, in denen die Erpressungsmacht besonders groß ist, müssen verpflichtende Schlichtungsverfahren und eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit in das Streikrecht aufgenommen werden. Das mag dem DGB missfallen, aber auch seine Mitgliedsgewerkschaften haben ihre Erpressungsmacht im ÖPNV und in Kinderbetreuungseinrichtungen immer wieder gegen alle anderen Arbeitnehmer und die gesamte Wirtschaft ausgenutzt.“

Eine Professoreninitiative hat im Auftrag der Carl Friedrich v. Weizsäcker Stiftung den Entwurf eines „Gesetz[es] zur Regelung kollektiver Arbeitskonflikte in der Daseinsvorsorge“ vorgelegt.  Am 20. März 2012 wurde diese Professoreninitiative der Profitpresse vorgestellt. Der Entwurf hat sich zum Ziel gesetzt, die Kollateralschäden (!!??) kollektiver Arbeitskämpfe abzumildern, damit die Allgemeinheit nicht übermäßig eingeschränkt wird.  Der Entwurf nennt als Daseinsvorsorge folgenden Bereich: Medizinische und pflegerische Versorgung, Versorgung mit Energie und Wasser, Feuerwehr, Bestattung, Entsorgung, Landesverteidigung und innere Sicherheit, Verkehr, Erziehungswesen und Kinderbetreuung, Kommunikationsinfrastruktur, Versorgung mit Bargeld und den Zahlungsverkehr.

Die Professoreninitiative setzt auf 4 Vorgaben um Streiks in der Daseinsvorsorge zu beschränken.
1. Jeder Streik in der Daseinsvorsorge ist vier Tage im Voraus anzukündigen, damit sich die „Opfer“ auf ihn einstellen können.

2. Um die erforderliche Grundversorgung sicherzustellen, werden die Arbeitskampf-Parteien verpflichtet, einen Notdienst aufrechtzuerhalten, der vor einer besonderen Einigungsstelle auf Bundes- oder Landesebene erzwungen werden kann; ohne Notdiensts-Regelung ist der Arbeitskampf von vornherein unzulässig.
3. Der Streik in der Daseinsvorsorge ist nur nach qualifizierter Urabstimmung der Gewerkschaft zulässig. Damit wird die Urabstimmung vom autonomen Verbandsinternum zur externen Zulässigkeitsvoraussetzung des Arbeitskampfes – weil ein Arbeitskampf, den nicht einmal die Mitglieder mehrheitlich für nötig halten, auch Dritten nicht zugemutet werden kann und deshalb das ultima-ratio-Prinzip verletzt.
4. Schließlich darf in den Wirtschaftszweigen der Daseinsvorsorge erst gestreikt werden, wenn zuvor ein Schlichtungsversuch unternommen wurde.

„In der Praxis hiesse das, dass in den meisten der genannten Bereiche der Streikbruch und das Unterlaufen des Streiks systematisch vorbereitet werden könnten durch Verlagerung von Arbeiten, Einstellen von Streikbrechern usw. In gewerkschaftliche Rechte soll massiv eingegriffen werden. So sollen Urabstimmungen nicht mehr in Gewerkschaftssatzungen, sondern per Gesetz geregelt, eine Zwangsschlichtung eingeführt und Mindestquoren für den Anteil der Betroffenen in einem Betrieb oder in einer Branche festgelegt werden, die Voraussetzung für einen legalen Streik wären. Das geht noch über die erneut von den Unternehmern, der Bundesregierung und der SPD-Führung betriebene gesetzliche Regelung einer „Tarifeinheit 2.0“ hinaus.“ (Volker Metzroth, DKP)

Auch das Streikrecht wird wie jedes andere  Recht durch kollidierende Rechtsgüter Dritter beschränkt. Die unmittelbaren Streikgegner (Arbeitgeber) werden nur durch das Verbot des Vernichtungsstreiks geschützt. Für Dritte und die Allgemeinheit stellt sich die Frage  anders, da sie im Arbeitskampf nicht direkt beteiligt sind, aber auf die durch Streiks entfallende Leistung (z. B. für Pendler, Müllabfuhr) angewiesen sind.

Bereits im November 1920 wurde durch Verordnung des Reichspräsidenten der Arbeitskampf in Betrieben reguliert, welche die Bevölkerung mit Gas, Wasser, Elektrizität versorgten.

Das Streikrecht ist durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich garantiert. Das Streikrecht wird insofern von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestimmt. Das Bundesarbeitsgericht hat folgende Rechtmäßigkeitsanforderungen aufgestellt:

1) Die Tarifverhandlungen müssen gescheitert sein.
2) Der Streik muss ein Ziel haben, das Gegenstand eines Tarifvertrages sein kann. Zugleich bedeutet dies, dass der Tarifvertrag, der kampfweise durchgesetzt werden soll, einen rechtmäßigen Inhalt haben muss. Ein auf eine gesetzwidrige tarifliche Regelung gerichteter Arbeitskampf ist nicht erlaubt.
3) Der Streik darf erst beginnen, wenn die Friedenspflicht des gültigen Tarifvertrages erloschen ist. Die Friedenspflicht muss nicht besonders vereinbart werden. Sie ist vielmehr dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent. Dies gilt auch, wenn gegenüber einem verbandsangehörigen Arbeitgeber ein Firmentarifvertrag erstreikt werden soll (BAG 10.12.2002 - 1 AZR 96/02).
4) Der Streik muss verhältnismäßig sein, er muss insbesondere das letzte denkbare Mittel sein.
5) Der Streik muss von den zuständigen Organen der Gewerkschaft ordnungsgemäß beschlossen worden sein. Diese müssen den Arbeitgeber informiert haben.

Die Vorschriften des Arbeitssicherstellungsgesetzes nennen allerdings auch heute schon Bereiche, das zu ihrem Schutz die Streikmöglichkeit eingeschränkt werden kann:
§ 3 Voraussetzungen für die Sicherstellung von Arbeitsleistungen
Beschränkungen und Verpflichtungen nach § 2 sind im Verteidigungsfall zulässig. Beschränkungen und Verpflichtungen nach § 2 Nr. 1 und 2 sind außerdem nach Maßgabe des Artikels 12a Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 2 des Grundgesetzes zulässig. Die Verpflichtung zu Ausbildungsveranstaltungen (§ 29) ist auch zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 nicht gegeben sind.

§ 4 Anwendungsbereich
(1) Verpflichtungen und Beschränkungen nach § 2 sind zulässig zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen
1. bei der Bundeswehr und bei den verbündeten Streitkräften,
2. bei Dienststellen des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden und der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
3. bei Verbänden und Einrichtungen des Zivilschutzes,
4. in Betrieben der Wasser- und Energieversorgung sowie der Abwasser- und Abfallbeseitigung,
5. in Krankenanstalten und anderen Einrichtungen, in denen pflegebedürftige Personen betreut werden,
6. in Betrieben der Mineralölversorgung,
7. in Verkehrsunternehmen einschließlich Unternehmen des Personen- und Güterbeförderungsgewerbes in der See- und Binnenschifffahrt,
8. bei der Deutschen Post AG, der Deutschen Postbank AG und der Deutschen Telekom AG sowie bei Unternehmen nach § 2 Nr. 2 und 3 des Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetzes, soweit sie aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 3 des vorgenannten Gesetzes verpflichtet sind,
9. bei der nach § 31b Abs. 1 des Luftverkehrsgesetzes beauftragten Flugsicherungsorganisation.

(2) Über Absatz 1 hinaus kann die Bundesregierung nach Eintritt der Voraussetzungen für die Sicherstellung von Arbeitsleistungen (§ 3) durch Rechtsverordnung bestimmen, dass Verpflichtungen und Beschränkungen auch in anderen Bereichen innerhalb des Anwendungsbereichs nach Artikel 12a Abs. 3, 4 und 6 des Grundgesetzes zulässig sind. Die Rechtsverordnung kann den Anwendungsbereich auch einschränken oder abgrenzen. Die Bundesregierung hat die Rechtsverordnung aufzuheben, wenn der Bundestag es verlangt. ...“
hg
   

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